Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 08.08.2005 und 24.01.2006 sowie der in den Auszahlungen an die Kläger liegenden Verwaltungsakte über die Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG im Zeitraum von Januar 2005 bis November 2006 verurteilt, den Klägern Leistungen nach § 2 AsylbLG für die Zeit vom Januar 2005 bis November 2006 unter Anrechnung der nach § 3 AsylbLG gewährten Leistungen zu gewähren. Der Beklagten werden die Kosten der Kläger auferlegt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Kläger in der Zeit von Januar 2005 bis November 2006 Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beanspruchen können.
Die miteinander verheirateten Kläger zu 1) und 2) reisten im November 2001 mit ihren XXX geborenen Kindern, den Klägern zu 3) – 8), in Deutschland ein.
Unter dem XX gaben sie, bereits rechtsanwaltlich vertreten, an, sie seien Roma und sprächen nur romanisch. Sie beantragten die Gewährung einer Duldung unter Hinweis darauf, dass sie Bürgerkriegsflüchtlinge seien. Sie seien nicht aus wirtschaftlichen Gründen gekommen und beabsichtigten, nach Beendigung der Unruhen ins Heimatland zurückzukehren. Sie hätten zuvor in XXX in der Nähe von xxx gewohnt. Von dort aus seien sie nach xxx geflohen, da sie durch Albaner verfolgt worden seien. Das Haus der Familie sei durch Albaner enteignet und verbrannt worden. In xxx hätten sie unter Romaleuten einen Schlepper kennengelernt und diesem 500,- DM gezahlt. Mit seiner Hilfe seien sie nach xxx gekommen, weil ein Bruder des Klägers zu 1) dort lebe. Sie verfügten nicht über Dokumente oder ein Visum, weil sie geflohen seien.
xxx wurde das 7. Kind der Kläger zu 1) und 2) der Kläger zu 9) in Deutschland geboren.
Unter dem 05.07.2004 reichten die Kläger einen Aktenvermerk des Rechtsanwaltes xxx ein, wobei sie zur Erläuterung mitteilten, Rechtsanwalt xxx sei mit dem Fall einer anderen Familie mit dem Nachnamen der Kläger aus xxx befasst gewesen, bei denen es sich um Verwandte der Kläger gehandelt habe. Rechtsanwalt xxx habe zerstörte Häuser vorgefunden, die der Familie der Kläger gehört hätten und von denen jetzt nur noch ein Haufen Schutt zu sehen gewesen sei. Auch im Übrigen seien die Angaben der Familie durch die Beobachtungen des Rechtsanwaltes xxx, der den Herkunftsort der Kläger bereist habe, bestätigt worden.
Unter dem 05.04.2005 richtete die Beklagte über das Auswärtige Amt eine Anfrage an das Deutsche Verbindungsbüro Kosovo. Darin bat die Beklagte um Mitteilung, ob die Kläger in xxx registriert worden seien, oder ob sonstige Hinweise auf einen früheren Aufenthalt im Kosovo bekannt seien.
Unter dem 20.06.2005 teilte das Verbindungsbüro mit, die dortige Überprüfung habe ergeben, dass die Registerbücher der Gemeinde Kosovo xxx größtenteils fehlten. Einzig die Geburt des Klägers zu 1) in xxx sei registriert worden. In weiteren Mitteilungen teilte das Verbindungsbüro ergänzend mit, im Kosovo existiere kein Meldewesen, so dass weitere Auuskünfte nicht erteilt werden könnten.
Nachdem die Kläger bereits seit der Einreise durchgehend Leistungen nach § 3 des AsylbLG erhalten hatten, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 08.08.2005 für den Monat August 2005 wiederum Leistungen nach § 3 AsylbLG in Höhe von insgesamt 2.517,56 Euro, wovon die Beklagte einen Betrag von 66,94 Euro in Abzug brachte unter Hinblick auf zuvor gewährte Leistungen zur Begleichung von Stromschulden, die von den Klägern zurückzuzahlen seien.
Mit Bescheid vom 24.01.2006 bewilligte die Beklagte den Klägern für den Monat Januar 2006 wiederum Leistungen nach § 3 AsylbLG.
Unter dem 06.10.2006 erklärten die Kläger gegenüber der Beklagten, sie legten Wider-spruch dagegen ein, dass ihnen seit dem 01.11.2005 keine Leistungen gemäß § 2 AsybLG entsprechend dem Sozialgesetzbuch 12. Buch – Sozialhilfe (SGB XII) gewährt worden seien. Sie beantragten nunmehr, ihnen gemäß § 2 AsylbLG Leistungen in Höhe der Regelsätze nach dem SGB XII zu gewähren. Sie seien Roma aus dem Kosovo, in diesem Zusammenhang sei auf die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-West-falen etwa in Gestalt des Beschlusses vom 15.03.2006 (Az. L 20 B 8/06 AY ER) zu verwei-sen. In den monatlichen Auszahlungen der gewährten Leistungen seien Verwaltungsakte zu sehen, die mit dem Widerspruch angefochten werden könnten. Es sei davon auszu-gehen, dass den Auszahlungen keine schriftlichen oder elektronischen Rechtsmittel-belehrungen beigefügt worden seien. Gemäß § 66 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) betrügen die entsprechenden Widerspruchsfristen daher 1 Jahr. Dem Schreiben fügten die Kläger die Ablichtung des Bescheides vom 08.08.2005 bei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbe-gründet zurück, wobei sie auf einen Widerspruch gegen einen Bescheid vom 08.08.2006 Bezug nahm. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Zugehörigkeit der Kläger zur Volksgruppe der Roma sei zweifelhaft. Bei ihnen könne es sich möglicherweise auch um Albaner handeln. Zwar hätten die Kläger stets angegeben, Roma zu sein; dies sei aber zweifelhaft, weil eine Familie mit dem Nachnamen der Kläger, die in xxx wohne, dort zunächst angegeben habe, zur Volksgruppe der Albaner zu gehören. Die Familie in xxx sei verwandt mit einer Familie gleichen Namens, die im Kreis Lippe wohne. Die Familie, die im Kreis Lippe wohne, sei wiederum verwandt mit den Klägern. Zweifel an der Richtigkeit der klägerischen Aussagen zu ihrer Herkunft resultierten auch daraus, dass es für diese vorteilhaft sei, die Zugehörigkeit zu der Volksgruppe der Roma zu behaupten, denn die Angehörigen dieser Volksgruppe könnten eventuell nicht abgeschoben werden. Den Klägern sei schon vor 2001 bekannt gewesen, dass ab März 2000 Albaner abgeschoben werden könnten. Sie hätten auch aus diesem Grund Anlass gehabt, falsche Angaben zu ihrer Herkunft zu machen. Zudem sei es Sache der Kläger, den Nachweis zu erbringen, dass sie Roma seien. Einem Anspruch aus § 2 AsylbLG stehe auch entgegen, dass die Kläger zu 1) – 8) über einen sicheren Drittstaat eingereist seien und ihre Mitwirkung bei der Beschaffung von Pass- und Passersatzpapieren verweigert hätten.
Am 29.12.2006 haben die Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung sie vortragen, das Personenstandsregister für die Gemeinde xxx habe sich in xxx befunden. Darum habe der Kläger zu 1) im Rahmen der Flucht aus xxx zunächst diese Gemeinde aufsuchen müssen. Die Zweifel der Beklagten an der Herkunft der Kläger und der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma seien unbegründet. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Beklagten auf Nachfragen im September 2005 durch das Verbindungsbüro im Kosovo mitgeteilt worden sei, die Angaben der Kläger zu ihrer Herkunft seien zutreffend. Zudem sei der Beklagten bekannt, dass viele Angehörige der Roma sich nach der Einreise zunächst als Albaner bezeichnet und später klargestellt hätten, dass sie Roma seien. Dem Anspruch nach § 2 AsylbLG stehe auch nicht entgegen, dass die Kläger ihre Mitwirkung bei der Besorgung von Passpapieren verweigert hätten. Die Kosten für Pässe der Großfamilie beliefen sich auf ca. 1.000,- Euro. Die Aussstellung eines ser-bischen Reisepasses koste 100,- Euro pro Person. Diese Beträge könnten sich die Kläger auch nicht darlehensweise verschaffen. Es liege daher nicht in ihrem Verantwortungsbereich, dass sie nicht über Pässe verfügten. Ihnen ginge es mit der Klage nicht um den Erhalt von Geldleistungen, sondern darum, Zugang zum Arbeitsmarkt zu erhalten.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 08.08.2005 und 24.01.2006 sowie des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2006 und unter Abänderung der in den Auszahlungen an die Kläger liegenden Verwaltungsakte die Beklagte zu verurteilen, an sie Leistungen nach § 2 AsylbLG für die Zeit vom 01.01.2005 bis einschließlich November 2006 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest und führt ergänzend aus, den Klägern stünden sehr wohl Mittel zur Verfügung, die es ihnen ermög-lichten, Ausweispapiere zu erhalten. Zwar lebe die Familie überwiegend von Gutscheinen, sie erhalte jedoch 265,00 Euro monatlich an Barbeträgen. Zudem leiste der Kläger zu 1) bereits seit Jahren gemeinnützige Arbeiten, wofür er zwischen 200,- und 300,- Euro monatlich erhalte. Hiervon könnten die Kläger auch die Passkosten bezahlen.
Wegen weiterer Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf den Inhalt der Gerichts-akten, den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und den Inhalt der ebenfalls beige-zogenen ausländerrechtlichen Vorgänge der Ausländerbehörde verwiesen, die Gegen-stand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Durch die Bewilligung von Leistungen nach § 3 AsylbLG anstelle solcher Leistungen nach § 2 AsylbLG werden die Kläger beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil diese Vorgehensweise rechtswidrig ist. Den Klägern steht für den gesamten streitbefan-genen Zeitraum ein Anspruch auf die erhöhten Leistungen nach § 2 AsylbLG zu.
Gemäss § 3 Abs. 1 AsylbLG ist der notwendige Bedarf der in § 1 AsylbLG genannten Personen an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts durch Sachleistungen zu decken. Gemäss § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte zusätzlich bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 40,- Deutsche Mark und vom Beginn des 15. Lebens-jahres an 80,- Deutsche Mark monatlich als Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürf-nisse des täglichen Lebens. Leistungen bei Krankheit und sonstige Leistungen sind in den §§ 4 und 6 AsylbLG geregelt.
Abweichend von den §§ 3 – 7 AsylbLG ist das SGB XII auf diejenigen Leistungsberech-tigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 erhalten und die Dauer des Aufenthaltes nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben (§ 2 Abs. 1 AsylbLG in der Fassung bis zum 19.08.2007). Durch Artikel 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union ist die Wartefrist in § 2 Abs. 1 AsylbLG mit Wirkung vom 20.08.2007 von 36 Monaten auf 48 Monate verlängert worden.
Unstreitig haben die Kläger über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten, so dass vorliegend dahingestellt bleiben kann, in welcher Fassung § 2 AsylbLG anzuwenden ist. Denn die Kläger haben auch die längere Wartefrist der gesetzlichen Neufassung erfüllt.
Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass die Kläger die Dauer ihres Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich beeinflusst haben.
Wie das Wort "rechtsmissbräuchlich" im Sinne des § 2 AsylbLG zu verstehen ist, wird weder in der Vorschrift selbst noch an anderer Stelle im Gesetz definiert. In den Gesetzes-materialien wird ausgeführt, dass nur derjenige Ausländer Leistungen nach § 2 erhalten solle, der unverschuldet nicht ausreisen könne (BT-Drs. 15/420 Seite 121). In den Ge-setzesmaterialien wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Bestimmung des § 2 über die Folgen rechtsmssbräuchlichen Verhaltens an den Entwurf der Richtlinie des Rates der Europäischen Union (jetzt: EG-Richtlinie 2003/9/EG vom 27.01.2003, Amtsblatt Nr. L 031 vom 06.02.2003, Seite 18) anknüpfe, mit der die Festlegung von Mindestnormen bei der Aufnahme von Asylbewerbern geregelt werden sollte. In Artikel 16 des Entwurfes sind Formen "negativen Verhaltens" erfasst, die auf nationaler Ebene die Einschränkung von Leistungen erlaubten (BT-Drs. a.a.O). Danach sind die Mitgliedsstaaten zur Einschrän-kung und zum Entzug der im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile berechtigt, wenn der Asylbewerber den ihm zugewiesenen Aufenthaltsort ohne vorherige Unterrichtung der Behörde bzw. ohne die erforderliche Genehmigung verlässt, wenn er seinen Melde- und Auskunftsverpflichtungen nicht in angemessener Frist nachkommt oder im gleichen Mitgliedsstaat schon einen Antrag gestellt hat (vgl. hierzu auch Hessisches LSG, Beschluss vom 30.10.2006, L 9 AY 7/06 ER).
Das BSG (Urteil vom 08.02.2007, B 9b AY 1/06 R mit Anmerkung Luthe in Juris PR-SozR 10/2007 Anmerkung 3) hat ausgeführt, rechtsmissbräuchlich sei die Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer, die von der Rechtsordnung missbilligt werde. Hierfür sei Voraus-setzung ein subjektiv vorwerfbares Ausnutzen einer Rechtsposition.
In weiteren Urteilen vom 17.06.2008 (B 8/9 b AY 1/07 R, Rnr 31 ff) hat das BSG weiter ausgeführt, ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 2 setze ein vorsätzliches Verhalten voraus, ein bloß fahrlässiges Verhalten erfülle den Tatbestand des § 2 nicht. Der Vorsatz müsse sich sowohl auf die tatsächlichen Umstände als auch auf die Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes richten.
Nach der Rechtsprechung des nunmehr ausschließlich für Streitigkeiten nach dem AsylbLG zuständigen 8. Senat des BSG, der sich die Kammer nach eigener Prüfung an-schliesst, wird der Missbrauchstatbestand des § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht allein schon da-durch erfüllt, dass der Ausländer nicht freiwillig ausreist (anders noch der 9b Senat des BSG, Urteil vom 08.02.2007, B 9b AY 1/06 R).
Erforderlich ist vielmehr, dass zu der bloßen Nichtausreise noch weitere Gesichtspunkte hinzutreten, die die Annahme einer Rechtsmissbräuchlichkeit rechtfertigen können.
Solche Umstände sind bei den Klägern nicht festzustellen. Es ist nicht feststellbar, dass die Kläger ihren Pass vernichtet haben, um die Aufenthaltsdauer zu beeinflussen, auch ein damit vergleichbarer Tatbestand liegt nicht vor. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die Kläger über ihre Identität oder ihre Volkszugehörigkeit getäuscht haben. Die Anfragen der Beklagten an das Verbindungsbüro im Kosovo haben vielmehr ergeben, dass der Kläger zu 1) in der angegebenen Gemeinde tatsächlich auch registriert war. Die Kammer hatte daher keine Zweifel, dass die Kläger tatsächlich aus dem Kosovo stammen.
Darüber hinaus hat die Kammer auch die Überzeugung gewonnen, dass die Kläger der Minderheitengruppe der Roma angehören. Nach Aktenlage haben sich die Kläger vom Beginn ihres Aufenthaltes in Deutschland an selbst als Roma bezeichnet, so dass widersprüchliche Angaben der Kläger zu keinem Zeitpunkt feststellbar sind. Zudem sprechen die Kläger die Sprache Romanes, die üblicherweise vorwiegend von den Roma gesprochen wird. Der ebenfalls der Volksgruppe der Roma angehörende Dolmetscher, den die Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2008 hinzugezogen hat, hat die Kläger ebenfalls eindeutig als Roma identifiziert. Würden die Kläger tatsächlich der Volksgruppe der Albaner angehören, so wäre es zumindest ungewöhnlich, dass sie fließend romanisch sprechen.
Soweit die Beklagte die Volkszugehörigkeit der Kläger zu der Minderheitengruppe der Roma bezweifelt, so entbehren diese Zweifel nach der Überzeugung der Kammer einer ausreichenden Grundlage. Im wesentlichen stützt sich die Beklagte darauf, dass mit den Klägern angeblich verwandte Personen sich im Rahmen eines anderen Verwaltungs-verfahrens zunächst selbst als Albaner und später als Roma bezeichnet hätten. Der Kam-mer hat sich nicht erschlossen, inwieweit diese Mutmaßungen die Feststellung stützen sollen, bei den Klägern handele es sich um Albaner. Den Klägern können insbesondere widersprüchliche Äußerungen dritter Personen in keiner Weise zugerechnet werden. Dies gilt auch für den Fall, dass es sich bei den dritten Personen um Verwandte der Kläger handelt. Zudem ist nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte trotz des im Verwaltungs-verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes und trotz der stringenten Einlassungen der Kläger sowie der Auskünfte des Verbindungsbüros im Kosovo die Auffassung vertritt, es sei nun noch Sache der Kläger, ihre Volkszugehörigkeit zu beweisen. Denn hätte die Beklagte tatsächlich begründete Zweifel an der Volkszugehörigkeit der Kläger zu der Minderheitengruppe der Roma gehabt, wäre es naheliegend gewesen, die Kläger mit Hilfe von Dolmetschern näher zu befragen um weiteren Aufschluss zur Volkszugehörigkeit der Kläger zu erhalten. Angesichts der in sich schlüssigen, detailreichen und widerspruchs-freien Ausführungen der Kläger zur ihrer Volkszugehörigkeit kann es jedenfalls kaum ausreichen, dass die Beklagte Zweifel allein unter Hinweis auf Äußerungen Dritter artiku-liert, ohne im Rahmen der Amtsermittlungspflicht ausreichende Bemühungen zu unter-nehmen, diese Zweifel auszuräumen. Das Vorgehensweise der Beklagten erlegt den Klägern eine Beweislast auf, die mit den gesetzlichen Vorschriften nicht in Einklang zu bringen ist, zumal nicht erkennbar ist, auf welche Weise die Kläger den geforderten Nachweis erbringen sollen.
Die Beklagte wird sich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen lassen müssen, dass Ausfluss der Amtsermittlungspflicht auch die Verpflichtung ist, für die Kläger günstige Be-weistatsachen zu ermitteln und sie sich nicht darauf beschränken kann, unter Bezug-nahme auf Äußerungen Dritter Zweifel an den Aussagen der Kläger zu konstruieren, die bei näherer Betrachtung keinen Beweiswert für das vorliegende Verfahren haben. Dies gilt auch für die Ausführungen der Beklagten im Hinblick auf die Zweifel am Fluchtweg der Kläger innerhalb des Kosovo. Hierzu haben die Kläger detailreiche und nachvollziehbare Aussagen unterbreitet, die bei einer unvoreingenommenen Beurteilung der Sachlage Zweifel an der Richtigkeit der klägerischen Aussagen zerstreuen müssten, so dass nicht erkennbar ist, auf welcher fachlichen Grundlage die Beklagte die Angaben der Kläger zum Fluchtweg im Kosovo weiterhin in Zweifel zieht.
Steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Kläger sowohl aus dem Kosovo stammen als auch der Minderheitengruppe der Roma angehören, so muss bei der Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit des Aufenthaltes der Kläger in Deutschland berücksichtigt werden, dass die Geschichte der Minderheitengruppe der Roma im Kosovo durch man-gelnde Akzeptanz und Diskriminierung geprägt ist, die sich nach 1999 in gezielten Dis-kriminierungen und Einschüchterungen bis hin zu gewalttätigen Übergriffen und Brand-stiftungen durch Kosovoalbaner äußerten.
Roma-Gemeinden im Kosovo weisen weniger als die Hälfte des Bevölkerungsstandes vor dem Beginn der Kampfhandlungen auf. Nach Einschätzung der Hochkommissarin für Menschenrechte habe mehr als die Hälfte der Roma seit Mitte Juni 1999 den Kosovo verlassen. Nach Angaben des UNHCR kehrten bis Juni 2004 rund 1000 Roma und 2000 Ashkali/Ägypter freiwillig in den Kosovo zurück. In der Folgezeit kam es zu zahlreichen Übergriffen auf Roma und Ashkali/Äpypter, so dass diese auch weiterhin Bedrohungen ihres Lebens und ihrer körperlichen Unversehrtheit erfahren müssen.
Das Memorandum of Understanding vom 31.03.2002 zwischen UNMIK und der Bundes-republik Deutschland schließt Roma als Angehörige einer Minderheit mit abstrakt höherer Gefährdung grundsätzlich von den Rückführungen aus. Mit UNMIK ist am 26.04.2005 vereinbart worden, dass ab Mai 2005 nur einige wenige Roma in das Kosovo zurückge-führt werden könnten, die in Deutschland massiv straffällig geworden sind, also rechtskräf-tig zu Haftstrafen von mindestens zwei Jahren verurteilt wurden. Diese Voraussetzungen erfüllen die Kläger nicht. Die Kläger haben sich vielmehr nichts zu Schulden kommen lassen. Insbesondere der Kläger zu 1) hat zahlreiche gemeinnützige Tätigkeiten durchge-führt und es sogar hingenommen, dass von den Leistungen nach § 3 AsylbLG, die weit unter dem Niveau des SGB XII liegen, Abzüge wegen angeblich zu hoher Stromrech-nungen vorgenommen wurden. Sind die Kläger aber nicht straffällig geworden, so kommt eine zwangsweise Rückführung in das Kosovo derzeit nicht in Betracht. Insoweit nimmt die Kammer ergänzend Bezug auf die Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 17.06.2008 (Az. B 8/9b AY 1/07 R), in der das BSG ausgeführt hat, eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthalts-dauer liege dann nicht vor, wenn die Antragsteller auch ohne eine etwaige Vernichtung von Pässen in der gesamten Zeit ihres Aufenthaltes in Deutschland nicht hätten abgeschoben werden können. Hieraus entnimmt die Kammer, dass selbst bei der Vernichtung von Pässen, die vorliegend nicht festgestellt werden konnte, nicht in jedem Fall eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer vorliegt. Erst Recht liegt daher bei den Klägern keine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer vor. Denn nach den o.g. Umständen wäre eine Abschiebung der Kläger zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen. Dementsprechend sind die bisher bei dem Bundessozialgericht an-hängig gewesenen beiden Revisionsverfahren, die Roma aus dem Kosovo betrafen, jeweils durch Anerkenntnis der Leistungsträger beendet worden (B 8 AY 6/07 R und B 8 AY 7/07 R; vgl. Terminbericht des Bundessozialgerichts vom 19.06.2008 über die Sitzung vom 17.06.2008). Es liegen keinerlei Hinweise darauf vor, dass sich die Sachlage zwischenzeitlich verändert hat.
Bei dieser Sachlage stünde dem Anspruch auf die begehrten Leistungen nach § 2 AsylbLG auch eine fehlende Mitwirkung der Kläger bei der Passbeschaffung nicht zwingend entgegen. Im Falle der Kläger kommt aber noch hinzu, dass diese finanziell gar nicht in der Lage wären, die Kosten der Passbeschaffung zu tragen, denn sie haben bisher nur Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten und dies nach den Einlassungen der Beklagten auch noch weit überwiegend in Gestalt von Gutscheinen. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, den Klägern sei es zumutbar, die Kosten der Passbeschaffung aus den sogenannten Taschengeldzahlungen des § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG und aus den geringen Einkünften im Zusammenhang mit der Ausübung gemeinnütziger Tätigkeiten zu bestrei-ten, so sieht die Kammer dies als abwegig an, zumal die Beklagte von den Leistungen der Kläger über längere Zeiten auch noch Einbehaltungen vorgenommen hat.
Schließlich kann die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit entgegen der Aufassung der Beklagten auch nicht damit begründet werden, dass diese über sichere Drittstaaten eingereist sind (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27.03.2006, L 3 ER 37/06 AY).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 15.12.2008
Zuletzt verändert am: 15.12.2008