Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 11.10.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch in der Berufungsinstanz nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger gegen den Beklagten Anspruch auf Erstattung der Kosten eines Widerspruchsverfahrens hat.
Mit Bescheid vom 29.12.2009 lehnte der Beklagte einen von dem im Jahr 1966 geborenen Kläger bereits am 07.12.2007 gestellten Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.12.2007 bis zum 31.12.2007 ab. Auf Widerspruch des Klägers vom 12.01.2010 hob der Beklagte den Bescheid vom 29.12.2009 mit Abhilfebescheid vom 22.06.2010 auf.
Sodann bewilligte der Beklagte dem Kläger mit weiterem Leistungsbescheid vom 22.06.2010 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.12.2007 bis zum 31.12.2007. Der Bescheid enthält keine Ausführungen zu einem Zinsanspruch des Klägers.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 29.06.2010 Widerspruch und führte zur Begründung aus, die Leistung sei bereits zum 30.11.2007 fällig gewesen. Gemäß § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) seien Ansprüche auf Geldleistungen zu verzinsen. Der angefochtene Bewilligungsbescheid enthalte keinen Hinweis, dass eine Zinsberechnung separat erfolge und enthalte selbst auch keine Regelung zur Verzinsung der Nachzahlung, so dass er davon ausgehen müsse, dass die Berechnung seines Anspruches auf Zinsen rechtswidrig nicht erfolgt sei.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010 als unzulässig zurück und führte aus, der Bescheid vom 22.06.2010 begründe weder einen Anspruch auf Verzinsung noch lehne er einen solchen Anspruch ab. Vielmehr enthalte er insoweit keine Aussage. Eine Regelung zur Verzinsung liege damit nicht vor. Das bloße Schweigen enthalte weder eine zustimmende noch eine ablehnende, sondern keinerlei Willensbetätigung. Weiter stellte der Beklagte fest, dass der Nachzahlungsanspruch mit 34,04 Euro zu verzinsen sei und dass im Widerspruchsverfahren ggf. entstandene notwendige Aufwendungen nicht erstattet werden könnten.
Hiergegen hat der Kläger am 10.11.2010 bei dem Sozialgericht (SG) Duisburg Klage erhoben und ausgeführt, er sei durch den Bescheid vom 22.06.2010 durch die unterbliebene Gewährung von Zinsen in seinen Rechten beschwert gewesen und habe sich hiergegen erfolgreich mit dem Widerspruch gewandt. Der Beklagte habe den Anspruch auf Zinsen im Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010 anerkannt und habe ihm daher die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2010 zu verurteilen, ihm die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er auf die Begründung des angefochtenen Bescheides Bezug genommen.
Mit Urteil vom 11.10.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Kosten seien nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht zu erstatten, da der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 22.06.2010 nicht erfolgreich gewesen sei. Der Beklagte habe den Widerspruch zutreffend als unzulässig zurückgewiesen. Hinsichtlich des Zinsanspruches sei der Bescheid vom 22.06.2010 nicht als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X anzusehen, gegen den zulässigerweise Widerspruch haben erhoben werden können. Der Bescheid treffe keine Regelung zu einem Zinsanspruch. Das diesbezügliche Schweigen habe keinen Erklärungswert. Der Bescheid enthalte auch keine konkludente Ablehnung eines solchen Zinsanspruches. Ein verständiger Beteiligter habe die unterbliebene Zinsentscheidung auch nicht als sinngemäße Ablehnung des Zinsanspruchs durch Verwaltungsakt interpretieren müssen. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 11.09.1980 (Az. 5 RJ 108/79) entschieden habe, dass die konkludente Ablehnung eines Zinsanspruches allenfalls dann anzunehmen sei, wenn gleichzeitig ein Verwaltungsakt über die Ansprüche auf Geldleistung ergangen sei, deren Verzinsung nunmehr begehrt werde, rechtfertige dies keine andere Entscheidung. Das BSG habe in der späteren Entscheidung vom 25.01.2011 (Az. B 5 R 14/10 R) überzeugend ausgeführt, dass das Schweigen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Zinsanspruches keinen Erklärungswert habe. Aus dem Umstand, dass der Zinsanspruch akzessorisch zum Hauptanspruch sei, könne nicht geschlossen werden, dass fehlende Ausführungen zum Zinsanspruch als ablehnende Zinsentscheidung zu bewerten seien. Durch die Entscheidung vom 25.01.2011 habe das BSG inhaltlich die im Urteil vom 11.09.1980 zum Ausdruck gekommene Rechtsprechung aufgegeben, ohne dass es aufgrund der zugrundeliegenden Fallgestaltung erforderlich gewesen sei, dies ausdrücklich zu erklären. Im Übrigen habe das BSG im Urteil vom 25.01.2011 die Argumentation der Vorinstanz, des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 18.01.2010, Az. L 3 R 162/09) in vollem Umfang übernommen und die Revision zurückgewiesen, so dass das Urteil des Landessozialgerichts rechtskräftig sei.
Gegen das seiner Prozessbevollmächtigten am 11.11.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.11.2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er auf sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, das BSG habe in seiner Entscheidung vom 25.01.2011 nicht zu erkennen gegeben, dass es an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht festhalten wolle.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des SG Duisburg vom 11.10.2011 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2010 zu verurteilen, ihm die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
I. Die vom SG zugelassene Berufung ist statthaft (§§ 143 ff. SGG) und auch im Übrigen zulässig.
II. Sie ist jedoch unbegründet.
1. Streitgegenstand ist der Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010, mit welchem der Beklagte die Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 22.06.2010 abgelehnt hat.
2. Das Sozialgericht hat die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Ergebnis und mit zutreffender Begründung zu Recht abgewiesen. Der Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010 hält der rechtlichen Überprüfung stand und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Anspruchsgrundlage für die erstrebte Kostenerstattung ist § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Denn der Beklagte hat hinsichtlich des streitigen Zinsanspruches schon keinen "Verwaltungsakt erlassen", so dass ein dagegen gerichteter Widerspruch ins Leere ging und nicht "erfolgreich" sein konnte.
Hinsichtlich des Zinsanspruchs liegt kein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X vor. Nach dieser Vorschrift ist Verwaltungsakt "jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist". Der Bescheid vom 22.06.2010 trifft keine "Regelung" zur Verzinsung des Nachzahlungsbetrags. Eine Regelung ist darauf gerichtet, mit unmittelbarer Rechtswirkung subjektive Rechte (oder Pflichten) des Adressaten verbindlich zu begründen, festzustellen, zu ändern, aufzuheben oder abzulehnen. Eine derartige Festlegung oder Ablehnung von Zinsansprüchen enthält der Bescheid vom 22.06.2010 weder ausdrücklich noch sinngemäß.
In dem Fehlen eines positiven Ausspruchs zum Zinsanspruch liegt keine Ablehnung des Zinsanspruchs. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des BSG in dessen Entscheidung vom 25.01.2011 (a.a.O.). Darin hat sich das BSG zwar nicht ausdrücklich von seiner früheren Entscheidung vom 11.09.1980 (a.a.O.) distanziert, da der Qualifizierung einer fehlenden Entscheidung über den Zinsanspruch als Verwaltungsakt in dem dort zu entscheidenden Fall keine streitentscheidende Bedeutung zukam. Während in der früheren Entscheidung des BSG ein gleichzeitiger Verwaltungsakt über die Ansprüche auf Geldleistungen ergangen war, deren Verzinsung nunmehr begehrt wurde, war in der späteren Entscheidung demgegenüber lediglich ein formloses Mitteilungsschreiben zu beurteilen, so dass ein Anspruch auf Kostenerstattung bereits deshalb nicht bestand. Dennoch hat sich das BSG in der Entscheidung vom 25.01.2011 inhaltlich von der zuvor geäußerten Auffassung, wonach bei Fehlen eines positiven Ausspruchs über einen Zinsanspruch von dessen Ablehnung ausgegangen werden müsse, abgewendet und überzeugend ausgeführt, einem Schweigen zur Zinsfrage komme grundsätzlich kein Erklärungswert zu.
Wegen der weiteren Begründung wird auf das genannte Urteil des BSG vom 25.01.2011 Bezug genommen, dem sich der Senat anschließt.
Dieses Ergebnis steht im Einklang auch mit der Rechtsprechung des BSG zum Rechtsinstitut der Verwirkung. Dort wurde entschieden, dass – im Einzelfall – ein bloßes Unterlassen einer Behörde ein schutzwürdiges Vertrauen begründen und zur Verwirkung eines Rechts nur dann führen könne, wenn der Betroffene das Nichtstun der Behörde nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten dürfe (vgl. beispielsweise BSG, Urteil vom 01.07.2010, Az. B 13 R 67/09 R m.w.N.). In Übertragung dieser Rechtsprechung ist vorliegend nicht erkennbar, dass das "Nichtstun" hinsichtlich einer Entscheidung zum Zinsanspruch erkennbar bewusst und planmäßig gewesen wäre, so dass auch insoweit nicht von einem Erklärungswert des diesbezüglichen Schweigens ausgegangen werden kann.
Schließlich liegen auch besondere Einzelfallumstände, die dem Schweigen zum Zinsanspruch klar und unmissverständlich einen ablehnenden Inhalt geben könnten, beispielsweise fortgesetztes Schweigen der Behörde trotz Aufforderung zum Erlass einer Entscheidung über die Zinsen durch den Kläger, nicht vor.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
4. Der Senat hat die Revision zugelassen, weil das Urteil von der Entscheidung des BSG vom 11.09.1980 abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Erstellt am: 19.04.2012
Zuletzt verändert am: 19.04.2012