Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 28.06.2011 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Höhe der nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren im Rahmen der durch das Sozialgericht Dortmund für das erstinstanzliche Klageverfahren bewilligten Prozesskostenhilfe.
Mit Beschluss vom 23.03.2009 hat das Sozialgericht dem Kläger des Ausgangsverfahrens Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren bewilligt und Rechtsanwalt E, den Beschwerdeführer, beigeordnet. Bereits zuvor hatte der Kläger die Klage unter Verweis auf eine in einem Erörterungstermin vor einer anderen Kammer des Sozialgerichts in einem eine vergleichbare Rechtsfrage betreffenden, jedoch nach Maßgabe des Sozialgesetzbuches Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu beurteilenden Rechtsstreit erklärte Klagerücknahme zurückgenommen.
Mit seiner Kostenrechnung vom 02.11.2010 machte der Beschwerdeführer folgende Gebühren gegen die Staatskasse geltend:
Verfahrensgebühr für Verfahren vor dem Sozialgericht, vorausgegangenen Verwaltungsverfahren § 49 RVG, Nr. 3103, 3102 Vergütungsverzeichnis (VV) RVG 170,00 EUR
Terminsgebühr im Verfahren vor Sozialgericht § 49 RVG, Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 390,00 EUR
19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 74,10 EUR
Summe 464,10 EUR.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.05.2011 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts die Gebühren auf insgesamt 226,10 EUR fest. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Terminsgebühr fand insofern keine Berücksichtigung.
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Erinnerung führte der Beschwerdeführer aus, die Terminsgebühr entstehe auch durch außergerichtliche Gespräche zwischen den Beteiligten zum Zwecke der Erledigung der Angelegenheit. Hierzu zähle zweifellos auch der Umstand, wenn das konkrete Verfahren in einem anderen Verfahren miterörtert werde.
Nachdem die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der Erinnerung des Beschwerdeführers nicht abgeholfen hatte, hatte das Sozialgericht die aus der Landeskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen des Klägers mit Beschluss vom 28.06.2011 auf 226,10 EUR festgesetzt.
Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG sei nicht entstanden. Insbesondere greife Abs. 3 der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 des VV RVG nicht. Die Teilnahme an einem Termin in einem Parallelverfahren stelle keine "Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts" dar. Der Kläger habe bereits in dem Parallelverfahren eine Terminsgebühr abrechnen können. Die Zuerkennung einer weiteren Terminsgebühr sei nicht zu rechtfertigen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde vom 14.07.2011 hält der Beschwerdeführer an seinem Begehren fest und weist darauf hin, der Gesetzgeber habe mit der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 RVG die Verfahrensförderung durch Besprechungen ermöglichen wollen. Der Wortlaut der Vorbemerkung wolle nur klarstellen, dass die Gebühr auch außerhalb eines Verfahrens anfallen könne. Entweder man vertrete die Auffassung, der vorliegende Rechtsstreit sei dann auch in dem Parallelverfahren erörtert worden, so dass die Gebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG unmittelbar entstanden sei, oder sie sei mindestens laut der Vorbemerkung 3 entstanden. Sofern die Auslegung des Sozialgerichts zutreffend sei, werde dies die Erledigung von Verfahren nicht fördern. Aus Kostengesichtspunkten und Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten wären die Bevollmächtigten vielmehr gezwungen, in vielen Verfahren auf der Durchführung eines Termins zu beharren, um nicht das Risiko der kostenlosen Arbeit auf sich zu nehmen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Dabei hat es u.a. darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet habe, dass es einen weiteren Aufwand durch ergänzende Besprechungen mit dem Kläger gegeben habe.
Der Beschwerdegegner hält die im angefochtenen Beschluss erfolgte Kostenfestsetzung für zutreffend.
Auf Anregung des Beschwerdegegners hat der Senat die Prozessakte zum Klageverfahren S 10 (32) AS 210 /07 vom Sozialgericht Dortmund beigezogen.
II.
1. Die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist gemäß § 56 Abs. 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG zulässig und insbesondere statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt. Dabei ist die Umsatzsteuer bei der Ermittlung des Wertes des Beschwerdegegenstandes zu berücksichtigen (so etwa auch Pukall in Mayer/Kroiß, RVG, 4. Auflage 2009, § 56 RVG Rn. 25; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 56 RVG Rn. 20; Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage 2008, § 33 RVG Rn. 20; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.12.2009 – L 19 B 281/09; dass, Beschluss vom 05.05.2011 – L 7 AS 712/10 B; Hessisches LSG, Beschluss vom 10.09.2009 – L 2 SF 222/09 E).
Die Gegenauffassung (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.01.2010 – OVG 5 L 56.09; Beschluss vom 13.05.2008 – OVG 10 L 1.08; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.02.2010 – L 30 SF 56/09 B E; vgl. zu § 68 GKG auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.08.2011 – 1 E 684/11und – die Rechtsfrage offen lassend – OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.10.2010 – OVG 3 L 67.10), die die Umsatzsteuer unberücksichtigt lassen will, weil sie (als "Durchlaufposten") wirtschaftlich nicht bei den Bevollmächtigten verbleibe, überzeugt nicht. Maßgeblich ist, dass die Umsatzsteuer vom Rechtsanwalt zunächst zu vereinnahmen ist. Die Umsatzsteuer ist insoweit untrennbarer Bestandteil der dem Rechtsanwalt zu erstattenden Gebühren und Auslagen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes errechnet sich damit grundsätzlich nach der Differenz zwischen der geltend gemachten Kostenfestsetzung und den nachfolgend durch das Gericht tatsächlich festgesetzten Gebühren und Auslagen.
2.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Voraussetzungen einer Terminsgebühr im Rahmen der Kostenfestsetzung verneint. Die Terminsgebühr ist nach Nr. 3106 VV der Anlage 1 zum RVG nicht angefallen. Danach fällt eine Terminsgebühr an, wenn tatsächlich eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Die Gebühr entsteht auch, wenn
1. in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird,
2. nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird oder
3. das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.
Nach Abs. 3 der Vorbemerkung zu Teil 3 der VV RVG entsteht die Terminsgebühr "für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber."
Im hier maßgeblichen Verfahren hat der Beschwerdeführer den Kläger in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin nicht vertreten. Die Erörterung in dem Klageverfahren S 10 (32) AS 210/07 löst unter dem Aspekt der Terminswahrnehmung die Terminsgebühr schon deshalb nicht aus, weil die hiesige Beklagte, der Sozialhilfeträger, an dem Termin nicht beteiligt war. Zudem enthält die Sitzungsniederschrift vom 16.01.2009 keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass der gegen den Sozialhilfeträger verfolgte Anspruch (in dem Termin) zur Sprache gekommen wäre. Dagegen spricht im Übrigen schon der Umstand, dass die Prüfung der Klagerücknahme im hiesigen Ausgangsverfahren beinahe zwei Monate in Anspruch nahm. Ob eine Terminsgebühr mehrfach anfallen kann, wenn in einem dieselben Beteiligten betreffenden Verfahren Ansprüche aus Parallelverfahren mitverhandelt werden (vgl. hierzu Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 02.02.2011 – L 15 SF 22/09 B), braucht der Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Soweit die Ausführungen des Beschwerdeführers den Anschein erwecken, er wolle den (ggf. zusätzlichen) Besprechungsbedarf mit seinem Auftraggeber vergütet wissen, wird auf den letzten Halbsatz von Abs. 3 der Vorbemerkung zu Teil 3 des VV RVG verwiesen. Diese Regelung lässt gerade nicht darauf schließen, dass durch die Terminsgebühr jede Art des Bemühens um eine außerterminliche Erledigung gefördert werden sollte. Vielmehr sind insoweit lediglich Besprechungen mit dem Gegner ohne Beteiligung des Gerichts gemeint.
Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass von einem "Risiko der kostenlosen Arbeit" schon allgemein nicht und erst recht nicht im vorliegenden Fall die Rede sein kann. Der Beschwerdeführer hat sich in dem hier maßgeblichen Klageverfahren darauf beschränkt, auf die Ausführungen in dem die Leistungen nach dem SGB II betreffenden Verfahren zu verweisen, ohne eine eigenständige Klagebegründung zu fertigen. Ob der erfolgte Vortrag den geltend gemachten Anspruch überhaupt in der im Rahmen der Beantragung von Prozesskostenhilfe gebotenen Weise schlüssig darlegt, kann angesichts der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht dahinstehen.
Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 S. 2 RVG). Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 56 Abs. 2 S. 3 RVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Erstellt am: 10.10.2011
Zuletzt verändert am: 10.10.2011