NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.10.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Verpflichtung zur Rückzahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II, die ihr darlehensweise gewährt worden sind.
Die im Oktober 1948 geborene Klägerin beantragte am 24.09.2009 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Sie gab an, gemeinsam mit ihrem getrennt lebenden Ehemann Eigentümerin eines in Italien gelegenen Hausgrundstückes mit einem Wert von ca. 250.000 bis 300.000 Euro zu sein. Mit Bescheid vom 13.10.2009 gewährte der Beklagte der Klägerin dem Grunde nach Grundsicherungsleistungen ab dem 24.09.2009 in noch zu benennender Höhe als Darlehen. Mit Bescheiden vom 13.10.2009 (Zeitraum 24.09.2009 – 28.02.2010), 22.02.2010 (März 2010) und 29.09.2010 (Zeitraum 01.10.2010 – 31.03.2011) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.03.2011 und 29.08.2011 gewährte der Beklagte der Klägerin unter Berufung auf §§ 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II, 328 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB III vorläufig Grundsicherungsleistungen. Auf Seite 2 der Bescheide findet sich folgender Zusatz:
"Ich bitte zu beachten, dass die Leistungen aufgrund ihres derzeit nicht verwertbaren Vermögens (Haus in Italien) gem. § 12 SGB II als Darlehen gewährt werden. In diesem Zusammenhang verweise ich auf den gesonderten Darlehnsbescheid vom 13.10.2009."
Mit Bescheid vom 24.02.2011 (Zeitraum 01.04.2011 – 30.09.2011) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.03.2011, 24.05.2011 und 29.08.2011 sowie dem Bescheid vom 29.08.2011 (Zeitraum 01.10.2011 – 31.03.2012) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.11.2011 und 02.12.2011 und dem Bescheid vom 05.03.2012 (Zeitraum 01.04.2012 – 30.09.2012), der mit Wirkung ab dem 01.05.2012 mit Aufhebungsbescheid vom 04.04.2012 aufgehoben wurde, gewährte der Beklagte der Klägerin Grundsicherungsleistungen als Darlehen in der Zeit vom 01.04.2011 bis 30.04.2012. Sämtliche Bescheide hatten die Überschrift "Darlehensbescheid" und wurden bestandskräftig.
Ab dem 01.05.2012 bezog die Klägerin laufend eine Rente wegen Alters.
Nach Beendigung des Leistungsbezugs im April 2012 bat die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 24.06.2012, ihr die Gesamtsumme des Darlehns, welches ihr von September 2009 bis April 2012 gewährt worden sei, mitzuteilen, da sie beabsichtige ein Insolvenzverfahren einzuleiten. Der Beklagte teilte ihr daraufhin mit, dass derzeit noch keine Bezifferung des Darlehns erfolgen könne. Es sei derzeit nicht bekannt, inwieweit das Veräußerungsverfahren hinsichtlich der Immobilie in Italien abgeschlossen sei. Die Klägerin teilte daraufhin mit, dass das Veräußerungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei.
Über das Vermögen der Klägerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts N vom 06.11.2012, xxx, wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet, welches am 19.01.2016 durch Beschluss gemäß § 213 InsO eingestellt wurde. Der Beklagte meldete im Insolvenzverfahren keine Forderungen an. Eine Restschuldbefreiung erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 03.06.2016 forderte der Beklagte die Klägerin auf, einen Betrag i.H.v. 7.929,59 Euro zwecks Rückzahlung der Darlehen zu zahlen. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Daraufhin hob der Beklagte den Bescheid vom 04.10.2016 auf.
Mit zwei Mahnungen vom 15.05.2017 forderte die Bundesagentur für Arbeit die Klägerin auf, die Forderungen des Beklagten i.H.v. 10.497,22 EUR und 7.969,59 EUR, basierend auf dem Bescheid vom 14.03.2017 über die Darlehensbewilligung für die Zeit vom 24.09.2009 bis 30.04.2012, zu zahlen und setzte Mahngebühren fest.
Am 06.06.2017 beantragte die Klägerin beim Beklagten, festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sei, die gewährten Grundsicherungsleistungen zu erstatten, hilfsweise die Darlehnsbescheide aufzuheben bzw. gewährte Leistungen in eine Beihilfe umzuwandeln.
Der Beklagte legte das Schreiben als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, gerichtet auf die Umwandlung der darlehensweise gewährten Grundsicherungsleistungen in zuschussweise Leistungen aus. Mit Bescheid vom 21.07.2017 lehnte der Beklagte den Antrag unter Berufung auf § 40 Abs. 1 S. 2 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X ab. Eine Rücknahme könne nur für einen Zeitraum von einem Jahr erfolgen. Diese Frist sei abgelaufen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2017 als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid ging der Klägerin nach ihren Angaben am 13.09.2017 zu.
Am 11.10.2017 hat die Klägerin Klage mit dem Antrag erhoben, den Beklagten zu verpflichten, mittels Verwaltungsaktes festzustellen, dass sie die seitens des Beklagten an sie erbrachten Sozialleistungen nicht zurückzuerstatten habe, hilfsweise festzustellen, dass sie nicht verpflichtet bei, die seitens des Beklagten an sie erbrachten Sozialleistungen zu erstatten.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie aufgrund des Verlaufs des Verwaltungsverfahrens und der dort getroffenen Fehlentscheidungen nicht verpflichtet sei, empfangene Geldleistungen zurückzuerstatten. Die darlehensweise Gewährung sei in der Vergangenheit rechtswidrig erfolgt. Die Leistungen hätten vielmehr beihilfeweise gewährt werden müssen. Der Beklagte habe ihr auch keine Auskunft bezüglich der Höhe der Darlehensforderung im Rahmen des eingeleiteten Insolvenzverfahrens erteilt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 21.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2017 zu verurteilen, die Bescheide vom; 13.10.2009, 22.10.2010, 13.09.2010, 29.09.2010, 26.03.2011, 24.05.2011, 29.08.2011, 26.11.2011, 02.12.2011 und 05.03.2012 abzuändern und Leistungen beihilfeweise statt darlehensweise zu gewähren,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, mittels feststellenden Verwaltungsaktes festzustellen, dass sie die seitens des Beklagten erbrachten Sozialleistungen nach den Vorschriften des SGB II für den gesamten Leistungszeitraum vom 24.09.2009 bis zum 30.04.2012 an den Beklagten nicht zurückzuerstatten hat,
weiterhin hilfsweise festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, an den Beklagten die seitens des Beklagten an sie erbrachten Sozialleistungen nach den Vorschriften des SGB II zu erstatten, für den gesamten Leistungszeitraum vom 24.09.2009 bis zum 30.04.2012.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht gewesen, dass zum einen der angefochtene Bescheid der Sach- und Rechtslage entspreche und zum anderen ein (besonderes) Feststellungsinteresse der Klägerin nicht gegeben sei. Er habe die Forderung gegenüber der Klägerin aktuell nicht geltend gemacht. Sie könne eine diesbezüglich ggfs. zu treffende Entscheidung abwarten und sich dann dagegen wehren.
Mit Urteil vom 22.10.2018 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen. Bezüglich des Hauptantrages sei die Klage zulässig. Zwar habe die Klägerin innerhalb der Klagefrist keinen ausdrücklichen Anfechtungsantrag gegen den Bescheid vom 21.07.2017 angekündigt, aus dem Gesamtzusammenhang sei jedoch zu entnehmen, dass sie sich – auch – gegen diesen Bescheid wenden wollte. Ausgehend vom Bekanntgabedatum des Widerspruchsbescheides sei die Klagefrist auch gewahrt. Die Klage sei jedoch mit dem Hauptantrag unbegründet. Die Klägerin sei durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Denn dieser Bescheid sei nicht rechtswidrig. Der Beklagte habe zu Recht die Rücknahme der Leistungsbescheide aus den Jahren 2009 bis 2012 und Umwandlung der darlehensweise gewährten Leistungen in eine Beihilfe abgelehnt. Die in den Jahren 2009 bis 2012 erlassenen Bescheide seien bestandkräftig geworden, so dass sie nur noch unter den Voraussetzungen des § 40 SGB II i. V. m. § 44 SGB X zurückgenommen werden könnten. Für die Rücknahme gelte eine Jahresfrist, die unstreitig abgelaufen sei. Wenn keine abweichende Leistungsgewährung zu erfolgen habe, besteht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch kein Interesse an der Rücknahme der belastenden Verwaltungsakte. Bezüglich des ersten Hilfsantrages sei die Klage jedenfalls unbegründet. Auf die entsprechende Pflicht, einen feststellenden Verwaltungsakt zu erlassen, habe die Klägerin keinen Anspruch. Das Sozialverhältnis zwischen den Beteiligten sei durch Verwaltungsakte geregelt. Für weitere durch den Beklagten zu treffende Feststellungen sei kein Raum. Der weitere Hilfsantrag sei unzulässig. Es handele sich dabei um eine Feststellungsklage gemäß § 55 SGG. Mit der Feststellungsklage könne u. a. die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Voraussetzung sei allerdings, dass ein Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung habe. An diesem besonderen Feststellungsinteresse mangele es vorliegend. Zwar seien der Klägerin in der Vergangenheit darlehensweise Leistungen gewährt worden. Der Beklagte habe die Darlehensforderung gegenüber der Klägerin allerdings aktuell nicht geltend gemacht, so dass sie derzeit einer Forderung nicht ausgesetzt sei. Der Klägerin sei es zumutbar abzuwarten, ob der Beklagte eine Forderung gegen sie geltend mache und sich dann ggfs, dagegen zu wehren. Eine andere Beurteilung dieser Frage würde aus Sicht der Kammer dazu führen, dass man ein bloßes Feststellungsinteresse ausreichen ließe, was ausweislich des Gesetzestextes gerade nicht der Fall sein solle. Ein Zuwarten sei nicht unzumutbar.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 26.11.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.12.2018 Berufung eingelegt.
Sie verfolgt ihr Begehren weiter. Ergänzend trägt sie vor, dass die Vorschriften der §§ 40 SGB II, 44 SGB X, die auf eine Jahresfrist zur Überprüfung Bezug nehmen, auf ihren Fall ersichtlich nicht passten. Ebenso wenig sei ersichtlich, weshalb ihr keine Zusicherung erteilt werden könne, dass Rückforderungen nicht mehr geltend gemacht würden. Zudem könnten die Bewilligungsbescheide nicht als Darlehnsbescheide qualifiziert werden, insbesondere habe der Beklagte in den vorläufigen Bewilligungen nicht auf den "Rahmenbescheid" vom 13.10.2009 Bezug nehmen dürfen. Schließlich stehe der begehrten Umwandlung in einen Zuschuss nicht die Bestandskraft der Bescheide entgegen. Die Darlehnsgewährung sei rechtswidrig gewesen, da zum damaligen Zeitpunkt nicht absehbar gewesen sei, wann das Vermögen hätte veräußert werden können. Zudem habe es der Beklagte unterlassen, seine Darlehensforderung im Insolvenzverfahren – trotz Kenntnis von der Einleitung dieses Verfahrens – geltend zu machen, so dass sie im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht sachgerecht habe reagieren können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.10.2018 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 21.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2017 zu verurteilen, die Bescheide vom 13.10.2009, 22.10.2010, 29.10.2010, 26.03.2011, 24.05.2011, 29.08.2011, 26.11.2011, 02.12.2011 und 05.03.2012 abzuändern und Leistungen beihilfeweise anstatt darlehensweise zu gewähren,
hilfsweise festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, an den Beklagten die seitens des Beklagten an sie erbrachten Sozialleistungen nach den Vorschriften des SGB II zu erstatten für den Leistungszeitraum vom 24.09.2009 bis 31.03.2010 und vom 01.10.2010 bis 30.04.2012 und
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Er hat vorgetragen, dass sich die Darlehensforderungen für die Zeit vom 24.09.2019 bis 31.04.2010 sowie vom 01.10.2010 bis 31.03.2012 auf insgesamt 18.427,31 Euro belaufen. Von diesem Betrag sei der von der Deutschen Rentenversicherungsträger im Wege des Erstattungsverfahrens überwiesene Rentennachzahlungsbetrag i.H.v. 983,70 Euro abzuziehen. Damit belaufe sich die Darlehensforderung auf insgesamt 17.443,61 Euro.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten und der beigezogenen Gerichtsakte Amtsgerichts N, xxx, Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf "Umwandlung" der darlehensweisen Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in einen Zuschuss (dazu 1) noch auf Feststellung, dass sie nicht verpflichtet ist, die an sie im Zeitraum 24.09.2009 bis 31.03.2010 und im Zeitraum 01.10.2010 bis 30.04.2012 als Darlehn erbrachten Grundsicherungsleistungen zurückzuerstatten (dazu 2).
1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 21.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.09.2017, mit dem der Beklagte es abgelehnt hat, die bestandkräftigen (Dahrlehns)bescheide insoweit aufzuheben, als darin die nicht rückzahlbare zuschussweise Gewährung von Grundsicherungsleistungen (konkludent) abgelehnt worden ist. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, § 56 SGG. Mit der Anfechtungsklage begehrt die Klägerin die Aufhebung des – die Überprüfung ablehnenden – Verwaltungsakts vom 21.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.09.2017. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheides durch den Beklagen gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung der Bewilligungsbescheide für die Jahre 2009 bis 2012 – Umwandlung der darlehensweise gewährten Grundsicherungsleistungen in nicht rückzahlbare Geldleistungen – bewirken soll. Eine Leistungsklage ist nicht erforderlich, da das Klageziel auch im Rahmen des § 44 Abs. 1 SGB X allein mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erreicht werden kann, wenn – wie vorliegend – die darlehensweise gewährte Leistung noch nicht zurückgezahlt worden ist (vgl. Becker in: Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB XII, § 37 SGB XII Rn. 72.6 m.w.N.).
Der Bescheid vom 21.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2017 ist rechtmäßig. Der Beklagte ist nach §§ 40 Abs. 1 S. 2 SGB II (i.d.F. des Gesetzes 26.07.2016, BGBl. I 1824) i.V.m. 44 SGB X nicht verpflichtet, seine in den Darlehensbescheiden getroffene Entscheidung betreffend die Ablehnung der Gewährung von Grundsicherungsleistungen als Zuschuss an die Klägerin für die Zeit vom 24.09.2009 bis 30.04.2012 zu überprüfen.
An einer Abänderung der durch die Bescheide vom 13.10.2009, 22.02.2010, 29.09.2010, 24.02.2011, 26.03.2011, 29.08.2011, 24.05.2011, 29.08.2011, 26.11.2011, 02.12.2011 und 05.03.2012 getroffene Entscheidung zu der Art der der Klägerin für die Zeit vom 24.09.2009 bis 30.04.2012 gewährten Leistungen bzw. der Ablehnung von Leistungen für die Zeit vom 24.09. 2009 bis 30.04.2012 als Zuschuss ist der Beklagte bereits infolge Zeitablaufes nach § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X gehindert. Danach gilt die Vorschrift des § 44 Abs. 4 S. 1 SGB X zur rückwirkenden Erbringung von Sozialleistungen mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein solcher von einem Jahr gilt.
Der Regelung des § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X unterfallen Bescheide, mit denen die Bewilligung von Sozialleistungen abgelehnt oder Leistungen in einer anderen Art – Darlehen anstelle Zuschuss- bewilligt worden sind (vgl. zur Anwendbarkeit des § 44 SGB X bei dieser Fallgestaltung BSG, Urteil vom 06.03.1991 – 9b RAr 7/90). Daher unterfällt die in den Bescheiden vom 13.10.2009 ,22.02.2010, 29.09.2010, 24.02.2011, 26.03.2011, 29.08.2011, 24.05.2011, 29.08.2011 26.11.2011, 02.12.2011 und 05.03.2012 enthaltene Entscheidung betreffend die Ablehnung von Grundsicherungsleistungen als Zuschuss für die Zeit vom 24.09.2009 bis 30.04.2012 § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X.
Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG hat die Verwaltung schon eine Rücknahmeentscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht mehr zu treffen, wenn die rechtsverbindliche, grundsätzlich zurückzunehmende Entscheidung ausschließlich Leistungen für Zeiten betrifft, die außerhalb der durch den Rücknahmeantrag bestimmten Verfallfrist des 44 Abs. 4 SGB X liegen. Die Unanwendbarkeit der "Vollzugsregelung des § 44 Abs. 4 SGB X" steht dann einer isolierten Rücknahme entgegen (BSG, Urteile vom 23.02.2017 – B 4 AS 57/15 R und vom 12.10.2016 – B 4 AS 37/15 R). Die Rücknahme steht unter dem Vorbehalt, dass Sozialleistungen nach § 44 Abs. 4 SGB X noch zu erbringen sind (BSG, Urteil vom 28.02.2013 – B 8 SO 4/12 R). Dies gilt in gleicher Weise bei der Verkürzung der rückwirkenden Leistungserbringung auf einen Zeitraum bis zu einem Jahr nach § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 37/15, R, m.w.N.), wenn der Antrag auf Rücknahme – wie vorliegend der Überprüfungsantrag vom 06.06.2017 – nach dem 31.03.2011 gestellt worden ist. Die Übergangsregelung des § 77 Abs. 13 SGB II, nach der § 40 Abs. 1 S. 2 SGB II nicht anwendbar ist auf Anträge nach § 44 SGB X, die vor dem 01.04.2011 gestellt worden sind, findet keine Anwendung.
Der im Juni 2017 gestellte Überprüfungsantrag der Klägerin liegt deutlich außerhalb der Jahresfrist nach Ablauf des streitgegenständlichen Zeitraums, dem 30.04.2012. Eine Korrektur im Sinne einer günstigeren Entscheidung als mit Bescheiden vom 13.10.2009, 22.02.2010, 29.09.2010, 24.02.2011, 26.03.2011, 29.08.2011, 24.05.2011, 29.08.2011, 26.11.2011, 02.12.2011 und 05.03.2012 gewährt, ist daher nach §§ 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, 44 Abs. 4 SGB X verwehrt.
Gegen die durch § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II bewirkte Beschränkung rückwirkender Leistungserbringung im Falle der Aufhebung eines rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 44 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23.02.2017 – B 4 AS 57/15 R m.w.N.).
2. Der Hilfsantrag der Klägerin auf Feststellung, dass sie nicht verpflichtet ist, die an sie im Zeitraum 24.09.2009 bis 31.03.2010 und im Zeitraum 01.10.2010 bis 30.04.2012 als Darlehn erbrachten Grundsicherungsleistungen zu erstatten, ist zulässig (a), aber unbegründet (b).
a. Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage ist statthaft. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Feststellungsklage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie nicht zur Rückzahlung der darlehensweise gewährten Grundsicherungsleistungen verpflichtet ist. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erfasst auch die Feststellung einzelner Beziehungen oder Berechtigungen aus einem umfassenderen Rechtsverhältnis (vgl. BSG Urteile vom 20.11.2001 – B 1 KR 31/00 R und vom 19.02.2009 – B 4 AS 10/08 R).
Die Klägerin hat ein hinreichendes Feststellungsinteresse, ein nach der Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse rechtlicher Natur an der Feststellung (vgl. BSG, Urteil vom 19.02. 2009 – B 4 AS 10/08 R) , da gegen sie ein Mahnverfahren betreffend die Darlehensforderungen und damit ein Vollstreckungsverfahren eingeleitet worden ist (vgl. Urteil des Senats vom 15.03.2018 – L 19 AS 1286/17). Dies hat das Sozialgericht verkannt. Aus den Einlassungen des Beklagten im gerichtlichen Verfahren sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass die Bundesagentur für Arbeit als Beauftragte des Beklagten von einer weiteren Betreibung der Darlehensforderung im Wege des Vollstreckungsverfahrens absieht.
b. Die Feststellungsklage ist unbegründet.
Der Beklagte hat gegenüber der Klägerin eine fällige und durchsetzbare Forderung auf Rückzahlung gewährter Darlehen i.H.v. 17.443,61 Euro für den Zeitraum 24.09.2009 bis 31.03.2010 und vom 01.10.2010 bis 30.04.2012.
Der Beklagte hat in den genannten Zeiträumen der Klägerin mit bestandskräftigen Bescheiden vom 13.10.2009, 22.02.2010, 29.09.2010, 24.02.2011, 26.03.2011, 29.08.2011, 24.05.2011, 29.08.2011, 26.11.2011, 02.12.2011 und 05.03.2012 darlehnsweise Grundsicherungsleistungen bewilligt. Aus der Gewährung eines Darlehens ergibt sich die Rückzahlungspflicht eines Darlehensnehmers, da diese der Rechtsnatur eines Darlehens immanent ist (BSG Urteil vom 06.03.1997 – 9b RAr 7/90). Die Gewährung bzw. die Bewilligung eines Darlehens umfasst inhaltlich auch die Rückzahlungspflicht des Darlehensnehmers (vgl. Urteil des Senats vom 08.10.2012 – L 19 AS 1569/11).
Die Rückzahlungsforderung des Beklagten beläuft sich auf insgesamt 17.443,61 Euro für die Zeiträume vom 24.09.2009 bis 31.03.2010 und vom 01.10.2010 bis 30.04.2012. Das für den Zeitraum vom 01.11.2011 bis 30.04.2012 gewährte Darlehen ist durch die Befriedigung des Erstattungsanspruchs des Beklagten an der Rentennachzahlung i.H.v. 163,95 Euro monatlich teilweise getilgt worden.
Der Rückforderungsanspruch ist zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung fällig gewesen. Der Rückforderungsanspruch aus Darlehen betreffend den Zeitraum vom 01.04.2011 bis 30.04.2012 ist nach § 42a Abs. 4 S. 1 SGB II mit dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Leistungsbezug zum 01.05.2012 fällig geworden. Hinsichtlich der Darlehnsforderung für den Zeitraum vom 24.09.2009 bis 31.03.2011 ergibt sich die Fälligkeit zwar nicht aus der Regelung des § 42a Abs. 4 SGB II, da diese auf die Forderung nicht anwendbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.2015 – B 14 AS 28/14 R). Der Beklagte hat jedoch in dem bestandskräftigen Bescheid vom 13.09.2009 eine Fälligkeitsregelung getroffen, wonach das gewährte Darlehn in einer Summe nach der Vermögenverwertung zurück zu zahlen ist. Der Verkauf des Grundstücks in Italien erfolgte nach Angaben der Klägerin am 07.08.2018. Damit ist der Fall der Vermögensverwertung eingetreten.
Der Anspruch auf Darlehnsrückzahlung ist auch durchsetzbar. Da vorliegend nach Einstellung des Insolvenzverfahrens gemäß § 213 InsO die Klägerin keine Restschuldbefreiung nach § 301 InsO beantragt hat und eine entsprechende Befreiung nicht erteilt worden ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 29.09.2011 – IX ZR 219/10, LG Berlin, Beschluss vom 10.01.2009 – 86), hat sich die Darlehnsforderung des Beklagten nicht in eine Naturalobligation umgewandelt (vgl. hier Urteil des Senats vom 15.03.2018 – L 19 AS 1286/17). Ansonsten hat die fehlende Anmeldung des Rückzahlungsanspruchs aus gewährten Darlehen durch den Beklagten im Insolvenzverfahren der Klägerin keine rechtlichen Auswirkungen auf den Bestand der Rückforderungsansprüche.
Dier Rückforderungsansprüche sind nach § 52 Abs. 2 SGB X nicht verjährt (vgl. hierzu Bittner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4.Aufl. 2015, § 42a Rn. 77).
Die Klägerin kann sich auch nicht auf Verwirkung des Rückforderungsanspruchs berufen. Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe aufgrund des Verhaltens des Beklagten in den Jahren 2012 bis 2014, insbesondere aufgrund der unterlassenen Bezifferung der Rückforderungsansprüche aus Darlehen auf ihre konkrete Nachfrage bzw. der unterlassenen Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren trotz Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, darauf vertraut, dass der Beklagte ihr gegenüber keine Ansprüche aus den gewährten Darlehen mehr geltend machen werde, ist ihr kein unzumutbarer Nachteil entstanden. Denn nach Abschluss des Insolvenzverfahrens war sie noch Miteigentümerin eines Grundstückes in Italien, das sie im Jahr 2018 verwertet hat. Die nur verzögerte mögliche Verwertung dieses Vermögengenstandes ist auch Anlass für die Darlehensgewährung gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegt nicht vor.
Erstellt am: 07.05.2020
Zuletzt verändert am: 07.05.2020