Der Bescheid vom 26.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2003 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, in Abänderung des Bescheides vom 27.07.1998 die Hinterbliebenenrente der Kläger ab dem 01.01.1998 neu zu berechnen und der Rentenberechnung die vom verstorbenen Ehemann der Klägerin nach dem Fremdrentengesetz erworbenen Entgeltpunkte bis zu einem Höchstwert von 25 Entgeltpunkten zugrunde zu legen.
Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu 3/4 zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Neuberechnung ihrer Hinterbliebenenrente ab dem 01.01.1998 unter Berücksichtigung der nach dem Fremdrentengesetz (FRG) erworbenen Entgeltpunkte bis zum Höchstwert von 25 Entgeltpunkten gemäß § 22 b FRG.
Die 0000 in der damaligen Sowjetunion geborene Klägerin ist Witwe des 1991 verstorbenen K. Sie zog am 17.10.1996 aus Russland zu. Die Klägerin ist anerkannte Spätaussiedlerin. Sowohl sie auch als ihr verstorbener Mann haben in Russland Versicherungszeiten nach dem FRG zurückgelegt.
Antragsgemäß bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 27.07.1998 eine am 17.10.1996 beginnende große Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes. Ferner bezieht die Klägerin aufgrund des Bescheides vom 07.11.1997 von der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente) aus eigener Versicherung.
Für die EU-Rente ermittelte die Beklagte 33,7910 Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem FRG. Diese begrenzte sie gemäß § 22 b FRG auf 25 Entgeltpunkte.
Für die Hinterbliebenenrente bildete die Beklagte 26,9005 Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem FRG. Auch diese begrenzte sie zunächst auf 25 Entgeltpunkte. Da allerdings bereits bei der EU-Rente 25 Entgeltpunkte angerechnet worden waren, berücksichtigte die Beklagte für die Hinterbliebenenrente keine Entgeltpunkte nach dem FRG mehr. Sie hielt § 22 b FRG für anwendbar und meinte, hiernach seien Entgeltpunkte aus FRG-Zeiten bis zum Höchstwert von 25 Entgeltpunkten nur bei einer Rente zu berücksichtigen. Vorrangig sei insoweit die Rente aus eigener Versicherung, also die EU-Rente der Klägerin.
Die genannten Bescheide griff die Klägerin zunächst nicht an.
Im August 2002 beantragte sie, den Hinterbliebenenrentenbescheid zu überprüfen. Sie trug vor, nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.08.2001 (Az.: B 4 RA 118/99 R) sei ihre Hinterbliebenenrente neu zu berechnen. Hierbei seien die Entgeltpunkte aus Zeiten nach dem FRG bis zum Höchstwert von 25 Entgeltpunkten auch bei der Hinterbliebenenrente zu berücksichtigen.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.08.2002 ab. Sie folge dem Urteil des BSG nicht. Es bleibe dabei, dass nach § 22 b Abs. 1 FRG für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz für einen Berechtigten höchstens 25 Entgeltpunkte zugrunde zu legen seien. Die Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte gelte entgegen dem Urteil des BSG auch beim Zusammentreffen einer Rente aus eigener Versicherung mit einer Hinterbliebenenrente und sei somit im Falle der Klägerin schon durch die Berücksichtigung bei ihrer EU-Rente ausgeschöpft.
Den hiergegen am 27.09.2002 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2003 zurück. Sie hielt an ihrer Rechtsauffassung fest. Der Widerspruchsbescheid ging bei den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 21.03.2003 ein.
Die Klägerin hat am 22.04.2003 – einem Montag – Klage erhoben und zur Begründung auf ihren bisherigen Sachvortrag Bezug genommen. Sie hat zunächst die Neuberechnung der Witwenrente ab dem 17.10.1996 begehrt. Im Hinblick auf § 44 Abs. 4 10. Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hat sie ihren Antrag im Termin auf die Zeit ab dem 01.01.1998 beschränkt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2003 zu verurteilen, ihre Hinterbliebenenrente in Abänderung des Bescheides vom 27.07.1998 neu zu berechnen und der Rentenberechnung die von ihrem verstorbenen Ehemann nach dem Fremdrentengesetz erworbenen Entgeltpunkte bis zu einem Höchstwert von 25 Entgeltpunkten zu Grunde zu legen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Auch sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest.
Wegen weiterer Einzelheiten nimmt die Kammer auf den Inhalt von Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Insbesondere wurde die Monatsfrist des § 87 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gewahrt. Denn da das eigentliche Fristende, nämlich der 21.04.2003, auf einen Sonntag fiel, endete die Klagefrist erst mit Ablauf des 22.04.2003 (§ 64 Abs. 3 SGG). An diesem Tage wurde auch Klage erhoben.
Die Klage ist begründet, weil die angefochtenen Bescheide rechtswidrig sind. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 27.07.1998 nach § 44 SGB X.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist.
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen vor. Der Bescheid vom 27.07.1998 ist unrichtig. Denn die Beklagte hätte der Hinterbliebenenrente der Klägerin gemäß § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG die von ihrem verstorbenen Ehemann nach dem FRG erworbenen Entgeltpunkte bis zum Höchstwert von 25 Entgeltpunkten zu Grunde legen müssen.
§ 22 b Abs. 1 FRG lautet:
"Für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz werden für einen Berechtigten höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zu Grunde gelegt. Hierbei sind zuvor die Entgeltpunkte der knappschaftlichen Rentenversicherung mit dem Wert 1,333 zu multiplizieren. Entgeltpunkte aus der Rente mit dem höheren Rentenfaktor sind vorrangig zu berücksichtigen."
Die Vorschrift ist verfassungsmäßig (statt vieler: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.07.2003, Az.: L 8 RJ 64/03 m.w.N.).
§ 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG, der durch Artikel 3 Nr. 5 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz/WFG) mit Wirkung vom 07.05.1996 (Art. 12 Abs. 2 WFG) eingefügt worden ist, erfasst die am 17.10.1996 nach Deutschland zugezogene Klägerin. Die Vorschrift gilt gemäß Art. 6 § 4 b des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes – FANG – in der Fassung des Art. 4 Nr. 4 WFG für Berechtigte, die – wie die Klägerin – nach dem 06.05.1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen haben.
Entgegen der Rechtsmeinung der Beklagten rechtfertigt es § 22 b FRG jedoch nicht, allein bei der EU-Rente der Klägerin die Entgeltpunkte aus FRG-Zeiten auf 25 zu begrenzen und bei der Hinterbliebenenrente überhaupt keine Entgeltpunkte aus FRG-Zeiten zu berücksichtigen.
Hierbei lässt die Kammer dahin stehen, ob – wie der 4. Senat des BSG (a.a.O.) meint – dem bereits der Wortlaut des § 22 Abs. 1 FRG durchgreifend entgegen steht oder ob – wofür einiges sprechen dürfte (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordhrein-Westfalen, a.a.O.) – der Wortlaut nicht eindeutig ist und es damit auf den Sinn und Zweck der Regelung ankommt. Denn jedenfalls steht der Sinn und Zweck des § 22 b FRG der Handhabung durch die Beklagte entgegen. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es nämlich, die von einem Berechtigten nach dem FRG aufgrund eigener Erwerbstätigkeit außerhalb des Geltungsbereichs des 6. Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) erworbenen Entgeltpunkte bei der Berechnung einer Rente aus eigener Versicherung im Geltungsbereich des SGB VI auf höchstens 25 zu begrenzen. Sinn und Zweck des § 22 b FRG ist es hingegen nicht, den überlebenden FRG-berechtigten Ehegatten auch noch dadurch weiter schlechter zu stellen, dass die vom verstorbenen Ehegatten nach dem FRG erworbenen Zeiten – wie hier – weder für diesen noch für den überlebenden Ehegatten irgend eine Wirkung entfalten.
Eine solche Zielrichtung ist in § 22 b FRG nämlich an keiner Stelle zu entnehmen. Insbesondere wird auch aus § 22 b Abs. 3 FRG keineswegs (so aber Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O.) der Grundsatz deutlich, dass der Gesetzgeber Alleinstehende nur mit Leistungen auf der Basis von maximal 25 (FRG-)Entgeltpunkten ausstatten will. So ist schon der vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen postulierte "enge systematische Zusammenhang mit § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG" äußerst fraglich.
Das BSG (a.a.O.) weist nach Auffassung der Kammer insoweit zu Recht darauf hin, dass § 22 Abs. 3 FRG (nur) eine Sonderbelastung für Ehegatten und in eheähnlicher Gemeinschaft lebende Rentenberechtigte vorsieht, deren Entgeltpunkte nach dem FRG eben auf insgesamt 40 begrenzt werden. § 22 b Abs. 3 FRG regelt damit aber einen völlig anders gelagerten Sachverhalt als der hier einschlägige § 22 b Abs. 1 FRG, weshalb von einem engen systematischen Zusammenhang dieser Vorschriften eben nicht auszugehen ist.
Selbst wenn man aber den in § 22 b Abs. 3 FRG enthaltenen Rechtsgedanken für im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG heranziehbar hält, kann nach Auffassung der Kammer aus Abs. 3 eben nicht der Schluss gezogen werden (so aber Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, a.a.O.), dann müssten die Entgeltpunkte für FRG-Zeiten nach dem Tod des Berechtigten für den Überlebenden "erst Recht" (also offenbar noch weitergehender) gekürzt werden. Denn damit würden dann, wenn in die Rente des Überlebenden aus eigener Versicherung bereits – wie hier – 25 Entgeltpunkte aus Zeiten nach dem FRG einfließen, die erworbenen FRG-Zeiten des Verstorbenen vollständig "unter den Tisch fallen". Solches sieht aber nicht einmal § 22 b Abs. 3 FRG vor, der eine Kürzung der Renten aus eigener Versicherung eines jeden Berechtigten auf maximal 15 Entgeltpunkte nach dem FRG zulässt. Hätte der Gesetzgeber darüber hinaus ein vollständiges "Unter – Den – Tisch – Fallen" der Entgeltpunkte eines verstorbenen FRG-Berechtigten im Rahmen der Hinterbliebenenversorgung anordnen wollen, so hätte er nach Auffassung der Kammer eine derart radikale Entwertung nach dem FRG erworbener Ansprüche ausdrücklich und unmissverständlich regeln müssen. Genau das aber hat der Gesetzgeber nicht getan.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie trägt der Tatsache, dass die Klägerin zunächst eine Neuberechnung ab Oktober 1996 beantragt hatte Rechnung. Denn aufgrund dessen ist die Klägerin mit ihrem Begehren nicht voll, sondern nur überwiegend durchgedrungen.
Erstellt am: 06.01.2004
Zuletzt verändert am: 06.01.2004