Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 30.06.2009 geändert. Die zu erstattenden Kosten werden auf 172,55 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Streitig ist die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren im Rahmen der durch das Sozialgericht (SG) Dortmund für ein Klageverfahren bewilligten Prozesskostenhilfe.
Am 02.03.2009 erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers Untätigkeitsklage vor dem SG und begehrte die Verurteilung der damaligen beklagten Arbeitsgemeinschaft (ab 01.01.2011 ist das Jobcenter als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen Arbeitsgemeinschaft getreten), über seinen mit Schreiben vom 20.11.2008 eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.11.2008 zu entscheiden. Mit Bescheid vom 06.11.2008 hatte der Beklagte aufgrund eines stationären Aufenthalts des Klägers Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 31.07.2008 bis 28.01.2009 unter Anrechnung von monatlich 92,85 Euro als sonstiges Einkommen bewilligt. In der Klageerwiderung vom 16.03.2009 wies der Beklagte darauf hin, dass dem Widerspruch bereits mit Bescheid vom 24.01.2009 vollumfänglich abgeholfen worden sei und fügte diesen Bescheid zur Kenntnisnahme bei. Daraufhin erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 31.03.2009 die Untätigkeitsklage für erledigt. Er wies darauf hin, dass weder dem Kläger noch ihm der nunmehr vorgelegte Änderungsbescheid vom 24.01.2009 zugegangen sei.
Durch Beschluss vom 02.04.2009 bewilligte das SG dem Kläger für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt L.
Der Beschwerdeführer beantragte unter dem 27.04.2009 die Festsetzung folgender Gebühren:
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG: 170,00 Euro
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG: 200,00 Euro
Pauschale, Nr. 7002 VV RVG: 20,00 Euro
Summe: 390,00 Euro
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG: 74,10 Euro
Summe: 464,10 Euro.
Am 18.05.2009 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die erstattungsfähigen Gebühren und Auslagen wie folgt fest:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG: 83,00 Euro
Post- und Telekommunikation: 16,60 Euro
Summe: 99,60 Euro
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG: 18,92 Euro
Summe: 118,52 Euro
Zur Begründung führte er aus, dass bei einer Klage wegen Untätigkeit regelmäßig ein Abschlag auf die Gebühr vorzunehmen sei. Es werde 1/3 der sog. Mittelgebühr nach Nr. 3102 VV RVG (83,00 Euro) als angemessen erachtet; eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG komme nicht in Betracht, weil bei einer Klage wegen Untätigkeit kein materielles Recht zu prüfen sei.
Gegen die Festsetzung legte der Beschwerdeführer am 24.06.2009 Erinnerung ein. Nachdem der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle der Erinnerung nicht abgeholfen hatte, hat das SG mit Beschluss vom 30.06.2009 die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 118,52 Euro festgesetzt.
Gegen den ihm am 04.07.2009 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 07.07.2009 Beschwerde erhoben. Er ist der Auffassung, dass die zu erstattenden Kosten mit 118,52 Euro nur unzureichend festgesetzt worden seien. Es habe sich um einen mindestens durchschnittlichen Fall gehandelt, der die Ansetzung der angemeldeten Mittelgebühr (170,00 Euro) rechtfertige.
Der Beschwerdegegner ist der Auffassung, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Beschluss keinesfalls beschwert sei. Unter Berücksichtigung des Beschlusses des LSG NRW vom 05.05.2008 (L 19 B 24/08 AS) sei eine Verfahrensgebühr VV 3102 RVG in Höhe von 80,00 Euro zuzüglich Pauschale (VV 7002 RVG) in Höhe von 16,00 Euro (20% der Verfahrensgebühr) sowie der Umsatzsteuer von 18,24 Euro, insgesamt 114,24 Euro festzusetzen.
II. Das Landessozialgericht entscheidet über die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung durch den Senat gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
Das Rubrum war von Amts wegen zu korrigieren. Antragsteller und Beschwerdeführer ist in Verfahren, die die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung bei gewährter Prozesskostenhilfe betreffen, der Rechtsanwalt selbst. Beschwerdegegner ist die Landeskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor. Die durch die Prozesskostenhilfe begünstigte Partei ist nicht beteiligt (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 40. Auflage 2010; § 56 RVG, Rn. 2-4; Entscheidung des LSG NRW, Beschluss vom 24.11.2010, L 9 AS 878/10 B; LSG NRW, Beschluss vom 13.02.2009, L 12 B 159/08; LSG NRW, Beschluss vom 15.07.2009, L 20 B 27/09 AS).
Die Beschwerde des Beschwerdeführers, der das SG nicht abgeholfen hat, wurde innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses des SG und damit fristgerecht erhoben (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt auch 200,00 Euro (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG).
Der Zulässigkeit der Beschwerde steht die Regelung des § 178 SGG nicht entgegen. Denn diese Regelung wird durch die speziellere Vorschrift des § 73a Satz 1 SGG verdrängt (ausführlich hierzu Beschluss des erkennenden Senats vom 02.07.2008, L 7 B 113/08 AS, m.w.N.).
Die Beschwerde ist teilweise begründet.
Als gesetzliche Gebühr ist eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 125,00 Euro angefallen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen – wie hier der Fall – das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Die Höhe der Vergütung und auch der Betrag der Rahmengebühren bestimmen sich gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG (VV RVG).
Zutreffend ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle davon ausgegangen, dass eine Verfahrensgebühr nicht nach Nr. 3103 VV RVG, sondern nach Nr. 3102 VV RVG angefallen ist. Denn die Regelung der Nr. 3103 VV RVG greift bei einer Untätigkeitsklage nicht ein (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 05.05.2008, L 19 B 24/08 AS, Juris; Beschluss vom 07.04.2007, L 12 B 44/07 AS;).
Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG ist auf 125,00 Euro festzusetzen.
Die Höhe der Verfahrensgebühr bestimmt der Rechtsanwalt gemäß § 14 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers sowie seines besonderen Haftungsrisikos (§ 14 Abs. 1 Sätze 1 und 3 RVG). Die von einem beigeordneten Rechtsanwalt in Verfahren nach §§ 55 f. RVG getroffene Bestimmung ist nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Der Einsatz der Verfahrensgebühr in Höhe von 170,00 EUR durch den Beschwerdeführer ist unbillig.
Nach der Rechtsauffassung des erkennenden Senats kommt im Falle einer Untätigkeitsklage gemäß § 88 SGG aufgrund des eingeschränkten Streitgegenstandes und des mit ihr verbundenen, gegenüber einem "normalen" Hauptsacheverfahren regelmäßig unterdurchschnittlichen anwaltlichen Arbeitsaufwandes regelmäßig auch nur eine unter der Mittelgebühr angesiedelte Gebühr in Betracht.
In der Rechtsprechung zur Bestimmung der angemessenen Betragsrahmengebühr bei einer Untätigkeitsklage finden sich verschiedenste Ansätze, die von der doppelten Mindestgebühr (80,00 EUR) bis hin etwa zu 75 % der Mittelgebühr (187,50 EUR) reichen (hierzu Straßfeld SGb 2008, S. 705, 706 (mit Fn. 106); LSG NRW, Beschluss vom 05.05.2008, L 19 B 24/08 AS, Juris; jeweils m.w.N.). Eine Untätigkeitsklage gemäß § 88 SGG hat für den Kläger/die Klägerin aufgrund ihres eingeschränkten Streitgegenstandes grundsätzlich eine nur unterdurchschnittliche Bedeutung. Denn Gegenstand einer Untätigkeitsklage ist allein die Vornahme eines Verwaltungsaktes gleich welchen Inhalts. Die Untätigkeitsklage ist damit darauf gerichtet, das Verwaltungsverfahren durch den Erlass des begehrten Verwaltungsaktes zum Abschluss zu bringen (§ 8 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)).
Der Senat ist der Auffassung, dass es bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr bei einer Untätigkeitsklage darauf ankommt bzw. ankommen kann, welche Entscheidung der Kläger oder die Klägerin in der Sache erstrebt. Der Senat hält es damit nicht für sachgerecht, bei der Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit gemäß § 14 RVO ausschließlich auf das "Nahziel" der Rechtsverfolgung – Erlass eines Verwaltungsaktes – abzustellen und das "Fernziel" – das materielle Begehren – nicht zu berücksichtigen (a.A. insoweit LSG NRW, Beschluss vom 05.05.2008, L 19 B 24/08 AS). Auch wenn es, wie ausgeführt, aus Sicht des erkennenden Senates zutrifft, bei einer Untätigkeitsklage von einer Bedeutung auszugehen, die regelmäßig unter der Bedeutung des entsprechenden eigentlichen Hauptsacheverfahrens (hierzu im Anwendungsbereich des SGB II Beschluss des erkennenden Senats vom 02.07.2008, L 7 B 113/08 AS) liegt, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass bei einer Untätigkeitsklage innerhalb des abgesenkten Rahmens keine weitere Differenzierung geboten oder sachgerecht wäre. Denn die Bedeutung (auch) einer Untätigkeitsklage kann für die Beteiligten höchst unterschiedlich sein, je nachdem, ob zum Beispiel eine Verwaltungsentscheidung über existenzsichernde Leistungen herbeigeführt oder aber eine geringfügige Herabsetzung der Höhe bereits zuerkannter Sozialleistungen herbeigeführt werden soll. Der erkennende Senat hält es zusammenfassend für zutreffend, bei einer Untätigkeitsklage grundsätzlich von einer geringeren Bedeutung der Angelegenheit als bei Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Leistungsklagen auszugehen, nicht jedoch für sachgerecht, Untätigkeitsklagen stets und ausnahmslos eine nur geringe (bzw. geringste) Bedeutung zuzumessen (LSG NRW, Beschluss vom 18.03.2009, L 7 B 214/08 AS).
Die vom Beschwerdeführer nach Nr. 3103 VV RVG geltend gemachte Gebühr in Höhe von 170,00 Euro ist auch unter Berücksichtigung des hier nach Nr. 3102 VV RVG maßgeblichen Gebührenrahmens unbillig. Danach beträgt die Mittelgebühr 250,00 Euro (Mindestgebühr 40,00 Euro, Höchstgebühr 460,00 Euro).
In Abweichung zur Entscheidung des SG hält der Senat hinsichtlich der Verfahrensgebühr einen Betrag in Höhe der hälftigen Mittelgebühr von 125,00 Euro für angemessen. Denn der Beschwerdeführer hat sich in seiner Klageschrift nicht allein darauf beschränkt, die Bescheiderteilung zu beantragen; vielmehr hat er auch inhaltlich Ausführungen zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides gemacht, um auf diese Weise die Behörde zu einer Abhilfeentscheidung zu veranlassen. Die Leistungen nach dem SGB II stellten für den Kläger zudem die einzigen Einnahmen dar. Davon, dass bereits eine Abhilfeentscheidung unter dem 24.01.2009 ergangen war, hatte zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 02.03.2009 weder der Beschwerdeführer noch der Kläger Kenntnis. Die Abhilfeentscheidung vom 24.01.2009 war noch an den Kläger unter der Anschrift der Fachklinik D adressiert, die dieser bereits am 21.01.2009 laut Schreiben der Fachklinik D vom 30.04.2009 verlassen hatte.
Weitere Gebühren (Terminsgebühr; Erledigungsgebühr) sind jedoch nicht entstanden.
Eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG ist nicht angefallen. Die Beendigung einer Untätigkeitsklage nach § 88 SGG durch den Erlass des begehrten Verwaltungsaktes und der darauf folgenden (einseitigen) Erledigungserklärung des Klägers stellt kein angenommenes Anerkenntnis im Sinne von § 101 Abs. 2 SGG dar (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 18.03.2009, L 7 B 214/08 AS; Beschluss vom 05.05.2008, L 19 B 24/08 AS m.w.N.).
Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG ist ebenfalls nicht angefallen. Denn der Anfall einer Erledigungsgebühr erfordert ein qualifiziertes Tätigwerden des Rechtsanwalts, das auf den Erfolg einer Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung abzielt. Als Mitwirkungshandlung reichen weder die Erhebung noch die Begründung der Untätigkeitsklage noch die bloße Erledigungserklärung aus (LSG NRW, Beschluss vom 18.03.2009, L 7 B 214/08; ausführlich LSG NRW, Beschluss vom 05.05.2008, L 19 B 24/08 AS). Diese Verfahrenshandlungen werden vorliegend durch die Verfahrensgebühr abgegolten.
Zusätzlich sind Auslagen nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro (20% der Gebühr, höchstens 20,00 Euro) und nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 27,55 Euro entstanden.
Es ergibt sich folgende Berechnung:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 125,00 Euro
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
Nettobetrag 145,00 Euro
19% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 27,55 Euro
Summe 172,55 Euro
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG, 177 SGG).
Erstellt am: 15.03.2011
Zuletzt verändert am: 15.03.2011