Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin die Ausstellung eines Berechtigungsscheins für ein Sozialticket des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR).
Im Jahr 2012 bezogen zunächst sowohl der Antragsteller als auch seine Ehefrau Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Zeitgleich nutzten beide das durch die Stadt xxx geförderte Sozialticket. Mit Bescheid vom 23.03.2012 wurde dem Antragsteller für die Zeit ab dem 01.06.2012 eine Altersrente für langjährig Versicherte in Höhe von monatlich EUR 564,41 bewilligt. Weil sein Renteneinkommen seinen nach dem SGB II zu berücksichtigenden Bedarf aus Regelsatz und Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) überstieg, schied er aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II aus und wurde das den Bedarf des Antragstellers übersteigende Renteneinkommen bei der Berechnung der seiner Ehefrau nach dem SGB II zustehenden Leistungen in Abzug gebracht. Sowohl der Antragsteller als auch seine Ehefrau nutzten weiterhin das durch die Stadt xxx geförderte Sozialticket. Beide erhielten nach Einführung des VRR-SozialTickets zum 01.01.2013 ohne weiteres auch ein bis zum 30.06.2013 gültiges VRR-SozialTicket. Mit Schreiben vom 16.05.2013 forderten die xxx Stadtwerke d. Kl. auf, bis zum 15.06.2013 einen Nachweis über die Berechtigung zum Erwerb des VRR-SozialTicket (Berechtigtenausweis) vorzulegen, der beim zuständigen Sozialleistungsträger zu erhalten sei. Sofern bis zum 15.06.2013 kein entsprechender Nachweis vorliege, werde das VRR-SozialTicket zum 30.06.2013 gekündigt.
Unter dem 12.06.2013 beantrage der Antragsteller bei der Antragsgegnerin einen Berechtigtenausweis und fügte dem Antrag den Rentenbescheid vom 23.03.2012 sowie einen seine Ehefrau betreffenden SGB II-Bescheid vom 04.04.2013 bei.
Mit Schreiben vom 12.06.2013 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, ein Berechtigtenausweis könne nicht ausgestellt werden. In einem Schreiben vom 17.06.2013 bescheinigt sie dem Antragsteller, Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) nicht zu erhalten. In der Bescheinigung wird darauf hingewiesen, dass das übersteigende Einkommen des Antragstellers beim Jobcenter als Einkommen bei der Ehefrau angerechnet werde.
Am 18.06.2013 hat der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Dortmund gestellt.
Zur Begründung weist er darauf hin, dass er lediglich eine geringe Rente erhalte und auf das Sozialticket angewiesen sei.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihm einen Berechtigtenausweis zum Erwerb eines VRR-SozialTicket auszustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Auffassung, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf die Ausstellung eines Berechtigtenausweises. Einen solchen stelle sie als reine Serviceleistung für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt xxx aus, die bestimmte, in den Beförderungsbedingungen des VRR abschließend aufgezählte Sozialleistungen bezögen und daher zur Nutzung eines VRR-SozialTickets berechtigt seien. Der Antragsteller beziehe hingegen keine dieser Sozialleistungen, insbesondere keine Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII, sondern Altersrente.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Denn gem. § 51 Abs. 1 Nr. 6a Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit u.a. über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe. Zu den Angelegenheiten der Sozialhilfe zählen alle Rechtsstreitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit der Sozialhilfegewährung ergeben oder in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit nach dem SGB XII stehen (Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, 10. Auflage 2012, § 51 Rn 33b m.w.N., vgl. für den Bereich des SGB II gem. § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG BSG, Urteil vom 01.04.2009, B 14 SF 1/08 R; a.A. VG Neustadt, Beschluss vom 23.02.2010, Az. 4 L 103/10.NW, juris-Rn 5 m.w.N.). Dazu zählt zur Überzeugung der Kammer auch – als Annex zur Leistungsgewährung – die Ausstellung einer Bescheinigung über den Leistungsbezug zum Zwecke seines Nachweises gegenüber Dritten.
2. Der demnach zulässige Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis nur zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die einstweilige Anordnung dient damit lediglich der Sicherung der Rechte eines Antragstellers, nicht aber ihrer Befriedigung. Sie darf grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen. Eine Ausnahme ist in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung nur für den Fall anerkannt, dass ohne eine einstweilige Anordnung ein wirksamer Rechtsschutz in der Hauptsache nicht erreicht werden kann und dies für den Antragsteller zu nahezu unerträglichen Nachteilen führen würde.
Gemäß § 86b SGG i.V.m. § 920 der Zivilprozessordnung (ZPO) hat der Antragsteller glaubhaft zu machen, dass ihm der umstrittene und zu sichernde Anspruch zusteht (Anordnungsanspruch) und die Regelung eines vorläufigen Zustandes nötig erscheint (Anordnungsgrund).
Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gegeben. Der Antragsteller hat bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Dabei kann dahinstehen, ob die Antragsgegnerin überhaupt – etwa als Nebenpflicht aus einem bestehenden Sozialrechtsverhältnis (vgl. hierzu Waltermann, Sozialrecht, 5. Auflage 2005, Rn 555 m.w.N.) – verpflichtet sein kann, bei Bestehen eines berechtigten Interesses eine Bescheinigung über einen Leistungsbezug auszustellen. Denn jedenfalls könnte sich eine solche Pflicht der Antragsgegnerin bzw. der dieser Pflicht entsprechende Anspruch des Antragsstellers nur auf eine inhaltlich zutreffende Bescheinigung beziehen. Inhaltlich zutreffend hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller jedoch bescheinigt, gerade nicht im Bezug von Leistungen nach dem SGB XII zu stehen. Zwar berechtigt dies den Antragsteller nicht zur Nutzung des VRR-SozialTickets. Gleichwohl kommt kein Anspruch in Betracht, ihm wahrheitswidrig den Bezug einer zur Inanspruchnahme des VRR-SozialTickets berechtigenden Sozialleistung zu bescheinigen.
Die Kammer verkennt dabei nicht, dass sich die wirtschaftliche Situation des Antragstellers und seiner Ehefrau durch den Bezug der Altersrente tatsächlich nicht wesentlich verändert und schon gar nicht verbessert hat. Denn durch die Anrechnung des seinen Bedarf übersteigenden Einkommens auf den SGB II-Anspruch seiner Ehefrau, hat der Antragsteller – genau wie zu Zeiten seines SGB II-Bezugs – gerade ein seinen Bedarf deckendes Einkommen zur Verfügung. Anders ausgedrückt dürfte die Summe der Einkünfte der Eheleute aus Altersrente und SGB II-Leistungen der Ehefrau der Summe der früher an beide ausgekehrten SGB II-Leistungen entsprechen. Dies hat auch die Antragsgegnerin erkannt und versucht, dem durch den Hinweis auf der Bescheinigung vom 17.06.2013 Rechnung zu tragen, dass das übersteigende Einkommen des Antragstellers beim Jobcenter als Einkommen seiner Ehefrau angerechnet werde.
Bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtung müsste dem Antragsteller daher weiterhin ein VRR-SozialTicket zustehen. Allerdings kommt die Inanspruchnahme eines solchen Tickets nur im Rahmen der Beförderungsbedingungen des VRR in Betracht. Diese sehen eine Berechtigung zur Inanspruchnahme des VRR-SozialTickets aber ausweislich der Angaben auf der Homepage des VRR (http://www.vrr.de/de/tickets/vielfahrer/sozialticket/) nur für solche Personen vor, die selbst Leistungsempfänger oder –berechtigter sind. Wer hingegen – wie der Antragsteller – selbst nicht Leistungsempfänger ist, aufgrund von Anrechnungsvorschriften zugunsten seiner Angehörigen aber wirtschaftlich genau so steht wie ein Leistungsempfänger, gehört nicht zum Kreis der Berechtigten.
Dies mag man deshalb für gerechtfertigt halten, weil der Antragsteller sich von dem durch die Beförderungsbedingungen erfassten Personenkreis dadurch unterscheidet, dass er seinen Lebensbedarf durch eigenes Einkommen decken kann (vgl. BSG, Urteil vom 17.07.2008, B 9/9a SB 11/06 R zu den Voraussetzungen der Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr nach § 145 SGB IX). Insoweit muss er sich – obwohl sein übersteigendes Einkommen letztlich den Leistungsanspruch seiner Ehefrau nach dem SGB II zu Gunsten der Staatskasse mindert – mit anderen Einzelpersonen vergleichen lassen, die über Einkommen verfügen, das ihren individuellen (sozialhilferechtlichen) Bedarf deckt. Solche Personen haben – auch wenn das Einkommen ihrem Bedarf centgenau entspricht, sodass sie wirtschaftlich Sozialhilfeempfängern gleichstehen – nach den Beförderungsbedingungen des VRR ebenfalls keinen Anspruch auf ein VRR-SozialTicket. Daneben ist die Verknüpfung der Nutzungsberechtigung mit dem Bezug bestimmter Sozialleistungen eine aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung sinnvolle Typisierung, weil dadurch letztlich eine Prüfung der Bedürftigkeit der betroffenen Personen durch den VRR entbehrlich wird und auf den diesbezüglichen Maßstab des Gesetzgebers sowie das dem Leistungsbezug zugrunde liegende diesbezügliche Prüfergebnis der zuständigen Sozialleistungsträger zurückgegriffen werden kann.
Andererseits werden die aktuellen Beförderungsbedingungen dem mit der Einführung des SozialTickets verbundenen Ziel, auch wenig begüterten Menschen die Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs und damit letztlich auch eine umfassende Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, bei einer solchen Betrachtung nur unzureichend gerecht und weisen insoweit möglicherweise Gerechtigkeitslücken auf. Deshalb geht die Kammer davon aus, dass Personen wie der Kläger nicht bewusst aus dem Kreis der Berechtigten ausgeschlossen, sondern die entsprechenden, auf Anrechnungsvorschriften zurückgehenden und selteneren Konstellationen im Leistungsbezug nach dem SGB II und SGB XII nur nicht gesehen wurden. Gleichwohl obliegt es allein dem VRR bzw. seinen Mitgliedskörperschaften, die Beförderungsbedingungen entsprechend zu ändern, und die Betroffenen in den Kreis der Berechtigten aufzunehmen. Der Kammer ist dies hingegen nicht möglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
Erstellt am: 30.07.2013
Zuletzt verändert am: 30.07.2013