NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 25.04.2017 wird als unzulässig verworfen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten höhere Leistungen nach dem SGB XII.
Bereits in der Vergangenheit hatte er bei dem Sozialgericht Duisburg und dem Landessozialgericht mehrfach per E-Mail bzw. mit einem nicht unterzeichneten Tele- oder Computerfax Klage erhoben und Berufung eingelegt. Zuletzt hatte der Senat mit Beschlüssen vom 31.08.2016 diverse Berufungen des Klägers (u.a. unter den Aktenzeichen L 20 SO 430/16 und L 20 SO 434/16) gegen Urteile des Sozialgerichts Duisburg vom 01.06.2016 als unzulässig verworfen, weil die mittels Tele- oder Computerfax eingelegten (nicht unterzeichneten) Berufungen nicht den Anforderungen an die gesetzlich vorgesehene Schriftform genügten. Die zugrunde liegenden Klagen hatte der Kläger per E-Mail erhoben. Im Anschluss an die damaligen Hinweise des Kammervorsitzenden auf die mangelnde Schriftform hatte der Kläger erklärt, die persönlich unterzeichneten Klagen auch auf dem Postweg bzw. per Fax übersandt zu haben.
Am 01.02.2017 hat sich der Kläger wiederum mit einer (nicht unterzeichneten) E-Mail an das Sozialgericht Duisburg gewandt und höhere Leistungen nach dem SGB XII sowie die Überprüfung sämtlicher (auch bestandskräftig gewordener) Leistungsbescheide der Beklagten begehrt.
Nachdem der Kammervorsitzende den Kläger unter dem 07.02.2017 darauf hingewiesen hatte, dass seine E-Mail nicht dem Schriftformerfordernis des § 90 SGG genüge, und zugleich angeregt hatte, die Klage schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben, hat der Kläger sich trotz Erinnerung nicht mehr geäußert. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht ist er nicht erschienen.
Mit Urteil vom 25.04.2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei nicht i.S.v. § 90 SGG schriftlich erhoben worden und daher unzulässig. Die E-Mail vom 02.02.2017 genüge mangels qualifizierter elektronischer Signatur i.S.v. § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes nicht den Vorgaben des § 65a SGG. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der Entscheidung Bezug genommen.
Gegen das ihm am 08.05.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger – wiederum – per E-Mail vom 14.05.2017 "alle in Frage kommenden" Rechtsmittel eingelegt und sich auch im weiteren Verlauf ausschließlich per E-Mail an das Landessozialgericht gewandt. Es sei ihm schon bekannt, dass der Kammervorsitzende Fehlurteile fälle und die persönlich unterschriebenen und per Post zugegangenen Schriftsätze und Anträge "verschwinden lasse".
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 25.04.2017 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen,
1. ihm höhere Leistungen nach dem SGB XII unter Berücksichtigung vom Einkommen absetzbarer Beiträge für diverse Versicherungen (Hausrat, Haftpflicht etc.) sowie unter ergänzender Zuerkennung einer Wamwasserpauschale seit Mietbeginn zu gewähren,
2. ihm die seit Mietbeginn fällig gewordenen Nebenkostenguthaben zu erstatten sowie
3. sämtliche (auch bereits bestandskräftig gewordene) Leistungsbescheide zu überprüfen.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Sie hält die Berufung für unzulässig.
Der Senat hat den Kläger darauf hingewiesen, dass auch darüber zu befinden sein werde, ob die mittels E-Mail eingelegte Berufung mangels Wahrung der Schriftform nicht fristgemäß eingelegt wurde. Daraufhin hat der Kläger mit am 08.06.2017 eingegangener E-Mail erklärt, er habe seine Berufungsschrift nicht nur per E-Mail, sondern unter (von ihm nicht näher benannten) Zeugen auch auf dem Postweg versandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1, 126 SGG in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, obwohl dieser im Verhandlungstermin nicht erschienen und auch nicht vertreten gewesen ist; denn er ist in der Terminsmitteilung, welche ihm am 24.05.2017 zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
2. Die Berufung des Klägers wurde nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt und ist daher gemäß § 158 S. 1 SGG als unzulässig zu verwerfen.
a) Gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht oder bei dem Sozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Der Kläger hat jedoch innerhalb der Berufungsfrist, die am 09.06.2017 begann und am 08.06.2017 endete (§ 64 Abs. 1 und 2 SGG), keine dem Schriftformerfordernis genügende Berufung eingelegt. Die am 14.05.2017 beim Sozialgericht eingegangene E-Mail, mit welcher er sinngemäß Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts eingelegt hat, entspricht nicht den Anforderungen des § 151 Abs. 1 SGG.
Was unter dem Begriff "schriftlich" zu verstehen ist, ist im SGG nicht geregelt. Die Vorschrift des § 126 BGB kann wegen der Eigenständigkeit des Prozessrechts weder unmittelbar noch entsprechend auf Prozesshandlungen angewandt werden. Für das Merkmal der Schriftlichkeit im Prozessrecht entscheidend ist vielmehr, welcher Grad von Formstrenge nach den maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschriften sinnvoll zu fordern ist. Insofern soll durch das Schriftformerfordernis i.S.v. § 151 SGG gewährleistet werden, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muss feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Da die eigenhändige Unterschrift typisches Merkmal ist, um den Urheber eines Schriftstücks und seinen Willen festzustellen, die niedergeschriebene Erklärung in den Verkehr zu bringen, wird dem Schriftformerfordernis daher grundsätzlich durch die eigenhändige Unterschrift Rechnung getragen (vgl. BSG, Urteil vom 16.11.2000 – B 13 RJ 3/99 R).
Die am 14.05.2017 beim Sozialgericht eingegangene E-Mail des Klägers, mit welcher er sich gegen das angefochtene Urteil des Sozialgerichts wendet, wahrt – ebenso wie die anschließend bis zum Ablauf der Berufungsfrist übersandten weiteren E-Mails (zuletzt vom 08.06.2017) – jedoch nicht die in § 151 Abs. 1 SGG vorgesehene Schriftform. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Einlegung der Berufung per einfacher E-Mail nicht dem gesetzlich vorgegebenen Schriftformerfordernis genügt, es sei denn, die in § 65a SGG genannten Voraussetzungen für die Übermittlung elektronischer Dokumente sind erfüllt (vgl. BSG, Beschlüsse vom 06.07.2016 – B 9 SB 1/16 R sowie vom 15.11.2010 – B 8 SO 71/10 B). Nach dieser Vorschrift können die Beteiligten dem Gericht elektronische Dokumente übermitteln, soweit dies – wie in Nordrhein-Westfalen (vgl. die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Sozialgerichten im Land Nordrhein-Westfalen vom 07.11.2012) – für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundes- oder Landesregierung zugelassen worden ist (§ 65a S. 1 SGG). Für elektronische Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, ist dabei eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes vorzuschreiben (§ 65a S. 3 SGG). Diese Signatur gewährleistet – ähnlich der Schriftform – u.a. die Identifizierbarkeit und Urheberschaft des Erklärenden sowie die Authentizität des übermittelten Dokuments (vgl. § 65a Abs. 1 S. 4 SGG; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Auflage 2107, § 65a Rn. 8). Ohne Beachtung der Vorgaben des § 65a SGG kann Berufung daher nicht mittels E-Mail wirksam erhoben werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn der E-Mail keine Datei mit eingescannter Unterschrift beigefügt ist (vgl. dazu Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 151 Rn. 3f m.w.N.). Der Kläger hat jedoch nur per einfacher E-Mail – ohne entsprechende Signatur und ohne Beifügung eines zumindest mit eingescannter Unterschrift versehenen Anhangs – Berufung eingelegt.
b) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist dem Kläger nicht zu gewähren. Der Kläger war nicht i.S.v. § 67 Abs. 1 SGG ohne Verschulden verhindert, die Berufungsfrist einzuhalten. Er hat Wiedereinsetzungsgründe weder ausreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht (vgl. § 67 Abs. 2 S. 2 SGG).
aa) Einen etwaigen Rechtsirrtum über die Formwirksamkeit seiner mittels E-Mail eingelegten Berufung hat der Kläger schon nicht geltend gemacht. Vielmehr hat er auf den entsprechenden Hinweis des Senats lediglich vorgetragen, Berufung nicht nur per E-Mail erhoben, sondern die Berufungsschrift zudem auf dem Postweg versandt zu haben. Er ging somit schon nach seinem eigenen Vorbringen selbst davon aus, dass die Einlegung der Berufung mittels E-Mail nicht dem Schriftformerfordernis des § 151 Abs. 1 und 2 SGG bzw. den Vorgaben des § 65a SGG genügt. Entsprechendes war dem Kläger im Übrigen nicht nur aus der dem angefochtenen Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung, sondern schon aus diversen vorangegangenen Klage- und Berufungsverfahren und den dort erteilten gerichtlichen Hinweisen bekannt.
bb) Der Kläger kann sich ferner nicht mit Erfolg darauf berufen, die Berufungsschrift parallel auf dem Postweg übermittelt zu haben. Ein entsprechender Eingang ist weder bei dem Sozialgericht noch dem Landessozialgericht zu verzeichnen. Die pauschale, bereits aus den vorangegangenen Klage- bzw. Berufungsverfahren bekannte, stereotype Behauptung des Klägers, das jeweilige Rechtsmittel unter Zeugen auch per Post versandt zu haben, hält der Senat für unglaubhaft, zumal der Kläger die angeblichen Zeugen nicht namentlich benannt hat.
3. Im Übrigen ist die Berufung auch unbegründet; denn die nur mit einfacher E-Mail erhobene Klage wahrt ebenfalls weder das Schriftformerfordernis des § 90 SGG, noch genügt sie den Anforderungen des § 65a SGG. Weitere (ggf. sinngemäß als Klage anzusehende) Schreiben bzw. Erklärungen des Klägers, die jenen gesetzlichen Vorgaben genügten, sind nachfolgend nicht bei dem Sozialgericht eingegangen, obwohl der Kammervorsitzende den Kläger auf die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten zur Wahrung der Schriftform hingewiesen hatte.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Erstellt am: 20.09.2017
Zuletzt verändert am: 20.09.2017