Die Antragsgegnerin wird im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig für die Zeit ab April 2011 bis Juni 2011 Leistungen nach §§ 3 f Asylbewerberleistungsgesetz einschließlich der notwendigen Kosten für die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Kosten der Antragstellerin werden der Antragsgegnerin auferlegt. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe bewilligt und zu ihrer Vertretung Rechtsanwalt xxx beigeordnet.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragstellerin ab April 2011 Leistungen nach § 3 f Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) einschließlich der Kosten für die Behandlung von Krankheiten beanspruchen kann.
Die xxx geborene Antragstellerin reiste am 23.05.2010 mit einem Besuchsvisum aus xxx nach Deutschland ein. Zuvor hatte der frühere Schwiegersohn der Antragstellerin, der in xxx lebende und beruflich als Lehrer tätige xxx, unter dem 27.04.2010 eine Verpflichtungserklärung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland abgegeben, worin er sich verpflichtete, nach § 68 Aufenthaltsgesetz die Kosten für den Lebensunterhalt und die Kosten für die Ausreise der Antragstellerin zu tragen.
Nach Ablauf des Besuchsvisums reiste die Antragsteller nicht nach xxx zurück, sondern verblieb in Deutschland, wo sie unter dem 06.09.2010 einen Asylantrag stellte, über den nach Mitteilungen der Beteiligten bisher noch nicht entschieden worden ist.
Die Antragsgegnerin gewährte der Antragstellerin auf deren Antrag vom Januar 2011 hin zunächst Leistungen nach § 3 f AsylbLG, stellte diese Leistungen aber mit Bescheid vom 30.03.2011 ein, nachdem sie im März 2011 von der o.g. Verpflichtungserklärung des Herrn xxx erfahren hatte. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im o.g. Bescheid aus, die Antragstellerin müsse sich hinsichtlich der Sicherstellung ihres Lebensunterhaltes an Herrn xxx wenden. Ansprüche nach dem AsylbLG seien wegen anderweitiger Bedarfsdeckung i.S.d. § 8 AsylbLG ausgeschlossen.
Hiergegen hat die Antragstellerin Widerspruch eingelegt, über den bisher noch nicht entschieden wurde.
Am 31.03.2011 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, zu dessen Begründung sie ausführt, Herr xxx habe sich u.a. mit dem Hinweis geweigert, ihren Lebensunterhalt sicher zu stellen, seine Verpflichtungserklärung habe sich nur auf den Zeitraum der Dauer des Besuchsvisums bezogen. Auch ihre in xxx lebende Tochter xxx sei nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt sicher zu stellen, weil diese mit ihren drei minderjährigen Kindern im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) stehe. Wegen starker Schmerzen sei sie – die Antragstellerin – auf eine stationäre Krankenhausbehandlung (Dekompression der Höhe LWK 5/SWK 1 wegen hochgradiger Spinalkanalstenose) angewiesen. Bei der jüngsten Vorsprache sei sie von der Antragsgegnerin darauf hingewiesen worden, dass sie derzeit keine weiteren Medikamente beanspruchen könne, weil ihr bereits zuvor ausreichende Vorräte zur Verfügung gestellt worden seien.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab April 2011 vorläufig Leistungen nach § 3 AsylbLG einschließlich Krankenhilfe zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hält an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest und verweist ergänzend auf eine Mitteilung des Herrn xxx vom 15.04.2011, wonach für die Antragstellerin noch immer ein gültiges Rückflugticket vorliege. Zudem stehe es der Antragstellerin frei, bei Vorliegen eines entsprechenden Bedarfes wie z.B. bei benötigten Medikamenten jederzeit vorzusprechen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Der Eilantrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist eine Einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitiges Rechtsverhältnis nur zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die einstweilige Anordnung dient damit lediglich der Sicherung von Rechten eines Antragstellers, nicht aber ihrer Befriedigung. Sie darf grundsätzlich nicht die Ent- scheidung in der Hauptsache vorweg nehmen. Eine Ausnahme wird in der sozialgericht- lichen Rechtsprechung für den Fall anerkannt, dass ohne einstweilige Anordnung eine wirksamer Rechtsschutz in der Hauptsache nicht erreicht werden kann und dies im Interesse des Antragstellers unzumutbar wäre (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage 2008, § 86 b Rn. 31 m. w. N.).
Gemäß § 86 b SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) hat der Antragsteller glaubhaft zu machen, dass ihm der umstrittene und zu sichernde Anspruch zusteht (Anordnungsanspruch) und die Regelung eines vorläufigen Zustandes nötig er- scheint (Anordnungsgrund). In den Fällen der Vorwegnahme der Hauptsache -wie hier- sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und -grund strenge Anforderungen zu stellen.
Dabei stellt Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (vgl. Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05 = info also 2005, 166 f).
Wird daher über einen Eilantrag anhand einer Prüfung der mutmaßlichen Erfolgsaussicht in der Hauptsache entschieden, muss das besondere Gewicht grundrechtlich geschützter Begehren der Antragsteller ausreichend gewürdigt werden.
Hieraus folgt, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums, soweit es um die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller geht, nur auf die gegenwärte Lage abgestellt werden darf. Umstände in der Vergangenheit dürfen insoweit herangezogen werden, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage des Anspruchstellers ermöglichen (vgl. Bundesverfassungs- gericht a.a.O).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben liegen sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund vor.
Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Leistungen nach § 3 f AsylbLG zu. Insbesondere kann ein solcher Anspruch nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Antragstellerin auf eine anderweitige Bedarfsdeckung i.S.d. § 8 AsylbLG verwiesen wird. Nach § 8 Abs. 1 S.1 AsylbLG werden Leistungen nach dem AsylbLG nicht gewährt, soweit der Lebensunterhalt anderweitig, insbesondere auf Grund einer Verpflichtung nach § 68 des Aufenthaltsgesetzes gedeckt wird. Wie bereits der Wortlaut des § 8 Abs. 1 S.1 AsylbLG nahe legt, muss der Lebensunterhalt anderweitig tatsächlich gedeckt sein. Dementsprechend besteht in der Kommentarliteratur weitgehend Einigkeit darüber, dass eine Verpflichtungserklärung nach § 68 des Aufenthaltsgesetzes dann einem Anspruch gem. § 3 f AsylbLG nicht entgegensteht, wenn der nach § 68 Aufenthaltsgesetz Verpflichtete sich weigert, den Lebensunterhalt der Antragstellerin tatsächlich sicherzustellen (vgl. nur Wahrendorf in Wahrendorf/Grube, SGB XII, 3. Auflage 2010, § 8 AsylbLG Rn. 2; Herbst in Mergler/Zink, § 8 Rn. 5, Hohm, AsylbLG, § 8 Rn. 17). Nur dies erscheint im Hinblick auf den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Sicherung des Existenzminimus gem. Art 1 Abs. 1, Art 20 Grundgesetz (vgl. hierzu zuletzt BVerfG, Urteil v. 09.02.2010,1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 = NJW 2010, 505 f.) auch verfassungskonform. Denn die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass Herr xxx ihr keinerlei Leistungen gewährt und ihr damit keine "bereiten Mittel" zur Deckung ihres Lebensunterhaltes zur Verfügung stehen. Sie hat auch keinen unterhaltsrechtlichen Anspruch gegen Herrn xxx aufgrund der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches oder aufgrund der o.g. Verpflichtungserklärung des Herrn xxx, denn letztere betrifft nur das Verhältnis zwischen Herrn xxx und der Verwaltung, sie gewährt aber der Antragstellerin selbst keinen Anspruch. Sie hat daher auch keine Möglichkeit, gegen Herrn xxx selbst vorzugehen, um ihren Lebensunterhalt sicherzustellen, wobei ihr selbst dann keine "bereiten Mittel" zur Verfügung stünden, wenn sie einen solchen Anspruch hätte und dieser nicht ohne gerichtliche Zwangsmittel erfüllt würde.
An der Tatsache der Bedürftigkeit der Antragstellerin ändert auch der Hinweis der Antragsgegnerin nichts, dass für die Antragstellerin ein Rückreiseticket bei Herrn xxx bereit liege. Eine etwaige Ausreisereiseverpflichtung der Antragstellerin ist ggf. mithilfe der ausländerrechtlichen Bestimmungen durchzusetzen, die Ausreise kann aber nicht dadurch erzwungen werden, dass der Antragstellerin lebensnotwendige Leistungen vorenthalten werden. Die Verwaltung wird hierdurch auch nicht rechtlos gestellt, denn es bleibt ihr weiterhin unbenommen, aus der Verpflichtungserklärung i.S.d. § 68 Aufenthaltsgesetz gegen Herrn xxx vorzugehen.
Der Anspruch auf Leistungen bei Krankheit ergibt sich aus § 4 AsylbLG. Hiernach sind die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderlichen Leistungen zu gewähren (§ 4 Abs. 1 AsylbLG). Hierzu kann auch eine Operation an der Wirbelsäule zur Beseitigung von Schmerzzuständen oder akuten Nervenstörungen gehören, wenn diese Operation unaufschiebbar und erforderlich ist, wofür nach Aktenlage einiges spricht.
Der Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) ergibt sich bereits daraus, dass der Antrag auf die Gewährung existenzsichernder Leistungen gerichtet ist.
Dem Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes folgend hat die Kammer Leistungen nur bis zum Ende des Monats zugesprochen, der auf den Monat der Entscheidung folgt, so dass der zeitlich nicht begrenzte Antrag im Übrigen abzulehnen war. Zur Vermeidung weiterer Eilverfahren mit demselben Ergebnis dürfte aber die Erwartung gerechtfertigt sein, dass die Antragsgegnerin nach Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses bei unveränderter Sachlage ihre weitere Vorgehensweise hiernach ausrichten wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
Erstellt am: 17.05.2011
Zuletzt verändert am: 17.05.2011