I.
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gem. Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Auslegung der Verträge und der Gültigkeit und Auslegung von Sekundärrecht zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Gilt das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 Verordnung (EG) Nr. (EGV) 883/2004 – mit Ausnahme des Exportausschlusses des Art. 70 Abs. 4 EGV 883/2004 – auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen iS von Art. 70 Abs. 1, 2 EGV 883/2004?
2. Falls 1) bejaht wird: Sind – gegebenenfalls in welchem Umfang – Einschränkungen des Gleichbehandlungsgebots des Art. 4 EGV 883/2004 durch Bestimmungen in nationalen Rechtsvorschriften in Umsetzung des Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG (RL 2004/38/EG) möglich, nach denen der Zugang zu diesen Leistungen ausnahmslos für die ersten drei Monate des Aufenthalts nicht besteht, wenn Unionsbürger in der Bundesrepublik Deutschland weder Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) freizügigkeitsberechtigt sind?
3. Falls 1) verneint wird: Stehen andere primärrechtliche Gleichbehandlungsgebote – insbesondere Art. 45 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 18 AEUV – einer nationalen Bestimmung entgegen, die Unionsbürgern eine Sozialleistung in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts ausnahmslos verweigert, die der Existenzsicherung dient und gleichzeitig auch den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert, wenn diese Unionsbürger zwar weder Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 des FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, aber eine tatsächliche Verbindung zum Aufnahmestaat und insbesondere zum Arbeitsmarkt des Aufnahmestaats aufweisen können?
II. Das Verfahren wird ausgesetzt.
Gründe:
A. Gegenstand und Sachverhalt des Ausgangsverfahrens
I. Streitgegenstand Streitig sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate August 2012 und September 2012.
II. Sachverhalt Die Kläger zu 1) bis 4) sind spanische Staatsangehörige; die Kläger zu 2) und zu 4) besitzen darüber hinaus die dominikanische Staatsangehörigkeit. Die Kläger zu 1) (geb. 00.00.1987) und 2) (geb. 00.00.1975) lebten seit Jahren in Spanien als Paar mit ihrem gemeinsamen Kind, der Klägerin zu 3) (geb. 00.00.2006), und dem Sohn des Klägers zu 2), dem Kläger zu 4) (geb. 00.00.1999), in einem gemeinsamen Haushalt zusammen und wirtschafteten gemeinsam. Der Kläger zu 2) hat für den Kläger zu 4) das Sorgerecht.
Die Klägerin zu 1) reiste zusammen mit der Klägerin zu 3) im April 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 01.06.2012 meldete sich die Klägerin zu 1) dann arbeitsuchend. Am 12.06.2012 nahm die Klägerin zu 1) eine Arbeit als Küchenhilfe auf; ab dem 01.07.2012 bei einem monatlichen Nettoarbeitsentgelt von 600,- EUR in einem sozialversicherungspflichtigen Umfang. Der Kläger zu 2) war in Spanien sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Ausweislich der Bescheinigung Portable Document (PD) U1 des spanischen Sozialversicherungsträgers legte der Kläger zu 2) mit Unterbrechungen zuletzt bis Februar 2011, zwei Tage im Juni 2011 und dann vom 27.07.2011 bis 15.07.2012 Versicherungszeiten in der spanischen Arbeitslosenversicherung in einem Umfang von mehr als 12 Monaten zurück.
Zusammen mit dem Kläger zu 4) reiste er am 23.06.2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein, da auch der Kläger zu 2) Arbeit suchte und die Kläger zu 1) bis 4) wieder zusammenleben wollten. Bereits zum Schuljahresbeginn des Schuljahrs 2012/2013 am 22.08.2012 besuchten die Kläger zu 3) und 4) dann die Schule. Die Kläger wohnten bis zum 01.11.2012 bei der Mutter der Klägerin zu 1). Der Lebensunterhalt wurde für alle Kläger aus dem Einkommen der Klägerin zu 1) bestritten. Die Klägerin zu 1) bezieht für die Klägerin zu 3) und der Kläger zu 2) bezieht für den Kläger zu 4) seit Juli 2012 Kindergeld; der Kläger zu 2) aufgrund Bewilligungsbescheids vom 25.04.2013. Der Kläger zu 2) war kurzfristig vom 02.11.2012 bis 30.11.2012 in Deutschland beschäftigt und bezog dann vom 01.12.2012 bis 01.01.2013 auch aufgrund der Versicherungszeiten in Spanien Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) – bewilligt für die Dauer von 240 Tagen – in kalendertäglicher Höhe von 24,97 EUR. Im Januar 2013 nahm der Kläger zu 2) eine Beschäftigung als Reinigungskraft auf. Nach Beendigung bezog der Kläger zu 2) dann abermals ab 07.04.2013 Arbeitslosengeld in kalendertäglicher Höhe von 24,97 EUR. Seit Oktober 2013 steht der Kläger zu 2) wieder in einem bis zum 30.09.2014 befristeten Beschäftigungsverhältnis.
Den Antrag der Kläger vom 30.07.2012 auf Leistungen nach dem SGB II lehnte der Beklagte für die Kläger zu 2) und 4) für die Monate August und September 2012 ab (Bescheide vom 09.08.2012 und vom 12.11.2012; Widerspruchsbescheid vom 20.11.2012 und Bescheid vom 04.07.2013). Für den Zeitraum ab Oktober 2012 bewilligte der Beklagte rückwirkend allen Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft – den Klägern 1) bis 4) – Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bescheid vom 05.06.2013). Für die Ablehnung von Leistungen für die Monate August und September 2012 für den Kläger zu 2) und den Kläger zu 4) gelte, dass sie sich noch keine drei Monate in Deutschland aufhielten. Es gelte der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II. Der Kläger zu 2) sei weder Arbeitnehmer noch selbständig erwerbstätig. Die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin zu 1) sei nicht auf den Kläger zu 2) übertragbar. Er sei aktuell nicht freizügigkeitsberechtigt. Der Leistungsausschluss gelte im Übrigen auch für den Kläger zu 4). Das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) sei nach einer Erklärung eines Vorbehaltes durch die Bundesregierung am 19.12.2011 bezüglich der Leistung nach dem SGB II nicht mehr anspruchsbegründend.
Auf die gegen die Ablehnung gerichtete Klage – mit der der Streitgegenstand auf die Monate August und September 2012 beschränkt wurde – hat das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen (Urteil vom 19.10.2013) die streitigen Bescheide aufgehoben und allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft bedarfsdeckende Leistungen in Höhe monatlicher Regelbedarfe von insgesamt 806,11 EUR unter Anrechnung der bereits für die Kläger zu 1) und 3) gezahlten Leistungen zuerkannt. Die Ausschlussgründe nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II hat das SG aus gesetzessystematischen Überlegungen nicht angewandt. Mit der Berufung macht der Beklagte geltend, die Ausschlussgründe nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II seien anzuwenden. Das angefochtene Urteil weiche von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ab (BSG, Urteil vom 21.12.2009 – B 14 AS 66/08 R). Die Ausschlussgründe des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II seien nicht nur auf die Fälle des Satzes 1, sondern auch auf die nachfolgenden Absätze der Vorschrift anzuwenden.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.10.2013 (Az: S 43 AS 3019/12) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger und Berufungsbeklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 10.04.2014 darauf hingewiesen, dass er Zweifel an der europarechtlichen Zulässigkeit des vollständigen Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II hat und eine Vorlage zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Erwägung zieht. Die Beteiligten haben hierzu schriftlich Stellung genommen und ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.
III. Nationaler Rechtsrahmen IV. 1. Anspruchsvoraussetzungen für SGB-II-Leistungen 2. Der Kläger zu 2) erfüllt im streitigen Bewilligungszeitraum sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II; hieraus leitetet sich auch der Anspruch des minderjährigen Klägers zu 4) ab. Nach der innerstaatlichen Regelung des § 19 Abs. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II (Alg II). Nichterwerbsfähige minderjährige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld. § 7 SGB II (idF der Bekanntmachung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl. I S. 2854-2926) bestimmt die Leistungsberechtigten wie folgt:
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Ausgenommen sind
1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen, …
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben …
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
1. die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2. die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, …
Da der minderjährige Kläger zu 4) die Altersgrenze des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II noch nicht erreicht hat, ergibt sich bei ihm eine abgeleitete Anspruchsberechtigung auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Gestalt des Sozialgeldes (§ 7 Abs. 2 und 3 SGB II). Beim Kläger zu 2) lagen im gesamten Bewilligungszeitraum August und September 2012 die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II vor. Die Kläger zu 2) und 4) waren auch unter Berücksichtigung der anrechenbaren bereinigten Einkünfte der Klägerin zu 1) hilfebedürftig. Der Kläger zu 2) war erwerbsfähig. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II iVm § 8 Abs. 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf (nicht) absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Zur Erwerbsfähigkeit von Ausländern bestimmt § 8 Abs. 2 SGB II, dass diese im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB II nur erwerbstätig sein können, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte (Satz 1). Insofern ist auf die abstrakt-rechtliche Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung abzustellen (§ 8 Abs. 2 S. 2 SGB II; vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R -, SozR 4-4200 § 7 Nr. 34 – Rn. 15 -, juris). Als spanischer Staatsangehöriger benötigt der Kläger zu 2) wegen der ihm zustehenden uneingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit zur Beschäftigungsaufnahme keine Arbeitsgenehmigung.
Die Kläger hatten im Bewilligungszeitraum August und September 2012 auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Nach der Rechtsprechung des BSG ist das Vorliegen eines "gewöhnlichen Aufenthalts" in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen ("faktischen") Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen. Ein in anderen innerstaatlichen Sozialgesetzen zu dem gewöhnlichen Aufenthalt hinzutretendes Anspruchsmerkmal des Innehabens einer bestimmten Freizügigkeitsberechtigung nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) bzw. – für Nicht-EU-Bürger – eines bestimmten Aufenthaltstitels nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthaltG) enthält § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II ausdrücklich nicht (BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R -, SozR 4-4200 § 7 Nr. 34 – Rn. 17 ff mwN -, juris). Der dem Kläger zu 2) am 22.01.2013 erteilten Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU vom 30.07.2004 (BGBl. I 1950, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.02.2008 – BGBl. I 215; entfallen durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des FreizügG/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21.1.2013 – BGBl. I 86) kommt nach innerstaatlicher Rechtsprechung eine nur deklaratorische Bedeutung für das sich unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht ergebende Freizügigkeitsrecht zu (BT-Drucks 15/420 S. 101; BSG, Urteil vom 25.01.2012 – B 14 AS 138/11 R -, SozR 4-4200 § 7 – Nr. 28 – Rn. 17 -, juris; BVerwG, Urteil vom 10.11.1999 – 6 C 30/98 -, BVerwGE 110, 40, 53).
Die Kläger zu 2) und 4) haben mit dem Zuzug am 23.06.2012 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland begründet. Seitdem haben sie das familiäre Zusammenleben mit den Klägern zu 1) und 3) wiederhergestellt und halten sich unterdessen mit Anzeichen anhaltender Integration in Deutschland auf.
2. Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II bei Unionsbürgern, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, wonach Ausländer und Ausländerinnen und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, vom Leistungsanspruch ausgenommen sind, steht einem Leistungsanspruch des Klägers zu 2) nicht entgegen. Das Aufenthaltsrecht des Klägers zu 2) ergibt sich im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nämlich nicht ausschließlich aus dem Zweck der Arbeitsuche. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die von der Rechtsprechung des BSG geforderte positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – Rn. 23 ff -, juris). Das BSG hat in dieser Entscheidung in der Familienzusammenführung einen solchen anderweitigen Zweck anerkannt. Dies ist im vorliegenden Fall zu bejahen. Der Grund der Familienzusammenführung resultiert dabei aus der gemeinsamen Elternschaft des Klägers zu 2) bzw. der Klägerin zu 1) zu der Klägerin zu 3), die die gemeinsame Tochter des Klägers zu 2) bzw. der Klägerin zu 1) ist. Hierzu gab der Kläger zu 2) an, er wolle Arbeit suchen, aber auch mit den Klägern zu 1) bis 4) wieder zusammenleben. Insofern handelt es sich auch bei dem Aufenthaltsrecht des Klägers zu 2) um ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen, das aus dem Zusammenleben der Partner mit einem gemeinsamen Kind folgt. Diese Personengruppe bildet eine Familie iS des Art. 6 Grundgesetz (GG) und der §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1, 29 und 32 AufenthG und kann sich auch auf den Schutz aus Art. 8 der Konvention des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) berufen (so im Ergebnis BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R, das im Zusammenhang mit § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II bereits einen vorgeburtlichen Schutz bejaht hat; zur Entscheidung des BSG auch: Greiser/Kador, SGb 2013, 608 ff; vgl. auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 AufenthG Rn. 20).
Art. 6 GG bestimmt den Schutz von Ehe und Familie wie folgt:
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
…
§ 27 AufenthG (idF der Bekanntmachung des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 01.06.2012, BGBl. I S. 1224) bestimmt die aufenthaltsrechtlichen Grundsätze für einen Familiennachzug:
(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.
(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn
1. feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen,
2 …
§ 29 AufenthG (idF der Bekanntmachung des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 01.06.2012, BGBl. I S. 1224) regelt den Familiennachzug zu Ausländern:
1) Für den Familiennachzug zu einem Ausländer muss
1. der Ausländer eine Niederlassungserlaubnis, Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG, Aufenthaltserlaubnis oder eine Blaue Karte EU besitzen und
2. ausreichender Wohnraum zur Verfügung stehen.
…
§ 32 AufenthG (idF der Bekanntmachung des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 01.06.2012, BGBl. I S. 1224) regelt den Kindernachzug:
(1) Dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn
…
2. beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen und das Kind seinen Lebensmittelpunkt zusammen mit seinen Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in das Bundesgebiet verlegt.
3. Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II bei Unionsbürgern, die weder Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 des FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind
Der Anspruch des Klägers zu 2) auf Alg II und damit auch des Klägers zu 4) auf Sozialgeld war – allein nach Maßgabe der Regelungen des SGB II – im streitigen Zeitraum vom 01.08.2012 bis zumindest 23.09.2012 nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II ausgeschlossen, weil der Kläger zu 2) in den ersten drei Monaten seit seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland am 23.06.2012 weder Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt war. Aus der Entstehungsgeschichte der Regelung ergibt sich, dass der deutsche Gesetzgeber zeitgleich mit der Erweiterung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern zu einer allgemeinen Freizügigkeit für alle Unionsbürger mit der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von der "Option" des Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 der Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG (RL 2004/38/EG) Gebrauch machen wollte (BT-Drucks 16/5065 S. 234; siehe auch BT-Drucks 16/688 S. 13). Der deutsche Gesetzgeber ist daher davon ausgegangen, dass Alg II ausschließlich eine Leistung der Sozialhilfe ist, von dessen Bezug Unionsbürger nach Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 der RL 2004/38/EG ausnahmslos während der ersten drei Monate des Aufenthalts ausgeschlossen sind. Der Gesetzgeber hat dabei die Bedeutung und Reichweite der EGV 883/2004 nicht berücksichtigt; insbesondere Art. 70 EGV 883/2004 wurde nicht berücksichtigt, der die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen regelt (vgl. Vorlagefrage 1). Alg II fällt unter diese Vorschrift. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Leistung in den Anhang X zur EGV 883/2004 aufgenommen und die materiell-rechtlichen Voraussetzungen liegen vor (vgl. Vorlagefrage 1 – sachlicher Anwendungsbereich).
Für die Prüfung des Ausschlussgrundes ist § 2 FreizügG/EU (idF der Bekanntmachung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007, BGBl. I S. 1970; 2008 I S. 992) von Bedeutung:
(1) Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes.
(2) Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind:
1. Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen,
2. Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbständige Erwerbstätige), …
(3) Das Recht nach Absatz 1 bleibt für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt bei
1. vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall,
2. unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit,
3. Aufnahme einer Berufsausbildung, wenn zwischen der Ausbildung und der früheren Erwerbstätigkeit ein Zusammenhang besteht; der Zusammenhang ist nicht erforderlich, wenn der Unionsbürger seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren hat …
Der innerstaatliche Anspruchsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II fand daher auf die Kläger zu 2) grundsätzlich Anwendung. Infolgedessen war auch für den Kläger zu 4) nach innerstaatlichen Regelungen ein Anspruch nicht gegeben. Der Auslegung des SG folgt der Senat aus den von dem Beklagten dargelegten Gründen nicht.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich auch aus dem Europäischen Fürsorgeabkommens (Gesetz zum EFA vom 11.12.1953 vom 15.5.1956, BGBl. II 563) nichts anderes für den streitigen Zeitraum ergibt. Die Anwendung des EFA beruht zwar auf der Umsetzung des Urteils des BSG vom 19.10.2010 (B 14 AS 23/10 R -, BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr. 21), die Bundesregierung hat am 19.12.2011 gegen die Anwendung des SGB II im Rahmen des EFA einen Vorbehalt nach Art. 16 Abs. b EFA angebracht (siehe dazu: EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R). Der Senat geht in Anlehnung an den Vorlagebeschluss des BSG davon aus, dass der Vorbehalt wirksam ist (BSG, EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R). Daher schied ein Anspruch der Kläger zu 2) und 4) im hier streitigen Zeitraum August und September 2012 aus der bis zum 19.12.2011 angezeigten Anwendung des EFA aus.
B. Vorlagefragen und Entscheidungserheblichkeit
I. Unionsrechtlicher Rechtsrahmen Es finden die Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in der Fassung des Vertrags von Lissabon vom 13.12.2007 (BGBl. II 2008, 1038) Anwendung. Weiter gilt für den vorliegenden Sachverhalt die EGV 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, die mit Wirkung zum 01.05.2010, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Durchführungsverordnung (EGV) 987/2009, die Verordnung Nr. (EWG) 1408/71 abgelöst hat (Art. 91 EGV 883/2004, Art. 97 EGV 987/2009). Schließlich ist die Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, von Bedeutung. Der Senat setzt das Verfahren nach Art. 267 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV aus, um eine Vorabentscheidung des EuGH zu den eingangs formulierten Vorlagefragen einzuholen. Der Senat hat Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts (Art. 267 Abs. 2 AEUV).
II. Entscheidungsrelevanz und Einführung
Die zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen sind zur Überzeugung des Senats für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidungserheblich. Würde die vorgelegte Frage 1 bejaht und die Frage 2 verneint, hätte die Berufung des beklagten Jobcenters voraussichtlich keinen Erfolg. Würde die Frage 1 verneint, aber die Frage 3 bejaht, wäre die Berufung ebenfalls zurückzuweisen. Dagegen wäre die Berufung des beklagten Jobcenters voraussichtlich erfolgreich, wenn die Fragen 1 und 3 verneint würden.
Der Ausgang des Rechtsstreits hängt daher davon ab, ob die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II mit europäischem Primär- und Sekundärrecht vereinbar ist. In der deutschen Rechtsprechung und Literatur sind die Auslegungsfragen im Hinblick auf § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II Gegenstand zahlreicher sozialgerichtlicher Entscheidungen. Dabei regelt diese Vorschrift den Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (bzgl. dieses Ausschlussgrundes verweist der Senat auf den Vorlagebeschluss des BSG, EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R sowie auf den Vorlagebeschluss des SG Leipzig; SG Leipzig, EuGH-Vorlage vom 03.06.2013 – S 17 AS 2198/12 = EuGH – C-333/13 – Rs. Dano).
Der deutsche Gesetzgeber hat sowohl die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II als auch die hier in Frage stehende Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II in der Überzeugung geregelt, bei den Regelungen über das Alg II handele es sich um reine Sozialhilfeleistungen, die nach Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG den jeweiligen Mitgliedstaat von seiner Verpflichtung zur Gleichbehandlung nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG der Unionsbürger mit seinen Bürgern freistellt (BT-Drucks 16/5065 S. 234; siehe auch BT-Drucks 16/688 S. 13). Der Mitgliedstaat wäre in diesem Fall daher nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern, Selbständigen oder Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren.
Der Senat hat daher auch im Hinblick auf die hier in Rede stehende Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II Zweifel an der Auslegung von Vorschriften des Unionsrechts (Art. 267 Abs. 2 AEUV), die für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblich sind. Diese Zweifel werden anhand der Vorlagefragen erläutert. In diesem Zusammenhang möchte der Senat darauf hinweisen, dass die Vorlagefragen und die Zweifel eng angelehnt sind an die bereits im zitierten Vorlageverfahren dargelegten Gründe des BSG (BSG, EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R). Mit einem Fall, bei dem es um den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II in den ersten drei Monaten des Aufenthalts geht, hat sich der EuGH bisher nicht befasst. Diese Frage ist auch nicht Gegenstand der o.g. Vorlagen des BSG und des SG Leipzig.
Zur Vorlagefrage 1
1) Ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II könnte bestehen, wenn die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II auf die Kläger zu 2) und 4) wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 4 EGV 883/2004 unanwendbar ist. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet dabei grundsätzlich nicht nur die Ungleichbehandlung, sondern er gebietet es, Unionsbürger und Inländer nach den gleichen Kriterien den Zugang zu solchen Leistungen zu gewähren. Danach sind Unionsbürgern anderer Mitgliedstaaten die SGB-II-Leistungen unter denselben Bedingungen wie deutschen Staatsangehörigen, also unter vollständigem Wegfall der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II, zu erbringen. Mit der Vorlagefrage 1 will der Senat daher wissen, ob sämtliche beitragsunabhängigen besonderen Geldleistungen – mit Ausnahme der in Art. 70 Abs. 3 EGV 883/2004 direkt genannten Ausschlüsse – uneingeschränkt dem sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung, also auch dessen Art. 4 EGV 883/2004 unterfallen. Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 4 EGV 883/2004 bei beitragsunabhängigen besonderen Geldleistungen iSd Art. 70 Abs. 1 EGV 883/2004 ist in der deutschen Literatur und Rechtsprechung umstritten. Der Senat weist diesbezüglich auf die Ausführungen des BSG im bereits zitierten Vorlagebeschluss hin und macht diese zum Gegenstand dieses Vorlagebeschlusses (vgl. BSG, EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – Rn. 34 f -, juris).
2) Persönlicher Anwendungsbereich der EGV 883/2004
Der Kläger zu 2) und damit auch der Kläger zu 4) als dessen Familienangehöriger unterfallen dem persönlichen Geltungsbereich der EGV 883/2004. Nach Art. 2 Abs. 1 EGV 883/04 gilt die Verordnung unter anderem für Staatsangehörige eines Mitgliedsstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedsstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedsstaaten gelten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen. Danach sind vom persönlichen Anwendungsbereich sämtliche Unionsbürger umfasst, wenn für sie die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedsstaaten gelten oder galten. Rechtsvorschriften in diesem Sinne sind nach Art. 1 Buchst. l EGV 883/04 für jeden Mitgliedsstaat die Gesetzte, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften, die sich auf die in Art. 3 Abs. 1 EGV 883/04 genannten Zweige der sozialen Sicherheit beziehen (vgl. hierzu insgesamt auch Hofmann/Kummer in: ZESAR 2013, S. 199, 206; siehe auch: Kador/Greiser, ZFSH/SGB 2014, S. 152, 155 f). Damit wird ein Bezug des Betreffenden zu einem Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem in einem der Mitgliedstaaten gefordert. Der persönliche Anwendungsbereich ist hier für den Kläger zu 2) bereits deshalb eröffnet, weil dieser für den Kläger zu 4) Kindergeld ausweislich des Bewilligungsbescheids der Familienkasse für die hier streitigen Monate August und September 2012, also eine Familienleistung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. j EGV 883/2004 iVm Art. 1 Buchst. z EGV 883/2004, bezogen hat (darauf stellt auch ab BSG, EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R).
3) Sachlicher Anwendungsbereich der EGV 883/2004 bei besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen
Mit der Vorlagefrage 1) will der Senat daher insbesondere klären, ob die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen iSd Art. 70 EGV 883/2004 – mit Ausnahme des Exportausschlusses des Art. 70 Abs. 4 EGV 883/2004 – dem sachlichen Anwendungsbereich nach Art. 3 EGV 883/2004 unterworfen sind, so dass für diese Leistungsart auch das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 4 EGV 883/2004 greift.
Aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Brey (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 – C-140/13 – Rs. Brey) lassen sich zumindest Zweifel ableiten, ob der EuGH bei den besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen im Sinne von Art. 70 EGV 883/2004 den verordnungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 4 EGV 883/04 überhaupt zur Anwendung kommen lassen will (auf die insoweit verengten Ausführungen des EuGH zur kollisionsrechtlichen Beurteilung weist zutreffend hin: Schreiber in ZESAR 2014, S. 36, 47). Nach dem EuGH kann aus Art. 70 Abs. 4 EGV 883/2004 nicht geschlossen werden, dass das Unionsrecht einer nationalen Bestimmung entgegensteht, die den Anspruch auf eine besondere beitragsunabhängige Geldleistung von einem rechtmäßigen Aufenthalt abhängig macht (vgl. EuGH, Urteil vom 19.09.2013 – C-140/13 – Rs. Brey – Rn. 42 ff -, juris; vgl. hierzu Greiser in ZESAR 2014, S. 18, 26; Fuchs in ZESAR 2014, S. 103, 108; kritisch zur Entscheidung des EuGH: Schreiber in ZESAR 2014, S. 36, 47). Der Senat schließt sich daher nicht uneingeschränkt der Auffassung des 6. Senats des LSG NW an, der sich ohne weitere Stellungnahme des EuGH für eine Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 4 EGV 883/04 beim Alg II ausgesprochen hat (LSG NW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13) und den Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II weder durch Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG noch durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt erachtet hat.
Der Senat neigt in Anlehnung an das BSG im bereits zitierten Vorlagebeschluss (BSG, EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – Rn. 35 -, juris, m.w.N zum Sach- und Streitstand zur Frage der Anwendbarkeit von Art. 4 EGV 883/2004) jedoch der Ansicht zu, dass sämtliche beitragsunabhängigen besonderen Geldleistungen – wie zuvor nach der EWG 1408/71 – uneingeschränkt dem sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung unterworfen sind, also auch dessen Art. 4 EGV 883/2004 (vgl. zB Bayrisches LSG Urteil vom 19.06.2013 – L 16 AS 847/12 – Rn. 60 ff -, juris, anhängig BSG – B 14 AS 51/13 R). Das gilt insbesondere auch für das Alg II, das nach mittlerweile ganz h.M. eine solche besondere beitragsunabhängige Geldleistung darstellt (BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 14/10 R -, BSGE 107, 206 ff.; vgl. ausführlich auch bei Kador in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, Art. 70 EGV 883/2004, Rn. 5 iVm 27; Greiser in: Eicher/Schlegel, SGB III, Art. 61, Rn. 32; vgl. auch Greiser/Kador in SGb 10.13, S. 603, 609 mwN in Rn. 12; so auch Schreiber in ZESAR 2014, S. 36, 47), da es nach der Ansicht des Senats auch eine Leistung darstellt, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll (Greiser/Kador, SGb 2013, S. 608, 609). Hierfür spricht neben den bereits zitierten Argumenten im Vorlagebeschluss des BSG – auf die Bezug genommen wird (BSG, EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R -, Rn. 35 -, juris; siehe dazu: Kador/Greiser, ZFSH/SGB 2014, S. 152, 156) – insbesondere auch der Umstand, dass nach Art. 3 Abs. 3 EGV 883/2004 die Verordnung auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Art. 70 EGV 883/2004 gilt und damit auch für diesen Typ Leistungen der sachliche Anwendungsbereich eröffnet ist. Der Senat beabsichtigt daher, mit der Vorlagefrage 1) auch das Verhältnis von Art. 3 Abs. 3 EGV 883/2004 zu Art. 3 Abs. 5 EGV 883/2004 zu klären. Art. 3 Abs. 5 EGV 883/2004 regelt, dass die Verordnung auf die soziale Fürsorge nicht anwendbar ist.
Zur Vorlagefrage 2
1) Wenn eine Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgebots des Art. 4 EGV 883/2004 auch auf beitragsunabhängige besondere Geldleistungen zu bejahen ist, ist die nationale Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II unmittelbar diskriminierend (so auch bereits BSG, EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R zum Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II). Das deutsche Recht lässt mit § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II keine Auslegung dergestalt zu, dass Unionsbürgern, etwa im vorliegenden Fall einer weitgehenden sozialen Integration der gesamten Familie in Deutschland, SGB-II-Leistungen erbracht werden könnten. Der Leistungsausschluss dient nach der Gesetzesbegründung der Vermeidung von "Sozialtourismus" und "Armutszuwanderung" (BT-Drucks 16/5065 S. 234; siehe auch BT-Drucks 16/688 S. 13). Mit dem Ausschluss soll die zielgerichtete "Einwanderung in die Sozialsysteme" vermieden werden. Der Gesetzgeber will damit vermeiden, dass Unionsbürger aus Mitgliedstaaten mit niedrigerem Leistungsniveau in der öffentlichen Fürsorge nur deshalb nach Deutschland einwandern, um in Deutschland Fürsorgeleistungen zu erhalten. Der insoweit unmittelbar diskriminierende Ausschlusstatbestand nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II trägt dabei dem Umstand keine Rechnung, dass eine Zuwanderung aus anderen Gründen erfolgen kann und ggf. bereits direkt nach dem Zuzug eine soziale Integration im Aufnahmestaat hergestellt ist. Für die soziale Integration der Kläger bereits im Sommer 2012 in Deutschland sprechen nach Auffassung des Senats gewichtige Umstände. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin zu 1) durch die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zum 01.07.2012 und der Kläger zu 2) durch die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zum 02.11.2011 durch Beitragszahlung am Sozialversicherungssystem beteiligt haben. Vor diesem Hintergrund bezieht sich die zweite Vorlagefrage auf die Reichweite des Gleichbehandlungsgebots des Art. 4 EGV 883/2004 bei beitragsunabhängigen besonderen Geldleistungen. Mit der Vorlagefrage 2) beabsichtigt der Senat zu klären, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der verordnungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 4 EGV 883/2004 einzuschränken ist.
2) Hier stellt sich die Frage des Verhältnisses des Art. 4 EGVO 883/04 zu der Bereichsausnahme des Art. 24 Abs. 2 EGRL 38/04. Der Senat geht bei der Vorlagefrage 2 in Übereinstimmung mit dem BSG-Vorlagebeschluss (BSG, EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R) davon aus, dass der Begriff der Sozialhilfe nach Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG und der Begriff der sozialen Fürsorge nach Art. 3 Abs. 5 EGV 883/2004 nicht identisch sind (so auch EuGH, Urteil vom 19.09.2013 – C-140/12 – Rs. Brey – Rn. 50 ff -, juris). Im Sinne der RL 2004/38/EG ist der Begriff Sozialhilfeleistungen so zu verstehen, dass er sich auf sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichtete Hilfssysteme bezieht, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zu Bestreitung seiner Grundbedürfnisse verfügt und daher die öffentliche Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss (EuGH, Urteil vom 19.09.2013, C-140/12 – Rs. Brey – Rn. 53 ff -, juris). Nach dieser Definition handelt es sich beim Alg II um Sozialhilfe.
3) Zudem beabsichtigt der Senat zu klären, ob der EuGH seine in der Entscheidung Vatsouras/Koupatantze (EuGH, Urteil vom 04.06.2009 – C-22/08 und C-23/08 – Rs. Vatsouras/Koupatantze) zum Ausdruck kommenden Grundsätze – nämlich die Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt als maßgebliches Kriterium – auch in einem etwaigen Anwendungsfall des Art. 4 EGV 883/04 bestätigt, begrenzt oder erweitert. Es entspricht gefestigter Dogmatik des EuGH, primärrechtlich verankerte Grundfreiheiten einschränken zu dürfen, wenn diese Beschränkung gerechtfertigt ist (vgl. bereits EuGH, Urteil vom 20.02.1979 – C-120/78 – Rs. Cassis de Dijon). Im Verfahren der Rechtssache Brey hat der EuGH bei unmittelbarer Diskriminierung die Wahrung der berechtigten Interessen der Mitgliedstaaten zum Schutz ihrer öffentlichen Finanzen als einen solchen Rechtfertigungsgrund anerkannt (EuGH, Urteil vom 19.09.2013, – C-140/12 – Rs. Brey – Rn. 55 -, juris; vgl. bereits EuGH, Urteil vom 20.09.2001 – C-184/99 – Rs. Grzelczyk unter Bezugnahme auf einen Erwägungsgrund in der EWGRL 93/96; implizit weitergeführt in: EuGH, Urteil vom 07.09.2004 – C-456/02 – Rs. Trojani; siehe dazu ausführlich: Greiser in: jurisPK-SGB XII, 1. Aufl. 2011, Vorbemerkung i.d.F. vom 10.06.2013, Rn. 9; ders. in ZESAR 2014, S. 18, 20 ff).
4) Der Senat vertritt dabei die Auffassung, dass eine "unangemessene Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen" nicht anhand der Auswirkungen der Leistungen an den Einzelnen auf das nationale Sozialhilfesystem zu ermitteln ist (so aber vorrangig: EuGH, Urteil vom 19.09.2013 – C-140/12 – Rs. Brey – Rn. 78 ff -, juris), weil die Zahlungen an einzelne Hilfeempfänger regelmäßig das Sozialhilfesystem nicht in signifikanter Weise beeinträchtigen können (vgl. auch Fuchs in ZESAR 2014, S. 103, 110). Die Unangemessenheit muss vielmehr im Hinblick auf die Belastung, die dem gewährenden Staat durch die Leistungen an EU-Bürger in vergleichbarer Situation insgesamt entstehen würde, beurteilt werden (LSG NW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13; Greiser, ZESAR 2014, S. 18, 22; Fuchs in ZESAR 2014, S. 103, 110). Der EuGH formuliert insoweit vorsichtig, es könne zur genaueren Beurteilung des Ausmaßes der Belastung, die eine Zahlung für das nationale Sozialhilfesystem darstellen würde, von Bedeutung sein, den Anteil derjenigen Empfänger dieser Leistung zu ermitteln, die Unionsbürger und Empfänger einer derartigen Leistung in einem anderen Mitgliedstaat sind (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 – C-140/12 – Rs. Brey – Rn. 78 -, juris). Hierbei geht der Senat in Übereinstimmung mit dem EuGH davon aus, dass eine solche unangemessene Inanspruchnahme immer dann nicht vorliegt, wenn der Unionsbürger in gleicher Weise wie der Inländer eine tatsächliche "Verbindung zum Aufnahmestaat und insbesondere zum Arbeitsmarkt" dieses Staates vorweisen kann (EuGH, Urteil vom 04.06.2009 – C-22/08 und C-23/08 – Rs. Vatsouras/Koupatantze; so auch bereits: EuGH, Urteil vom 23.03.2004 – C-138/02 – Rs. Collins; eine solche tatsächliche Verbindung, allerdings zur Gesellschaft des Mitgliedsstaats, hat der EuGH auch bei Studentenbeihilfen gefordert: EuGH, Urteil vom 15.03.2005 – C-209/03 – Rs. Bidar – Rn. 62 -, juris). Diese Voraussetzungen haben eine Ähnlichkeit mit der sog. genuine connection (oder genuine link), die im Völkerrecht zur Bestimmung der maßgeblichen Staatsbürgerschaft herangezogen wird – siehe dazu: Internationaler Gerichtshof (IGH), Urteil vom 06.04.1955, (Nottebohm), ICJ Reports 1955, 4, 23 – worauf Kadelbach (JZ 2005, 1163, 1166) bereits hingewiesen hat (siehe dazu auch: Greiser/Kador, SGB 2013, 608, 609; zur tatsächlichen Verbindung auch: Fuchs in ZESAR 2014, S. 103, 110). Dieses Merkmal ist durch die nationalen Behörden und gegebenenfalls durch innerstaatliche Gerichte zu prüfen (EuGH, Urteil vom 04.06.2009 – C-22/08 und C-23/08 – Rs. Vatsouras/Koupatantze; so auch bereits EuGH, Urteil vom 11.07.2002 – C-224/98 – Rs. D’Hoop – Rn. 38 -, juris; EuGH, Urteil vom 23.03.2004 – C-138/02 – Rs. Collins – Rn. 29 -, juris; zu diesem Ergebnis kommt auch Geiger, info also 2010, 151).
5) Bezogen auf die Vorlagefrage 2 hält es der Senat für klärungsbedürftig, ob ein ausnahmsloser Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II für die ersten drei Monate nach der Einreise nach Deutschland auch bei Anwendung von Art. 4 EGV 883/2004 möglich ist, wenn ein Unionsbürger in dieser Zeit weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt ist. Dabei beabsichtigt der Senat die Klärung, wie weit eine mögliche Rechtfertigung der Beschränkung des Gleichbehandlungsgebots reicht. Zentrales Erfordernis einer rechtmäßigen Beschränkung primärrechtlich verankerte Grundfreiheiten ist die Erfüllung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Fuchs in ZESAR 2014, S. 103, 108 ff). Der Senat vertritt die Auffassung, dass die starre zeitliche Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt (so auch Husmann in NZS 2009, S. 652, 657). Der zeitlichen Begrenzung lag noch die Rechtsauffassung zugrunde, dass Ausländer bis zu einem Zeitraum von drei Monaten keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen (Husmann aaO, S. 657). Das BSG hat bei der Begründung des Aufenthalts in erster Linie auf objektive Kriterien abgestellt (BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R -, BSGE 113, 60-70); vgl. zu den Kriterien – wie familiären Verhältnisse und familiären Bindungen, Dauer und Kontinuität des Aufenthalts im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats oder auch die Wohnsituation, insbesondere deren dauerhafter Charakter – Art. 11 Abs. 1 EGV 987/2009. Insoweit ist nach Ansicht des Senats auch die Frage klärungsbedürftig, ob bereits eine tatsächliche Verbindung zum Aufenthaltsstaat das ausnahmslose Vorenthalten von Leistungen nach dem SGB II gemäß des hier streitigen Ausschlussgrundes nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II unverhältnismäßig erscheinen lässt. Für eine solche tatsächliche enge Verbindung der Kläger zu 2) und 4) zum Aufenthaltsstaat Deutschland bereits ab August 2012 sprechen gewichtige Umstände (die tatsächliche enge Verbindung zum Aufnahmemitgliedstaat spielte auch in der Rechtssache Collins eine Rolle, EuGH, Urteil vom 23.03.2004 – C-138/02 – Rs. Collins; vgl. insoweit auch EuGH, Urteil vom 15.03.2005 – C-209/03 – Rs. Bidar; auf die tatsächliche Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat stellt auch der Generalanwalt im Vorabentscheidungsersuchen des SG Leipzig ab: EuGH – C-333/13 – Rs. Dano – Schlussanträge des Generalanwalts vom 20.05.2014).
Die Fragestellung bezieht sich insbesondere auf die Auslegung der in Art. 4 EGV 883/2004 enthaltenen Formulierung "sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist". Die Reichweite der Abweichungen vom Gleichbehandlungsgebot nach Art. 4 EGV 883/2004 und damit die Frage etwaige Rechtfertigungsgründe sind in der deutschen Literatur und Rechtsprechung umstritten. Der Senat weist auch diesbezüglich auf die Ausführungen des BSG im bereits zitierten Vorlagebeschluss hin und macht diese zum Gegenstand dieses Vorlagebeschlusses (vgl. BSG, EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – Rn. 38 ff -, juris). Aus der Entstehungsgeschichte des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ergibt sich, dass der deutsche Gesetzgeber von der Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 RL 2004/38/EG auch im Bereich des SGB II für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts Gebrauch machen wollte (siehe BT-Drucks 16/688 S. 13), um einer unangemessenen Inanspruchnahme der SGB II-Leistungen durch Arbeitsuchende aus anderen Mitgliedstaaten entgegenzuwirken. Der Senat beabsichtigt daher die Klärung der Frage, ob sich die mögliche Rechtfertigung einer Einschränkung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 4 EGV 883/2004 in den beiden bisherigen Rechtsprechungslinien des EuGH zu Arbeitsmarktleistungen (Bezug zum Arbeitsmarkt; EuGH, Urteil vom 04.06.2009 – C-22/08 und C-23/08 – Rs. Vatsouras/Koupatantze – Rn. 38 -, juris; so auch bereits: EuGH, Urteil vom 11.07.2002 – C-224/98 – Rs. D Hoop – Rn. 38 -, juris; daran anknüpfend: EuGH, Urteil vom 15.09.2005 – C-258/04 – Rs. Ioannidis – Rn 30; siehe auch: EuGH, Urteil vom 23.03.2004 – C-138/02 – Rs. Collins) einerseits und Sozialhilfeleistungen (keine übermäßige Belastung; EuGH, Urteil vom 20.09.2001 – C-184/99 – Rs. Grzelczyk unter Bezugnahme auf einen Erwägungsgrund in der EWGRL 93/96; implizit weitergeführt in: EuGH, Urteil vom 07.09.2004 – C-456/02 – Rs. Trojani; siehe dazu ausführlich: Greiser in: jurisPK-SGB XII, 1. Aufl. 2011, Vorbemerkung i.d.F. vom 10.06.2013, Rn. 9 -, juris; siehe zudem aktuell: EuGH, Urteil vom 19.09.2013 – C-140/12 – Rs. Brey) andererseits darin erschöpft und wie sich diese beiden Aspekte zueinander verhalten (zu einer Vereinigung: Kador/Greiser, ZFSH/SGB 2014, S. 152, 157 unter Bezugnahme auf: Bayrisches LSG, Beschluss vom 06.11.2013 – L 7 AS 639/13 B ER).
6) Bei der Frage der Reichweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 4 EGV 883/2004 und bei der Frage nach den Rechtfertigungsgründen ist nach Ansicht des Senats auch die Bedeutung des Mitnahmeanspruchs nach Art. 64 EGV 883/2004 zu berücksichtigen. Nach Art. 64 Abs. 1 EGV 883/2004 hat ein Unionsbürger einen Anspruch auf Mitnahme seines Arbeitslosengeldanspruchs, wenn er vollarbeitslos, nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat und zwecks Arbeitssuche in einen anderen Mitgliedstaat ausreist. Hierzu muss die Person grundsätzlich mindestens vier Wochen im Arbeitslosensystem des zuständigen Staates registriert sein und sich spätestens sieben Tage nach Einreise bei der Arbeitslosenverwaltung des neuen Aufenthaltsstaates registrieren lassen. Der Mitnahmezeitraum beträgt dann regelmäßig drei Monate und kann gegebenenfalls nach Art. 64 Abs. 3 EGV 883/2004 auf sechs Monate verlängert werden (dazu auch: Kador/Greiser, ZFSH/SGB 2014, S. 152, 157). Sofern die Anspruchsvoraussetzungen auf Arbeitslosengeld im zuständigen Staat erfüllt sind, wird für die Dokumentation des Anspruchs auf Mitnahme der Leistungen im Sinne von Art. 64 EGV 883/2004 iVm Art. 55 Abs. 1 EGV 987/2009 dem Betroffenen das PD U2 zur Verfügung gestellt. Das ausgestellte PD U2 stellt in Deutschland seiner Rechtsnatur nach eine Zusicherung i.S.v. § 34 SGB X dar. Da der Anspruch auf Alg II nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II bedarfsabhängig ist, kann ein Unionsbürger seine Hilfsbedürftigkeit durch den Mitnahmeanspruch vermeiden bzw. verringern. Deshalb beabsichtigt der Senat mit der Vorlagefrage 2 auch die Klärung des Verhältnisses des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 4 EGV 883/2004 zum Mitnahmeanspruch auf Arbeitslosengeld für die ersten drei Monate nach Art. 64 EGV 883/2004. Es soll mit der Vorlagefrage zu 2 auch geklärt werden, ob ein Mitnahmeanspruch nach Art. 64 EGV, auch wenn er im konkreten Fall von dem Kläger zu 2) nicht geltend gemacht worden ist, eine Beschränkung des Gleichbehandlungsgebots rechtfertigt und eine solche Beschränkung daher in diesem Falle verhältnismäßig ist. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II betrifft dabei gerade den Zeitraum der ersten drei Monate nach Einreise des Unionsbürgers nach Deutschland.
Zur Vorlagefrage 3
1) Finanzielle Leistungen, die unabhängig von ihrer Einstufung nach nationalem Recht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, können nicht nur als reine "Sozialhilfeleistungen" eingestuft werden; dabei macht der EuGH es zur Aufgabe der nationalen Behörden und gegebenenfalls der innerstaatlichen Gerichte, grundlegende Merkmale der Leistung zu prüfen, insbesondere ihren Zweck und die Voraussetzungen ihrer Gewährung (EuGH, Urteil vom 04.06.2009 – C-22/08 und C-23/08 – Rs. Vatsouras/Koupatantze – LS. 2 u. Rn. 40 + 45 -, juris, der EuGH stützte seine Argumentation allerdings allein auf die RL 2004/38/EG; so auch EuGH, Urteil vom 23.03.2004 – C 138/02 – Rs. Collins – Rn. 63 -, juris). Der Senat geht daher – wie das BSG – davon aus, dass es sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II – auch wenn diese "Sozialhilfeleistungen" im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG sind – nach der vom deutschen Gesetzgeber festgelegten Ausgestaltung des Systems existenzsichernder Leistungen aus Steuermitteln gleichzeitig auch um Leistungen handelt, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern (BSG, EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R; vgl. auch BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 14/10 R -, BSGE 107, 206 ff.; Kador in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, Art. 70 VO (EG) 883/2004, Rn. 27). Bei solchen Leistungen verbietet es das primärrechtliche Gebot der Freizügigkeit und das damit verbundene Gleichbehandlungsprinzip nach Art. 45 Abs. 2 AEUV, Unionsbürger von der Bewilligung einer solchen finanzielle Leistung auszunehmen. Nach dem EuGH hat in diesem Falle eine Gleichbehandlung von Unionsbürgern mit Inländern stattzufinden, wenn der Unionsbürger in gleicher Weise wie der Inländer eine tatsächliche "Verbindung mit dem Arbeitsmarkt" dieses Staates vorweisen kann (EuGH, Urteil vom 04.06.2009 – C-22/08 und C-23/08 – Rs. Vatsouras/Koupatantze – Rn. 37 -, juris; EuGH, Urteil vom 23.03.2004 – C-138/02 – Rs. Collins – Rn. 63 -, juris). Bei den Klägern zu 2) und 4) liegt eine tatsächliche Verbindung zum Aufnahmestaat bereits ab August 2012 nahe.
2) Vor dem Hintergrund einer Einordnung der SGB-II-Leistungen als solche Sozialleistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern, hält es der Senat für klärungsbedürftig, ob die Ausschlussklausel des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II mit europäischem Primärrecht konform ist. Gegen die Verhältnismäßigkeit der Regelung könnte insofern sprechen, dass der Ausschlussgrund ausnahmslos für die ersten drei Monate des Aufenthalts gilt. Der Ausschlussgrund trägt weder dem Umstand Rechnung, dass der betroffene Unionsbürger – wie im vorliegenden Fall – bereits mit dem Zuzug einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründet hat oder ggf. sogar eine ausreichende Verbindung zum innerstaatlichen Arbeitsmarkt aufweisen kann, noch berücksichtigt der Ausschlussgrund in seiner Stringenz etwaige familienrechtliche Gesichtspunkte zu- bzw. nachziehender Unionsbürger zu Familienmitgliedern mit entsprechenden Aufenthaltsstatus im Aufnahmestaat. Auch die dritte Vorlagefrage ist daher für den Rechtsstreit entscheidungserheblich.
Erstellt am: 28.10.2014
Zuletzt verändert am: 28.10.2014