Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 04.03.2008 abgeändert. Die Bescheide der Beklagten vom 23.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.11.2007 sowie vom 02.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2006 sowie vom 07.12.2005 und 27.03.2007 werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), ob die Beklagte zu Recht Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung von einer Kapitalzahlung aus einer befreienden Lebensversicherung erhoben hat.
Der am 00.00.1940 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.04.1963 krankenversichert. Er arbeitete vom 02.05.1966 bis 31.12.1985 bei der Firma W in B. Von 1986 bis zum Eintritt in den Ruhestand war er für die Firma N in J tätig.
Als der Kläger in den Außendienst versetzt wurde, schloss er bei der Q Lebensversicherungsanstalt von Westfalen zum 01.09.1967 eine Kapitallebensversicherung mit Überschussbeteiligung ab. Durch die Lebensversicherung wollte er einerseits seine Familie besser absichern. Zum anderen beabsichtigte der Kläger, sich mittels der Lebensversicherung ab dem 01.01.1968 von der gesetzlichen Rentenversicherung befreien zu lassen. In dem Vertrag wurde die Fälligkeit für den 01.09.2005 vereinbart. Als Versicherungsnehmer wurde der Kläger eingesetzt; im Falle seines Todes sollte seine Ehefrau die Versicherungsleistung erhalten. Die anfängliche Versicherungssumme betrug 88.235,- DM, sie erhöhte sich durch Dynamisierung während der Laufzeit auf zuletzt 207.201,- Euro.
Die Firma W übernahm 30 Prozent der monatlichen Beiträge zur Kapitallebensversicherung des Klägers; eine Beitragsbeteiligung an der Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung erfolgte nicht. Ab 1986 trat die Firma N in diese Vereinbarung ein.
Mit Bescheid vom 26.02.1968 wurde der Kläger von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit. Auch danach zahlte der Kläger bis zum Renteneintrittsalter die Mindestbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung ein.
Nach Vollendung des 65. Lebensjahres erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, er beziehe seit dem 01.11.2005 von der (damaligen) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine monatliche Altersrente in Höhe von 177,44 Euro brutto. Von der Firma W erhalte er monatlich als betriebliche Altersversorgung 47,- Euro, aus seiner betrieblichen Direktversicherung bei der LVM Lebensversicherungs-AG 54,58 Euro. Die Kapitallebensversicherung bei der Westfälischen Q Lebensversicherungs-AG sei am 01.09.2005 in Höhe von 411.033,- Euro (Garantiesumme und Überschussbeteiligung) ausgezahlt worden. Er gehe weder einer selbständigen noch abhängigen Beschäftigung nach.
Mit Bescheiden vom 02.11.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er von der Kapitalleistung der Q Lebensversicherungs-AG Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen habe, da diese als Versorgungsbezug anzusehen sei. Zur Berechnung der Beiträge sei die Kapitalleistung auf 10 Jahre zu verteilen. In diesem Zeitraum gelte monatlich jeweils 1/120 des Gesamtbetrages als Ausgangswert für die Beitragsberechnung. Bei einem allgemeinen Beitragssatz von 13,8%, einem besonderen Beitragssatz von 0,9% und einem monatlichen beitragspflichtigen Versorgungsbezug von 3.347,56 Euro habe er ab dem 01.11.2005 monatlich 492,09 Euro für die Kranken- und 56,90 Euro für die Pflegeversicherung zu zahlen.
Der Kläger widersprach dem "Beitrag zur Krankenversicherung". Seine private Lebensversicherung sei mit einer betrieblichen Altersversorgung nicht zu vergleichen. Dies ergebe sich schon aus den Versicherungsbedingungen. Er habe eine damals rechtlich zulässige Form der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gewählt. Die vierzig Jahre gültigen Vertragsbedingungen nun durch eine Gesetzesänderung außer Kraft zu setzen, verstoße gegen Treu und Glauben.
Mit weiteren Bescheiden vom 07.12.2005 erhöhte die Beklagte mit Wirkung ab dem 01.01.2006 den monatlichen Krankenversicherungsbeitrag auf 497,60 Euro und den Pflegeversicherungsbeitrag auf 57,54 Euro. Hintergrund war die Änderung der Beitragsbemessungsgrenze für 2006.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2006 als unbegründet zurückgewiesen. Bei krankenversicherungspflichtigen Rentnern seien nach §§ 237 und 229 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) auch rentenvergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) der Beitragspflicht zur Krankenversicherung zuzuordnen. Dazu gehörten nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V auch Renten der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt würden. Sie seien hinsichtlich ihrer Einkommensersatzfunktion mit der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar. Die befreiende Lebensversicherung habe die gesetzliche Rente ersetzt. Der Arbeitgeber habe sich an den Aufwendungen beteiligt. Es sei nicht richtig, bei gleicher Einkommenssituation den Bezieher von Leistungen aus einer befreienden Lebensversicherung beitragsfrei zu belassen, während der Rentner mit vergleichbarem Einkommen mit Beiträgen belastet werde. Durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) unterliege auch eine kapitalisierte Leistung der Beitragspflicht, wenn eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden sei.
Infolge einer Erhöhung des allgemeinen Beitragssatzes hob die Beklagte mit Bescheid vom 27.03.2007 den Krankenversicherungsbeitrag des Klägers ab dem 01.04.2007 auf 521,30 Euro an.
Die gegen den Widerspruchsbescheid vom 15.05.2006 erhobene Klage (S 48 (44) KR 159/06) nahm der Kläger am 13.07.2007 zurück und stellte zugleich einen Antrag auf Überprüfung der Bescheide vom 02.11.2005, 07.12.2005 und 27.03.2007 nach § 44 SGB X.
Mit Bescheid vom 23.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.11.2007 hielt die Beklagte auch im Rahmen des Überprüfungsverfahrens an der Rechtmäßigkeit ihrer Bescheide fest. Das GMG stelle die Beitragspflicht der Rentner, die ihre Versorgungsbezüge in einem Betrag erhielten, mit denen, deren Betriebsrenten monatlich ausgezahlt würden, gleich. Das Bundessozialgericht habe die Neuregelung nicht für verfassungswidrig erklärt.
Dagegen hat der Kläger am 13.11.2007 Klage erhoben. Der Katalog des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V sei abschließend und nenne die befreiende Kapitallebensversicherung nicht. Es sei ungerecht, dass er, der von seinem versteuerten Einkommen bereits Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichtet habe, nun nochmals herangezogen werde. Bei einem normalen Arbeitnehmer erbringe der Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge zur Sozialversicherung. Im Gegensatz dazu habe sein Arbeitgeber sich nur durch Zuschüsse an den Aufwendungen für die befreiende Lebensversicherung beteiligt.
Der Kläger hat beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 23.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.11.2007 den Beitragsbescheid vom 02.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2006 sowie den Beitragsbescheid vom 07.12.2005 sowie den weiteren Bei- tragsbescheid vom 27.03.2007 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides vom 07.11.2007 Bezug genommen.
Das SG Dortmund hat die Klage mit Urteil vom 04.03.2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die befreiende Lebensversicherung stelle eine mit der Rente der betrieblichen Altersversorgung vergleichbare Leistung dar. Dass der Kapitallebensversicherung Einkommensersatzfunktion zukomme, ergebe sich aus der vereinbarten Fälligkeit zum Herbst 2005. Der Zusammenhang zu der früheren Beschäftigung des Klägers ergebe sich zum einen aus der Beteiligung des Arbeitgebers an den Beiträgen. Er beruhe zum anderen auf der 1968 bestehenden Möglichkeit für besser verdienende Angestellte, Versicherungsfreiheit zu erlangen. Nur infolge dieser Befreiung habe der Kläger die Gelegenheit gehabt, das Arbeitsentgelt für den Erwerb der Versorgungsleistung aus der befreienden Lebensversicherung aufzuwenden. Die Leistung aus der befreienden Lebensversicherung stelle das Surrogat für die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung dar. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und den Solidaritätsgrundsatz könne ein solches Surrogat auch nicht von der Beitragsbemessung ausgeschlossen werden. Ein Verbot der Doppelverbeitragung kenne das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht. Versicherungspflichtige Rentner seien entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an der Finanzierung der Krankenversicherung zu beteiligen. Da die Änderung des GMG zum 01.01.2004 vor Fälligkeit der befreienden Lebensversicherung in Kraft getreten sei, handele es sich um eine zulässige unechte Rückwirkung.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 04.04.2008, mit der er an seiner Rechtsaufassung festhält.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 04.03.2008 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und verweist auf ihr bisheriges Vorbringen.
Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakte sowie die Akte des SG Dortmund S 48 (44) KR 159/06, deren Inhalt der Senat seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 23.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.11.2007 sowie vom 02.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2006 sowie vom 07.12.2005 und 27.03.2007 sind rechtswidrig. Die Beklagte hat die Leistung aus der befreienden Kapitallebensversicherung zu Unrecht zu Beiträgen zur Krankenversicherung herangezogen, denn es handelt sich nicht um eine betriebliche Altersversorgung.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass nur die Bescheide hinsichtlich der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung Gegenstand dieses Verfahrens sind.
Nach § 237 Satz 1 SGB V, der seit Inkrafttreten des SGB V am 01.01.1989 unverändert geblieben ist und § 180 Reichsversicherungsordnung (RVO) entspricht, werden der Beitragsbemessung bei versicherungspflichtigen Rentnern
1. der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und 3. das Arbeitseinkommen
zu Grunde gelegt.
Zu den der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) i.S.v. § 237 Satz 1 Nr. 2 SGB V gehören nach Maßgabe von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V auch "Renten der betrieblichen Altersversorgung", soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden. Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der ab dem 01.01.2004 anzuwendenden Fassung (GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190)) ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für einhundertzwanzig Monate.
Der Kläger ist durch den Bezug der gesetzlichen Altersrente von monatlich 177,44 Euro ab dem 01.11.2005 Pflichtmitglied der Beklagten nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V.
Zweifelsohne dient die befreiende Kapitallebensversicherung der Alters- und Hinterbliebenenversorgung. Die Fälligkeit trat zwei Monate vor seinem 65. Geburtstag ein. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, er habe nach seinem Wechsel in den Außendienst der Firma W eine finanzielle Absicherung seiner Familie angestrebt. Zudem habe er die Kapitallebensversicherung abgeschlossen, um sich zum 01.01.1968 von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen.
Der Einbeziehung der Kapitallebensversicherung steht nach der Neufassung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V zum 01.01.2004 auch nicht mehr entgegen, dass diese in einer Summe -und nicht als laufende Leistung- ausgezahlt worden ist. Die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung unterliegt keinem Zweifel (Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 07.04.2008 -1 BvR 1924/07-; BSG vom 13.09.2006 – B 12 KR 5/06 R-, -B 12 KR 1/06- und – B 12 KR 17/06 -, vom 25.04.2007 – B 12 KR 26/05 R -, vom 12.11.2008 – 12 Kr 9/08 R -; LSG NRW, Urteil vom 14.02.2008 – L 5 KR 77/07-, vom 05.05.2008 – L 5 KR 17/08- und vom 18.02.2009 -L 11 KR 36/07-).
Die befreiende Kapitallebensversicherung stellt jedoch keine Rente der betrieblichen Altersversorgung i.S.v. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V dar.
Die Aufzählung von "vergleichbaren Einnahmen" in § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 5 SGB V ist abschließend (BT-DS. 9/458 S. 33 zum wortgleichen § 180 RVO; BSG, Urteil vom 27.01.2000 -B 12 KR 17/99 R-). Dazu zählen Renten der Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenversorgung, die im Zusammenhang mit einer früheren beruflichen Tätigkeit erworben wurden und von Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge gezahlt werden. Das BSG hat in seinen Entscheidungen zu den Direktversicherungen für die Definition der betrieblichen Altersvorsorge den Begriff der "institutionellen Abgrenzung" geprägt. Danach ist typisierend an einen Zusammenhang mit dem Erwerbsleben anzuknüpfen. Darauf, ob die Berufstätigkeit fortgesetzt wurde oder die Vorsorge nachweislich aus Einkünften der Berufstätigkeit betrieben wurde, kommt es nicht an. Maßgeblich ist, dass derjenige, der durch die berufliche Tätigkeit eine solche Versorgung abschließen kann, sich nicht irgendeiner Form der privaten Altersvorsorge bedient, sondern sich gerade die Vorteile der betrieblichen Altersvorsorge zu Nutze machen möchte (BSG, Urteil vom 27.01.2000 – B 12 KR 17/99 R-, vom 11.10.2001 – B 12 KR 4/00 R-, vom 25.04.2007 – B 12 KR 25/05 R-, vom 12.11.2008 – B 12 KR 10/08 R und B 12 KR 9/08 R -; LSG NRW, Urteil vom 25.09.2008 – L 5 KR 65/07-).
Dieser Zusammenhang mit dem Erwerbsleben des Klägers ist nicht gegeben:
Zwar wurde der Kläger nur durch seine Anstellung als besser verdienender Angestellter bei der Firma W in die Lage versetzt, sich von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen. Denn die durch Art. 2 § 1 Abs. 1 Satz 1 b), Satz 2 und Satz 3 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) vom 01.01. bis 30.06.1968 geschaffene Möglichkeit, sich von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen, galt ausschließlich für Angestellte mit einem Verdienst oberhalb der Jahresarbeitsverdienstgrenze. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um den erforderlichen Zusammenhang zwischen der privat mit einem betriebsfremden Lebensversicherer abgeschlossenen Kapitallebensversicherung und dem Erwerbsleben des Klägers zu bejahen. Dies hat das BSG vor dem Inkrafttreten des GMG zu einer befreienden Kapitallebensversicherung eines freiwilligen Mitglieds bereits entschieden (Urteil vom 17.01.2000 -B 12 KR 17/99 R-; zustimmend Orlowski/ Rau/ Schumer/ Wasem/ Zipperer, Kommentar zum SGB V, März 2006, § 229 Rn. 7b und Fischer in jurisPK-SGB V, Stand 01.07.2007, § 229 Rn. 46).
Im Gegensatz zu einer Direktversicherung, die üblicherweise von dem Arbeitgeber auf das Leben des Arbeitnehmers abgeschlossen wird und bei der entweder die Hinterbliebenen oder sogar der Arbeitgeber selbst bezugsberechtigt sind, wurde die Firma W bei der Versicherung des Klägers in keiner Weise vertraglich beteiligt. Nach der mündlichen Verhandlung steht für den Senat fest, dass weder der Arbeitgeber den Kläger zum Abschluss des Versicherungsvertrags angeleitet hat, noch die Beschäftigung als solche für den Kläger den Ausschlag gegeben hat. Auch hat der Kläger vom Versicherungsunternehmen keinerlei Vorteile (in Form von Sonderkonditionen, Firmenboni etc.) dadurch erhalten, dass er gerade bei der Firma W beschäftigt war. Die Q Lebensversicherung-AG kann daher nicht als "Einrichtung der betrieblichen Altersvorsorge" bezeichnet werden. Die Beklagte trägt vor, dass sich der Zusammenhang zum Erwerbsleben des Klägers daraus ergebe, dass die Firma W sich an den Versicherungsbeiträgen durch Zuschüsse beteiligt habe. In der Tat haben die Firma W und später die Firma N 30 Prozent der monatlichen Beiträge gezahlt. Diese Tatsache streitet aber weder für noch gegen den Kläger. Das BSG hat schon zu den Direktversicherungen entschieden, dass es bei der Beurteilung nach der institutionellen Betrachtungsweise gerade nicht auf die Frage ankommen kann, wer die Beiträge geleistet hat (BSG, Urteil vom 26.03.1996 -B 12 RK 21/95 R-, vom 11.10.2001 – B 12 KR 4/00 R -, vom 25.04.2007 – B 12 KR 25/05 R- und vom 12.11.2008 – B 12 KR 10/08 R-; LSG NRW, Urteil vom 26.04.2007 – L 5 KR 161/06- und vom 14.02.2008 – L 5 KR 77/07-).
Soweit das SG argumentiert, die befreiende Lebensversicherung könne bei der Verbeitragung als Surrogat für die gesetzliche Rentenversicherung vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Solidaritätsprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung nicht außen vor bleiben; die Einkommenssituation eines Rentners, der die Kapitalleistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer Direktversicherung erhalte, sei mit der Einkommenssituation des Rentners, der die Kapitalleistung aus einer befreienden Lebensversicherung erhalte, identisch (im Ergebnis so auch Bayrisches LSG, Urteil vom 26.11.1998 – L 4 KR 125/96- und Urteil vom 31.01.2002 – L 4 KR 79/00-; Rüscher/ Sieben, KVdR, 20. Lieferung aus 2006, 500 § 229 Rn 15 b; Gerlach in Hauck/ Noftz, LfG 8/06, § 229 SGB V, Rn. 22), vermag der Senat dem nicht zu folgen.
Eine analoge Anwendung des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V für den Fall einer befreienden Kapitallebensversicherung kommt nicht in Betracht. Richtig ist, dass es bei der Einführung der Beitragspflicht von sog. "Versorgungsbezügen" in § 180 Abs. 5 Nr. 1, Abs. 8 RVO (BT-DS 9/458, S. 34) gesetzgeberisches Ziel war, auch solche Einnahmen zu berücksichtigen, die wie die Rente Arbeitsentgelt ersetzen, um versicherungspflichtige Rentner entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gleich zu behandeln. Nach der Gesetzesbegründung sollten nur Entschädigungsleistungen, Unfallrenten und Einnahmen, die nicht unmittelbar auf eine frühere Erwerbstätigkeit zurückzuführen sind (z.B. betriebsfremde private Eigenvorsorge, Erbe), außen vor bleiben (BT-DS 9/458, S. 34). Eine allgemeine Vermögensabschöpfung sei nicht gewollt. Die befreienden Kapitallebensversicherungen werden in den Gesetzesmaterialien nicht erwähnt. Bei den besser verdienenden Angestellten, die sich zwischen dem 01.01. und 30.06.1968 durch den Abschluss einer solchen Versicherung von der Rentenversicherungspflicht haben befreien lassen, handelt es sich um einen sehr begrenzten Personenkreis. Dies wirft die Frage auf, ob insoweit eine der Auslegung und/oder Analogie zugängliche Regelungslücke besteht. Dagegen spricht bereits, dass ein etwaiges Versehen bei der Formulierung des GMG zum 01.01.2004 hätte korrigiert werden können, dies aber nicht geschehen ist, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Problematik der befreienden Kapitallebensversicherungen durch das BSG-Urteil vom 27.01.2000 (a.a.O.) bereits zu Tage getreten war.
Ob trotzdem eine planwidrige Regelungslücke vorliegt oder nicht, kann aber letztlich dahin stehen. Es fehlt an der -eine Analogie voraussetzende- Vergleichbarkeit der befreienden Kapitallebensversicherung mit den vom Gesetzgeber normierten Renten der betrieblichen Altersvorsorge. Zum einen stellt die Lebensversicherung des Klägers – wie bereits dargelegt – keinen in seiner beruflichen Tätigkeit wurzelnden Versorgungstyp dar. Zum anderen hat der Kläger durch sie kein vollständiges Surrogat zur gesetzlichen Rente geschaffen. Denn er hat dem System der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vollständig den Rücken gekehrt, sondern weiterhin die Mindestbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlt und bei der LVM Lebensversicherungs-AG eine betriebliche Direktversicherung und bei der Firma W eine betriebliche Altersvorsorge unterhalten. Mit den aus diesen drei Quellen fließenden Renten unterliegt der Kläger auch der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung. Mit der privaten Kapitallebensversicherung hat der Kläger zwar rein wirtschaftlich gesehen seine gesetzliche Rente im Wesentlichen ersetzt. Dafür hat er aber auch in gleichem Maße auf den Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung verzichtet. Im Verhältnis zu der betrieblichen Altersvorsorge hat er auf weitergehende steuerliche Vorteile verzichtet und die Beiträge von seinem Nettoverdienst aufbringen müssen. Gegen eine analoge Anwendung des § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V spricht zudem der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes. Der Kläger musste im Hinblick auf die von dem Gesetzgeber ausdrücklich als abschließend bezeichnete Gesetzesfassung nicht damit rechnen, dass auch seine befreiende Kapitallebensversicherung der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt.
Eine in jeder Hinsicht befriedigende Abgrenzung von beitragspflichtigen Renten und beitragsfreien Kapitalleistungen aus privaten Versicherungen ist schließlich nicht möglich, wenn einerseits alle Rentner grundsätzlich nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Beitragszahlung herangezogen werden sollen und andererseits der Gesetzgeber die Beitragspflicht in zulässiger Weise auf typisierende Einkunftsarten beschränken muss. Eine Ungleichbehandlung liegt darin nicht, da es sich bei der normierten Einzelanknüpfung um eine Systementscheidung gegen eine konkret-individuelle Versorgungsanalyse im Einzelfall handelt, die dadurch gerechtfertigt ist, dass nur solche Einkünfte verbeitragt werden, die in hinreichendem Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit stehen (BSG, Urteil vom 12.11.2008 – B 12 KR 10/08 R-).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage, ob die befreiende Kapitallebensversicherung als eine der Rente vergleichbare Einnahme der Bemessung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen ist, zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Dies ist jedenfalls für ein Pflichtmitglied seit Inkrafttreten des GMB zum 01.01.2004 nicht durch das BSG entschieden worden.
Erstellt am: 23.09.2010
Zuletzt verändert am: 23.09.2010