Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 21.03.2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits auch im Berufungsverfahren. Der Streitwert wird auf 709,71 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist, in welcher Höhe die Beklagte Wegegelder für Fahrten der Klägerin als freiberufliche Hebamme im Zusammenhang mit Leistungen für zwei bei der Beklagten Versicherte zu zahlen hat.
Die Klägerin erbringt als freiberufliche tätige Hebamme Hebammenhilfe in der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie betrieb im Jahre 2004 zusammen mit der freiberuflichen Hebamme D Q in F, W Straße 00, den "Hebammenladen C".
Für die Versicherte Frau B X (geb. am 00.00.1976; damals wohnhaft E Str. 00, F; im Folgenden: W.) erbrachte die Klägerin im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes am 12.02.2004 Leistungen als freiberuflich tätige Hebamme. Sie betreute W. sowohl vor und während als auch nach der Geburt des Kindes. Auf Wunsch der Versicherten erfolgte eine ambulante Entbindung in einem Krankenhaus im Rahmen einer sogenannten Beleg-Geburt. Unter dem 21.03.2004 stellte die Klägerin u. a. Wegegelder für den Zeitraum vom 02.01.2004 bis zum 15.03.2004 für insgesamt 19 Fahrten von ihrer Wohnung zu der Wohnung der Versicherten mit einer Wegstrecke von 58 km in Rechnung. Ferner machte sie für die Fahrt am Tag der Geburt des Kindes zum und vom Krankenhaus für 24 zurückgelegte Kilometer einen Betrag vom 12,24 EUR geltend. Insgesamt betrugen die in Rechnung gestellten Wegegelder 574,26 Euro (0,51 Euro pro Kilometer). Die Höhe des Wegegeldes wurden damit begründet, dass gem. § 4 Abs. 3 Satz 2 der Hebammen-Gebührenverordnung (HebGV) die Toleranzgrenze bei Beleggeburten entfalle.
Mit Bescheid vom 15.04.2004 kürzte die Beklagte den geltend gemachten Betrag um 380,46 Euro auf einen Betrag von 193,80 Euro. Zur Begründung führte sie aus, nach den Vorschriften der HebGV sei pro Fahrt eine Toleranzgrenze von 20 km in Ansatz zu bringen, die mit einer Kilometerpauschale von 0,51 Euro zu multiplizieren sei. Der Betrag von 193,80 Euro wurde der Klägerin überwiesen.
Auf den Widerspruch der Klägerin nahm die Beklagte unter dem 30.06.2004 den Bescheid vom 15.04.2004 zurück, weil die Vergütung der Wegegelder im Verhältnis zur freiberuflichen Hebamme im Gleichordnungsverhältnis erfolge. Sie berechnete die Wegegelder neu. Da eine andere Hebamme vom Wohnort der Versicherten aus gesehen 5,2 km, aufgerundet 6 km, entfernt erreichbar gewesen sei (E S, L-straße 00, F), ergebe sich nach § 4 Abs. 3 HebGV folgende Berechnung: Das Wegegeld sei zu kürzen, wenn die Kilometerentfernung der in Anspruch genommenen Hebamme größer sei als die Kilometerentfernung der nächst erreichbaren Hebamme plus 20 km. Da die nächst erreichbare Hebamme 5,2 km von W. entfernt gewohnt habe (aufgerundet auf 6 km), ergebe sich ein Entfernungsunterschied von 23 km (29 – 6 km), mit dem die Toleranzgrenze überschritten werde. Zu vergüten seien demnach nur Wegegebühren für 6 km. Da keine Haus- bzw. Geburtshausentbindung vorgelegen habe, sei kein besonderer Fall gegeben, in dem von dieser Berechnungsweise Abstand zu nehmen sei. Zu zahlen seien 116,28 Euro (12 km x 0,51 Euro x 19 Fahrten).
Im Falle der Versicherten N O (geb. am 00.00.1971; damals wohnhaft Q-str. 00, F; im Folgenden N.) erbrachte die Klägerin anlässlich des am 19.07.2004 geborenen Kindes ebenfalls Leistungen als freiberuflich tätige Hebamme. Sie betreute auch W. den gesamten Zeitraum sowohl vor und während als auch nach der Geburt des Kindes. Die Geburt wurde als ambulante Beleggeburt durchgeführt. Unter dem 15.08.2004 berechnete die Klägerin in dem Zeitraum vom 19.07.2004 bis zum 13.08.2004 15 Fahrten von ihrem Wohnort zum Wohnort der Versicherten. Sie setzte 47 km a 0,51 Euro in Ansatz. Zusätzlich berechnete sie für Hin- und Rückfahrt zum/vom Krankenhaus 23,5 km a 0,51 Euro für die eigentliche Geburtshilfe. Sie errechnete einen Gesamtbetrag von 371,54 Euro. Die Klägerin übersandte an die Beklagte am 28.09.2004 eine schriftliche Stellungnahme der Versicherten N. vom 22.09.2004, in der diese mitteilte, dass zunächst eine Hausgeburt geplant gewesen sei und dass zu der Klägerin ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden habe.
Mit Schreiben vom 02.09.2004 wies die Beklagte darauf hin, dass die Klägerin nicht die nächst wohnende Hebamme gewesen sei, sondern im Umkreis von 2 km Entfernung von N. mindestens zwei Hebammen (C C, T-str. 00, F; T S, Q-str. 00, F) erreichbar gewesen seien. Daraus ergebe sich eine Toleranzgrenze von 22 km je einfache Entfernung, abgerechnet worden seien jedoch 23,5 km. Zu vergüten seien demnach 4 km x 0,51 Euro x 15 Fahrten = 30,60 Euro zuzüglich eines Wegegeldes in Höhe von 11,99 Euro am Tag der Geburt (am 19.07.2004) im Krankenhaus, insgesamt also ein Betrag von 42,59 Euro. Gekürzt werde die Rechnung der Klägerin demnach um 328,95 Euro (371,54 – 42,59 Euro). Der Betrag von 42,59 Euro wurde von der Beklagten bezahlt.
Am 09.11.2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Bei Anwendung des § 4 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 HebGV sei zu berücksichtigen, dass das Wegegeld hier nicht auf eine Krankenhausfahrt beschränkt werde, sondern sich auf die gesamte Tätigkeit der Hebamme anlässlich dieser Geburt beziehe. Die erbrachten Leistungen seien jedenfalls solche im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 HebGV. Bei den beiden Versicherten der Beklagten seien ambulante Geburten im Krankenhaus (sogenannte Beleggeburten) durchgeführt worden; bei N. sei zudem eigentlich eine Hausgeburt geplant gewesen. Deshalb sei die Zuziehung der Klägerin nach der besonderen Lage der Einzelfälle gerechtfertigt gewesen, so dass die Versicherten sich nicht an die nächst wohnende Hebamme hätten wenden müssen. Es bestehe ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen der Schwangeren bzw. Mutter und der Hebamme ihrer Wahl, die eine ambulante Entbindung in einem Krankenhaus durchführe. Insoweit sei die Interessenlage derjenigen im Falle einer Hausgeburt vergleichbar. Selbst wenn man Satz 2 des § 4 Abs. 3 HebGV nicht anwende, sei die Abrechnung fehlerhaft: Zu kürzen seien nur die Kilometer, die über die Toleranzgrenze von 20 hinausgingen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 709,41 Euro nebst Zinsen von 5 %- Punkten über dem Basiszinssatz aus 380,46 Euro seit dem 12.04.2004 und aus weiteren 328,95 Euro seit dem 06.09.2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Wegegelder seien korrekt berechnet worden. In § 4 III S. 2 1. Alt HebGV sei die Fahrt zu der Schwangeren ins Krankenhaus bei einer Beleggeburt gemeint, die im Falle der Versicherten W. beglichen worden sei (24 km am 14.02.2004). Im Falle der Versicherten N. sei die Fahrt zur ambulanten Geburt ins Krankenhaus ebenfalls vergütet worden (23,5 km am 19.07.2004). Bei den sonstigen Fahrten seien keine besonderen Umstände zu berücksichtigen, die die Abrechnung eines Mehrbetrages zur Folge hätten.
Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat die Beklagte durch Urteil vom 21.3.2006 antragsgemäß verurteilt. Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die Wegegelder im Zusammenhang mit den vor- und nachgeburtlichen Leistungen zu Unrecht gekürzt. Ein Vergütungsanspruch bestehe nach § 4 Abs. 3 Satz 2 Variante 2 HebGV. Nach dieser Vorschrift gelte die in Satz 1 angeordnete Toleranzgrenze nicht, wenn das Wegegeld anfalle, weil die Zuziehung einer anderen als der nächst erreichbaren Hebamme nach der besonderen Lage des Falles aus anderen Gründen gerechtfertigt gewesen sei. Weil in beiden Fällen ambulante Geburten in einem Krankenhaus bzw. sog. Beleggeburten durchgeführt worden seien, sei die Hinzuziehung der Klägerin gerechtfertigt gewesen. Geburten dieser Art seien von den Standardgeburten, die im Rahmen einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu erfolgen pflegten, abzugrenzen. Die Besonderheit der Beleggeburt bringe es mit sich, dass dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen einer Schwangeren bzw. Niedergekommenen und einer bestimmten Hebamme Rechnung zu tragen sei.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 11.05.2006 Berufung eingelegt: Abrechnen könne die Klägerin nicht die Wegstrecken zwischen ihrer Wohnung in Bochum und den Wohnorten der Versicherten, sondern nur die kürzeren Wegstrecken zwischen ihrem Hebammenladen in der Essener Innenstadt, der als ihre Praxis anzusehen sei, und dem jeweiligen Ort der Leistungen. Die Klägerin sei zudem nicht die nächst erreichbare Hebamme gewesen. Im Umkreis der Wohnung von W. seien außer Danuta Rimpler auch A. Politt (Ernst Tengelmann Ring 24a, 45259 Essen) und O. Markström-Hanz (Beckumsfeld 15, 45259 Essen) in einer Entfernung von 4,5 km bzw. 4 km erreichbar gewesen. Von der Wohnung der Frau N. habe es mehrere Hebammen im näheren Umkreis gegeben, die auch Hausgeburten durchgeführt hätten. Insoweit seien D Q (W Str. 00, F) und B L (C-str. 10, F), die in einer Entfernung von1,9 km bzw. 8,4 km erreichbar gewesen wären, zu nennen.
Sonderfälle im Sinne des § 4 Abs. 3 HebGebV seien nicht gegeben. Das Sozialgericht habe aus unerfindlichen Gründen die angenommen, eine ambulante Krankenhaus- bzw. Beleggeburt stelle einen Ausnahmefall gegenüber dem Standardfall der stationären Geburt dar. Unabhängig davon, dass diese Annahme nach dem Kenntnisstand der Beklagten kaum den realen Verhältnissen entspreche, wäre in beiden Fällen kein Grund vorhanden, der die Beauftragung einer anderen, näher wohnenden oder praktizierenden Hebamme ausschließe und zumindest unzumutbar mache. Letztlich sei die Verurteilung zu Verzugszinsen rechtswidrig, wie sich schon aus dem Urteil des BSG vom 04.03.2004 – B 3 KR 4/03 R – ergebe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 21.03.2006 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt: Sie habe die Wegstrecke zu den Versicherten jeweils von ihrer Wohnung aus angetreten und deshalb auch abgerechnet. Dies sei nach der Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 HebGV auch möglich, da die Vorschrift auf die Wege zwischen der Wohnung oder der Praxis der Hebamme abstelle und damit beide Wege völlig gleich stelle. In der damaligen Zeit habe sie – die Klägerin – sich nur gelegentlich im Hebammenladen aufgehalten – wie dem die damalige Zeit betreffenden Programmheft 1/2004 zu entnehmen sei. Bestritten werde, dass die im Falle N. von der Beklagten genannten Hebammen im damaligen Zeitraum Hausgeburten durchgeführt hätten und es eine näher erreichbare Hebamme gegeben habe. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei ihre Hinzuziehung in beiden Fällen nach der besonderen Lage der beiden Einzelfälle nach § 4 Abs. 3 Satz 2 HebGV gerechtfertigt gewesen. Das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen ihr und den Versicherten müsse als ausreichende Begründung angesehen werden. Sie verweise insoweit auf die vorgelegten schriftlichen Erklärungen der Versicherten vom 10.01.2007 und vom Oktober 2007, die das besondere Vertrauensverhältnis dokumentierten. Schließlich eröffne die Vorschrift der Beklagten lediglich die Möglichkeit, bei der Überschreitung der Toleranzgrenze das Wegegeld abzulehnen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übertrifft die zum damaligen Zeitpunkt geltende Summe von 500,00 Euro (vgl. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG in der bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung), da die Klage auf die Zahlung von 709,41 Euro gerichtet ist.
Die Berufung ist unbegründet. Im Ergebnis hat das SG der Zahlungsklage mit Urteil vom 31.3.2006 zu Recht stattgegeben.
Die erhobene reine Leistungsklage ist zulässig. Eine Befugnis der Beklagten zur Entscheidung über den Vergütungsanspruch der Klägerin durch Verwaltungsakt besteht nicht, weil die Beteiligten nicht in einem Über-/Unterordnungsverhältnis zueinander stehen (BSG E 60,54 = SozR 5595 § 1 Nr. 1; BSG, Urteil vom 21.08.1996 – 3 RK 22/95 = SozR 3 – 5595 § 2 Nr. 1).
Die Klage ist auch begründet, denn die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 709,41 Euro (380,46 Euro + 328,95 Euro) nebst Zinsen von 5 %- Punkten über dem Basiszinssatz aus 380,46 Euro seit dem 12.04.2004 und aus weiteren 328,95 Euro seit dem 06.09.2004. Im Falle der Versicherten W. ist ein Anspruch i.H.v. 574,26 Euro entstanden (19 Fahrten a 58 km (1102 X 0,51 Euro) = 562,02 Euro; 1 Fahrt a 24 km (24 X 0,51 Euro) = 12,24 Euro). Da die Beklagte vor Klagerhebung bereits einen Betrag von 193,80 Euro bezahlt hatte, besteht ein Restanspruch i.H.v 380,46 Euro. Im Falle der Versicherten N. ist ein Anspruch i.H.v. 371,54 Euro entstanden (15 Fahrten a 47 km (705 X 0,51 Euro) = 359,55 Euro; 1 Fahrt a 23 km (23,5 X 0,51 Euro) = 11,99 Euro. Da die Beklagte vor Klagerhebung bereits einen Betrag von 42,59 Euro bezahlt hatte, besteht ein Restanspruch i.H.v 328,95 Euro.
Nach § 134 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – in der hier maßgeblichen bis zum 07.11.2006 gültigen Fassung (SGB V a. F.) sind Leistungen der freiberuflich tätigen Hebammen, soweit sie von der Leistungspflicht der Krankenversicherung umfasst sind, nach der von dem zuständigen Bundesminister (für Gesundheit) erlassenen Rechtsverordnung zu vergüten. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 HebGV vom 28.10.1996 (BGBl. I, 1662) in der hier maßgeblichen Fassung vom 07.10.1997 (BGBl. I, S. 2397) erhält die Hebamme für jeden Besuch aus Anlass einer abrechnungsfähigen Leistung Wegegeld. Die Klägerin hat für die Versicherten der Beklagten an den Tagen, für die sie Fahrten abgerechnet hat, abrechnungsfähige Leistungen erbracht. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig; die Beklagte hat die Leistungen vielmehr entsprechend der Rechnungslegung der Klägerin abgerechnet. Für jeden Besuch der Versicherten aus Anlass dieser abrechnungsfähigen Leistungen ist demnach dem Grunde nach ein Anspruch der Klägerin auf Wegegeld entstanden.
Der Klägerin steht Wegegeld in der geltend gemachten Höhe zu. Der Höhe nach richtet sich das Wegegeld nach § 4 Abs. 2 und Abs. 3 HebGV. Nach Abs. 2 orientiert es sich zunächst an einem bestimmen Betrag, der nach Kilometern bemessen wird. Falls die Hebamme – wie hier – nicht öffentliche Verkehrsmittel benutzt hat und – wie hier – eine Entfernung von mehr als 2 km zwischen ihrer Wohnung oder Praxis und der Stelle der Leistung zurückgelegt hat (Buchstabe b des Abs. 2 S. 2), so beträgt die Pauschale pro Kilometer, der tagsüber zurückgelegt worden ist, bis zum 23.07.2004 (nach HebGV i.d.F. v. 07.10.1997) 0,51 Euro und ab dem 24.07.2004 (nach HebGV i.d.F. v. 21.07.2004) 0,55 Euro. Für die im Zeitraum von Januar bis März 2004 erbrachte Hebammenhilfe im Falle W. sind pro Kilometer 0,51 Euro anzusetzen, wie es die Klägerin in ihrer Rechnung vom 21.03.2004 und die Beklagte bei ihrer Abrechnung berücksichtigt hat. Bei der Abrechnung der Fahrten zu N. im Zeitraum vom 19.07. bis 13.08.2004 sind entgegen der Ansicht der Klägerin, die sie allerdings erst im gerichtlichen Verfahren vorgebracht hat, nicht etwa 0,55 Euro pro Kilometer zu berücksichtigen, sondern ebenfalls nur 0,51 Euro pro Kilometer – wie die Klägerin auch bei ihrer Rechnung vom 15.08.2004 zugrundegelegt hat. Denn die HebGV i.d.F. v. 21.07.2004 findet nach § 6 nur bei Geburten nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung Anwendung. Die Versicherte N. ist aber vor dem Inkrafttreten der Verordnung am 19.07.2004 niedergekommen.
Abzurechnen ist nach § 4 Abs. 2 HebGV grundsätzlich die Wegstrecke zwischen Wohnort oder Praxis der Hebamme und der Stelle der Leistung. Anzusetzen ist die tatsächlich zurückgelegte Strecke, auch wenn der Fahrtantritt von dem anderen Ausgangspunkt -Wohnung oder Praxis- kürzer gewesen wäre. Zwar unterliegt die Hebamme auch bei den Fahrten zum Leistungsort dem Wirtschaftlichkeitsgebot, sodass grundsätzlich die kürzeste Strecke zu nutzen ist (vgl. Horschitz, Das Krankenkassengebührenrecht der Hebamme, Text und Kommentar zur Hebammenhilfe-Gebührenverordnung, 9. aktualisierte Auflage 2005, Rn. 6; SG Dortmund, Urteil vom 19.05.1998 – DHZ 1998, 458, das ausführt, dass eine längere Wegstrecke als die kürzeste Wegstrecke nur dann in Betracht komme, wenn mit ihr eine wesentliche Zeitersparnis einhergehe). Jedoch gilt dies nicht für die Wahl des Fahrtantritts entweder von der Wohnung oder der Praxis. In § 4 HebGV wird sowohl in Abs. 2 a) und b) als auch in Abs. 3 S. 1 auf die Entfernung "zwischen der Wohnung oder der Praxis der Hebamme und der Stelle der Leistung" abgestellt. Nach dem Wortlaut stehen Wohnung und Praxis der Hebamme als mögliche Ausgangspunkte der Fahrt zur Leistung also gleichberechtigt nebeneinander. Hätte der Verordnungsgeber unabhängig von der tatsächlichen Fahrt die jeweils kürzere Wegstrecke zum Leistungsort für maßgeblich erachten wollen, so hätte er dies in der Regelung klar zum Ausdruck bringen müssen.
Da hier demnach die tatsächlich zurückgelegte Strecke zwischen Wohnung und Leistungsort maßgeblich ist, kann dahingestellt bleiben, ob der Hebammenladen "C" im Sinne der GebV als Praxis der Klägerin einzustufen ist. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Fahrten in Wirklichkeit von ihrem Hebammenladen angetreten und damit eine falsche Abrechnung vorgelegt hätte, bestehen – auch unter Zugrundelegung der Angaben der Beklagten – nicht. Im Falle der Versicherten W. ist demnach grundsätzlich eine Wegstrecke von 29 km (58 km: 2) und bei der Versicherten N. eine Wegstrecke von 23,5 km (47 km: 2) zugrunde zu legen.
Die Höhe der geltend gemachten Wegegelder ist auch nicht zu kürzen. Hat eine andere als die nächst wohnende Hebamme Hilfe geleistet, so kann die Krankenkasse nach § 4 Abs. 3 Satz 1 HebGV zwar die Zahlung des dadurch entstandenen Mehrbetrages an Wegegeld ablehnen, wenn der Weg von der Stelle der Leistung zur Wohnung oder Praxis der anderen Hebamme mehr als 20 km länger ist als zur Wohnung oder Praxis der nächst wohnenden Hebamme. Dahingestellt bleiben kann jedoch, ob die Klägerin für die Versicherten W. und N. die nächst wohnende Hebamme gewesen ist. Denn die von der Klägerin berechneten Wegegelder sind jedenfalls nach § 4 Abs. 3 Satz 2 HebGV nicht zu kürzen. Nach dieser Vorschrift gilt Satz 1 nicht, wenn das Wegegeld anfällt, weil mehrere Hebammen die Dienstleistungen in einem Krankenhaus nach einem vereinbarten Einsatzplan ausführen oder wenn die Zuziehung der anderen Hebamme nach der besonderen Lage des Falles aus anderen Gründen gerechtfertigt war. Da die Klägerin bei den Geburten der Versicherten W. und N. ihre Dienstleistungen in dem Krankenhaus nicht nach einem vereinbarten Einsatzplan ausgeführt hat, kommt diese Variante hier nicht in Betracht. Die Hinzuziehung der Klägerin war aber nach der besonderen Lage des jeweiligen Falles aus anderen Gründen gerechtfertigt.
Beide Fälle waren "besonders" gelagert. Eine Lage kann nur "besonders" sein, wenn sie nicht den Regelfall darstellt. Statistisch gesehen ist die ambulante Beleggeburt nicht der Regelfall. Im Jahre 2004 waren in Nordrhein-Westfalen insgesamt 4.050 Hebammen und Entbindungspfleger tätig, 2180 waren in einem Krankenhaus fest angestellt und 1870 waren ambulant (oder kombiniert und stationär) tätig. 164 Personen waren Beleghebammen bzw. Belegentbindungspfleger (Quelle: Landesinstitut für den öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes NRW, Indikatorensatz für die Gesundheitsberichterstattung in Nordrhein-Westfalen Bd. II Themenfeld 8.22, adaptierte Fassung für NRW, 2005; www.loegd.de.nrw.de/gesundheitsberichterstattung/gesundheitindikatoren). Mit einem Anteil von nur 4 % an der Gesamtzahl der Hebammen- und Entbindungspfleger und einem Anteil von 8,8 % an den (auch) ambulant tätigen Hebammen und Entbindungspflegern war die Zahl der Beleghebammen in NRW relativ gering. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Tätigkeit der Klägerin in den Fällen der Versicherten W. und N. wiederum eine besondere Form der Arbeit einer Beleghebamme darstellte. Eine Beleghebamme arbeitet als selbständig tätige Hebamme entweder in einem Krankenhaus mit sog. Belegsystem oder sie betreut die Geburten in einer Geburtklinik, mit der sie einen Belegvertrag abgeschlossen hat. Zieht man die Beleghebammen, die in Form eines Belegsystems in der Regel im Schichtdienst von Kreissälen, Wochenstationen und/oder Kinderzimmern einer Klinik ähnlich wie angestellte Hebammen arbeiten, ab, so reduziert sich die Anzahl der Hebammen, die wie die Klägerin im Jahre 2004 mit einem Belegvertrag gearbeitet haben, weiter (zum Begriff der Beleghebamme vgl. z. B. Wikipedia). Auch wenn die Größenordnung mangels spezifizierten statistischen Materials nicht exakt zu bestimmen ist, hält der erkennende Senat diese Überlegungen für hinreichend, um einen besonderen Fall im Sinne der HebGV annehmen zu können. Zweifel an der Validität der Statistik sind entgegen der Ansicht der Beklagten nicht durchgreifend. Das Landesinstitut für den öffentlichen Gesundheitsdienst NRW (ab 01.01.2008 Institut für Gesundheit und Arbeit) ist zuständig für die Gesundheitsberichterstattung. Auch wenn nur bei bestehender Meldepflicht von einer hohen Datenqualität ausgegangen werden kann und die Anzahl der Beleghebammen nur "nachrichtlich" mitgeteilt worden ist, ist die Statistik nach Ansicht des Senats eine hinreichende Grundlage für seine Entscheidung.
Die Hinzuziehung der Klägerin als der entfernter wohnenden Hebamme war nach der besonderen Lage der Einzelfälle auch gerechtfertigt. Eine solche Rechtfertigung ist gegeben, weil die Hinzuziehung der näher wohnenden Hebamme den Versicherten W. und N. nicht zumutbar war und die Toleranzgrenze nicht wesentlich überschritten worden ist. Zu berücksichtigen ist zunächst, dass die Klägerin die beiden Versicherten – ähnlich wie in der Regel bei einer Hausgeburt – sowohl vorgeburtlich wie auch nachgeburtlich umfassend betreut hat. Beide Versicherten haben in ihren schriftlichen Stellungnahmen deutlich gemacht, dass sie gerade auf die Vor- und Nachbetreuung der Klägerin über die Geburt hinaus großen Wert gelegt haben. Bei N. war zudem ein Hausgeburt geplant, die nach der amtlichen Begründung im Jahre 1986 zu § 4 HebGV als möglicher Fall des § 4 Abs. 3 Satz 2 HebGV angesehen wurde, "so lange nur verhältnismäßig wenige Hebammen Hausgeburten durchführen" (vgl. Horschitz, a.a.O., Rn. 23). Insofern waren die Beziehungen der Versicherten zur Klägerin durch ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt, das die Hinzuziehung der Klägerin rechtfertigt.
Das Wirtschaftlichkeitsgebot nach §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V, das auch die Hebamme zu beachten hat, führt nicht zu einem anderen Ergebnis, da die Toleranzgrenze in beiden Fällen durch die tatsächlich zurückgelegten Strecken nicht wesentlich überschritten worden ist. Zu berücksichtigen ist letztlich, dass die Krankenkasse nach § 4 Abs. 3 Satz 1 HebGV auch bei Überschreiten der Toleranzgrenze die Kürzung der Wegegelder nicht vornehmen muss, sondern "kann".
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. Die Beklagte befand sich bezüglich der ausstehenden Rechnungsbeträge seit dem 12.04.2004 bzw. 06.09.2004 im Verzug, denn nach § 5 Abs. 4 HebGV hat die Krankenkasse die Rechnung innerhalb von drei Wochen nach Rechnungseingang zu begleichen, soweit eine Leistungspflicht besteht. Die Berechtigung der nichtärztlichen Leistungserbringer zur Geltendmachung von Verzugszinsen gegenüber den Krankenkassen entspricht der ständigen Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 03.08.2006 – B 3 KR 7/06 R – SozR 4 – 2500 § 129 Nr. 3, BSG, Urteil vom 19.04.2007 – B 3 KR 10/06 R; BSG, Urteil vom 15.11.2007 – B 3 KR 4/07 R).
Die Kostenentscheidung basiert auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VWGO).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Erstellt am: 24.09.2008
Zuletzt verändert am: 24.09.2008