Rev. mit Urteil vom 13.07.10 zurückgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 03.03.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger, der einen ambulanten Pflegedienst betreibt, begehrt von der beklagten Stadt die Übernahme von Kosten für die häusliche (ambulante) Pflege der verstorbenen D N (im Folgenden: Hilfeempfängerin).
Die Hilfeempfängerin beantragte erstmals am 15.11.2004 Hilfe zur Pflege. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung hatte mit Gutachten vom 11.08.2004 das Vorliegen der Voraussetzungen für die Pflegestufe II nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) festgestellt. Die Firma des Klägers führte die ambulante Pflege der Hilfeempfänger in deren häuslichem Umfeld seit dem 01.06.2005 durch.
Mit Bescheid vom 03.01.2006 gewährte die Beklagte der Hilfeempfängerin Hilfe zur Pflege gemäß § 65 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) für die Zeit ab 01.06.2005. Für den Zeitraum vom 01.06.2005 bis 30.09.2005 setzte sie den Eigenanteil der Sozialhilfeempfänger mit 282,65 Euro monatlich, für den Zeitraum vom 01.10.2005 bis 31.12.2005 mit 524,65 Euro monatlich und ab 01.01.06 mit 0,- Euro an. Ausschlaggebend für den festgesetzten Eigenanteil war ein monatliches Renteneinkommen bis zum 31.12.2005 in Höhe von 1.555,19 Euro, welches ab 01.01.2006 lediglich 933,11 Euro betrug. Im Umfang der Bewilligung erteilte die Beklagte ebenfalls mit Datum vom 03.01.2006 Kostengarantien für den Kläger. Diesen war eine Aufstellung beigefügt, aus der sich die berücksichtigten Leistungsarten, Leistungskomplexe und die jeweilige Häufigkeit der einzelnen Leistungen ergab.
Gegen den Bescheid vom 03.01.2006 wandte sich die Hilfeempfängerin mit Widerspruch vom 19.01.2006. Sie führte aus, die Beklagte habe den von ihr zu erbringenden Eigenanteil zu hoch festgesetzt, da die Angemessenheit des Einkommenseinsatzes gemäß § 87 Abs. 1 SGB XII nicht geprüft worden sei. Im Übrigen sei der tatsächliche Pflegebedarf nicht hinreichend berücksichtigt worden.
Nachdem die Hilfeempfängerin am 09.02.2006 verstorben war, wies die Beklagte die Hinterbliebenen mit Schreiben vom 03.03.2006 darauf hin, dass eine weitere Bearbeitung des Widerspruchs nicht erfolgen könne, da es sich bei Sozialhilfeansprüchen um Ansprüche höchstpersönlicher Art handele, die mit dem Tode des Hilfeempfängers untergingen. Mit Schreiben vom 12.04.2006 teilte der Kläger mit, er trete in das Widerspruchsverfahren der Hilfeempfängerin gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII ein und mache für den Zeitraum vom 01.06.2005 bis 31.12.2005 einen Betrag 14.741,75 Euro geltend. Inhaltlich schloss sich der Kläger im Wesentlichen der Argumentation der Hilfeempfängerin in ihren Widerspruch an. Zum tatsächlichen Pflegebedarf wurde ausgeführt, die Hilfeempfängerin habe einen Dauerkatheter getragen und aufgrund eines nervösen Reizdarmes mehrmals täglich (ca. 5 x) zur Toilette gehen müssen. Aus hygienischen Gründen sei es erforderlich gewesen, nach jedem Toilettengang den Intimbereich gründlich zu reinigen. Darüber hinaus sei die Hilfeempfängerin dreimal täglich mobilisiert worden, da diese ansonsten das Bett kaum noch verlassen hätte. Schließlich hätten für die Hilfeempfängerin täglich warme Speisen zubereitet werden müssen, da Angehörige, die dies hätten übernehmen können, nicht vorhanden gewesen seien.
Mit Schreiben vom gleichen Tage hat der Kläger einen eigenen Antrag eingereicht, da ihm in einem Telefonat bedeutet worden sei, die Beklagte vertrete die Auffassung, der Pflegedienst könne nicht in das Widerspruchsverfahren eintreten. In der Folgezeit ging die Beklagte zunächst ersichtlich davon aus, dass Ansprüche der Hilfeempfängerin gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII auf den Kläger übergegangen seien. Unter Berücksichtigung einer auf Veranlassung der Beklagten unter dem 06.06.2006 gefertigten Stellungnahme des Gesundheitsamtes (in Person von Frau Dr. T N1) gab der Beklagte dem Antrag mit Bescheid vom 20.06.2006 im Umfang von 2.986,88 Euro statt. Insoweit werde ein höherer tatsächlicher Pflegebedarf durch erforderliche Teilwaschungen im Intimbereich anerkannt. Ein höherer Pflegebedarf wegen erforderlicher Mobilisation sowie für die Zubereitung von warmen Mahlzeiten könne nicht anerkannt werden. Hinsichtlich des von der Hilfeempfängerin zu leistenden Eigenanteils sei die gegenüber der Hilfeempfängerin getroffene Entscheidung nicht zu beanstanden. Der angemessene Einkommenseinsatz gemäß § 87 Abs. 1 SGB XII betrage nach den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen und Erfahrungswerten bei Anerkennung der Pflegestufe II nach dem SGB XI bis zu 100 %. Gründe, die gegen ein Abweichen von dieser Regelung sprächen, seien nicht bekannt.
Mit Widerspruch vom 12.07.2006 machte der Kläger einen Betrag von 11.754,87 Euro geltend. Aufgrund weiteren Schriftwechsels sah sich die Beklagte veranlasst, von der Krankenkasse der Hilfeempfängerin ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 03.08.2005 beizuziehen. Darin gelangte der MDK zu dem Ergebnis, die Pflegestufe II liege weiterhin vor. Dabei finden sich eingehende Feststellungen zur Notwendigkeit der Körperhygiene. Im Übrigen wird von einer ständigen Beaufsichtigungspflicht durch den ambulanten Pflegedienst ausgegangen.
Mit Schreiben vom 01.09.2006 setzt sich die Beklagte in Bezug auf den tatsächlichen Pflegebedarf inhaltlich mit dem Gutachten des MdK auseinander, ohne höhere Leistungen anzuerkennen. Ausweislich eines Aktenvermerks vom 09.10.2006 erlangte die sachbearbeitende Stelle der Beklagten an diesem Tage Kenntnis davon, dass eine existierende Verfügung, wonach gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII auch Fremdpflegedienste ein eigenes Antragsrecht hätten, in Kürze aufgehoben werde. Man sei sich nunmehr einig, dass diese Vorschrift tatsächlich nur auf Pflegegeld sowie auf Leistungen für Einrichtungen anzuwenden sei.
Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 26.10.2006 zurück. Zur Begründung führte sie lediglich aus, die Voraussetzungen des § 19 Abs. 6 SGB XII lägen nicht vor, da die genannte Vorschrift für ambulante Dienste nicht anwendbar sei, sich vielmehr auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld beziehe.
Die hiergegen am 10.11.2006 beim Sozialgericht Dortmund erhobene Klage hat dieses nach Durchführung eines Erörterungstermins, in dem auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen worden ist, mit Gerichtsbescheid vom 03.03.2008 zurückgewiesen. Das Sozialgericht hat ausgeführt, die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die von ihr erbrachten Leistungen der häuslichen Pflege für die Zeit vom 01.06.2005 bis 31.12.2005. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus § 19 Abs. 6 SGB XII. Ambulante Leistungen stellten keine Leistungen für Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift dar. Abzustellen sei auf den Einrichtungsbegriff der §§ 13 und 75 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Das folge bereits aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 6 SGB XII, der diesen Einrichtungsbegriff uneingeschränkt verwende. Der Hilfeempfängerin habe im Übrigen auch kein Pflegegeld zugestanden. Pflegesachleistungen im Sinne von § 61 Abs. 2 S. 1 SGB XII und andere Leistungen im Sinne des § 65 Abs. 1 SGB XII begründeten keinen Anspruch nach § 19 Abs. 6 SGB XII. Bei den vom Kläger erbrachten ambulanten Leistungen handele es sich nicht um Leistungen gemäß § 74 SGB XII, sondern um andere Leistungen im Sinne des § 65 Abs. 1 S. 2 SGB XII.
Gegen den ihm am 17.03.2008 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 07.04.2008. Er ist der Auffassung, § 19 Abs. 6 SGB XII erfasse auch ambulante Pflegedienste und damit auch auf der Grundlage von § 65 SGB XII erbrachte ambulante Pflegeleistungen. Dies ergebe sich bereits aus der Gesetzesbegründung zur Vorgängervorschrift des § 28 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Im Übrigen sei die restriktive Auslegung des § 19 Abs. 6 SGB XII nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren, da ambulante Pflegedienste bei vergleichbarer Interessenlage in nicht zu rechtfertigender Weise etwa gegenüber den Trägern stationärer Einrichtungen benachteiligt würden. § 19 Abs. 6 SGB XII liege ein weiter Einrichtungsbegriff zugrunde. Schließlich seien als Pflegegeld im Sinne des § 19 Abs. 6 SGB XII zumindest auch Leistungen nach § 65 SGB XII zu verstehen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 03.03.2008 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihrer Bescheide vom 20.07.2006 und vom 26.10.2006 zu verurteilen, dem Kläger für die in der Zeit vom 01.07.2005 bis 31.12.2005 erbrachten Leistungen der häuslichen Pflege weiter Kosten in Höhe von 11.754,87 EUR zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest und dementsprechend die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Prozessakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Dabei kann dahinstehen, ob sich etwas anderes ergeben würde, wenn der Tod der Hilfeempfängerin erst im Laufe eines Klageverfahrens eingetreten wäre und der Kläger an deren Stelle das Verfahren fortführen wollte (vgl. zu einer solchen Konstellation OVG Bremen, Beschluss vom 28.11.2008 – S 3a 233/08). Unter Berücksichtigung des vom Kläger gestellten Antrags ist Klagegegenstand der Bescheid vom 20.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2006. Mit diesen Bescheiden ist ausdrücklich über Ansprüche des Klägers, die dieser unter Berufung auf § 19 Abs. 6 SGB XII beantragt hatte, entschieden worden. Dabei ist ohne Bedeutung, dass der Widerspruch der Hilfeempfängerin selbst gegen den Bescheid vom 03.01.2006 – auch durch den hier angefochtenen Widerspruchsbescheid – nicht beschieden wurde. Ein dem Anspruch des Klägers ggf. entgegenstehender bestandskräftiger Bescheid gegenüber der Hilfeempfängerin liegt jedenfalls nicht vor.
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage mangels Beschwer des Klägers im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG zu Recht abgewiesen.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Insbesondere kann er sich nicht mit Erfolg auf die Regelung des § 19 Abs. 6 SGB XII berufen. Danach steht der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld, soweit die Leistungen dem Berechtigten erbracht worden wären, nach deren Tode demjenigen zu, der die Leistungen erbracht hat oder die Pflege geleistet hat. Vorliegend ist eine Entscheidung über die Rechtsnatur des durch § 19 Abs. 6 SGB XII begründeten Anspruchs nicht erforderlich (vgl. hierzu etwa Beschluss des Senats vom 30.10.2006 – L 20 B 94/06 SO; Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 19 Rn. 36; Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 19 Rn. 58; vgl. auch BSG, Beschluss vom 01.09.2008 – B 8 SO 12/08 B).
Denn zu den von § 19 Abs. 6 SGB XII erfassten Ansprüchen zählen nicht die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Übernahme der Kosten für Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes. Es handelt sich bei den Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes nicht um Leistungen für Einrichtungen im Sinne von § 19 Abs. 6 SGB XII, da hierunter nur teilstationäre oder stationäre Leistungen fallen, nicht hingegen ambulante Leistungen. Unter Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift sind die in den §§ 13 und 75 Abs. 1 S. 1 SGB XII Genannten zu verstehen (vgl. W. Schellhorn/H. Schellhorn, SGB XII, § 19 Rn. 59). Der in der Literatur vertretenen Auffassung, die "Legaldefinition des § 13 Abs. 2" schließe Einrichtungen ein, die ambulante Leistungen erbringen, teilt der Senat nicht. § 13 Abs. 2 SGB XII enthält keineswegs eine entsprechende Legaldefinition des Begriffs der Einrichtungen. Vielmehr ergibt sich aus dem Wortlaut der Regelung des § 13 Abs. 1 S. 1 SGB XII zweifelsfrei, dass Leistungen für Einrichtungen im Sinne der Überschrift dieser Norm lediglich solche sind, in denen teilstationäre oder stationäre Leistungen erbracht werden. Die sprachliche Fassung des § 13 Abs. 1 S. 1 SGB XII "außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen)" kann in diesem Zusammenhang nicht anders als im Sinne einer negativen Abgrenzung zum Einrichtungsbegriff der Vorschrift verstanden werden. § 19 Abs. 6 SGB XII übernimmt die Begrifflichkeit "Leistungen für Einrichtungen". Zu Recht hat daher das OVG Bremen (a.a.O.) festgestellt, dass die abweichende Auffassung übersehe, dass § 13 Abs. 1 S. 1 SGB XII ausdrücklich zwischen Leistungen für die Deckung des Bedarfs außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen) und Leistungen für teilstationäre oder stationäre Einrichtungen (teilstationäre oder stationäre Leistungen) unterscheide. Aus der im Vergleich zu § 28 Abs. 2 BSHG geänderten sprachlichen Fassung von "Hilfe in einer Einrichtung" zu "Leistungen für Einrichtungen" lässt sich zur Überzeugung des Senats für die vom Kläger vertretene Auffassung daher nichts ableiten. Ausschlaggebend ist vielmehr die Gesetzessystematik. § 13 Abs. 2 SGB XII kann nicht losgelöst von § 13 Abs. 1 betrachtet werden. Der Auffassung, ein ambulanter Pflegedienst zähle zu den Einrichtungen im Sinne des § 13 Abs. 2 SGB XII (so auch Kramer, in: LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 13 Rn. 13) ist daher nicht beizutreten.
Ambulante Leistungen zählen in jedem Falle nicht zu den für Einrichtungen erbrachten Leistungen (vgl. OVG Bremen, a.a.O.; vgl. auch Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 13 Rn. 22).
Gesetzessystematisch spricht auch die Regelung des § 75 Abs. 1 S. 1 SGB XII dafür, dass § 13 Abs. 2 SGB XII nicht im Sinne des Klägers ausgelegt werden kann. Nach dieser Vorschrift sind Einrichtungen im Sinne des Zehnten Kapitels des SGB XII stationäre und teilstationäre Einrichtungen im Sinne von § 13 SGB XII. Damit wird allerdings keinesfalls zum Ausdruck gebracht, dass § 13 SGB XII weitere Einrichtungen erfasst. Vielmehr erscheint die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass § 75 und § 13 SGB XII ein einheitlicher Einrichtungsbegriff zugrunde liegt. Dass im Übrigen aus dem im Vergleich zu § 28 Abs. 2 BSHG geänderten Wortlaut weitere Schlussfolgerungen nicht möglich sind, ergibt sich schon aus der Gesetzesbegründung zum ursprünglichen § 19 Abs. 5 SGB XII, wenn dort ausgeführt ist, Abs. 5 übertrage den bisherigen § 28 Abs. 2 BSHG inhaltsgleich.
Der Senat ist daher mit der herrschenden Meinung in der einschlägigen Kommentar-Literatur (vgl. Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 19 Rn. 38; Linnhart/Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, § 19 SGB XII Rn. 77; W. Schellhorn/H. Schellhorn, SGB XII, 18. Aufl. 2005, § 19 Rn. 59; Dauber, in: Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Stand September 2008, § 19 SGB XII Rn. 38; Freudenberg, in: Jahn, SGB XII, § 19 Rn. 59; Groth, in: BeckOK, SGB XII § 19 Rn 24 – 27; a.A. ohne Begründung Seidel, in: Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 19 SGB XII Rn. 66; ebenso Wenzel, in: Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 4. Auflage 2009, § 19 SGB XII Rn. 8) der Auffassung, dass Kosten für einen ambulanten Pflegedienst von der Vorschrift des § 19 Abs. 6 SGB XII nicht erfasst werden.
Soweit die gegenteilige Auffassung sich auf die Entstehungsgeschichte des § 28 BSHG beruft (vgl. SG Hamburg, Urteil vom 14.03.2008 – S 58 SO 514/06; vgl. zur Vorgängervorschrift des § 28 BSHG auch VG Hannover, Urteil vom 28.01.2003 – 7 A 1408/01) vermag dies nicht zu überzeugen. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/3904 S. 45) heißt es zwar:
"Beansprucht jemand Sozialhilfe und stirbt vor der Entscheidung des Trägers der Sozialhilfe, so geht der Anspruch unter. Da bei der Hilfe in Einrichtungen oder bei ambulanter Pflege die Entscheidungen oftmals längere Zeit beanspruchen und die Leistungen bereits von Dritten erbracht werden, führt die geltende Rechtslage dazu, dass Einrichtungen und Pflegepersonen trotz berechtigten Vertrauens auf Leistungen der Sozialhilfe leer ausgehen. Dies erscheint nicht gerechtfertigt und erschwert schnelle Hilfe durch Dritte. Die Neuregelung verhindert dies, indem sie den Anspruch des Hilfesuchenden, soweit er bis zu dessen Tode zu erfüllen gewesen wäre, auf einen Dritten übergehen lässt."
Zur Überzeugung des Senats kann aber weder für § 28 BSHG (vgl. insoweit aber VG Hannover, a.a.O.) noch für die Vorschrift des § 19 Abs. 6 SGB XII von einem durch die Rechtsprechung zu korrigierenden redaktionellen Versehen des Gesetzgebers ausgegangen werden. Vielmehr bedürfte es angesichts des klaren Gesetzeswortlauts sowie der Gesetzessystematik deutlicherer Hinweise auf einen entsprechenden gesetzgeberischen Willen bzw. einer klarstellenden gesetzlichen Neuregelung.
Die hier vertretene restriktive Auslegung des § 19 Abs. 6 SGB XII führt zwar zu dem Ergebnis, dass etwa eine private Pflegeperson hinsichtlich des Anspruchs auf Pflegegeld geschützt wird, eine professionelle Pflegekraft hingegen nicht (kritisch hierzu VG Hannover, a.a.O.). Jedoch erscheint es durchaus nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber gerade private Pflegepersonen im Einklang mit den Zielsetzungen des SGB XI für besonders schützenswert hielt und die Träger von stationären Einrichtungen wegen der Häufigkeit des dortigen Auftretens der vom Gesetz erfassten Konstellation (Tod des Hilfebedürftigen) mit Blick auf die regelhaft auftretenden wirtschaftlichen Folgen ebenfalls. Insoweit sind unter Berücksichtigung eines weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums durchaus auch sachliche Gründe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG für die Differenzierung gegeben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei Leistungen in stationären oder teilstationären Einrichtungen die insgesamt auftretenden Kosten durch die Leistungen der Pflegeversicherung in aller Regel nur zu einem Teil abgedeckt werden.
Auch dem terminus "Pflegegeld" sind die auf der Grundlage des § 65 SGB XII erbrachten bzw. zu erbringenden Leistungen nicht zuzuordnen. Die Vorschrift knüpft ersichtlich an die Regelung des § 64 SGB XII an. Sonstige Leistungen, etwa im Sinne des § 65 SGB XII, sind dem eindeutigen Wortlaut nach nicht erfasst (vgl. auch Schellhorn, a.a.O., § 19 Rn. 60).
Weitere Ausführungen zur Höhe eines etwaigen Anspruchs erübrigen sich.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG. Der Kläger zählt zu dem gemäß § 183 S. 1 SGG privilegierten Personenkreis (vgl. BSG, Beschluss vom 01.09.2008 – B 8 SO 12/08 B; Beschluss des Senats vom 30.10.2006 – L 20 B 94/06 SO; andere Auffassung wohl LSG Berlin/Brandenburg, Beschluss vom 21.05.2008 – L 23 B 239/07 SF). Soweit der Kläger nach Auffassung des Senats zu Unrecht Ansprüche nach § 19 Abs. 6 SGB XII geltend macht, hebt dies die Kostenprivilegierung nicht auf (vgl. § 183 S. 3 SGG; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 183 Rn. 9).
Der Senat misst der Rechtsfrage, ob auch ambulante Pflegedienste der Vorschrift des § 19 Abs. 6 SGB XII unterfallen können, grundsätzliche Bedeutung bei (a.A. ohne Begründung OVG Bremen, a.a.O.), so dass die Revision zuzulassen ist.
Erstellt am: 16.09.2010
Zuletzt verändert am: 16.09.2010