Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 31.07.2012 aufgehoben. Dem Kläger wird für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Frau Rechtsanwältin T aus H beigeordnet.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet.
Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, erhalten gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe (PKH), wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen hat der Kläger glaubhaft gemacht. Der im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) stehende Kläger kann die Kosten der Prozessführung nicht selbst aufbringen. Eine hinreichende Erfolgsaussicht der von ihm beabsichtigten Rechtsverfolgung – Feststellung eines Grades der Behinderung von mindestens 50 und des Vorliegens der Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung) – besteht ebenfalls. Insbesondere ist die Klage zum Sozialgericht fristgerecht erhoben worden. Das Sozialgericht geht zwar zutreffend von der Anwendbarkeit der Zustellfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aus. Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Der Widerspruchsbescheid wurde hier, wie auf der ersten Seite des in der Akte der Beklagten befindlichen Exemplars vermerkt, am 11.06.2012 zur Post gegeben (zum Erfordernis eines solchen Vermerks in den Behördenakten vgl. BSG, SozR 4-2700 § 136 Nr. 2 RdNr. 15). Dass er der Bevollmächtigten des Klägers tatsächlich, wie durch den Eingangsstempel der Kanzlei belegt, bereits am 12.06.2012 zugegangen ist, ist jedoch entgegen der Auffassung des Sozialgerichts unbeachtlich. Nach der gesetzlichen Zugangsfiktion ist allein maßgeblich der dritte Tag nach der Aufgabe zur Post (BSG, SozR 4-1300 § 37 Nr. 1 RdNr. 10 mit Hinweis auf BSG, BSGE 5, 53, 55, zu § 4 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG)). Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senates eindeutig aus § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X. Die Vermutung kann danach nur für den Fall widerlegt werden, dass das bekannt zu gebende Schriftstück überhaupt nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung und Auffassung in der Literatur, die von der Prozessbevollmächtigten des Klägers ausführlich und zutreffend zitiert worden ist. Der Tag, an dem der Brief zur Post gegeben wird, ist nach der gemäß § 26 Abs. 1 SGB X für Fristen und Terminsbestimmungen geltenden Vorschrift des § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht mitzuzählen. Dritter Tag im Sinne der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist damit der 14.06.2012, so dass die Klageerhebung am 13.07.2012 rechtzeitig vor Fristablauf am 14.07.2012 erfolgt ist. Im Hinblick auf die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen im Zusammenhang mit der geltend gemachten Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers und damit verbundener weitergehender Funktionseinschränkungen sind Erfolgsaussichten im Übrigen gegeben; die Prozessführung ist nicht mutwillig. Dass inzwischen die Klage zurückgenommen worden ist, um mittels eines Änderungsantrages die begehrten Feststellungen zu erreichen, steht der Annahme der Erfolgsaussicht der Klage ebenfalls nicht entgegen; denn maßgeblicher Zeitpunkt für deren Beurteilung ist der Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung, solange diese nicht erheblich zeitverzögert erfolgt ist, wofür vorliegend kein Anhaltspunkt besteht.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ist auch notwendig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist gem. § 177 SGG unanfechtbar.
Erstellt am: 12.03.2013
Zuletzt verändert am: 12.03.2013