Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18.05.2011 geändert. Dem Kläger wird ab 17.03.2011 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt C, O, beigeordnet.
Gründe:
Der Kläger wendet sich mit seiner am 23.02.2011 erhobenen Klage gegen die endgültige Festsetzung seines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.11.2009 bis 01.04.2010 und die Festsetzung eines Erstattungsbetrages von 620,58 EUR. Mit Bescheid vom 29.09.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 31.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2011 berücksichtigt der Beklagte monatliche Privatentnahmen i. H. v. 271,67 EUR abzgl. eines Freibetrages von 30,00 EUR für Versicherungen.
Mit seiner Klagebegründung hat der Kläger geltend gemacht, der Beklagte gehe unzutreffender Weise davon aus, der Kläger habe Privatentnahmen aus dem Unternehmen entnommen. Der Beklagte werte insofern die vorgelegte Gewinnermittlung des Steuerberaters falsch aus.
Mit Beschluss vom 18.05.2011 hat das Sozialgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 24.02.2011 wegen Fehlen einer hinreichenden Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgelehnt. Auf die Begründung der Entscheidung wird Bezug genommen.
Gegen den ihm am 07.06.2011 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 05.07.2011 Beschwerde eingelegt und wiederholt, die genannten Beträge seien nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Klagebegehren bietet zur Überzeugung des Senats die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht, § 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO).
Nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II, hier anzuwenden in der Fassung durch das Gesetz vom 05.12.2006 (BGBl. I 2748), in Kraft ab 01.01.2007, sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert, mithin auch Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit als Einkommen zu berücksichtigen. Die Einzelheiten der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit sowie Gewerbebetrieb regelt § 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) vom 17.12.2007, hier anzuwenden in der Fassung des Gesetzes vom 18.12.2008 (BGBl. I 2780), in Kraft vom 01.01.2009 bis 31.03.2011. Bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb ist von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum (§ 41 Abs. 1 S. 4 SGB II) tatsächlich zufließen.
Der Beklagte hat vorliegend die abschließenden Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit des Klägers vom 03.05.2010 sowie die beigefügte betriebswirtschaftliche Auswertung von dessen Steuerberater der Monate November 2009 bis April 2010 ausgewertet. Er hat dabei zutreffend eine Gesamtsumme an Privatentnahmen i. H. v. 1630,02 EUR errechnet, nämlich 420,42 EUR für Dezember 2009 und jeweils 241,92 EUR für die übrigen Monate. Für jeden Monat ist nach § 3 Abs. 4 Alg II-V der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Dementsprechend ist vorliegend ein Betrag von 271,67 EUR korrekt ermittelt.
Zur Überzeugung des Senats muss der Kläger sich entgegen halten lassen, dass in der betriebswirtschaftlichen Auswertung der hier betroffenen Monate ebenso wie in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung für das Jahr 2009, die als Anlage zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für das Jahr 2009 vorgelegt worden ist, Privatentnahmen enthalten sind. Nach § 4 Abs. 1 S. 2 EStG sind Entnahmen aller Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat. Sollte es sich nicht um echte Entnahmen handeln, wäre auch die Gewinnauswirkung der vorgenannten betriebswirtschaftlichen Auswertungen zu korrigieren. Denn Gewinn ist nach § 4 Abs. 1 S. 1 EStG der Unterschiedsbetrag zwischem dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Der Kläger hat aber bislang hierzu nicht substantiiert vorgetragen und keine Beweismittel angeboten.
Der Senat hat bereits entschieden (Beschluss vom 01.02.2008 – L 19 B 128/07 AS ER), dass Privatentnahmen berücksichtigungsfähig sind, soweit die Entnahmen aus den laufenden Jahreseinnahmen erfolgen. Denn für die Gewinnermittlung des laufenden Jahres kann es keinen Unterschied machen, ob die Einnahmen bis zum Jahresende beim Betriebsvermögen verbleiben und sodann im Rahmen der Steuerfestsetzung als Gewinn berücksichtigt werden oder ob sie zuvor entnommen und über § 4 Abs. 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) dem Gewinn zugerechnet werden müssen. Nur wenn in zurückliegenden Jahren entsprechender Gewinn beim Betrieb verblieben ist und dessen Vermögen bildet, ist die Privatentnahme lediglich Vermögensverzehr und nicht dem Gewinn zuzurechnen (vgl. BSG SozR 2200, § 180 Nr. 19 S. 61; s.a. Geiger, Die Anrechnung von Einkommen Selbständiger in ZSFH/SGB 2009, S. 9). Dass Letzteres hier der Fall gewesen ist, hat der Kläger nicht vorgebracht und ist nach Aktenlage auch nicht anzunehmen.
Mit Bescheid vom 20.11.2009 hatte der Beklagte dem Kläger monatliche Leistungen im streitigen Zeitraum von 468,04 EUR bewilligt, worin ein Regelsatz von 220,74 EUR enthalten ist. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.09.2010 hat der Beklagte einen monatlichen Regelbedarf von 87,33 EUR festgestellt (359 – 271,67 EUR monatliches Einkommen).
Mit dem Änderungsbescheid vom 31.01.2011 hat der Beklagte einen monatlichen Freibetrag für notwendige Versicherungen i. H. v. 30,00 EUR zuerkannt unter Bezugnahme auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg-II V und den Erstattungsbetrag um 180,00 EUR (6 x 30,00 EUR) reduziert.
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist vorliegend jedoch ein höherer Grundfreibetrag bei Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen. Nach § 11 Abs. 2 S. 2 SGB II in der ab 01.10.2005 geltenden Fassung ist zur pauschalen Abgeltung der Freibeträge nach § 11 Abs. 2 Nrn. 3 bis 5 SGB II ein Betrag von 100,00 EUR als Grundfreibetrag bei Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 21/10 R, Rn 29 ausdrücklich festgestellt, § 11 Abs. 2 in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung (nunmehr § 11b SGB II in der Fassung des Regelbedarfs Änderungsgesetzes vom 24.03.2011 – BGBl. I 453) regele, dass auch das Einkommen Selbständiger um zahlreiche Absetzungsbeträge zu bereinigen sei, bevor es zur Leistungsberechnung heranzuziehen ist. Grund hierfür sei nicht nur ein Anreiz für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, sondern auch, nur diejenigen Einkünfte tatsächlich bei der Höhe des Alg II-Anspruchs zu berücksichtigen, die tatsächlich zur Lebensunterhaltssicherung eingesetzt werden können. Die Dienstanweisung des Beklagten regelt hierzu unter 6.6.2 Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Abs. 2, dass es auf Art und Umfang der Tätigkeit einer Beschäftigung nicht ankomme. Auch Einkünfte/Vergütungen aufgrund einer Tätigkeit als Selbständiger fielen darunter.
Von dem so bereinigten monatlichen Einkommen des Klägers ist nach Auffassung des Senats weiterhin der Freibetrag für Erwerbstätige nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 i. V. m. § 30 SGB II abzusetzen. Auch im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht nur abhängig Beschäftigte, sondern auch Selbständige als Erwerbstätige.
Die monatlichen Privatentnahmen von 271,67 EUR sind danach – statt um nur 30,- EUR – um 134,33 EUR (100,00 EUR und 34,33 EUR = 20% von 171,67 EUR) zu bereinigen.
Da der Kläger nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung auch nur anteilig aufzubringen, ist die Prozesskostenhilfe ratenfrei zu erbringen, § 73a SGG i. V. m. § 115 ZPO.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig, § 73a Abs. 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar § 177 SGG.
Erstellt am: 14.09.2011
Zuletzt verändert am: 14.09.2011