Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.04.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers vom 21.05.2007, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 23.05.2007), ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat es mit dem angefochtenen Beschluss zu Recht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweilgen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller für den Zeitraum ab dem 01.04.2007 monatliche Kosten der Unterkunft in Höhe von 540 EUR zu bewilligen.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Können ohne den vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden. Die grundrechtlichen Belange der Antragsteller sind dabei umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – NVwZ 2005, 927).
Der Senat weist zunächst darauf hin, dass die Ausführungen des Sozialgerichts zur fehlenden Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes im Grundsatz geteilt werden. Ohne dass es letztlich darauf ankommt, ist von einer die Gewährung einstweiligen Rechtschutzes rechtfertigenden Eilbedürftigkeit bei Geltendmachung von Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) nur dann auszugehen, wenn der Verlust der Wohnung unmittelbar bevorsteht. Ob dies in jedem Fall voraussetzt, dass der Vermieter wegen Zahlungsverzuges zur Kündigung der Wohnung berechtigt ist, ob diese bereits angekündigt sein oder aber bereits erfolgt sein muss, konnte hier im Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts letztlich sogar dahinstehen.
Die zivilrechtlichen Voraussetzungen für eine Kündigung der Wohnung durch den Vermieter (vgl. § 543 Abs. 1, 2 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch) sind nach dem Inhalt des Schreibens des Vermieters vom 18.06.2007 frühestens im Laufe des Beschwerdeverfahrens eingetreten.
Gleichwohl bestehen Zweifel an der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit fort. Die mit Wirkung vom 01.08.2007 angekündigte Kündigung der Wohnung ist offenbar nicht erfolgt. Es bestehen somit Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Ankündigung.
Auch das prozessuale Verhalten des Antragstellers (trotz behaupteter Eilbedürftigkeit Ausschöpfen der Beschwerdefrist, Begründung der Beschwerde erst über zwei Monate nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses) spricht nicht dafür, dass aus seiner Sicht Eilbedürftigkeit gegeben war.
Jedenfalls erscheint zur Überzeugung des Senats aber auch ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Bei der Beurteilung der Angemessenheit sind die örtlichen Verhältnisse zunächst insoweit maßgeblich, als auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Leistungsempfängers marktüblichen Vergleichsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage eine Mietpreisspanne zu ermitteln ist. Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ist als Produkt aus der abhängig von der Personenzahl angemessenen Wohnungsgröße in Quadratmetern und dem nach den örtlichen Verhältnissen noch angemessenen Mietzins pro Quadratmeter zu ermitteln ("Produkttheorie", vgl. auch BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R). Erweisen sich die tatsächlichen Unterkunftskosten danach als unangemessen, ist zu überprüfen, ob nach der Struktur des Wohnungsmarktes am Wohnort des Hilfebedürftigen tatsächlich auch die konkrete Möglichkeit besteht, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung konkret auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können (vgl. BSG, a.a.O. unter Verweis auf BVerwGE 97, 110, 115 ff; BVerwGE 101, 194, 198 ff). Besteht eine solche konkrete Unterkunftsalternative nicht, sind die Aufwendungen für die tatsächlich gemietete Unterkunft als konkret angemessen anzusehen.
Danach bestehen erhebliche Zweifel an der Angemessenheit der geltend gemachten Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 540 EUR – statt bewilligter 377,27 EUR – (vgl. bereits LSG NRW, Beschluss vom 22.05.2006, L 9 B 24/06 AS ER). Hingegen bestehen – anders als für vergangene Zeiten (LSG, a.a.O.) – nach der gebotenen summarischen Prüfung derzeit keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der durch die Antragsgegnerin zuerkannte Betrag von 377,27 EUR ausreichend bemessen ist. Hierfür sprechen einstweilen einerseits die Ergebnisse der von der Antragsgegnerin im Verfahren des Sozialgerichts Düsseldorf S 43 (35) AS 349/05 vorgelegten Vermieterumfrage aus dem Jahre 2006, auf die Bezug genommen wird, und die zur Anerkennung höherer Leistungen geführt hat. Die Situation stellt sich insoweit anders dar als noch im Verfahren des 9. Senats. Der Senat geht vorläufig auch davon aus, dass für den als angemessen erachteten Betrag am Wohnort des Antragstellers die konkrete Möglichkeit besteht, eine Wohnung anzumieten. Der Antragsteller hat fortdauernde, ernsthafte Bemühungen zur Kostenreduzierung (auch insoweit abweichend zum genannten Verfahren des 9. Senats) nicht dargelegt oder gar nachgewiesen, obgleich entsprechende Bemühungen wegen der duch die Antragsgegnerin aufgezeigten Alternativen angesichts der ihm obliegenden Glaubhaftmachung und der behaupteten Eilbedürftigkeit zu verlangen sind. Dass seine Wohnung unangemessene (so schon LSG, a.a.O.) (Gesamt-) Kosten von 540 EUR verursacht, ist ihm seit langem bekannt. Zu den von der Antragsgegnerin anhand einer Internetrecherche konkret aufgezeigten Möglichkeiten hat sich der Antragsteller darauf beschränkt, mitzuteilen, eine Vielzahl von Bewerbern werde auf die eine Handvoll angebotener Wohnungen "gehetzt". Zur Überzeugung des Senats besteht aber keine Verpflichtung der Leistungsträger, jeweils konkret zu belegen, dass für alle Leistungsempfänger preislich für angemessen erachteter Wohnraum zur Verfügung steht. Denn allein die Zahl der zur Kostenreduzierung aufgeforderten Leistungsempfänger sagt bereits wenig darüber aus, welche sich ernsthaft um einen Umzug bemühen.
Der Senat konnte sich bei dieser Sachlage für das einstweilige Verfahren darauf beschränken, auch durch eigene kurzfristige Internetrecherche (www.immoscout.de, www.immowelt.de; www.immozentral.com) festzustellen, dass Wohnungen für die nach § 22 SGB II gewährten Leistungen verfügbar sind. Das vom Sozialgericht Düsseldorf im genannten Hauptsacheverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen für Wohnungs- und Gewerberaummieten K I vom 20.4.2006 ist schon deshalb nicht aussagekräftig, weil es einen anderen Leistungszeitraum betrifft und die Beweiserheblichkeit der einzelnen Feststellungen einer weitergehenden Prüfung zu unterziehen sein wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 11.09.2007
Zuletzt verändert am: 11.09.2007