NZB als unzulässig verworfen.
Auf die Berufung des Klägers wird der Bescheid der Beklagten vom 09.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2009 insoweit aufgehoben, als die Beklagte zugleich über die Versicherung des Klägers in der gesetzlichen Pflegeversicherung entschieden hat. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger ist bei der Beklagten kranken- und bei der Beigeladenen pflegeversichert. Er strebt die Mitgliedschaft in der kostengünstigeren studentischen Kranken- und Pflegeversicherung (KV/PV) an.
Der Kläger wurde 1964 geboren. Nach eigenem Bekunden stellte sich sein schulischer, beruflicher und sonstiger Werdegang wie folgt dar: Nach der Grundschule besuchte er zunächst ein Gymnasium, wechselte dann ein Jahr später auf eine Realschule, die er 1982 mit qualifiziertem Abschluss verließ. Eine Ausbildung zum biologisch-technischen Assistenten (1982 bis 1984) beendete er nicht. Nach erfolgreichem Abschluss einer Schlosserlehre (1984 bis 1986) und einer sich daran anschließenden halbjährigen Berufstätigkeit als Geselle, die er aus gesundheitlichen Gründen aufgab, war der Kläger in der Folgezeit drei Jahre als Taxifahrer tätig, und zwar zunächst in abhängiger Beschäftigung, im letzten Jahr als Selbständiger. Eine parallel dazu absolvierte Ausbildung zum Rettungssanitäter führte ab dem Jahre 1990 zu einer Tätigkeit als Aushilfskraft in der Pflege. Von der ihm angebotenen Möglichkeit, eine Ausbildung zum Krankenpfleger abzuleisten, machte der Kläger von 1991 bis 1994 Gebrauch. Anschließend arbeitete er vollschichtig in diesem Beruf. 1994 wurde sein Sohn UG geboren. Im Sommer 1995 trennte sich der Kläger von dessen Mutter. Die eigentlich beabsichtigte Weiterbildung zum Intensivkrankenpfleger scheiterte in zwei aufeinander folgenden Jahren an fehlenden Ausbildungskapazitäten. Deshalb entschloss sich der Kläger im Jahre 1996, die allgemeine Hochschulreife zu erwerben. Bis Dezember 1999 besuchte er ein Abendgymnasium und arbeitete tagsüber als Krankenpfleger. Bereits vor dem erfolgreichen Schulabschluss im Sommer 1999 – zum Wintersemester 1999/2000 – schrieb sich der Kläger an einer Fachhochschule als Student ein, und zwar in der Fachrichtung Bauingenieurwesen mit der Zielrichtung Architektur. Die Aufnahme des Studiums bereits zu diesem Zeitpunkt erfolgte, um die Förderungsvoraussetzungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) zu erfüllen. Zum 01.01.1999 reduzierte der Kläger dementsprechend seine Arbeitszeit als Krankenpfleger. Es erfolgte zum Wintersemester 2000/2001 ein Fachrichtungswechsel zum Studium der Germanistik mit dem Ziel einer späteren journalistischen Tätigkeit, das der Kläger nach drei Semestern abbrach. Da er in den Fachbereich Biologie wechseln wollte, dieses Studium aber nur zu einem Wintersemester aufgenommen werden konnte, exmatrikulierte sich der Kläger für ein Semester und nahm dann zum Wintersemester 2002/2003 das Studium im Fach Biologie auf, das er bis heute fortsetzt und voraussichtlich im März 2011 beenden wird. Einen Wehr- oder Zivildienst musste der Kläger nicht ableisten.
Ursprünglich war der Kläger bei der "Neue bkk" kranken- und pflegeversichert, und zwar zunächst als Student. Als nach zwei Jahren auffiel, dass er die Altersgrenze des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) – Vollendung des dreißigsten Lebensjahres – überschritten hatte, war er in der Folgezeit freiwillig krankenversichert. Das auf Fortführung der studentischen KV/PV vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg geführte diesbezügliche Klageverfahren endete für den Kläger ohne Erfolg; Berufung legte er nicht ein. Zum 01.01.2008 wählte er vielmehr die Beklagte als neue Kranken- bzw. Pflegekasse. Mit Beitragsbescheid vom 06.12.2007 teilte die Beklagte unter der Bezeichnung "BIG Gesundheit – Die Direktkrankenkasse" dem Kläger die Höhe des monatlichen Beitrags (185,30 EUR für die KV und 25,60 EUR für die PV) als freiwilliges Mitglied mit.
Der Kläger machte mit Schreiben vom 08.01.2008 geltend, er sei in die – günstigere – studentische KV/PV aufzunehmen. Zur Begründung führte er aus, der Erwerb der allgemeinen Hochschulreife auf dem zweiten Bildungsweg, sein Grundrecht auf Gleichheit und das "Verbot einer Altersdiskriminierung entsprechend der europäischen Gesetzgebung" müssten zu seinen Gunsten berücksichtigt werden.
Die Beklagte korrigierte mit weiterem Beitragsbescheid vom 09.01.2008, wiederum unter der o.g. Bezeichnung, den monatlichen Beitrag geringfügig auf insgesamt 210,69 EUR. Zugleich lehnte sie mit Bescheid vom selben Tag die Einstufung in die studentische KV unter Hinweis auf dessen fortgeschrittenes Alter ab.
Mit dem dagegen gerichteten Widerspruch berief sich der Kläger auf ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Dortmund (Az.: S 40 KR 179/05) und "die für Deutschland verbindlichen EU-Richtlinien 78 und 43".
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2008 als unbegründet zurück. Nach der Rechtsprechung zu § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V müsse der Erwerb der allgemeinen Hochschulreife für das Überschreiten der Altersgrenze von dreißig Jahren kausal sein. Die Tatsache, dass der Kläger vor dem Studium einer Berufstätigkeit nachgegangen sei, reiche dabei nicht aus. Das zitierte Urteil des SG Dortmund sei nicht anwendbar. Eine Ungleichbehandlung oder Diskriminierung liege nicht vor. Für die Mitgliedschaft in der PV der Studenten würden identische, eine Mitgliedschaft des Klägers ausschließende Gesichtspunkte gelten.
Mit der am 23. Juni 2008 zum SG Dortmund erhobenen Klage hat der Kläger sein Anliegen weiterverfolgt. Zur Begründung hat er auf seinen bisherigen Vortrag Bezug genommen.
Er hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 09.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2008 aufzuheben und festzustellen, dass er seit dem 01.01.2008 Pflichtmitglied in der studentischen KV und PV ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf ihren o. g. Widerspruchsbescheid verwiesen.
Das SG hat mit Urteil vom 27.10.2009 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine Pflichtmitgliedschaft des Klägers als Student gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V bestehe nicht.
Danach seien grundsätzlich nur Studenten bis zum Abschluss des vierzehnten Fachsemesters, längstens bis zur Vollendung des dreißigsten Lebensjahres versicherungspflichtig. Nach Nr. 9 2. Halbsatz der Norm seien sie auch nach Abschluss des vierzehnten Fachsemesters oder nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres versicherungspflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des zweiten Bildungsweges, die Überschreitung der Altersgrenze oder eine längere Fachstudienzeit rechtfertigten. Bei dem Kläger lägen diese Voraussetzungen nicht vor, da er das dreißigste Lebensjahr vollendet habe und weder die Art seiner Ausbildung noch familiäre oder persönliche Gründe das Überschreiten der Altersgrenze rechtfertigten.
Die Art der Ausbildung rechtfertige eine längere Versicherungspflicht in der studentischen KV, insbesondere ein Überschreiten der Fachsemester, wenn es sich um einen sehr zeitaufwändigen und langwierigen Studienabschluss handele (Bayerisches Landessozialgericht (BayLSG), Urt. vom 09.11.2000, Az.: L 4 KR 171/98, www.juris.de). Dies sei bei einem Studium der Biologie erkennbar nicht der Fall.
Besondere familiäre Gründe lägen bei dem Kläger nicht vor, Gleiches gelte für anerkennenswerte persönliche Gründe. Auch die vom Gesetzgeber beispielhaft erwähnte Fallgruppe des Erwerbs der allgemeinen Hochschulreife über den zweiten Bildungsweg begründe für den Kläger keine Sozialversicherungspflicht in der studentischen KV.
Nach dem Wortlaut der Vorschrift müssten die (persönlichen oder familiären) Gründe, die sog. Hinderungsgründe, das Überschreiten der Altersgrenze rechtfertigen. Dies setze Kausalität voraus. Diese sei im Einzelfall zu prüfen und nicht in der Weise zu unterstellen, dass die Grenzen ohne Weiteres um die Dauer von Hinderungszeiten hinausgeschoben würden. Entscheidend seien dabei die Dauer der Hinderungszeit und ihr Verhältnis zur Dauer etwaiger Nichthinderungszeiten (vgl. zusammenfassend nur LSG Baden-Württemberg, Urt. vom 23.5.2003, Az.: L 4 KR 3904/02, www.juris.de; BayLSG, Urt. vom 09.11.2000, Az. L 4 KR 171/98, www.juris.de; Peters, in: KassKomm, § 5 SGB V RdNr. 100; Felix, in: jurisPK-SGB V, § 5 SGB V RdNr. 65).
Das Bundessozialgericht (BSG), dessen Rechtsprechung sich die Kammer anschließe, verlange, dass die Hinderungsgründe im Allgemeinen von solcher Art und solchem Gewicht seien, dass sie nicht nur aus der Sicht des Einzelnen, sondern auch bei objektiver Betrachtungsweise die Aufnahme des Studiums oder seinen Abschluss verhindern oder als unzumutbar erscheinen ließen. Das Studium aufzuschieben, weil es als zweckmäßig oder sinnvoll erscheine, reiche dagegen nicht aus (BSG, Urt. vom 30.09.1992, Az.: 12 RK 40/91; ebenso BayLSG, Urt. vom 09.11.2000, Az.: L 4 KR 171/98; LSG Saarland, Urt. vom 07.06.2006, Az.: L 2 KR 2/05, jeweils www.juris.de). Insbesondere Zeiten der Berufstätigkeit seien nicht als beachtliche Hinderungszeiten anerkannt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. vom 23.5.2003, Az.: L 4 KR 3904/02, www.juris.de). Ansonsten könnten persönliche Gründe im weiteren Sinne für jedes Hinausschieben oder Unterbrechen des Studiums angeführt werden (BSG, Urt. vom 30.9.1992, Az.: 12 RK 40/91; LSG Baden-Württemberg, Urt. vom 23.05.2003, Az.: L 4 KR 3904/02, jeweils www.juris.de). Die Begründung des Gesetzentwurfes führe daher nur besonders schwerwiegende Gründe, wie Erkrankung, Behinderung und Schwangerschaft, an (Bundestags-Drucksache (BT-Drs.) 11/2237, S. 159).
Studierende, die erst nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres ihr Studium aufnähmen, sollten grundsätzlich von der Versicherungspflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V nicht mehr erfasst sein. Zwar sei dies nicht vollkommen ausgeschlossen (vgl. dazu BSG, Beschl. vom 30.03.1995, Az.: 12 BK 84/94; Bay LSG, Urt. vom 9.11.2000, Az.: L 4 KR 171/98, www.juris.de). Voraussetzung sei jedoch, dass die Hinderungsgründe ursächlich seien. Werde der zweite Bildungsweg so spät beschritten, dass erst nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres mit dem Studium begonnen werden könne, sei in der Regel nicht der zweite Bildungsweg, sondern die vorangegangene Berufstätigkeit kausal (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. vom 23.05.2003, Az.: L 4 KR 3904/02; BayLSG, Urt. vom 09.11.2000, Az.: L 4 KR 171/98, jeweils www.juris.de). Studenten mit einem Studienbeginn nach dem dreißigsten Lebensjahr seien also nur dann in der studentischen KV versicherungspflichtig, wenn bei ihnen in der Zeit etwa ab Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres im Wesentlichen durchgehend Hinderungsgründe vorgelegen hätten (LSG Baden-Württemberg, Urt. vom 23.5.2003, Az.: L 4 KR 3904/02; BayLSG, Urt. vom 09.11.2000, Az.: L 4 KR 171/98; LSG Saarland, Urt. vom 07.06.2006, Az.: L 2 KR 2/05, www.juris.de).
Dass der Kläger sein Studium erst nach Vollendung des siebenundreißigsten Lebensjahres aufgenommen habe, sei im Wesentlichen nicht auf den Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife über den zweiten Bildungsweg zurückzuführen. Während die Zeiten des Besuchs des Abendgymnasiums und ggf. auch die Zeiten einer ersten beruflichen Ausbildung (vgl. dazu einschränkend BSG, Beschl. vom 06.11.2003, Az.: B 12 KR 17/03 B, www.juris.de) als Hinderungsgründe anzuerkennen seien, treffe dies auf die Zeiten einer zweiten Berufsausbildung, der Berufstätigkeit und der beruflichen Neuorientierung – wie vorliegend – nicht zu.
Eine solche einschränkende Auslegung werde auch der Systematik der Vorschrift und ihrer Entstehungsgeschichte gerecht. § 5 Abs. 1 Nr. 9 2. HS SGB V sei als Ausnahmetatbestand zu der Grundregel des § 5 Abs. 1 Nr. 9 1. HS SGB V eng auszulegen (vgl. nur BSG, Urt. vom 30.09.1992, Az.: 12 RK 40/91; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 16.02.2009, Az.: L 9 KR 230/06, jeweils www.juris.de). Der Gesetzgeber habe es zudem für erforderlich gehalten, die beitragsgünstige KV der Studenten zu begrenzen, weil sie in der Vergangenheit Personen angezogen hatte, für die sie nicht gedacht gewesen sei (BT-Drs. 11/2237, S. 159; vgl. auch BSG, Urt. vom 30.09.1992, Az.: 12 RK 40/91, www.juris.de). Außerdem habe der Tendenz entgegen gewirkt werden sollen, das Hochschulstudium zu verlängern (BT-Drs. 11/2237, S. 159).
Soweit sich der Kläger ausdrücklich auf das Urteil des SG Dortmund vom 23.01.2007 (Az.: S 40 KR 179/05) berufe, sei diese Einzelfallentscheidung nicht auf den Kläger übertragbar. Im dort entschiedenen Fall sei das Studium im Übrigen vor Vollendung des dreißigsten Lebensjahres begonnen worden.
Entgegen der Ansicht des Klägers bestünden auch keine durchgreifenden verfassungs- oder europarechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Regelung, auf der die Entscheidung der Beklagten beruhe. Insbesondere der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sei nicht verletzt.
Soweit Studenten, die das dreißigste Lebensjahr vollendet hätten, und ihre jüngeren Kommilitonen ungleich behandelt würden, sei das gerechtfertigt, weil zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass dies die ungleiche Behandlung rechtfertigen könne (vgl. dazu auch BSG, Urt. vom 30.09.1992, Az.: 12 RK 40/91, www.juris.de). Obwohl die gesetzliche KV im Kern eine Versicherung der abhängig Beschäftigten sei, seien die Studenten unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V versicherungspflichtig und entrichteten niedrige, bundeseinheitlich geregelte Beiträge. Der Gesetzgeber habe die Versicherungspflicht der Studenten im SGB V für einen Zeitraum geregelt, in dem ein Studium regelmäßig durchgeführt werden könne und typischerweise entweder erfolgreich abgeschlossen oder endgültig aufgegeben werde, nämlich innerhalb von 14 Fachsemestern, längstens bis zur Vollendung des dreißigsten Lebensjahres. In diesem Altersabschnitt nähmen Studenten für gewöhnlich Leistungen der KV in unterdurchschnittlichem Maße in Anspruch, weil ihr Gesundheitszustand altersbedingt im Allgemeinen gut sei, wobei beitragsfrei versicherte Familienangehörige relativ selten vorhanden seien (BSG, Urt. vom 30.9.1992, Az.: 12 RK 40/91, www.juris.de). Bei der Regelung der studentischen Sozialversicherung stehe dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Soweit pauschalierende Regelungen im Einzelfall zu Härten führen könnten, sei auch dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Pflichtversicherung der Studenten und ihre gesetzliche Ausgestaltung verstoße auch nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Soweit der Kläger sich auf Antidiskriminierungsrichtlinien berufe, sei bereits deren sachlicher Geltungsbereich nicht eröffnet. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABI. L 303 vom 02.12.2000, S. 303) gelte gemäß ihres Art. 3 Abs. 3 nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes.
Die Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichhandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABI. L 180 vom 19.7.2000, S. 22) könne nach ihrem Regelungsgehalt – Rasse/ethnische Herkunft – den vorliegenden Fall – Alter – ebenfalls nicht erfassen.
Soweit der Kläger die Pflichtmitgliedschaft in der PV der Beigeladenen anstrebe, seien die identischen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) aus den bereits dargestellten Gründen gleichermaßen nicht erfüllt.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 02.12.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.12.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung bezieht er sich auf seinen bisherigen Vortrag. Vertiefend weist er auf die seiner Auffassung nach bestehende Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes hin: Ein Studienkollege nach drei Fachrichtungswechseln und achtjähriger Gesamtstudiendauer ohne Vordiplom, der unter dreißig Jahre alt sei, müsse wegen der Mitgliedschaft in der studentischen KV, die ihm verwehrt werde, lediglich ein Viertel des Beitrages zur KV zahlen wie er selbst, der kurz vor dem Abschluss seines Studiums stehe. Allein die Altersgrenze als maßgebliches Kriterium anzusehen, stelle keinen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung dar.
Der Kläger, der sich ebenso wie die Beklagte mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hat, beantragt,
das Urteil des SG Dortmund vom 27.10.2009 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 09.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2008 aufzuheben sowie festzustellen, dass er seit dem 01.01.2008 Pflichtmitglied in der studentischen KV und PV ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf das ihrer Auffassung nach zutreffende erstinstanzliche Urteil.
Der Senat hat den Kläger in einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit Beweisaufnahme ergänzend befragt. Wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung vom 22.03.2010 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten übereinstimmend damit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Soweit die Beklagte Beiträge zur PV festgesetzt und die Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der PV der Studenten, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 SGB XI, abgelehnt hat, war deren Bescheid vom 09.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2008 aufzuheben; denn insoweit ist die Beklagte zur Erteilung dieses Bescheides gegenüber dem Kläger nicht befugt gewesen (vgl. insoweit BSG, Terminsbericht zum 12.11.2008, www.bsg.bund.de, zum Az.: B 12 P 1/08 R). Gemäß § 1 Abs. 3 iVm § 46 Abs. 1 S. 1 SGB XI sind die Pflegekassen Träger der sozialen Pflegeversicherung. Ihre Aufgaben werden von den Krankenkassen, § 4 SGB V, wahrgenommen, allerdings als organisatorisch selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts, vgl. § 46 Abs. 2 S. 1 iVm Abs. 1 S. 2 SGB XI. Weder im Briefkopf des Bescheides vom 09.012008 noch in dem Widerspruchsbescheid vom 06.06.2008 wird der Kläger – entgegen § 46 Abs. 2 S. 5 SGB XI – jedoch darauf hingewiesen, dass der Bescheid über den Beitrag zur PV bzw. den versicherungsrechtlichen Status als Pflicht- bzw. freiwilliges Mitglied im Namen der beigeladenen Pflegekasse ergeht. Vielmehr hat die beklagte Krankenkasse autonom auch über die PV-Beiträge bzw. den Status entschieden, wofür sie nicht zuständig ist (vgl. zur Auslegung: z. B. LSG Baden-Württemberg, Urt. vom 20.04.2010, Az.: L 11 KR 5160/08; Urt. vom 20.11.2009, Az.: L 4 KR 2262/08; Urt. vom 09.12.2008, Az.: L 11 KR 3793/08; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. vom 18.09.2009, Az.: L 5 KR 159/09 B ER, L 5 KR 160/09 B, jeweils www.juris.de).
Das SG hat im Übrigen zu Recht mit Urteil vom 27.10.2009 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 09.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2008 ist, bezogen auf die Regelungen zur KV, rechtmäßig. Es besteht kein Anspruch des Klägers, ab dem 01.01.2008 als Pflichtmitglied in die studentische KV aufgenommen zu werden.
Der Senat nimmt wegen der Begründung zunächst gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug, denen er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage anschließt. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
Familiäre Gründe, die eine längere Versicherungspflicht in der studentischen KV rechtfertigen könnten, vermag der Senat auch unter Würdigung der ergänzenden Angaben des Klägers zu seinem schulischen und beruflichen sowie sonstigen Werdegang – mit dem SG – nicht festzustellen: Familiäre Gründe haben die späte Aufnahme des Studiums nicht bedingt. Erst zwei Jahre nach der Geburt seines Sohnes hat sich der damals zweiunddreißigjährige Kläger zu dem – dreijährigen – Besuch des Abendgymnasiums, dessen erfolgreicher Abschluss die Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums bildete, entschlossen. Ausschließlich bestimmend war für ihn insoweit, eine Alternative zu der Weiterbildung zum Intensivkrankenpfleger, zu der er zwei Jahre lang keinen Zugang erhalten hatte, zu finden. Wie das SG zutreffend festgestellt hat, ist die späte Aufnahme des Studiums zum Wintersemester 1999/2000 mit bereits fünfunddreißig Jahren ausschließlich durch die persönliche Lebensplanung bedingt gewesen, nicht durch im Sinne der Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 2. HS SGB V anerkennenswerte Gründe.
§ 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V verstößt auch nicht gegen andere Normen, insbesondere nicht gegen höherrangiges Recht.
§ 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB ist mit dem Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung (GleiBehUmsG) vom 14.08.2006 (Bundesgesetzblatt (BGBl) I 1897) bzw. das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom selben Tag (BGBl aaO) vereinbar (vgl. insoweit BSG, Urt. vom 25.06.2009, Az.: B 3 KR 7/08 R, SozR 4-2500 § 27a Nr. 8). Mit diesen Gesetzen hat der deutsche Gesetzgeber das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung nach der Richtlinie (RL) 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (2000/78/EG, ABl EG vom 2.12.2000 – L 303 S 16 ff ) innerstaatlich umgesetzt. Nach § 2 Abs. 2 AGG gelten für Leistungen nach dem SGB ausschließlich die durch Art. 3 Abs. 7 Nr. 2 und Abs. 9 Nr. 3 GleiBehUmsG eingefügten Regelungen der §§ 33c SGB I, 19a SGB IV. Gegen die hierdurch begründeten Benachteiligungsverbote verstößt der von dem Kläger angegriffene altersbezogene Ausschluss aus der studentischen KV jedoch in keiner Weise. Das Verbot der Benachteiligung u. a. aus Gründen des Alters nach § 19a SGB IV trifft den vorliegenden Sachverhalt nicht, weil der Kläger keine Leistung mit dem Ziel der Berufsberatung, der Berufsbildung, der beruflichen Weiterbildung oder ähnliches beansprucht. § 33c SGB I ist nicht verletzt, weil die hierdurch für die Inanspruchnahme sozialer Rechte begründeten Benachteiligungsverbote nur Differenzierungen nach der Rasse, der ethnischen Herkunft oder einer Behinderung betreffen, nicht aber den Differenzierungsgrund des Alters (Satz 1).
Dass die Altersbegrenzung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V bei der Umsetzung der europäischen Rahmen-RL unverändert beibehalten worden ist, bleibt entgegen der Auffassung des Klägers hinter den europarechtlichen Vorgaben nicht zurück. Weder daran noch an der Auslegung des vorliegend relevanten europäischen Rechts bestehen Zweifel für den Senat, sodass Anlass zur Vorlage gemäß Art 234 Abs 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) nicht besteht. Prüfungsmaßstab ist nach der Rechtsprechung des EuGH die aufgrund des Art 13 EGV erlassene Rahmen-RL, nicht aber Art 13 EGV selbst (ebenso BSG, Urt. vom 09.04.2008, Az.: B 6 KA 44/07 R, www.juris.de; Bundesarbeitsgericht (BAG), Urt. vom 14.10.2008, Az.: 9 AZR 511/07, AP Nr. 41 zu § 1 TVG, www.juris.de unter Verweis auf Urteile des EuGH vom 16.10.2007, Az.: C-411/05 ("Palacios de la Villa"), NJW 2007, 3339, und vom 23.09.2008, Az.: C-427/06 ("Bartsch"), NZA 2008, 1119). Der hier zu beurteilende Sachverhalt wird indes vom Anwendungsbereich der Rahmen-RL nicht erfasst; denn die Altersgrenze des § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V hat entgegen der Ansicht des Klägers keine mittelbar berufsbezogene Regelungswirkung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. a Rahmen-RL ("Bedingungen für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, "). Wollte man ihr eine solche Wirkung gleichwohl beimessen, so wäre die Differenzierung u. a. nach dem Alter dennoch durch ein legitimes Gemeinwohlinteresse gerechtfertigt, nämlich die Begrenzung der beitragsermäßigten, günstigen Pflichtversicherung auf unter Dreißigjährigen bzw. auf solche Studenten, die das vierzehnte Fachsemester noch nicht überschritten haben, u. a. zur Missbrauchsabwehr bei Langzeitstudenten, denen ein ernsthafter Wille zur Beendigung des Studiums fehlt (zu den weiteren, vom Gesetzgeber angeführten Gründen siehe die vom SG zitierte Gesetzesbegründung).
Zur Überzeugung des Senates genügt die Altersbegrenzung auf das dreißigste Lebensjahr auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen insbesondere des allgemeinen Gleichheitssatzes, Art. 3 Abs. 1 GG. Vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG), dem sich der erkennende Senat insoweit anschließt, ist bereits mehrfach entschieden worden, dass es in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers liegt, den Mitgliederkreis der gesetzlichen KV einerseits danach abzugrenzen, welcher Personenkreis zur Bildung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist, und andererseits danach, welche Personen deren Schutz benötigen. In diesem Zusammenhang hat das BVerfG stets betont, dass es sich bei der Sicherung der finanziellen Stabilität und damit der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen KV um einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang handelt (vgl. die Nachweise bei BVerfG, Urt. vom 4.2.2004, Az.: 1 BvR 1103/03, Sozialrecht (SozR) 4-2500 § 5 Nr. 1 RdNr. 17). Der dem Gesetzgeber hierbei eröffnete Rahmen zur typisierenden Ausgestaltung der Pflichtmitgliedschaft in der studentischen KV ist nicht überschritten; die für die Einführung einer Altersgrenze bzw. Höchstgrenze der Studiendauer für Studenten sprechenden Sachgründe, die das SG im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, haben vielmehr ein die Begrenzung rechtfertigendes Gewicht, zumal der Gesetzgeber über den zweiten Halbsatz der Norm eine Härteregelung getroffen hat, die es ermöglicht, von der typisierenden generellen, von dem ersten Halbsatz der Norm angenommenen Lebensgestaltung der Absolvierung eines Studiums bis zur Vollendung des dreißigsten Lebensjahres bzw. zum Ablauf von vierzehn Fachsemestern abweichende Lebensentwürfe – bei Vorliegen der Voraussetzungen – anders zu bewerten und dennoch eine Pflichtmitgliedschaft in der studentischen KV anzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass nach Mitgliedschaft des Klägers in der studentischen PV nur geringe wirtschaftliche Bedeutung zukommt.
Anlass zur Revisionszulassung, § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG, hat nicht bestanden.
Erstellt am: 17.01.2011
Zuletzt verändert am: 17.01.2011