Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.04.2008 geändert. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens unter Beiordnung von Rechtsanwalt X aus N für die Zeit ab Antragstellung bewilligt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes.
1. Prozesskostenhhilfe wird nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint und der Beteiligte nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.
2. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Der Kläger erhält Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Kosten der Prozessführung kann er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen damit nicht aufbringen. Die Rechtsverfolgung des Klägers bietet auch hinreichend Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig.
a) Bei der Verwirklichung des gerichtlichen Rechtsschutzes ist die Situation von bemittelten der Situation von unbemittelten Parteien bzw. Beteiligten weitgehend anzugleichen. Dieses Gebot der Rechtsschutzgleichheit folgt aus Art. 3 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG). Die einfach-rechtlichen Vorschriften über die Prozesskostenhilfe konkretisieren diese verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 81, 347 (357 f.)).
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe setzt eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung (oder -verteidigung) voraus (§ 114 ZPO). Die Prüfung der Erfolgsaussicht im Rahmen der Prozesskostenhilfe darf jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung (oder -verteidigung) selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses anstelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Schwierige, noch nicht geklärte Rechtsfragen dürfen deshalb im Prozesskostenhilfeverfahren nicht "durchentschieden" werden; dies würde die verfassungsrechtlich verbürgte Rechtsschutzgleichheit verletzten (BVerfGE 81, 347 (359)).
b) Vor diesem rechtlichen Hintergrund war dem Kläger Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klagerverfahrens zu bewilligen. Denn dieses Verfahren wirft eine schwierige und – jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages – noch nicht geklärte Rechtsfrage auf, die im Prozesskostenhilfeverfahren nicht durchentschieden werden durfte.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger eine Leistung für Mehrbedarf für den Lebensunterhalt gemäß § 21 Abs. 4 SGB II. Nach § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II (in der aktuellen Fassung) erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürfte einen Mehrbedarf von 35 v.H. der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung, wenn ihnen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 Satz 1Nr. 1 -3 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) erbracht werden.
Das SG hat in dem angegriffenen Beschluss zu Recht ausgeführt, dass die Deutsche Rentenversicherung Rheinland dem Kläger mit Bescheid vom 24.02.2006 eine Zusicherung i.S.d. § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zur Gewährung eines Eingliederungszuschusses gewährt hat. Die Regelung des § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II verweist, wie erwähnt, auf die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 33 SGB IX. Zu diesen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gehören auch die Leistungen an Arbeitgeber gemäß § 34 SGB IX. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IX können die Rehabilitationsträger insbesondere Eingliederungszuschüsse an Arbeitgeber erbringen. Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland hat mit dem Bescheid vom 24.02.2006 dem Kläger zugesichert, unter den dort genannten Voraussetzungen einem (zukünftigen) Arbeitgeber des Klägers einen Eingliederungszuschuss gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IX zu gewähren.
Dem Kläger ist diese besondere Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben damit in Gestalt einer Zusicherung bewilligt worden. Eine tatsächliche Erbringung der Leistung erfolgt jedoch – noch – nicht, weil der Kläger kein neues Arbeitsverhältnis eingegangen und noch kein Eingliederungszuschuss an einen neuen Arbeitgeber gezahlt worden ist.
Es ist umstritten, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um einen Anspruch auf eine Leistung für Mehrbedarf zum Lebensunterhalt gemäß § 21 Abs. 4 SGB II begründen zu können (vgl. die Übersicht bei Lang/Knickrehm in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 21 Rdnr. 41). Vereinzelt wird vertreten, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bereits dann "erbracht werden" i.S.d. § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II, wenn die entsprechenden Leistungen bewilligt worden sind (so Münder in: LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 21 Rdnr. 21). Dem wird entgegengehalten, dass der Wortlaut des § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II eine derartige Interpretation nicht decke; erforderlich sei also (auch) die tatsächliche Leistungserbringung (Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW), Urteil vom 12.03.2006, L 19 AS 41/06, Juris (Rdnr. 24); LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 27.03.2006, L 8 As 11/05, Juris (Rdnr. 60); Behrend in: JurisPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 21 Nr. 39). Vor dem Bundessozialgericht (BSG) war u.a. zu dieser Frage ein Revisionsverfahren anhängig (B 11 b AS 35/06 R – Vorinstanz: LSG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O.). Über diese Revision hat das BSG am 25.06.2008 entschieden (vgl. Terminbericht Nr. 33/08 vom 25.06.2008, abrufbar unter www.bundessozialgericht.de – die Urteilsgründe lagen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des erkennenden Senats noch nicht vor).
Da es sich um eine schwierige, jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages noch nicht geklärte Rechtsfrage handelt, hat der Kläger Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens.
c) Der Senat weist am Rande darauf hin, dass es bei der Beantwortung der Frage, ob der Kläger eine Leistung gemäß § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II beanspruchen kann, maßgeblich auf den Sinn und Zweck dieser Regelung ankommen dürfte. Die Regelung des § 21 Abs. 4 SGB II verfolgt – ebenso die weiteren in § 21 SGB II nomierten Mehrbedarfe – den Zweck, bestimmte, typisierte Bedarfe auszugleichen (vgl. Lang/Knickrehm a.a.O., Rdnr. 4). Sie sollen beim Vorliegen einer Behinderung die daraus folgende Beeinträchtigung des Hilfesuchenden bei der Teilhabe am Arbeitleben kompensieren (Lang/Knickrehm a.a.O., Rdnr. 38). Es sollen, wenn auch in pauschalierter Form, nur die tatsächlichen, zusätzlich entstandenen Aufwendungen durch die Teilnahme des behinderten Hilfebedürftigen an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gedeckt werden (Lang/Knickrehm a.a.O., Rdnr. 41). Es könnte fraglich sein, ob im Falle des Klägers derartige zusätzliche Aufwendungen tatsächlich bereits entstanden sind. Soweit er auf die Fahrtkosten hinweist, die anlässlich seiner Suche nach einem Arbeitsplatz entstanden seien, dürfte die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen haben, dass diese Aufwendungen bereits nach §§ 45 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 SGB II abgedeckt werden können (vgl. auch Lang/Knickrehm a.a.O., § 21 Rdnr. 44 ; zur Unterstützung in Form der Beratung und Vermittlung gemäß §§ 45 ff. SGB III Eicher in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 16 Rdnrn. 71 ff.).
3. Kosten sind nicht zu erstatten (73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 16.09.2008
Zuletzt verändert am: 16.09.2008