Beim BSG erledigt durch Anerkenntnis in Sitzung
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.10.2008 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens auch für den zweiten Rechtszug. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird für den ersten Rechtszug auf 46.732,12 EUR festgesetzt, für den zweiten Rechtszug auf 169.731,27 EUR.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob die Klägerin als Jugendhilfeträger vom Sozialhilfeträger die Erstattung von Leistungen i.H.v. 46.732,12 EUR verlangen kann, die sie im Zeitraum 15.09.2003 bis 31.01.2005 für den am 25.06.2002 geborenen M (Hilfeempfänger) aufgewandt hat.
Der Hilfeempfänger ist aufgrund einer Zytomegalieinfektion seiner Mutter als extreme Frühgeburt (27. Schwangerschaftswoche) zur Welt gekommen. Seine getrennt voneinander (auch schon vor seiner Geburt) im Gebiet der Klägerin lebenden Eltern sind, auch angesichts eigener intellektueller Einschränkungen, nicht in der Lage, sich hinreichend um ihn zu kümmern.
Nach seiner Geburt in der Frauenklinik des Klinikums E verblieb der Hilfeempfänger zunächst bis zum 16.10.2002 in der dortigen Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Anschließend war er bis zum 06.03.2003 in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Ev. Krankenhauses C in J.
Das Krankenhaus C teilte der Klägerin unter dem 18.02.2003 mit, beim Hilfeempfänger bestehe eine drohende geistige und körperliche Behinderung bei starker Entwicklungsretardierung aufgrund chronischer Erkrankung und extremer Frühgeburtlichkeit. Selbst normal erziehungsfähige Eltern würden ambulante Hilfe zu seiner Pflege und Förderung benötigen.
Der Bericht des Krankenhauses an den weiterbehandelnden Kinderarzt führt u.a. aus, Eltern und Großeltern seien trotz monatelanger Anleitung durch das Klinikpersonal mit der Versorgung des Hilfeempfängers völlig überfordert; um bleibende Schäden abzuwenden, habe man die Unterbringung in einer Pflegefamilie mit evtl. anfänglicher Begleitung durch ambulante Kinderkrankenpflege empfohlen. Mit der Lösung, ihn in einer Einrichtung für schwerst geistig und körperlich behinderte Kinder und nicht in einer Pflegefamilie unterzubringen, sei die Klinik sehr unzufrieden. Zurzeit sei der Hilfeempfänger weder geistig noch körperlich behindert; er sei deutlich entwicklungsretardiert und dadurch von Behinderung bedroht. Durch Zuwendung, intensive Frühförderung und Krankengymnastik, welche auch – und möglicherweise besser – durch eine geeignete Pflegefamilie geleistet werden könne, seien große Fortschritte zu erzielen.
Die Eltern beantragten am 10.02.2003 die Unterbringung, Betreuung und medizinische Versorgung des Hilfeempfängers in einer Pflegefamilie, ersatzweise in der Kinderklinik. Sie seien nicht bereit und in der Lage, ihren Sohn zu Hause seiner Behinderung entsprechend zu versorgen. Die Klägerin leitete den Hilfeantrag an den (mit Beschluss des Senats vom 05.11.2009 beigeladenen) Beigeladenen zu 1 weiter.
Vom 06.03.2003 bis zum 15.09.2003 lebte der Hilfeempfänger sodann mit Kostenträgerschaft des Beigeladenen zu 1 als überörtlichem Sozialhilfeträger in der M in V (Einrichtung für mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche).
Am 26.06.2003 beantragten die Eltern bei der Beklagten die Gewährung von Hilfe zur Erziehung durch Tages-/Vollzeitpflege.
Die M übersandte der Klägerin am 16.07.2003 ein Schreiben des Beigeladenen zu 1 an sie vom gleichen Tage. Darin wird mitgeteilt, der Beigeladene könne mangels Zuständigkeit Kosten für die Betreuung des Hilfeempfängers in einer Pflegefamilie nicht übernehmen (§ 100 Abs. 1 Nr. 1 Bundessozialhilfegesetz [BSHG]).
Am 19.07.2003 beantragten die Eltern, bezugnehmend auf ihren Antrag vom 10.02.2003, die Weitergewährung von Eingliederungshilfe. Ihr Sohn solle aus der M entlassen werden; sie seien nicht in der Lage, die Kosten für die erforderlichen Maßnahmen zu übernehmen. In einem weiteren Antrag vom 25.07.2003 beantragten die Eltern die Unterbringung des Sohnes in der sonderpädagogischen Pflegestelle G in E.
Mit Schreiben vom 25.07.2003 teilte der Beigeladene zu 1 der Klägerin mit, die Klägerin habe ihr mit Schreiben vom 15.07.2003 mitgeteilt, die Eltern des Hilfeempfängers beantragten die Weitergewährung von Hilfe nach dessen Entlassung aus der M in eine Pflegefamilie. Der Beklagten sei mitgeteilt worden, dass seine Zuständigkeit als überörtlicher Träger nach § 100 Abs. 1 BSHG nicht bestehe; eine Pflegefamilie sei weder ein Heim noch eine stationäre, teilstationäre oder gleichartige Einrichtung im Sinne des Gesetzes. Wenn in der Pflegefamilie tatsächlich Eingliederungshilfemaßnahmen ergriffen werden sollten, könne ggf. die Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers im Rahmen ambulanter Hilfen bestehen. Der von der Klägerin erbetene formelle Ablehnungsbescheid könne nicht erteilt werden, da der Antrag der Eltern beim Jugendamt der Beklagten gestellt worden sei; die Zuständigkeit liege beim Beklagten als erstangeganenem Leistungsträger gem. § 43 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).
Einem Telefonvermerk der Klägerin vom 29.07.2003 ist zu entnehmen, dass die Beklagte der Ansicht sei, Kosten für die Unterbringung des Hilfeempfängers in einer (ggf. auch professionellen) Pflegefamilie seien Angelegenheit der Jugendhilfe; allein die Kosten bestimmter eindeutig behinderungsspezifischer Zusatzleistungen (Hilfsmittel, Umbau, Frühförderung, etc.) könnten ggf. als Sozialhilfe übernommen werden.
Mit Schreiben vom 30.07.2003 teilte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1 mit, sie halte diesen für weiterhin zuständig. Erkenntnisse, dass der Hilfeempfänger nicht mehr in der bisherigen Form behindert sei, bestünden nicht. Im Rahmen der Verantwortung für die Gesamtplanung gem. § 46 BSHG sei der Beigeladene als Träger der laufenden Hilfemaßnahmen auch für die Entscheidung zuständig, ob und in welcher Form die Hilfe weiterzuführen sei. Sollte er dabei zu dem Ergebnis kommen, dass eine andere Hilfeart mit ggf. anderer sachlicher Zuständigkeit notwendig sei, wäre das ebenfalls von ihm in die Wege zu leiten. Da aus Sicht der Klägerin der behinderungsspezifische Bedarf für die weitere Hilfe ausschlaggebend bleibe, sollte vorrangig die Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers geprüft werden. Die Klägerin sei für den Folgeantrag auch nicht erstangegangener Träger, sondern habe die Eltern bei dem an den Beigeladenen zu 1 gerichteten Antrag, der von einem Mitarbeiter des Sozialdienstes der Klägerin einem Mitarbeiter des Beigeladenen am 21.07.2003 überreicht worden sei, lediglich unterstützt und den Antrag weitergeleitet. Bei der Pflegefamilie handele es sich im Übrigen nicht um eine herkömmliche Pflegefamilie, sondern um eine sonderpädagogische Pflegestelle für chronisch kranke und behinderte Kinder in Trägerschaft der Diakonie E1. Je nach Einzelfall erhielten solche Pflegeeltern ein umfassendes Angebot an unterstützenden Hilfen wie Beratung und Supervision, Gruppenarbeit und Wochenendseminare, Entlastung in Pflege und Betreuung der Kinder und regelmäßig kinderfreie Zeiten (Wochenende, Urlaube). Der Antrag werde deshalb zur Entscheidung zurückgereicht.
Mit Schreiben vom 21.08.2003 übersandte der Beigeladene zu 1 der Klägerin Ablehnungsbescheide vom gleichen Tage an die Eltern des Hilfeempfängers. Nach § 100 Abs. 1 BSHG bestehe keine Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1 für Hilfen bei Unterbringung in einer Pflegefamilie; der Antrag auf Weitergewährung von Eingliederungshilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie sei daher abzulehnen. Die bisherige Hilfegewährung werde bis zum 15.09.2003 befristet. Der Klägerin teilte der Beigeladene zu 1 darüber hinaus mit, es könne nicht nachvollzogen werden, weshalb sie sich am 16.07.2003 gegenüber der M einverstanden erklärt habe, dass der Hilfeempfänger zur Pflegemutter G entlassen werden könne, jetzt allerdings seine Zuständigkeit nicht mehr sehe. Bevor die Klägerin am 21.07.2003 den Antrag der Eltern bei dem Beigeladenen zu 1 abgegeben habe, hätten die Eltern bereits am 25.06.2003 einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung gestellt.
Der Beigeladene zu 2 teilte der Klägerin auf Anfrage unter dem 02.09.2003 mit, er gehe davon aus, dass das Jugendamt der Klägerin die zu gewährende Hilfe zu erbringen habe. Auch ein gesundes Kind im Alter von einem Jahr könne nicht ohne Eltern bzw. Pflegefamilie leben. Die von der Pflegefamilie durchzuführenden Therapien seien nicht vom Jugendhilfeträger, sondern von der Krankenkasse bzw. vom Sozialhilfeträger zu übernehmen. Da die Klägerin nach der ablehnenden Entscheidung des Beigeladenen als nächster Kostenträger angegangen worden sei, werde sie gebeten, über den Antrag zu entscheiden. Eine Kostenzusage könne nicht gegeben werden. Bei Aufnahme in die Pflegefamilie G müsse bezüglich der heilpädagogischen Frühförderung das Sozialamt E angesprochen werden, welches bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen einen Erstattungsanspruch gegen den N Kreis hätte. Wegen Ergotherapie und logopädischer Behandlung sei die Krankenkasse anzusprechen.
Mit Schreiben vom 08.09.2003 erteilte die Klägerin der Diakonie in E1 eine Kostenzusage für die notwendigen und angemessenen Aufwendungen bei der Hilfegewährung für den Hilfeempfänger in der Pflegestelle G. Es werde allerdings keine Hilfe zur Erziehung gewährt, ferner keine Eingliederungshilfe für seelisch Behinderte gem. § 27 bzw. § 35a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII); die Klägerin gewähre vielmehr als vorläufiger, zuerst angegangener Träger Eingliederungshilfe nach § 39 BSHG für körperlich und/oder geistig Behinderte bzw. für einen von solcher Behinderung Bedrohten. Die Klägerin sei weiterhin der Auffassung, dass der Hilfebedarf überwiegend behinderungsspezifisch sei, so dass die Hilfe Sozialhilfe sei. Beigefügt war ein vom Jugendamt und von der Diakonie unterzeichneter Vertrag über die Hilfe in einer sonderpädagogischen Pflegestelle für chronisch kranke und behinderte Kinder, auf den Bezug genommen wird.
Am 15.09.2003 wurde der Hilfeempfänger in die Pflegefamilie G aufgenommen, wo er seither lebt. Die Klägerin schloss insoweit mit der Diakonie in E1 einen Vertrag über die Hilfe in einer sonderpädagogischen Pfegestelle für chronisch kranke und behinderte Kinder, auf den Bezug genommen wird.
Mit Schreiben vom 09.10.2003 meldete die Klägerin bei der Beklagten für die Aufwendungen zur Betreuung des Hilfeempfängers in der sozialpädagogischen Pflegestelle G (ab dem 15.03.2003) als vorläufig und nachrangig verpflichteter Träger einen Erstattungsanspruch nach § 102 bzw. § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an.
Mit Bescheiden vom 11.11.2003 an die Eltern des Hilfeempfängers bewilligte die Klägerin Eingliederungshilfe nach §§ 39 ff. BSHG. Sie wies auf eine zuständigkeitshalber nur vorläufige Leistungserbringung hin.
Mit Schreiben vom 06.04.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, bei der Unterbringung des Hilfeempfängers in einer Vollzeitpflegestelle handele es sich um eine Maßnahme der Jugendhilfe nach § 33 SGB VIII. Eingliederungshilfe nach dem BSHG werde nicht geleistet, da § 40 Abs. 1 BSHG hierfür keine Hilfe vorsehe. Die Unterbringung des Hilfeempfängers erfolge aufgrund der Unfähigkeit der Eltern, eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung zu gewährleisten. Dass eine besondere Betreuung aufgrund des Gesundheitszustandes des Hilfeempfängers erforderlich sei, sei unerheblich; diesem Umstand werde durch einen erhöhten Erziehungsbeitrag Rechnung getragen. Eine Trennung der Unterbringungsursache eines Kindes in einer Pflegefamilie in sozial- und jugendhilferechtliche Aspekte sei nicht möglich. Hinzu komme, dass eine Pflegefamilie keine Einrichtung der Eingliederungshilfe sei. Nach § 10 Abs. 1 SGB VIII gingen Leistungen nach dem SGB VIII solchen nach dem BSHG vor, so dass Jugendhilfe nach § 33 SGB VIII zu gewähren sei. Da die Eltern des Hilfeempfängers in N wohnten, sei die Klägerin nach § 86 Abs. 1 SGB VIII örtlich zuständig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der Beklagten Bezug genommen.
Die Klägerin veranlasste eine Begutachtung des Hilfeempfängers durch den Leiter der Sozial-/Neuropädiatrie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Klinikums E, Dr. T. In seinem Gutachten vom 14.09.2004 beantwortete Dr. T die Fragen der Klägerin dahin, beim Hilfeempfänger bestehe eine schwere Entwicklungsstörung sowohl im geistigen als auch im körperlichen Bereich. Aufgrund dessen sei er sehr wesentlich beeinträchtigt, am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen. Diese Beeinträchtigung werde lebenslang bestehen. Das Kind werde nicht über sich und seine Situation bestimmen können. Derzeit sei noch nicht möglich, im Einzelnen auf die Auswirkungen der Behinderung einzugehen; diese sollte in größeren Abständen untersucht werden (z.B. zur Einschulung). Ursache der Erkrankung sei die Zytomegalieinfektion der Mutter, welche zur Infektion des Kindes und zur extremen Frühgeburt geführt habe. Das Kind müsse regelmäßige Förderung im Bereich Motorik und kognitive Entwicklung erhalten. Auch die soziale Entwicklung sei zu fördern. Dies geschehe durch Krankengymnastik und Frühförderung. Zur Unterstützung der Entwicklung seien punktuell weitere Therapien notwendig, z.B. Sprachtherapie, Psychomotorik, aber auch Reittherapie. Da das Kind unselbständig sei, seien zusätzlich Pflegemaßnahmen entsprechend der Selbständigkeitsentwicklung erforderlich; auch hier sei derzeit nicht zu sagen, inwiefern über das Altersmaß hinaus pflegerische Maßnahmen notwendig seien. Wahrscheinlich werde die geistige Behinderung die Entwicklungschancen dominieren und beeinträchtigen.
Mit Schreiben vom 18.10.2004 meldete die Klägerin auch gegenüber dem Beigeladenen zu 1 vorsorglich einen Erstattungsanspruch nach § 102 bzw. § 104 SGB X an.
Mit Schreiben vom 17.11.2004 erneuerte die Klägerin bei der Beklagten unter Beifügung des Gutachtens des Dr. T die Erstattungsanmeldung. Unerheblich sei, dass im Leistungskatalog des § 40 BSHG die Betreuung von Kindern in Pflegefamilien nicht ausdrücklich erwähnt sei; der gesetzliche Katalog sei nicht abschließend. Entscheidend sei der Vorrang von Eingliederungshilfeleistungen für körperlich und/oder geistig behinderte junge Menschen gegenüber der Jugendhilfe (§ 10 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII).
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21.12.2004 mit, die Unterbringung in einer Pflegefamilie sei eindeutig eine Maßnahme der Jugendhilfe (§ 33 SGB VIII). Sie erkenne den Erstattungsanspruch weiterhin nicht an.
Am 14.02.2005 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, sie leiste nach § 43 Abs. 1 SGB I vorläufig Hilfe. Die in der sonderpädagogischen Pflegestelle erbrachten Hilfeleistungen seien jedoch Bestandteil der Hilfe zur medizinischen Rehabilitation und daher von der Beklagten zu tragen, welche im Übrigen dem Hilfeempfänger seit dem 22.09.2003 Eingliederunghilfe gem. §§ 39 ff. BSHG i.V.m. §§ 30, 59 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in Form von Frühförderung (eine wöchentliche Therapiestunde als Einzeltherapie) leiste. Der Hilfeempfänger sei behindert i.S.v. § 2 SGB IX. Leistungsträger nach dem SGB IX seien u.a. die Träger von Jugendhilfe und von Sozialhilfe. Nach § 10 Abs. 2 SGB VIII sei Minderjährigen Hilfe nach dem SGB VIII zwar grundsätzlich vorrangig vor derjenigen nach dem BSHG zu gewähren. Dies gelte jedoch nicht, wenn der Minderjährige körperlich oder geistig behindert sei. Nach dem eingeholten Gutachten des Dr. T sei davon auszugehen, dass der Hilfeempfänger sowohl körperlich als auch geistig behindert sei. Dies führe zur Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers. Dieser habe nach § 4 i.V.m. § 5 SGB IX u.a. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu erbringen. Nach § 26 Abs. 3 SGB IX seien medizinische, psychologische und auch pädagogische Hilfen Bestandteil der Leistungen der medizinischen Rehabilitation, wenn diese im Einzelfall erforderlich seien, i.S.v. Abs. 1 der Vorschrift die Behinderung einschließlich chronischer Erkrankungen abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Das Gutachten des Dr. T lasse im Übrigen erkennen, dass eine regelmäßige Förderung für die weitere Entwicklung des Hilfeempfängers unabdingbar sei; das Ziel der Eingliederungshilfe – Milderung der Behinderung und Eingliederung in die Gesellschaft – könne so ermöglicht werden. Der Hilfeempfänger erfülle so auch die persönlichen Voraussetzungen für Eingliederungshilfe nach § 39 BSHG bzw. (ab 01.01.2005) § 53 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII); medizinische Rehabilitation sei ihm nach § 40 BSHG bzw. § 54 SGB XII i.V.m. § 26 SGB IX zu erbringen. Diese medizinischen Maßnahmen würden durch die Pflegestelle G erbracht, welche am besten geeignet sei, den behinderungsbedingten Bedürfnissen gerecht zu werden. Sonderpädagogische Pflegestellen betreuten und versorgten, durch einen Träger unterstützt, ausschließlich chronisch kranke, unheilbar kranke und behinderte Kinder. Die Pflegemutter arbeite mit dem Hilfeempfänger (über den von der Beklagten gewährten Eingliederungshilfeumfang hinaus) mehrmals täglich krankengymnastisch, physiotherapeutisch u.ä. Sie stelle ihn auch regelmäßig in der Kinderklinik und bei verschiedenen Ärzten vor. Sie stelle ihren Tagesablauf ganz auf die Bedürfnisse des Kindes ein. Ihre entsprechende Schulung werde durch den Träger der Sonderpflegestellen sichergestellt. Dieser Träger gewährleiste zudem ein qualifiziertes Angebot von therapeutisch geschulten Kräften (Ergotherapeutin, Kinderkrankenschwester, Diplom-Pädagogin mit Schwerpunkt Behindetenpädagogik, Diplom-Psychologin, Supervisorin). Außerhalb eines Klinikbetriebes könne deshalb nur die Pflegestelle G die nötigen abgestimmten Hilfen durch fachlich ausgebildetes Personal sicherstellen; eine normale Pflegefamilie mit allein erzieherischen Aufgaben könne den Eingliederungshilfeanspruch nicht erfüllen. Die Pflegestelle gewährleiste zugleich die altersentsprechende emotionale Zuwendung. Ein über das altersnotwendige Maß hinausgehender erzieherischer Bedarf habe zu keiner Zeit die Notwendigkeit der Unterbringung des Hilfeempfängers in der Pflegestelle ausgelöst. Dass die leiblichen Eltern zu seiner Erziehung nicht fähig seien, sei keine Voraussetzung für die erbrachten Hilfen. Der Erziehungsanspruch des Hilfeempfängers minimiere sich auf einen geringfügigen pädagogischen Anteil innerhalb der Eingliederungshilfe, der nicht aus der behinderungsbedingt zu leistenden Hilfe "herausgerechnet" werden könne. Vielmehr müsse die behinderungsbedingte Hilfe zugleich den altersbedingten pädagogischen Bedarf mit abdecken. Dies sei Konsequenz der Nachrangregelung in § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII. Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten folge somit aus § 99 i.V.m. § 100 BSHG bzw. § 97 SGB XII; der überörtliche Sozialhilfeträger sei nicht zuständig, da es sich bei der sonderpädagogischen Pflegestelle nicht um ein Heim, eine Anstalt oder eine gleichartige Einrichtung noch um eine Einrichtung zur teilstationären Betreuung handele. Zugleich sie die Beklagte nach § 97 BSHG bzw. § 98 SGB XII auch örtlich zuständig; die Pflegestelle befinde sich auf ihrem Gebiet. Der Erstattungsanspruch folge aus § 112 SGB X; die Zinsforderung resultiere aus § 108 SGB X.
In der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2008 hat die Klägerin erklärt, für den Hilfeempfänger gebe es ein Förderungsprogramm, welches von der Diakonie ausgearbeitet worden sei und unter Federführung der Diplom-Sozialarbeiterin L1 fortlaufend überarbeitet werde. Die Klägerin hat einen Entwicklungsbericht (Frau L1) über den Hilfeempfänger zum Zeitraum Oktober 2006 bis November 2007 vorgelegt, auf den Bezug genommen wird.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr die im Hilfefall des Kindes M bisher aufgewendeten Hilfekosten für die Zeit vom 15.09.2003 bis zum 31.01.2005 in Höhe von 46.732,12 EUR zu erstatten nebst 4 % Zinsen hieraus, beginnend am 01.05.2004.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, bei der Unterbringung des Hilfeempfängers in der Pflegestelle G handele es sich um eine Maßnahme der Jugendhilfe nach § 33 SGB VIII. Dies komme schon in der Bezeichnung als sonderpädagogische Pflegestelle zum Ausdruck. Sinn der Unterbringung eines Kindes in einer solchen Pflegestelle sei seine Betreuung unter Berücksichtigung des behinderungsspezifischen Bedarfes, nicht jedoch die medizinische Rehabilitation. Die Pflegemutter koordiniere die erforderlichen Maßnahmen, führe sie aber nicht selbst durch. Es handele sich bei einer Pflegefamilie nicht um Leistungen i.S.d. § 26 SGB IX; letztere würden von professionellen Anbietern medizinischer Rehabilitationsleistungen erbracht, nicht aber von einer besonders geschulten, koordinierenden Pflegemutter. Zwar gehöre der Hilfeempfänger zum Personenkreis des § 2 SGB IX. Die Unterbringung in der Pflegefamilie sei jedoch keine Eingliederungshilfe, sondern eine Jugendhilfe, da die Eltern des Hilfeempfängers mit der Betreuung überfordert seien. Eine Trennung in behinderungsspezifische und pädagogische Betreuung sei nicht möglich. Die Übernahme von Frühförderungsleistungen durch die Beklagte sei im Übrigen nur vorläufig erfolgt; der Beigeladene zu 2 habe insoweit einen Kostenerstattungsanspruch anerkannt. Nach § 98 Abs. 2 i.V.m. § 107 SGB XII habe der Hilfeempfänger keinen gewöhnlichen Aufenthalt auf dem Gebiet der Beklagten begründet, auch nicht in der Pflegefamilie. Die Klägerin sei nach § 86 Abs. 1 SGB VIII örtlich zuständig.
Mit Urteil vom 28.10.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Bei den dem Hilfeempfänger erbrachten Leistungen handele es sich um Jugendhilfe, für die die Klägerin selbst zuständig sei. Leistungen der Jugendhilfe nach dem SGB VIII gingen denjenigen nach dem SGB XII vor (§ 10 Abs. 4 SGB VIII). Die Unterbringung in einer Pflegefamilie sei eine typische Leistung der Erziehungshilfe nach §§ 27 ff. SGB VIII. Dem Hilfeempfänger werde keine Eingliederungshilfe nach § 54 f. SGB XII erbracht. Er werde in der Pflegefamilie G vorwiegend erzogen und betreut; dementsprechend habe die Klägerin mit der Diakonie einen Vertrag über seine Unterbringung in der Pflegefamilie geschlossen. Nach näherer Maßgabe des § 3 dieses Vertrages unterstütze die Diakonie die Pflegefamilie ausdrücklich als sonderpädagogische Pflegestelle in der Erfüllung ihres Erziehungs- und Betreuungsauftrages. Bestehe die wesentliche Leistung der Pflegefamilie darin, einen Erziehungs- und Betreuungsauftrag wahrzunehmen, gehe der Charakter der Erziehungshilfe nicht dadurch verloren, dass die Diakonie in E1 bei Bedarf ergänzende Leistungen zur Verfügung stelle, welche auch die leiblichen Eltern des Hilfeempfängers bei Bedarf in Anspruch nehmen könnten. Die Klägerin habe sich bei dem Vertrag dementsprechend offenkundig eines Formulars bedient, welches die typischen Modalitäten der Gewährung von Erziehungshilfe in sonderpädagogischen Pflegestellen regele; dies gelte auch angesichts des Umstandes, dass die Worte "zur Erziehung" im Vertragsformular wiederholt gestrichen worden seien. Nichts anderes ergebe sich aus § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII. Denn die dem Hilfeempfänger gewährten Leistungen seien keine Eingliederungshilfe i.S.v. § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX. Insbesondere handele es sich nicht um Leistungen zur medizinischen Rehabilitation i.S.d. § 26 SGB IX. In der Pflegefamilie G würden gerade nicht vorrangig Leistungen der medizinischen Rehabilitation unter ärztlicher Aufsicht erbracht; der Hilfeempfänger erhalte dort vielmehr den für ihn wichtigen beschützenden familiären Rahmen, welchen ihm seine Eltern nicht zur Verfügung stellen könnten. Zusätzliche Arztbesuche und Eingliederungsmaßnahmen wie auch Maßnahmen der Frühförderung würden im Wesentlichen außerhalb der Pflegefamilie erbracht. Der Schwerpunkt der Leistungen liege angesichts des Vertrages zwischen Klägerin und Diakonie im Bereich der Erziehungshilfe. Soweit die Pflegemutter auch gymnastische Übungen mit dem Hilfeempfänger mache und ihn zu auswärtigen medizinischen Terminen begleite, seien dies nur ergänzende Leistungen der Eingliederungshilfe, welche nicht wesentlicher Gegenstand der Unterbringung in der Pflegefamilie seien.
Mit Beschluss vom 27.11.2008 hat das Sozialgericht den Streitwert auf 42.000,00 EUR festgesetzt.
Gegen das ihr am 09.12.2008 zugestellte Urteil vom 28.10.2008 hat die Klägerin am 24.12.2008 Berufung eingelegt.
Sie hat neben der mit dem erstinstanzlichen Antrag verfolgten Kostenerstattung zunächst weitergehend eine Verurteilung der Beklagten auch zur Erstattung der bis zur mündlichen Verhandlung weiterhin übernommenen Hilfekosten verfolgt; auf Anfrage des Senats hat sie insoweit die bis zur Berufungseinlegung angefallenen Hilfekosten mit 169.731,27 EUR angegeben. Klägerin und Beklagte haben jedoch übereinstimmend dem schriftlichen Vorschlag des Senats zugestimmt, dass die Beklagte die für die Zeit nach dem 31.01.2005 für den Hilfeempfänger im Rahmen seines Aufenthalts in der Pflegefamilie G anfallenden Hilfekosten erstatten wird, sofern sie im vorliegenden Rechtsstreit für die Zeit vom 15.09.2003 bis zum 31.01.2005 rechtskräftig zur Tragung dieser Hilfekosten verurteilt werden sollte.
Die Klägerin trägt ergänzend vor, jeder behinderte Mensch, der die Voraussetzungen für Eingliederungshilfe erfülle, habe einen Anspruch auf die individuelle Befriedigung des seiner Behinderung entsprechenden Bedarfes. Für den Hilfeempfänger bedeute dies, dass sein durch die wesentliche Behinderung bestimmter außergewöhnlicher Erziehungsumfang vom Träger der Sozialhilfe mit abzudecken sei. Der individuelle Hilfebedarf des Hilfeempfängers umfasse neben dem behinderungsspezifischen Bedarf natürlicherweise auch einen (sonder-) pädagogischen Bedarf; beide Leistungsbedarfe seien derart miteinander verwoben, dass sie nicht voneinander getrennt werden könnten. Der Erziehungsanspruch werde primär bestimmt durch die Mehrfachbehinderung und sei mit Hilfe des üblichen, ausschließlich pädagogisch bestimmten Instrumentariums des SGB VIII, nämlich durch eine normale Pflegefamilie, nicht zu bewerkstelligen. Zugleich verbiete es der Individualisierungsgrundsatz (heute § 9 SGB XII), die zu gewährende Eingliederungshilfe auf die dort "typische" Hilfe zu begrenzen; sie müsse im vorliegenden Fall vielmehr auch pädagogische Hilfen umfassen. Die Pflegestelle G sei hochqualifiziert im Hinblick auf die Versorgung chronisch kranker und/oder behinderter Kinder und könne deren Unterbringung außerhalb einer Anstalt oder einer Einrichtung gewährleisten. Dies sei nur möglich, weil ein Hilfeträger Unterstützung leiste. Demgegenüber sei eine Pflegefamilie im Bereich der Jugendhilfe nicht in der Lage, über den üblichen pädagogischen Bedarf hinaus Leistungen an ein körperlich und geistig behindertes Kind zu erbringen. Aus dem Vertrag mit der Diakonie in E1 seien aus der formularmäßigen Formulierung "Hilfe zur Erziehung" die Worte "zur Erziehung" eigens gestrichen worden, um deutlich zu machen, dass der Hilfeempfänger nicht primär aus erzieherischen Gründen in der sonderpädagogischen Pflegestelle untergebracht worden sei. Eine Schwerpunktbildung sei kein geeignetes Abgrenzungskriterium; entscheidend könne nur das Ziel sein, die Eingliederung des behinderten Kindes in die Gesellschaft zu erreichen. Dieses könne mit Mitteln der Jugendhilfe nicht erreicht werden (BVerwG, Urteil vom 23.09.1999 – 5 C 26/98). Im Übrigen seien Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII bei jungen Menschen, die körperlich oder geistig behindert seien, gegenüber der Jugendhilfe vorrangig. Dies schaffe eine klare Zuständigkeit für die Eingliederungshilfe; ausnahmslos alle Leistungen der Jugendhilfe seien nachrangig. Ggf. ergebe sich dann der Erstattungsanspruch aus § 104 SGB X, auf den sich die Klägerin hilfsweise stütze.
Die Klägerin überreicht einen Bericht der Diplom-Sozialarbeiterin L1 vom "Zentralen Fachdienst für Pflegekinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen" der Diakonie in E1 vom 14.09.2009 betreffend den Hilfeempfänger einschließlich eines Attestes vom 28.10.2008 des Kinder- und Jugendmediziners L, E, einer von Frau L1 gefertigten Vorlage zu einem Hilfeplangespräch am 21.11.2008, eines Gutachtens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs des Schulamtes für die Stadt E vom 08.01.2008 sowie eines (schulischen) Förderplans für die Zeit von August 2008 bis Januar 2009 sowie von Februar 2009 bis Juli 2009. Auf diese Unterlagen wird Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.10.2008 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die im Hilfefall M aufgewendeten Hilfekosten für die Zeit vom 15.09.2003 bis zum 31.01.2005 i.H.v. 46.732,12 EUR zu erstatten, nebst 4 % Zinsen hieraus beginnend am 01.05.2004.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie trägt ergänzend vor, maßgeblich für die Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers sei nicht das Vorliegen einer Behinderung, sondern der Umstand, dass es sich auch um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe handele. Die Pflegestelle G sei im Falle des Hilfeempfängers keineswegs eine sonderpädagogische Pflegestelle; die Pflegemutter werde lediglich von der Diakonie unterstützt. Die über die Erziehung hinausgehenden Maßnahmen erfolgten außerhalb des Haushaltes; dass die Pflegemutter den Hilfeempfänger dabei begleite bzw. die Maßnahmen im Haushalt fortführe, entspreche dem Normalbild und werde auch von Eltern mit behinderten Kindern so gehandhabt. Sollte es sich jedoch um eine Eingliederungshilfemaßnahme handeln, wäre nicht die Beklagte zuständig. Denn maßgebend sei dann der gewöhnliche Aufenthalt vor Unterbringung in der Familie; der Hilfeempfänger habe jedoch nie einen gewöhnlichen Aufenthalt auf dem Gebiet der Beklagten begründen können.
Der Beigeladene zu 1 schließt sich dem sozialgerichtlichen Urteil sowie den Ausführungen der Beklagten an, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.
Im Erörterungstermin vom 14.06.2010 hat der Senat durch den Berichterstatter die Pflegemutter des Hilfeempfängers G sowie die bei der Diakonie in E1 im dortigen "Zentralen Fachdienst für Pflegekinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen" tätige Sozialarbeiterin L1 als Zeuginnen vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Der (mit Beschluss vom 02.02.2011 beigeladene) Beigeladene zu 2 hat sich nicht zur Sache geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
A. Eine Beiladung der Diakonie in E1 als Träger der Pflegestelle G hatte nicht zu erfolgen. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) unter Hinweis auf ein sozialhilferechtliches Dreiecksverhältnis die Beiladung eines Leitungserbringers deshalb für notwendig i.S.d. § 75 Abs. 2, 1. Alt. Sozialgerichtsgesetz (SGG) hält, weil der Sozialhilfeträger durch Übernahme der Hilfekosten gegenüber dem Hilfebedürftigen einen Schuldbeitritt erkläre (erstmals BSG, Urteil vom 28.10.2008 – B 8 SO 22/07 R zu Rn. 13 ff.; siehe auch Urteil vom 24.03.2009 – B 8 SO 29/07 R), so liegt eine solche Situation im Falle eines Erstattungsstreits zwischen verschiedenen Sozialleistungsträgern, bei dem die Hilfeleistung bereits erfolgt und gegenüber dem Leistungserbringer von einem Leistungsträger abgegolten worden ist, von vornherein nicht vor. Der rechtliche Streit betrifft hier allein noch Ansprüche der Sozialleistungsträger untereinander. Ein rechtliches Bedürfnis für eine Verfahrensbeteiligung des Leistungserbringers besteht in solchen Fällen nicht (vgl. auch Roos, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, vor § 102 Rn. 11).
B. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
I. Die Klage ist zulässig.
Für die Klage ist nach § 114 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Denn die Klägerin stützt ihren Anspruch zumindest auch auf § 104 SGB X. Kommen für einen Erstattungsanspruch mehrere Rechtsgrundlagen in Betracht (z.B. wie hier §§ 102 und 104 SGB X), so reicht es aus, dass das angerufene Gericht für eine von ihnen zuständig ist (BSG, Urteil vom 14.01.1987 – 8 RK 17/86). Die Anspruchsgrundlage muss ernstlich geltend gemacht werden; ob der geltend gemachte Anspruch letztlich besteht, ist demgegenüber eine Frage der Begründetheit (BVerwG, Beschluss vom 15.12.1992 – 5 B 144/91; vgl. auch Roller, in: von Wulffen, a.a.O., § 114 R. 5). Allerdings bestünde die Zuständigkeit des Landessozialgerichts für die Entscheidung über die Berufung der Klägerin nach § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ohnehin auch dann, wenn man allein die Geltendmachung eines Anspruchs nach § 102 SGB X annähme und das Sozialgericht entgegen § 114 Satz 2 SGB X (vgl. hierzu auch Roller, a.a.O.) versehentlich nicht an das danach wegen Zuständigkeit für Jugendhilfesachen zuständige Verwaltungsgericht verwiesen hätte (vgl. BSG, Beschluss vom 20.10.2010 – B 13 R 63/10 B zu Rn. 26 m.w.N.). Die Klage ist als reine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) zulässig (vgl. Roos, a.a.O., vor. § 102 Rn. 25).
II. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage jedoch als auch als unbegründet angesehen. Zugleich war (nach Beiladungen im Berufungsverfahren) auch eine Verurteilung der Beigeladenen nicht möglich.
Die Klägerin hat ausweislich ihres Schreibens vom 08.09.2003 an die Diakonie in E1 ausdrücklich als erstangegangener Träger i.S.v. § 43 SGB I Leistungen erbracht. Auch wenn sie gegenüber der Beklagten und dem Beigeladenen zu 1 jeweils Erstattungsansprüche nach §§ 102 und 104 SGB X angemeldet hat, könnte sich ein Erstattungsanspruch deshalb nur aus § 102 SGB X ergeben (vgl. Roos, a.a.O., § 102 Rn. 11).
Nach dessen Abs. 1 ist, wenn ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat, der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig.
Dass die Leistungserbringung der Beklagten – gleichviel, ob sie als Jugendhilfe oder als Sozialhilfe zu qualifizieren ist – rechtmäßig war (vgl. Roos, a.a.O., Rn. 17), steht außer Frage. Denn dem Hilfeempfänger wurden in Form der Betreuung und Versorgung in der Pflegestelle G einzig Hilfen erbracht, die nach Art, Umfang und Vergütung unerlässlich erscheinen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob die im streitigen Zeitraum erbrachten Leistungen allein solche der Jugendhilfe nach dem SGB VIII waren, oder ob es sich zumindest auch um sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe handelte.
1. Dementsprechend streiten die Beteiligten im Wesentlichen um die Frage, ob der Sozialhilfeträger wegen einer dem Hilfeempfänger in der Pflegefamilie G zumindest auch erbrachten Eingliederungshilfe i.S.v. § 102 Abs. 1 SGB X "der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger" ist.
Insofern bestimmt die Konkurrenzregelung des § 10 SGB VIII, ob der Träger der Jugendhilfe oder der Träger der Sozialhilfe der sachlich zur Leistung verpflichtete Träger ist:
Nach § 10 SGB VIII werden Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, durch das SGB VIII nicht berührt (Abs. 1 Satz 1). Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem SGB VIII entsprechende Leistungen vorgesehen sind (Abs. 1 Satz 2 i.d.F. bis 31.12.2004; i.d.F. ab 01.01.2005: "auf Rechtsvorschriften beruhende" Leistungen). Allerdings gehen die Leistungen nach dem SGB VIII Leistungen nach dem BSHG bzw. SGB XII (grundsätzlich) vor (§ 10 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII i.d.F. bis 31.12.2004; in der ab dem 01.01.2005 geltenden Gesetzesfassung als § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII). Nach der Ausnahmeregelung in Abs. 2 Satz 2 bzw. (ab 2005) Abs. 4 Satz 2 der Vorschrift gehen jedoch Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem BSHG/SGB XII für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, wiederum Leistungen nach dem SGB VIII vor.
Der im Jahr 2002 geborene Hilfeempfänger fällt unter den Begriff des "jungen Menschen" i.S.d. SGB VIII; nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII ist junger Mensch, wer (ohne Begrenzung auf ein Mindestalter) noch nicht 27 Jahre alt ist. Für ihn gehen deshalb nach § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII i.d.F. bis 31.12.2004 bzw. nach § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII i.d.F. ab 01.01.2005 Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem BSHG/SGB XII Leistungen nach dem SGB VIII vor.
Ohne die Rückausnahme in § 10 Abs. 2 Satz 2 a.F. bzw. Abs. 4 Satz 2 n.F. SGB VIII wären nach Satz 1 der Vorschrift alle Jugendhilfeleistungen gegenüber Sozialhilfeleistungen vorrangig. Die Rückausnahme in Satz 2 setzt als Sonderregelung für Maßnahmen der Eingliederungshilfe lediglich voraus, dass Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach dem BSHG/SGB XII für junge Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung bzw. Behinderungsbedrohung geleistet werden oder zu leisten sind. Die Abgrenzung, ob nach Satz 1 der Jugendhilfeträger oder nach Satz 2 der Sozialhilfeträger zuständig ist, hängt deshalb allein von der Art der mit einer Jugendhilfeleistung konkurrierenden Sozialhilfeleistung ab; bei Eingliederungshilfe ist die Sozialhilfe vorrangig, bei anderen Sozialhilfeleistungen ist die Jugendhilfe vorrangig. Bei vermeintlichen Abgrenzungsschwierigkeiten auf Satz 1 als Grundsatzregelung zurückzugreifen, ist nicht zulässig. Jugendhilfe und Sozialhilfe sind zwei umfassende sozialrechtliche Hilfesysteme mit unterschiedlichen Aufgaben und Rechtsfolgen, die nicht trennscharf aufeinander abgestimmt und deshalb auch nicht sachtypisch voneinander abzugrenzen sind. Mit den Kollisionsregelungen in § 10 Abs. 2 a.F. bzw. Abs. 4 n.F. SGB VIII hat der Gesetzgeber für den wichtigsten und schwierigsten Überschneidungsbereich der Leistungen für behinderte junge Menschen eine bereichsspezifische Differenzierung vorgenommen (vgl. auch Wiesner, SGB VIII, 2006, § 10 Rn. 31). Diese Vor- und Nachrangregelung stellt allein auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen ab. Eine (vom Sozialgericht allerdings herangezogene) Differenzierung danach, ob der Schwerpunkt des Bedarfs oder Leistungszwecks bzw. -ziels eher auf die Jugendhilfe oder aber auf die Eingliederungshilfe verweist, ist nicht zulässig. Denn die Regelung eines Nach- bzw. Vorrangs zwischen Leistungen der Jugendhilfe und der Sozialhilfe setzt von vornherein voraus, dass sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe besteht und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind; nur in einem solchen Fall besteht überhaupt ein Bedürfnis für eine Nach- bzw. Vorrangregelung. § 10 Abs. 2 a.F. bzw. Abs. 4 n.F. SGB VIII stellt deshalb nicht auf einen Schwerpunkt in Bezug auf eine der beiden denkbaren Hilfestellungen ab, sondern allein auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen; konkurrieren Maßnahmen der Eingliederungshilfe für behinderte junge Menschen nach dem BSHG/SGB XII mit Leistungen der Jugendhilfe nach dem SGB VIII, so ist nach Satz 2 der Vorschrift(en) ohne Weiteres die Sozialhilfe vorrangig (BVerwG, Urteil vom 23.09.1999 – 5 C 26/98 = FEVS 51, S. 337 – 340, S. 339 f.; vgl. auch Urteil vom 22.10.2009 – 5 C 19/08 sowie BSG, Urteil vom 24.03.2009 – B 8 SO 29/07 R, dort zu Rn. 17. Siehe zum Vorstehenden ferner Urteile des Senats vom 30.07.2007 – L 20 SO 15/06 sowie vom 26.07.2010 – L 20 SO 38/09 ZVW).
Nach Ansicht des Senats ist dem Hilfeempfänger im streitigen Zeitraum in der Pflegestelle G zumindest auch Eingliederungshilfe geleistet worden.
a) Zwar erhielt er durch die Pflegemutter Erziehung, Versorgung und Betreuung und damit all das, was ein kleines Kind in einer Pflegefamilie typischerweise erhält; die Leistungserbringung erfüllte deshalb durchaus die Merkmale einer gleichsam leistungstypischen Standardsituation in der Jugendhilfe:
Es handelte sich dabei um Hilfe zur Erziehung i.S.v. § 27 Abs. 1 SGB VIII, und zwar in der Form der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII (typische Pflegekindsituation). Nach § 33 Satz 1 SGB VIII soll Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Die Eltern des Hilfeempfängers waren und sind aufgrund eigener, u.a deutlicher intellektueller Einschränkungen zu dessen Erziehung von vornherein gänzlich nicht in der Lage. Schon der Bericht des Ev. Krankenhauses C an den weiterbehandelnden Kinderarzt machte dies nachvollziehbar deutlich; in dem Krankenhaus ist der Versuch einer Anleitung der Eltern (und Großeltern) unternommen worden, die sich jedoch mit der Versorgung trotz monatelanger Anleitung durch Klinikpersonal als völlig überfordert erwiesen haben. Die Aufnahme in die Pflegefamilie G in Vollzeitpflege war deshalb die einzige jugendhilferechtlich gebotene und in Frage kommende Maßnahme, seine Erziehung sicherzustellen. Der Hilfeempfänger erhielt und erhält mit der Unterbringung bei seiner Pflegemutter offenkundig (auch) das, was der typischen Leistung nach dem SGB VIII bei Unterbringung in einer Pflegefamilie entspricht, nämlich elterngleiche Fürsorge und Erziehung.
b) Auf der anderen Seite kann nach Ansicht des Senats jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Leistungen seitens der Pflegemutter von Anfang an einen deutlichen "Überschuss" gegenüber dem "Normalfall" der Unterbringung eines kleineren Kindes in einer Pflegefamilie enthielten. Dies führt dazu, dass es sich bei den erbrachten Leistungen neben einer Jugendhilfe auch um sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe handelte:
Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 des bis zum 31.12.2004 geltenden BSHG bzw. nach § 53 Abs. 1 Satz 1 des ab dem 01.01.2005 geltenden SGB XII ist Personen, die durch eine Behinderung i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt sind, Eingliederungshilfe zu gewähren, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft beeinträchtigt ist. Leistungen der Eingliederungshilfe sind nach § 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG bzw. nach § 53 Abs. 3 i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auch Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 55 SGB IX. Nach § 55 Abs. 1 SGB IX sind Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erfasst, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen. Nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX gehören hierzu Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen.
Der Hilfeempfänger ist – worüber die Beteiligten auch nicht streiten – lebenslang sowohl geistig als auch körperlich in schwerem Maße behindert. Dies geht aus sämtlichen vorliegenden Äußerungen hervor, die sich mit dieser Frage befassen. Wenn das Ev. Krankenhaus C in seinem Bericht an den weiterbehandelnden Kinderarzt (im damaligen Säuglingsalter des Hilfeempfängers) auch noch keine geistige oder körperliche Behinderung sah, so hat es jedoch bereits damals eine deutliche Entwicklungsretardierung und eine dadurch drohende Behinderung beschrieben. Schon im Gutachten des Dr. T vom 14.09.2004 wurde die schwere Entwicklungsstörung sowohl im körperlichen als auch im geistigen Bereich hervorgehoben, die lebenslang zu einer sehr wesentlichen Beeinträchtigung an der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft führt und regelmäßige Förderung bei Motorik und kognitiver Entwicklung erforderlich macht; ferner besteht auch die Notwendigkeit zur Förderung der sozialen Entwicklung.
Diese Beurteilungen finden im Übrigen Bestätigung in den Unterlagen, die im Berufungsverfahren zusammen mit einem Bericht der Diplom-Sozialarbeiterin L1 vom 14.09.2009 von der Klägerin vorgelegt wurden. So attestiert etwa der Kinder- und Jugendmediziner L unter dem 28.10.2008 für den Hilfeempfänger einen Microcephalus, eine spastische Tetraparese, eine erhebliche Intelligenzminderung sowie als deren Folge aggressives Verhalten und exzessives Schreien.
Insofern ergab (und ergibt) sich für die Pflegemutter Frau G ein vom Normalfall der Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII erheblich abweichendes Anforderungsprofil: Die Pflegemutter hat bei ihrer Einvernahme als Zeugin am 14.06.2010 nachvollziehbar dargelegt, dass sie bereits seit 1987 in der familieneingebundenen Betreuung (gerade) behinderter Kinder tätig ist. Sie nutzt dabei auch Fähigkeiten aus einer kreativtherapeutischen Ausbildung. Der Hilfeempfänger ist nach ihren Angaben sehr betreuungsintensiv und benötigt 24 Stunden pro Tag Betreuung und Beaufsichtigung. Wegen Hyperaktivität und gleichzeitiger geistiger Behinderung ist er ständiger Selbstgefährdung ausgesetzt. Dabei fehlt ihm jegliche Selbständigkeit, z.B. auch beim Essen, Anziehen und Waschen. Nachvollziehbar hat die Zeugin den Entwicklungsstand des Hilfeempfängers als den eines Kindes von einem knappen Jahr angegeben, obwohl der Hilfeempfänger im Befragungszeitpunkt bereits fast acht Jahre alt war. Bis auf Lautieren von "Mama" bzw. "Ma-"Silben besteht kein aktives Sprachvermögen; grundlegende Äußerungen wie Zustimmung oder Ablehnung geschehen (mittlerweile) nonverbal und auch nur in einem sehr eingeschränkten Bereich (auch durch Kneifen); das passive Sprachverständnis ist zwar größer, jedoch deutlich eingeschränkt und bedarf – etwa hinsichtlich des Behaltens des Körperschemas – ständiger Erinnerung. Noch immer kann der Hilfeempfänger nicht selbständig laufen, sondern sich allenfalls an Möbeln hochziehen und entlanghangeln. Unter Berücksichtigung seines jeweiligen Lebensalters besaß er von der Aufnahme bei der Zeugin an in keiner Weise alltagspraktische Fähigkeiten, die er ohne Hilfestellung hätte einsetzen können. Ausdrücklich hat die Zeugin, die auch einen nicht behinderten Pflegesohn betreut, nachvollziehbar ausgeführt, man könne die Betreuung des Hilfeempfängers nicht mit üblichen Pflegekindern vergleichen. Beim Hilfeempfänger gebe es keine Tendenz zu zunehmender Selbständigkeit, und es bestehe wenig Empathiefähigkeit. Wenn er wütend sei, gerate er außer Kontrolle und könne weder auf Selbst- noch auf Fremdverletzungen Rücksicht nehmen. Vor der Einschulung habe sie im Übrigen im häuslichen Bereich therapeutische Übungen weitergeführt, für die sie von Therapeuten angelernt worden sei. Dabei sei der Hilfeempfänger ein durchaus glückliches Kind; gäbe es die Außenwelt nicht, so wäre er mit sich völlig im Reinen.
Die Angaben der Pflegemutter werden durch die Ausführungen der ebenfalls als Zeugin gehörten Diplom-Sozialarbeiterin L1 bestätigt. Die Heranziehung der Pflegemutter geschah danach bereits im Rahmen der Tätigkeit der weiteren Zeugin als Mitarbeiterin des "Zentralen Fachdienstes für Pflegekinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen" der Diakonie in E1. Die Befassung als Fachdienst ist nach den glaubhaften Angaben der Zeugin gerade wegen der angeborenen Hirnschädigung mit den daraus folgenden Behinderungen erfolgt. Ein Grund für die Herausnahme des Hilfeempfängers aus der einrichtungsmäßigen Betreuung war dessen seinerzeit fortdauernde Zytomegalovirus-Ausscheidung, was eine Ansteckungsgefahr für Dritte mit sich brachte. Den Zustand des Hilfeempfängers bei Aufnahme durch die Pflegemutter hat die Zeugin plastisch mit einem "regungslosen, inaktiven Mehlsack" umschrieben, was auch bei einem Kind im damaligen Alter des Hilfeempfängers (1¼ Jahre) auf einen offensichtlich retardierten Zustand schließen lässt. Auch die Zeugin L1 hat die (aktuelle) Beschränkung der selbständigen Fortbewegung auf ungerichtetes Krabbeln und Hochziehen an einem Tisch bei gleichzeitiger Selbstgefährdung beschrieben. Der Hilfeempfänger ist nach ihren Angaben bei Hyperaktivität und zugleich mangelnder Kognition ein außergewöhnliches Kind, mit dem sich die Pflegemutter (im streitigen Zeitraum und auch nach wie vor) sehr intensiv befasst und versucht, alle Fördermöglichkeiten auszuschöpfen. Dabei hat die Zeugin dank monatlicher Besuche zu etwa drei Stunden (im Zusammenhang mit Besuchen der leiblichen Mutter) einen stetigen und ausgedehnten Überblick über die Entwicklung des Hilfeempfängers.
Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit der Leistungserbringung durch die Pflegemutter darauf hinweist, in dem Vertrag mit der Diakonie in E1 vom September 2003 über die Unterbringung und Betreuung des Hilfeempfängers bei der sonderpädagogischen Pflegestelle G seien aus dem üblichen Vertragsformular "über die Hilfe zur Erziehung in einer sonderpädagogischen Pflegestelle für chronisch kranke und behinderte Kinder" die Worte "zur Erziehung" eigens gestrichen worden, so heißt dies allerdings nicht, dass die Pflegemutter den Hilfeempfänger nicht auch erzieht. Das Gegenteil ist vielmehr offensichtlich; bei einer Dauerunterbringung des Hilfeempfängers im Haushalt der Pflegemutter und (außerhalb von Kindergarten- oder späteren Schulzeiten) alleiniger Betreuung durch sie ist wesentlicher Bestandteil der Betreuung notwendig auch die Erziehung. Diese kann allerdings nur unter Berücksichtigung gerade der schweren Behinderungen des Hilfeempfängers erfolgen und hat deshalb mit der Erziehungsarbeit, die von Pflegeeltern nicht behinderter Pflegekinder geleistet wird, wenig gemein. Der Vertrag von September 2003 zeigt im Übrigen etwa mit der Vereinbarung von sechs freien Wochenenden und eines sechswöchigen Anspruchs auf Urlaub ohne Kind für die Pflegemutter (Ziff. 6 und 7 des Vertrages) deutlich, dass es sich bei der Tätigkeit der Pflegemutter um eine besondere Tätigkeit handelt, welche mit der typischen Tätigkeit von Pflegeeltern nicht behinderter Kinder nicht gleichzusetzen ist. Deutlich wird dies auch durch die (in Ziff. 5 des Vertrages) aufgenommene Klausel, der Hilfeempfänger könne aufgrund seiner Behinderung zu keinem Zeitpunkt allein gelassen werden; während zwei- bis dreimal wöchentlicher Besorgungen der Pflegeeltern (hier: alleinstehende Pflegemutter) müsse die Betreuung durch eine zusätzliche Betreuungsperson sichergestellt werden. Die Besonderheit der Betreuung von Pflegekindern durch sonderpädagogische Pflegestellen der Diakonie in E1 geht im Übrigen auch aus dem Bericht der Diplom-Sozialarbeiterin L1 vom 14.09.2009 an die Klägerin hervor. Dort ist beschrieben, dass eine herkömmliche Pflegefamilie den Anforderungen des Hilfeempfängers nicht gerecht werden könnte. Der "Zentrale Fachdienst der Diakonie für Pflegekinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen" ist gerade aus diesem Grund beauftragt worden. Die Pflegestellen sind nach den Ausführungen der Diplom-Sozialarbeiterin L1 dementsprechend darauf ausgerichtet, langfristig den Anforderungen behinderter Kinder gerecht zu werden. Dazu werden neben umfangreicheren finanziellen Leistungen auch Beratung und Begleitung der Pflegefamilien gewährleistet, und zwar u.a. durch ständige telefonische Erreichbarkeit, intensive Beratung in psychologischen, pädagogischen, rechtlichen und behinderungsspezifischen Fragen, Sicherstellung regelmäßiger zusätzlicher Kinderbetreuung, Supervision, regionale Gruppenberatung, Fortbildungsseminare, Wochenendveranstaltungen und Teilnahme an Fachtagungen. Die Pflegemutter Frau G, die das erste Staatsexamen für das Lehramt der Primarstufe absolviert hat, ist nach den Ausführungen des Berichts eine erfahrene Pflegemutter sowohl für Kinder mit seelischen Verletzungen als auch für behinderte Kinder. Sie kann aufgrund der hohen Anforderungen mit der Betreuung und Förderung des Hilfeempfängers keiner weiteren Berufstätigkeit nachgehen.
Gewährleistet danach die stetige Zuwendung der Pflegemutter im Alltag, dass der Hilfeempfänger seinen Ressourcen entsprechend basale Fertigkeiten (Bewegung, Sozialverhalten, Einnahme von Nahrung, etc.) zumindest in einem gewissen Maß erwirbt und aufrechterhält, und wird im Alltag ständig ein erreichbares (im Wesentlichen aktiv nonverbales, passiv auch auf Wortverständnis zielendes) Maß an Verständigung mit der Umwelt (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII) eingeübt, so gehen die permanenten, eine übliche Kinderbetreuung und -erziehung deutlich übersteigenden Hilfeleistungen (auch dann, wenn man die von der Klägerin in den Vordergrund gestellten Hilfen zur medizinischen Rehabilitation außer Acht lässt) nicht einzig auf die Erziehungsungeeignetheit der leiblichen Eltern zurück. Sie gründen sich vielmehr gerade auch auf die merkliche geistige und körperliche Behinderung des Hilfeempfängers.
c) Dem Senat erscheint es insoweit nicht zutreffend, diese Besonderheiten der Pflegemuttersituation des vorliegenden Falles schlicht zu vernachlässigen, weil jedes kleinere Kind, gleichviel ob mit erheblichen Behinderungen wie beim Hilfeempfänger oder ohne solche Beeinträchtigungen, jedenfalls elterlicher Betreuung und Erziehung bedürfe und eine Pflegemutter in beiden Fällen gleichsam letztlich "nur" Pflegemutter bleibe. Insoweit gewinnt auch der ohne Weiteres nachvollziehbare Hinweis der Klägerin an Bedeutung, ohne eine sonderpädagogische Pflegestelle für den behinderten Hilfeempfänger (mit entsprechender fachdienstlicher Anbindung beim Leistungsträger Diakonie) wäre nur eine Einrichtungsunterbringung in Frage gekommen. Eine Pflegefamilie herkömmlichen Zuschnitts, die bei Ungeeignetheit der leiblichen Eltern ein Pflegekind wie ein eigenes (i.d.R. körperlich und geistig gesundes) Kind betreut und allenfalls auf Erziehungsschwierigkeiten oder seelische Probleme besondere Rücksicht nehmen muss, könnte die Betreuung, Versorgung und Erziehung des Hilfeempfängers (mit enormem Beaufsichtigungsaufwand) nicht gewährleisten.
Sind aus den genannten Gründen die dem Hilfeempfänger erbrachten Leistungen sowohl als Jugendhilfe als auch als Eingliederungshilfe anzusehen, so liegt die normtypische Konkurrenzsituation des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII a.F. bzw. § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII n.F. vor, welche das Gesetz durch einen Vorrang der Sozialhilfe auflöst.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die seit dem 05.08.2009 geltende und bis zum 31.12.2013 befristete Regelung des § 54 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nach Ansicht des Senats zur Frage der Qualifizierung der dem Hilfeempfänger im streitigen Zeitraum erbrachten Leistungen keine Hinweise liefert. Nach dieser Vorschrift ist eine Leistung der Eingliederungshilfe auch die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie, soweit eine geeignete Pflegeperson Kinder und Jugendliche über Tag und Nacht in ihrem Haushalt versorgt und dadurch der Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe vermieden oder beendet werden kann. Zwar entsprechen die mit der jetzigen Regelung berücksichtigten Lebenssachverhalte demjenigen im vorliegenden Fall. Der streitige Zeitraum liegt jedoch vor Inkrafttreten der Regelung. § 54 Abs. 3 SGB XII gestattet zudem weder einen Umkehrschluss dahingehend, dass vor Inkrafttreten der Norm entsprechende Eingliederungshilfeleistungen nicht möglich waren, noch gibt die Vorschrift einen sicheren Anhalt dafür, dass sie die bereits bestehende Möglichkeit einer Verpflichtung des Sozialhilfeträgers nur klarstellen solle. Die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 16/13417 = Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, der diese Regelung erst vorgeschlagen hat; dort S. 6 zu Art. 4 Nr. 2) benennen die bisher schon bestehenden Zuständigkeitsstreitigkeiten bei einem Wechsel aus einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe in eine Pflegefamilie i.S.d. SGB VIII. Der neue Leistungstatbestand stelle nun sicher, dass Leistungen für behinderte Kinder und Jugendliche auch in einer Pflegefamilie gewährt würden. Damit werde erreicht, dass diese Möglichkeit als Alternative zur vollstationären Betreuung in Anspruch genommen werde, wenn das dem Kindeswohl diene. Zugleich werde eine Gleichbehandlung mit seelisch behinderten Kindern und Jugendlichen erreicht. Der Unterschied zu § 33 SGB VIII bestehe darin, dass nicht von einem Erziehungsdefizit auszugehen sei, das mit Hilfe von Elternarbeit nach § 37 SGB VIII ausgeglichen werden könne (die gesetzliche Befristung bis 2013 erfolge, weil insgesamt eine Neuordnung der Zuständigkeiten für behinderte Kinder und Jugendliche angestrebt werde). Dies belegt allein das gesetzliche Regelungsziel, es in geeigneten Fällen zugunsten einer Unterbringung in einer Pflegefamilie zu vermeiden, dass ein betroffenes Kind in einer als ungünstiger empfundenen Einrichtungsbetreuung verbleibt, weil die Kostenträgerschaft sonst zweifelhaft sein kann.
2. Ist damit der Träger der Sozialhilfe zuständiger Kostenträger für die dem Hilfeempfänger erbrachten Leistungen, so ist die Beklagte gleichwohl nicht zur Tragung der Kosten verpflichtet, da sie nicht zuständiger Sozialhilfeträger ist.
a) Sachlich richtet sich die Zuständigkeit des örtlichen oder aber überörtlichen Trägers nach §§ 99, 100 BSHG bzw. nach § 97 SGB XII. Eine Zuständigkeit des überörtlichen Trägers nach § 100 BSHG ist nicht ersichtlich:
§ 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG würde eine Hilfeerbringung in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung oder eine teilstationäre Betreuung in einer Einrichtung voraussetzen. Zuständig ist deshalb für die bis zum 31.12.2004 erbrachten Leistungen der örtliche Träger. Für die Zeit ab 01.01.2005 ist zu beachten, dass der heutige § 97 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII, der die Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. dem überörtlichen Träger zuweist, erst seit dem 01.01.2007 gilt. Zuvor konnte nur eine sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers für die Eingliederungshilfe nach Abs. 2 i.V.m. Landesrecht begründet werden. Diese folgte im streitigen Zeitraum (für 2005) aus § 2a Ausführungsgesetz (AG) Nordrhein-Westfalen (NRW) zum SGB XII i.V.m. der Ausführungsverordnung (AV) zum SGB XII NRW. Nach § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 der AV-SGB XII NRW ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig u.a. für Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII für Personen, die in § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII genannt sind, Menschen mit einer geistigen Behinderung (u.a.) bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn es wegen der Behinderung oder des Leidens dieser Personen in Verbindung mit den Besonderheiten des Einzelfalles erforderlich ist, die Hilfe in einer teilstationären oder stationären Einrichtung zu gewähren. Liegen diese Voraussetzungen beim Hilfeempfänger nicht vor, ist damit auch für die Zeit ab dem 01.01.2005 der örtliche Träger zuständig.
b) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist jedoch nicht die (kreisfreie) Stadt E nach § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG bzw. § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII örtlich zuständig als derjenige örtliche Träger, in dem sich die Pflegestelle G befindet.
Denn die Mutter des Hilfeempfängers lebte (und lebt) in N und damit im Gebiet des Beigeladenen zu 2. Insofern bestimmt sich nach Ansicht des Senats die örtliche Zuständigkeit abweichend von § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG bzw. § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nach § 104 BSHG i.V.m. § 97 Abs. 2 BSHG bzw. nach § 107 SGB XII i.V.m. § 98 Abs. 2 SGB XII. Danach gilt jeweils die Sonderregelung über die Zuständigkeit für stationäre Leistungen (§ 97 Abs. 2 BSHG bzw. § 98 Abs. 2 SGB XII) entsprechend, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher in einer anderen Familie oder bei anderen Personen als bei seinen Eltern oder bei einem Elternteil untergebracht ist.
§ 97 Abs. 2 BSHG bzw. § 98 Abs. 2 SGB XII stellen in ihrem (nicht "entsprechenden", sondern unmittelbaren) Anwendungsbereich nach ihrem jeweiligen Satz 4 bei Geburt eines Kindes in einer Einrichtung anstelle des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Kindesmutter ab. Nach dem jeweiligen Satz 2 kommt es bei einem Weiterzug von Einrichtung zu Einrichtung auf den für die erste Einrichtung maßgebenden gewöhnlichen Aufenthalt an. Nach Sinn und Zweck der Regelung soll der Sozialhilfeträger des mit Zufälligkeiten der Lage der Einrichtung (bzw. bei Familienunterbringung: der Unterbringungsfamilie) verknüpften tatsächlichen Aufenthaltsorts entlastet werden (vgl. Böttiger, in: jurisPK-SGB XII, 1. Aufl. 2010, § 107 Rn. 8).
Die Verweisung in § 104 BSHG bzw. § 107 SGB XII verlagert in ihrem Ausgangspunkt die örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zum Schutz der Pflegestellenorte auf den Ort, in dem das Pflegekind vor Aufnahme in der Pflegefamilie seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Schlette, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Loseblatt, Stand 21. Ergänzungslieferung Juni 2010, § 98 Rn. 82). Wird ein Kind – wie der Hilfeempfänger, der im Klinikum E geboren wurde – in einem Krankenhaus geboren, so kann hinsichtlich des Schutzes der Pflegestellenorte nichts anderes gelten: § 97 Abs. 2 Satz 4 bzw. § 98 Abs. 2 Satz 4 SGB XII stellen dem Wortlaut nach auf die Geburt in einer "Einrichtung" ab. Nach § 13 Abs. 2 SGB XII ist eine Einrichtung eine solche, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen. Hierunter fällt auch ein Krankenhaus; da das Kind naturgemäß noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen konnte, erklärt das Gesetz auch insoweit den gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter für maßgeblich, den diese bei Einrichtungsaufnahme bzw. bei der Geburt des Kindes hatte (Schlette, a.a.O.,Rn. 79). Wechselt das Kind vor der Aufnahme in eine Pflegefamilie zunächst die Einrichtung (der Hilfeempfänger gelangte erst über das Ev. Krankenhaus C und die M schließlich zur Pflegefamilie G), so setzt sich wegen § 97 Abs. 2 Satz 2 BSHG bzw. § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII die Zuständigkeitsbestimmung wie bei der ersten Einrichtung fort (vgl. Böttiger, a.a.O., Rn. 41); maßgeblich bleibt im Falle einer solchen – beliebig langen – Einrichtungskette die Anknüpfung an den bei Aufnahme in die erste Einrichtung maßgeblichen Aufenthalt (vgl. Schlette, a.a.O., Rn. 61). Dies war beim Hilfeempfänger die kreisangehörige Stadt Menden.
c) Wäre danach der Beigeladene zu 2 im streitigen Zeitraum für die Leistungen an den Hilfeempfänger der örtlich zuständige Träger gewesen, so scheidet eine Verurteilung als Beigeladener nach § 75 Abs. 5 SGG jedenfalls deshalb aus, weil ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beigeladenen zu 2 schon mangels einer ihm gegenüber erfolgten rechtzeitigen Geltendmachung ausgeschlossen ist.
Denn ein Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 102 SGB X ist nach § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen, wenn er nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend gemacht wurde. Dabei handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist; sie ist auch ohne entsprechende Einrede von Amts wegen zu beachten, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet aus, und selbst bei Kenntnis des Erstattungpflichtigen von der Leistungserbringung kann sich der Leistungserbringer nicht etwa auf Treu und Glauben berufen (Roller, a.a.O., § 111 Rn. 16 m.w.N.).
Die Klägerin hat gegenüber dem Beigeladenen zu 2 jedoch keinerlei Erstattungsanspruch geltend gemacht; dies geschah vielmehr nur gegenüber der Beklagten sowie gegenüber dem Beigeladenen zu 1. Zugleich ist eine "Zurechnung" dieser Erstattungsanmeldungen gegenüber der Beklagten bzw. dem Beigeladenen zu 1 zu Lasten des Beigeladenen zu 2 nicht möglich. Dem steht neben einem fehlenden entsprechenden Anhalt im Gesetzeswortlaut auch der Zweck des § 111 SGB X entgegen: Der erstattungspflichtige Leistungsträger selbst soll schon kurze Zeit nach der Leistungserbringung wissen, welche Ansprüche auf ihn zukommen, damit er ggf. entsprechende Rückstellungen vornehmen kann (a.a.O., Rn. 2).
Die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts kann deshalb trotz erfolgter Beiladung des Beigeladenen zu 2 keinen Erfolg haben.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
IV. Der Senat lässt die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu.
V. Der Streitwert für den ersten Rechtszug wurde vom Sozialgericht irrtümlich auf 42.000,00 EUR festgesetzt (verursacht durch einen später berichtigten Rechenfehler der Klägerin, die in der Klageschrift die Erstattungsforderung zunächst mit 41.584,12 EUR beziffert hatte). Nach § 197a SGG i.V.m. § 63 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG) ist er – entsprechend dem erstinstanzlich letztlich gestellten Antrag der Klägerin – auf 46.732,12 EUR festzusetzen.
Für die Streitwertfestsetzung im zweiten Rechtszug ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bei Berufungseinlegung zunächst klageerweiternd eine Verurteilung der Beklagten zur Erstattung auch nachfolgend weiter entstandener Hilfekosten (bis zum 24.12.2008: 169.731,27 EUR) begehrt hat. Aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 GKG ergibt sich, dass der im Berufungsverfahren erweiterte Streitgegenstand bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren zu berücksichtigen ist; nach § 40 GKG ist zugleich für Wertberechnung der bei Berufungseinlegung von der Klägerin zunächst formulierte Antrag maßgebend, auch wenn die Beteiligten später auf Vorschlag des Senats den streitigen Zeitraum wieder entsprechend demjenigen im erstinstanzlichen Verfahren eingeschränkt haben.
Die Zinsforderung der Klägerin bleibt bei der Streitwertfestsetzung nach § 43 GKG außer Betracht.
Erstellt am: 01.10.2012
Zuletzt verändert am: 01.10.2012