Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.808,58 Euro nebst zwei Prozent-punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.07.2016 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 6.808,58 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Krankenhausbehandlungskosten in Hö-he von 6.808,58 Euro. Der bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich Versicherte M O (im Folgenden: Versi-cherter), geb. 20.02.2009, leidet unter anderem an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens (F90.1), einer emotionalen Störung mit Labilität und Stimmungswech-seln (F93.8) sowie einer Entwicklungsstörung schulischer Fähigkeiten bei kognitiver Leistungsfähigkeit im untersten Durchschnittsbereich und Schwächen in der Merkfähig-keit (F81.8). Er wurde vom 01.02.2016 bis zum 16.02.2016 im Krankenhaus der Klägerin im Rahmen einer neuro- und sozialpädiatrischen Komplexbehandlung stationär behan-delt. Diese beinhaltete neben diversen Untersuchungen insbesondere eine heilpädagogische Gruppentherapie, eine ergotherapeutische Therapie sowie eine sprachtherapeutische und psychologische Therapie. Die Rechnung der Klägerin vom 05.04.2016 über die stationäre Behandlung in Höhe der Klageforderung beglich die Beklagte zunächst. Sie leitete jedoch eine Prüfung der stati-onären Behandlung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Rhein-land-Pfalz (MDK) ein. Mit Schreiben vom 21.04.2016 bat der MDK die Klägerin "um Übersendung sämtlicher prüfungsrelevanten Unterlagen, mindestens jedoch um Übersendung der folgenden Un-terlagen [ ]". Aus der nachfolgenden Liste möglicher Unterlagen wurden folgende Un-terlagen mittels Markierung eines dazugehörigen Kästchens mit einem Kreuzchen zur Übermittlung erbeten: Arztbrief(e)/Entlassungsbericht(e), Fieberkurven komplett, prüfrele-vante Prozedurenberichte, Pflegebericht, Operations-, PTCA-, PTA-Bericht(e) sowie Lab-ordaten. Nicht ausgewählt wurde das Kästchen neben dem Eintrag "Krankenakte kom-plett". In der Folge übermittelte die Klägerin dem MDK den Entlassungsbericht vom 20.05.2016 mit Stellungnahmen zum Aufnahmeanlass, zu körperlichen Untersuchungsbefunden, Laborwerten, EEG-Befunden, zur heilpädagogischen Gruppentherapie, ergotherapeuti-schen Therapie, sprachtherapeutischen und psychologischen Therapie. Sie übermittelte dem MDK weiterhin einen Verlaufsbericht mit Durchführungsnachweisen vom 19.05.2016. Die Fieberkurve übermittelte die Klägerin dem MDK trotz Anforderung nicht. In seinem Gutachten vom 10.06.2016 kam der MDK "nach Aktenlage mit (Teilen der) Akte in Kopie" zu dem Ergebnis, dass eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit nicht vorgele-gen habe. Weitere Angaben über ausgewertete Unterlagen oder solche, die nicht zur Auswertung vorlagen, enthält das Gutachten nicht. Aus dem Gutachten geht auch nicht hervor, aus welchen Unterlagen bestimmte Information oder Schlüsse gezogen worden sind oder mangels Vorliegens dieser Unterlagen nicht gezogen werden konnten. Mit Schreiben vom 21.07.2016 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Aufrech-nung mit einer anderen unstreitigen Forderung der Klägerin aus einem oder mehreren anderen Behandlungsfällen. Mit Schriftsatz vom 01.06.2017 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Dortmund auf Erstattung von Behandlungskosten erhoben. Im Laufe des Klageverfahrens ist der MDK in einem zweiten Gutachten vom 29.12.2017 zu dem Ergebnis gekommen, dass die stationäre Aufnahme des Versicherten vollum-fänglich notwendig gewesen sei. Per E-Mail vom 19.02.2018 hat der MDK der Beklagten mitgeteilt, dass sich auf Basis der zum ersten Gutachten vom 16.06.2016 vorliegenden Unterlagen nicht die Beurteilung aus dem zweiten Gutachten vom 29.12.2017 hätte ab-leiten lassen. Das zweite Gutachten habe auf Basis der kompletten Krankenakte erstellt werden können, die deutlich mehr Informationen zum Verlauf/Verhalten des Versicher-ten enthalte. Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei als Leistungserbringerin nur zur Übermittlung der angeforderten Unterlagen befugt. Der MDK habe jedoch nicht die komplette Patientenak-te angefordert. In einem konsensualen Prüfverfahren sei es Aufgabe des MDK, bei Be-darf weitere Informationen anzufordern. Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.808,58 Euro nebst zwei Pro-zentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.07.2016 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie beantragt hilfsweise unter der Bedingung, dass das Gericht von der Unzulässigkeit der Aufrechnung ausgeht, die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 6.808,58 Euro zu zahlen. Die Klägerin beantragt, die Hilfswiderklage abzuweisen. Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin sei beweispflichtig für ihre Forderung und habe alle relevanten Unterlagen vorzulegen. Die ursprünglich eingereichten Unterlagen seien nicht ausreichend gewesen. Die Beklagte beruft sich insofern auf eine etwaige Aus-schlussfrist des § 7 Abs. 2 Satz 4 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV). Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte und der ebenfalls beigezogenen Patien-tenakte verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. I. Die zum sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Dortmund formgerecht erhobe-ne Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig. Die Klage eines Krankenhauses auf Erstattung von Krankenhausbehandlungskosten eines Versicherten der Beklagten ist ein sogenannter Beteiligtenstreit im Gleichord-nungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. Bundessozi-algericht (BSG), Urt. v. 17.05.2000, B 3 KR 33/99 R, juris, Rn. 14). Das Krankenhaus der Klägerin ist ein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des § 108 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe der Klageforderung. 1. Den ursprünglichen Anspruch der Klägerin aus dem streitigen Behandlungsfall des Versicherten M O hat die Beklagte durch Zahlung erfüllt. Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf Zahlung der Behandlungskosten in Höhe der Klageforderung aus einem oder mehreren anderen Behandlungsfällen (vgl. Sammelavis vom 21.07.2017). Dieser Anspruch ist zwischen den Beteiligten unstreitig. 2. Dieser Anspruch ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht durch Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin ana-log § 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V aus dem Behandlungsfall M O erloschen. Der Beklagten steht ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen die Klägerin nicht zu. Sie hat gegenüber der Klägerin keine Leistung ohne Rechtsgrund erbracht. Es ist zwar anerkannt, dass Krankenkassen Leistungen, die sie zum Zwecke der Erfül-lung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, erbracht haben, von Kran-kenhäusern im Wege des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch analog §§ 812 ff. BGB zurückfordern können (BSG, Urt. v. 22.07.2004, B 3 KR 21/03, juris, Rn. 16). Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistun-gen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensver-schiebungen vorgenommen worden sind (vgl. BSG, a.a.O.). Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis liegt hier vor, da die im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten in Bezug auf den Streitgegenstand entscheidenden Normen dem öffentlichen Recht, namentlich dem SGB V entstammen. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im Recht der ungerechtfertigten Bereicherung nach den §§ 812 ff. BGB. Allgemein anerkannt ist für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsan-spruch, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirk-lichkeit nicht besteht, eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung darstellen und grundsätzlich zurückgefordert werden können (BSG, a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil die Verbindlichkeit der Beklagten ge-genüber der Klägerin aus dem Behandlungsfall des Versicherten M O tatsächlich besteht bzw. vor der Zahlung bestanden hat. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2016 und die von den Vertrags-partien auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) für das Jahr 2016. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht nach ständiger Rechtsprechung unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der In-anspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S.d. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V er-forderlich ist (BSG, Urt. v. 30.06.2009 – B 1 KR 24/08 R, juris, Rn. 15). Nach § 39 Abs.1 Satz 2 SGB V haben Versicherte einen Anspruch auf vollstationäre o-der stationsäquivalente Behandlung durch ein nach § 108 SGB V zugelassenes Kran-kenhaus, wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prü-fung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teil-stationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häusli-cher Krankenpflege erreicht werden kann. Zur Überzeugung der Kammer liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift vor. Der Versicherte hatte gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf stationäre Behandlung. Die stationäre Behandlung war zur Überzeugung der Kammer erforderlich. Davon ge-hen, zumindest nach dessen zweiten Gutachten, auch der MDK und dem folgend die Beteiligten übereinstimmend aus. Die dem MDK für das zweite Gutachten überlassenen Unterlagen dürfen zur Überzeu-gung der Kammer bei der Prüfung der Erforderlichkeit der stationären Behandlung Be-rücksichtigung finden. Die Kammer war nicht gehalten, ihre Entscheidung allein auf die dem MDK für das erste Gutachten vorliegenden Unterlagen zu stützen. Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 PrüfvV in der für das Streitjahr gültigen Fassung steht der Berücksichtigung nicht entgegen. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV kann der MDK im hier einschlägigen schriftlichen Ver-fahren von dem Krankenhaus die Übermittlung einer Kopie der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Das Krankenhaus hat die Unter-lagen nach Satz 3 der Vorschrift innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Unterla-genanforderung an den MDK zu übermitteln. Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus gemäß § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbe-trag. Zwar geht die Kammer davon aus, dass § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 PrüfvV eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist enthält (dazu a)). Diese findet zur Überzeugung der Kammer jedoch keine Anwendung, weil die Klägerin alle erforderlichen Unterlagen fristgemäß an den MDK übermittelt hat (dazu b)). a) § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 PrüfvV enthält eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (BSG, Urt. v. 19.11.2019, B 1 KR 33/18 R, juris, Rn. 16 [obiter dictum]; SG Reutlingen, Urt. v. 14.03.2018, S 1 KR 2084/17, juris, Rn. 44; a.A. in jüngerer Zeit SG Detmold, Urt. v. 16.05.2019, S 24 KR 1181/18, juris, Rn. 29). Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kam-mer aus dem Wortlaut der Vorschrift, ihrer systematischen Stellung und ihrem Sinn und Zweck. Der Wortlaut des § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV knüpft an die Aufforderung zur Übermittlung von Unterlagen an den MDK an und statuiert, dass das Krankenhaus Anspruch nur auf den unstreitigen Rechnungsbetrag hat, wenn es die Unterlagen nicht innerhalb der Frist des Satz 3 übermittelt. Da der Anspruch auf den unstreitigen Rechnungsbetrag ohnehin besteht, wäre die Regelung des Satz 4 andernfalls gegenstandslos und überflüssig. Denn der streitige Rechnungsbetrag ist gerade derjenige, der anhand der nach § 7 Abs. 2 Satz 2 und 3 PrüfvV zu übermittelnden Unterlagen überprüft werden soll. In systematischer Hinsicht stützt sich die Vorschrift mit § 17c Abs. 2 KHG auf eine ausrei-chende Ermächtigungsgrundlage (BSG, Urt. v. 19.11.2019, B 1 KR 33/18 R, juris, Rn. 16 [obiter dictum]; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.01.2020, L 11 KR 1437/19, juris, Rn. 36; a.A.: SG Dortmund, Urt. v. 05.05.2017, S 49 KR 580/16, juris, Rn. 44; offengelas-sen: LSG NRW, Beschl. v. 22.02.2018, L 16 KR 445/17 NZB, juris, Rn. 7). Dabei mag die Vorschrift zwar im Wesentlichen einen verfahrensrechtlichen, nicht einen materiell-rechtlichen Hintergrund haben. Der Wortlaut des § 17c Abs. 2 KHG legt jedoch nahe, dass den Vertragsparteien ein gewisser Spielraum eingeräumt worden ist, welche Inhalte sie für regelungsbedürftig und -relevant halten, indem das "Nähere zum Prüfverfahren nach § 275c SGB V" geregelt werden kann. Die Benennung der zu vereinbarenden Re-gelungsinhalte in § 17c Abs. 2 KHG ist nach der Gesetzesbegründung nicht abschlie-ßend ist (BT-Drs. 17/13947, S. 38). Zur Überzeugung der Kammer umfasst die Ermächti-gung zur Regelung eines Verfahrens – hier des Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1c SGB V – typischerweise auch die Ermächtigung zur Implementierung von Fristen, um das Verfahren effizient zu gestalten. Dies wiederum erfordert die Möglichkeit, Sanktionen für den Fall der Fristversäumnis zu implementieren, um die Einhaltung der Fristen zu forcieren und damit die Effizienz des Verfahrens zu gewährleisten. Die teleologische Auslegung stützt dieses Verständnis. Zielsetzung der PrüfvV ist gemäß ihres § 1 Satz 1 ein effizientes, konsensorientiertes Prüfverfahren. Effizienz beinhaltet im allgemeinen Sprachgebrauch die Elemente der Wirtschaftlichkeit und der Wirksamkeit. Das Element der Wirtschaftlichkeit wird dabei durch die Frist zur Übermittlung der Unter-lagen gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV angestrebt in der Erwartung, dass ein zügiges Prüfverfahren grundsätzlich eher ein wirtschaftliches Prüfverfahren ermöglicht. Die Sanktionsmöglichkeit bei Fristversäumnis durch die Annahme einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist in § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV soll hingegen die Wirksamkeit als Element der Effizienz gewährleisten. Ohne diese Annahme wäre das Fristversäumnis sanktions-los, die Frist damit wenig effektiv. Die Kammer ist weiterhin davon überzeugt, dass die Vertragsparteien der PrüfvV eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist tatsächlich vereinbart haben. Dem steht nicht entge-gen, dass sie – anders als etwa die Fristen des § 6 Abs. 2 und des § 8 PrüfvV – nicht als solche bezeichnet worden ist (a.A. SG Dortmund, Urt. v. 05.05.2017, S 49 KR 580/16, ju-ris, Rn. 45 zu § 7 Abs. 5 PrüfvV). Denn die Rechtfolge des § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV ent-spricht der faktischen Rechtsfolge einer Ausschlussfrist. Beschränkte sich die Vorschrift auf die ausdrückliche Feststellung, dass die Frist des § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV eine Aus-schlussfrist sei, wäre der MDK zwar zunächst nur gehindert, weitere Unterlagen anzu-nehmen. Faktisch hätte dies jedoch regelmäßig die Beschränkung des Anspruchs des Krankenhauses auf den unstreitigen Rechnungsbetrag zur Folge. Dies entspricht gera-de der hier angenommenen materiell-rechtlichen Ausschlusswirkung. Zudem ist die Re-gelung in der Nachfolgefassung der PrüfvV mit Geltung ab dem 01.01.2017 in Kenntnis der Streitfrage – es lagen bereits erste Urteile hierzu vor (SG Köln, Urt. v. 04.05.2016, S 23 KN 108/15 KR, juris, Rn. 37) – diesbezüglich inhaltlich nicht geändert worden. Zur Überzeugung der Kammer steht der Annahme einer materiell-rechtlichen Aus-schlussfrist in systematischer Hinsicht nicht entgegen, dass ein derartig tiefgreifender Anspruchsausschluss im Gesetz ansonsten nicht vorgesehen ist (a.A.: SG Dortmund, Urt. v. 05.05.2017, S 49 KR 580/16, juris, Rn. 44). Vor dem Hintergrund der ausreichen-den Ermächtigungsgrundlage ist vielmehr von einer Einschätzungsprärogative der Ver-tragsparteien der PrüfvV auszugehen. Die Überlegungen des Gesetzgebers betreffend die §§ 275c ff. SGB V können insofern nicht durchschlagen, als sich die Vertragspartei-en der PrüfvV – wie hier – innerhalb der gesetzlichen Ermächtigung befinden, zumal auch die vorgenannten §§ 6 Abs. 2, 8 PrüfvV Ausschlussfristen enthalten. b) Die Ausschlussfrist entfaltet im vorliegenden Fall jedoch keine Wirkung, weil die Klä-gerin alle erforderlichen Unterlagen fristgemäß an den MDK übermittelt hat. Die Klägerin war nicht zur Übermittlung sämtlicher den Behandlungsfall betreffender oder den Rech-nungsanspruch begründender Unterlagen verpflichtet (dazu aa)). Zudem kann sich die Beklagte für die Anwendung der Ausschlussfrist nicht auf solche Unterlagen stützen, die zwar trotz Anforderung durch den MDK nicht übermittelt worden sind, die aber erkennbar keine wesentliche Bedeutung für die Beurteilung der Erforderlichkeit der stationären Be-handlung haben (dazu bb)). aa) Die Klägerin war entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zur Übermittlung sämtli-cher den Behandlungsfall betreffender oder den Rechnungsanspruch begründender Unterlagen verpflichtet. Eine solche Obliegenheit ergibt sich weder aus dem Anforde-rungsschreiben des MDK vom 21.04.2016 noch aus allgemeinen Beweislasterwägun-gen. Zwar bat der MDK "um Übersendung sämtlicher prüfungsrelevanten Unterlagen"; er kon-kretisierte diese Bitte jedoch – einleitend durch die Formulierung "insbesondere" – durch Auswahl bestimmter Unterlagen. Aus der Gesamtschau des Schreibens und der gesetz-lichen Grundlagen beschränkte sich die Obliegenheit der Klägerin zur Überzeugung der Kammer damit auf die Übermittlung der vom MDK ausdrücklich benannten Unterlagen, soweit sie von Relevanz für die Beurteilung des streitigen Behandlungsfalls waren. Der MDK ist verpflichtet, die erbetenen Unterlagen zu konkretisieren. Er kann sich nicht auf eine Generalklausel in Form der Bitte um Übersendung aller erforderlichen Unterla-gen beschränken. Es steht dem MDK frei, die gesamte Patientenakte anzufordern, wenn er eine umfassende Prüfung durchführen möchte. Eine völlig unbestimmte salvatorische Klausel in der Anforderung der Prüfunterlagen zuzulassen, lässt sich mit der gravieren-den Rechtsfolge des Anspruchsverlustes nach § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV nicht vereinba-ren. Auch zur eigentlich bezweckten Beschleunigung des Prüfverfahrens stünde eine derartige Vorgehensweise in Widerspruch. Weder lässt sich die Einhaltung der Frist des § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV sicher prüfen, wenn der MDK gar nicht wissen kann, welche Unterlagen als relevant tatsächlich vorzulegen sind, noch wäre eine aus Sicht der Kran-kenhäuser dann sicherheitshalber stets erforderliche Vorlage der gesamten Patientenak-te sinnvoll zur Verfahrensbeschleunigung (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.01.2020, L 11 KR 1437/19, juris, Rn. 37). Diese Auffassung findet eine weitere Stütze in § 276 Abs. 2 SGB V. Nach Satz 1 der Vor-schrift, darf der MDK Sozialdaten nur erheben, soweit dies für die Prüfungen, Beratun-gen und Stellungnahmen nach § 275 SGB V erforderlich ist. Dies legt einen sparsamen Umgang mit Daten aus Datenschutzgründen nahe. Dies umsetzend ermächtigt § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV zum Verlangen derjenigen Unterlagen, die der MDK zur Beurteilung benötigt. Stellt er fest, dass die angeforderten Unterlagen nicht ausreichen, ist er nicht gehindert, weitere Unterlagen anzufordern. Der insofern auftretende Zielkonflikt zwischen einem schnellen Prüfverfahren einerseits und der sparsamen Übermittlung von Daten an den MDK andererseits ist zugunsten der sparsamen Übermittlung von Daten aufzulösen. Dafür spricht das gemäß § 1 Satz 1 PrüfvV auf Konsens angelegte Prüfverfahren. Es erscheint insofern geboten, dass der MDK das Krankenhaus in einem Fall, in dem die ursprünglich erbetenen Unterlagen nicht ausreichen, um den Rechnungsanspruch zu begründen, auf diesem Umstand hinweist und weitere Unterlagen anfordert. Das mag zwar in einigen Fällen zu einer Verlängerung des Prüfverfahrens führen. An-dernfalls wären die Krankenhäuser jedoch gehalten, vorsorglich sämtliche Unterlagen zu übermitteln, was zum einen vor dem Hintergrund des § 276 Abs. 2 SGB V datenschutz-rechtlichen Bedenken begegnet und zum anderen zu einer erhöhten Belastung des MDK durch die Prüfung irrelevanter Unterlagen und in der Konsequenz zu insgesamt aufwendigeren Prüfverfahren führen könnte. Ebenso wenig ergibt sich eine Obliegenheit der Klägerin zur Übersendung aller relevan-ten Unterlagen aus allgemeinen Beweislastgrundsätzen. Für das sozialgerichtliche Ver-fahren spricht hiergegen bereits der Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 SGG. Die Kammer brauchte daher nicht zu prüfen, ob diejenigen Unterlagen, die dem MDK für das erste Gutachten vorlagen, bereits die Erkenntnis der Erforderlichkeit der stationären Behandlung erlaubten. bb) Die unterlassene Übermittlung der Fieberkurve trotz Anforderung durch den MDK ist nicht geeignet, die Ausschlussfrist des § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 PrüfvV zur Anwendung zu bringen. Die Beklagte kann sich für die Anwendung der Ausschlussfrist nicht auf sol-che Unterlagen stützen, die zwar trotz Anforderung durch den MDK nicht übermittelt worden sind, die aber erkennbar keine wesentliche Bedeutung für die Beurteilung der Erforderlichkeit der stationären Behandlung haben. Dies ergibt sich aus einer teleologischen Reduktion des § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV. Die te-leologische Reduktion gehört zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu bean-standenden Auslegungsgrundsätzen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschl. v. 15.10.2004, 2 BvR 1316/04; BVerfG, Beschl. v. 7.4.1997, 1 BvL 11/96; BVerfG, Beschl. V. 14.3.2011, 1 BvL 13/07). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie die auszulegende Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle für unanwendbar hält, weil deren Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Ge-samtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte An-wendung sprechen (BVerfG, Beschl. v. 7.4.1997, 1 BvL 11/96; BSG, Urt. v. 18.8.2011, B 10 EG 7/10 R). Diese Grundsätze sind hier anwendbar. Zwar griffe die Ausschlussfrist bei wortlautge-treuer Anwendung im vorliegenden Fall, weil die Klägerin die Fieberkurve trotz Anforde-rung durch den MDK nicht übermittelt hat. Doch spricht der dargestellte Zweck der Aus-schlussfrist gegen deren Anwendung, weil eine nicht relevante Unterlage keine Bedeu-tung für die Entscheidung des MDK haben kann. Ihre fehlende Übermittlung wirkt sich damit nicht auf die Dauer des Prüfverfahrens aus. In einem solchen Fall erscheint die Berufung auf die Ausschlussfrist vor dem Hintergrund des konsensualen Prüfverfahrens (§ 1 Satz 2 PrüfvV) als treuwidrig. Zudem begrenzt sich die Kompetenz der Anforderung von Unterlagen gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV auf solche Unterlagen, die benötigt wer-den. Irrelevante Unterlagen werden hingegen nicht zur Prüfung benötigt. Die Fieberkurve war irrelevant für die Abrechnungsprüfung. Die fehlende Relevanz der Fieberkurve ergibt sich zur Überzeugung der Kammer angesichts der Erkrankung des Versicherten und den Leistungen der Klägerin im Rahmen des stationären Aufenthaltes des Versicherten. Der Versicherte leidet insbesondere an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens. Diese Gruppe von Störungen ist nach den ICD-10 charakterisiert durch einen frü-hen Beginn, meist in den ersten fünf Lebensjahren, einen Mangel an Ausdauer bei Beschäftigungen, die kognitiven Einsatz verlangen, und eine Tendenz, von einer Tätigkeit zu einer anderen zu wechseln, ohne etwas zu Ende zu bringen; hinzu kommt eine des-organisierte, mangelhaft regulierte und überschießende Aktivität. Verschiedene andere Auffälligkeiten können zusätzlich vorliegen. Hyperkinetische Kinder sind oft achtlos und impulsiv, neigen zu Unfällen und werden oft bestraft, weil sie eher aus Unachtsamkeit als vorsätzlich Regeln verletzen. Ihre Beziehung zu Erwachsenen ist oft von einer Dis-tanzstörung und einem Mangel an normaler Vorsicht und Zurückhaltung geprägt. Bei anderen Kindern sind sie unbeliebt und können isoliert sein. Beeinträchtigung kognitiver Funktionen ist häufig, spezifische Verzögerungen der motorischen und sprachlichen Entwicklung kommen überproportional oft vor. Sekundäre Komplikationen sind dissozia-les Verhalten und niedriges Selbstwertgefühl. Dementsprechend lag der therapeutische Schwerpunkt im Rahmen der neuro- und sozialpädiatrischen Komplexbehandlung auf heilpädagogischen, ergotherapeutischen sowie sprachtherapeutischen und psychologi-schen Maßnahmen. Die Fieberkurve ist in der Regel Teil der Patientenakte. Neben der eigentlichen Fieber-kurve umfasst sie meist weitere Vitalwerte wie Puls, Blutdruck oder auch die Menge an Ausscheidungen oder das Körpergewicht. Zur Überzeugung der Kammer waren die in der Fieberkurve enthaltenen Informationen nicht von wesentlicher Bedeutung für die Beurteilung der Erforderlichkeit der stationären Maßnahme. Die Kammer konnte keinerlei wesentlichen Zusammenhang zwischen den Diagnosen und Therapien einerseits und den in einer Fieberkurve enthaltenen Informa-tionen andererseits erkennen. Auch ohne Einholung medizinischen Sachverstandes ge-langte die Kammer zu der Überzeugung, dass etwa Körpertemperatur und Vitalwerte grundsätzlich keinerlei Einfluss auf die Erforderlichkeit der stationären Behandlung der von Verhaltens- und emotionalen Störungen geprägten Erkrankungen des Versicherten haben. Anzeichen, dass der Versicherte anderweitig erkrankt war, sodass die streitgegenständli-che stationäre Behandlung vorübergehend nicht durchgeführt werden konnte, was in der Fieberkurve seinen Ausdruck gefunden haben könnte, sah die Kammer nicht und wurden auch nicht vorgetragen. Im Gegenteil sind auf Seite 2 des Entlassungsberichts vom 18.05.2015, der dem MDK für das erste Gutachten vorlag, unauffällige Körpertempe-ratur und Vitalwerte dokumentiert. Über das übrige Wohlbefinden des Versicherten wäh-rend der stationären Behandlung gab auch die Verlaufsdokumentation mit Informationen etwa zum Schlafverhalten des Versicherten Auskunft. Auch die Verlaufsdokumentation lag dem MDK für das erste Gutachten vor. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der ausdrücklichen Anforderung der Fieberkur-ve durch den MDK. Dass der MDK in Kenntnis der Diagnose und der Therapie auch Operations-, PTCA- und PTA-Bericht(e) anforderte, obwohl alles dies im Hause der Klä-gerin nicht durchgeführt wird, wertete die Kammer als Indiz für eine standardmäßige An-forderung der Fieberkurve, ohne dass diese – auch aus Sicht des MDK – für die Beurtei-lung besondere Relevanz hat. 3. Die Klageforderung besteht in der geltend gemachten Höhe. Bedenken gegen die Hö-he der Forderung sind – wenn man die gesamte Behandlungsdauer für erforderlich er-achtet – weder vorgetragen, noch erkennbar. II. Der Zinsanspruch folgt aus § 15 Abs. 1 Satz 4 des nordrhein-westfälischen Landesver-trages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V in Verbindung mit § 288 Abs. 1 BGB. III. Über die Hilfswiederklage brauchte die Kammer nicht entscheiden, weil die Bedin-gung nicht eingetreten ist. IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder die Klägerin noch die Beklag-te zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören und die Beklagte die unterliegen-de Beteiligte des Rechtsstreits ist. V. Der Streitwert war gemäß § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG in Höhe der streitbefangenen Forderung festzusetzen
Erstellt am: 07.07.2020
Zuletzt verändert am: 07.07.2020