Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 28.05.2013 – S 49 AS 3601/12 wird zurückgewiesen.
Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Durch Bescheid vom 01.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2010 forderte die Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagter) u. a. vom Kläger einen Betrag in Höhe von 1.113,33 EUR nach § 50 SGB X zurück. In dem anschließenden Verfahren vor dem Sozialgericht Duisburg, S 36 AS 2550/10 schlossen die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 20.05.2011 einen Vergleich, wonach der Erstattungsbetrag in monatlichen Raten zu je 50,00 EUR direkt von der Regelleistung einbehalten wird. Die Beteiligten waren sich weiterhin einig, dass die Regelung des § 43 S. 2 SGB II keine Anwendung finden solle.
Mit Schreiben vom 28.12.2011 mahnte die Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen, die Fälligkeit der Erstattungsforderung von 1.113,33 EUR an. Sie setzte Mahngebühren nach § 19 Abs. 2 VwVG in Höhe von 5,85 EUR fest. Dem Schreiben war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, wonach gegen die Festsetzung der Mahngebühr der Widerspruch zulässig ist.
Der Kläger, vertreten durch seine Bevollmächtigte, erhob mit Schreiben vom 11.01.2012 Widerspruch. Er trug vor, dass eine Aufrechnung entgegen der Vereinbarung im Vergleich vom 20.05.2011 seitens des Beklagten nicht erfolgt sei. Die fehlende Umsetzung der gerichtlichen Vereinbarung sei von ihm nicht zu vertreten. Da er nicht im Verzug sei, lägen die Voraussetzungen von § 6 ZwVG NRW nicht vor. Am 09.05.2012 erhob der Kläger, vertreten durch seine Bevollmächtigte, Untätigkeitsklage wegen der Nichtbescheidung seines Widerspruches (SG Duisburg, S 49 AS 1924/12). Durch Bescheid vom 20.08.2012 hob der Beklagte die Festsetzung der Mahngebühr auf und erklärte die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für nicht notwendig.
Gegen die Nichtanerkennung der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts legte der Kläger, vertreten durch seine Bevollmächtigte, Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2012 zurückwies.
Am 07.09.2012 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Begehren, den Beklagten unter Abänderung des Abhilfebescheides vom 20.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2012 zu verpflichten, die Hinzuziehung seiner Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.
Durch Urteil vom 28.05.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Da einem Widerspruchsführer rechtskundige und prozesserfahrene Vertreter einer Behörde gegenüberständen, könne die Notwendigkeit einer Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Widerspruchsverfahren gem. § 63 Abs. 2 SGB X nur ausnahmsweise verneint werden. Es sei davon auszugehen, dass die Beauftragung eines Rechtsanwaltes regelmäßig erfolge, wenn in Kenntnisstand und Fähigkeit der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht bestehe. Die hier vorliegenden Gesamtumstände rechtfertigten allerdings die Annahme einer Ausnahme. Ein verständiger Bürger mit dem Bildungs- und Erfahrungsstand des Klägers hätte sich vernünftigerweise keines Rechtsanwaltes bedient. Nach seinen individuellen Fähigkeiten sei es dem Kläger zumutbar gewesen, den Widerspruch gegen die Erhebung der Mahngebühr ohne Inanspruchnahme professioneller Hilfe einzulegen und das Missverständnis aufzuklären. Für den Kläger sei es erkennbar gewesen, dass die Festsetzung der Mahngebühr und die Mahnung selbst auf einem Missverständnis beruhten, welches er habe leicht aufklären können. Er habe durch die Angaben in dem Mahnschreiben vom 28.12.2011 gewusst, wegen welcher Forderung die Vollstreckung durch die Regionaldirektion erfolge. Er habe auch Kenntnis von der im Verhandlungstermin im Mai getroffenen Vereinbarung gehabt, wonach der Beklagte die Forderung mit den laufenden Leistungen verrechnen solle und daher die Mahnung grundlos erfolge. Dies sei dem Kläger tatsächlich auch bewusst gewesen, wie er in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt habe. Er sei in dem Mahnbescheid über das zutreffende Rechtsmittel gegen die Festsetzung der Mahngebühren informiert worden. Ihm sei zumutbar gewesen, schriftlich selbst Widerspruch einzulegen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger in anderen eigenen Angelegenheiten, insbesondere im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit, eigenständig und ohne Inanspruchnahme von anwaltlicher Hilfe vor den zuständigen Gerichten Klagen erhebe und auftrete.
Gegen das seiner Bevollmächtigten am 11.06.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.06.2013 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Er meint, der Entscheidung komme grundsätzliche Bedeutung zu. Das Sozialgericht habe in Divergenz zum Urteil des Bundessozialgerichts vom 02.11.2012 – B 4 AS 97/11 – entschieden. Es habe verkannt, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur in Ausnahmefällen die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zu verneinen sei, weil dem Bürger rechtskundige, qualifizierte Behördenmitarbeiter gegenüberständen. Es sei auch unzutreffend davon ausgegangen, dass er rechtlich genügend gewandt gewesen sei, seine Rechte allein ausreichend zu wahren.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 SGG) ist zulässig, aber unbegründet.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts bedarf nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt. Der Kläger begehrt die Feststellung der Notwendigkeit der Hinzuziehung seiner Bevollmächtigten zum Widerspruchsverfahren i.S.v. § 63 Abs. 2 SGB X, um die Festsetzung der vom Beklagten zu übernehmenden Kosten des Widerspruchsverfahrens, einschließlich der Kosten seiner Bevollmächtigten, nach § 63 Abs. 3 SGB X beantragen zu können. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Gebührenrahmen für eine Geschäftsgebühr, die für das Betreiben eines Widerspruchsverfahrens anfällt, nach Nr. 2400 VV-RVG i.d.F. bis zum 31.07.2013 sich auf 40,00 – 520,00 EUR beläuft, ist der Gebührenanspruch der Bevollmächtigten des Klägers auf unter 750,00 EUR zu beziffern.
Die Beschwerde ist unbegründet, weil kein Zulassungsgrund vorliegt.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist eine Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
1) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsache i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG, wenn sie eine bisher ungeklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse genügt nicht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 144 Rn 28 f. m.w.N.; siehe auch BSG Beschluss vom 24.09.2012 – B 14 AS 36/12 B zu § 160 SGG). Die Rechtsfrage darf sich nicht unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lassen oder bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden sein (vgl. BSG Beschluss vom 15.09.1997 – 9 BVg 6/97 zum gleichlautenden § 160 SGG). Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein. Die bloße Klärung von Tatsachenfragen begründet keine grundsätzliche Bedeutung (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 144 Rn 29 m.w.N.).
Die zur Prüfung gestellte Rechtsfrage, ob die Hinzuziehung von Bevollmächtigten in Mahngebührenfällen als im Sinne von § 63 SGB X notwendig anzuerkennen ist, ist nicht klärungsbedürftig (vgl. Beschluss des Senats vom 05.09.2012 – L 19 AS 1447/12 NZB). Die Rechtsfrage lässt sich aufgrund der gesetzlichen Regelung und umfangreicher obergerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundessozialgerichts klären. In der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte ist geklärt, dass es bei der Frage der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten darauf ankommt, ob es vom Standpunkt eines verständigen, nicht rechtskundigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte, im Widerspruchsverfahren durch einen Rechtsanwalt unterstützt zu werden, und es dem Beteiligten nach seinen persönlichen Verhältnissen (Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen) und wegen der Schwierigkeit der Sache unzumutbar war, das Verfahren selbst zu führen (BSG Urteile vom 13.10.2010 – B 6 KA 29/09 R und 31.05.2006 – B 6 KA 78/04 R; BVerwG Beschluss vom 28.04.2010 – 6 B 46/09 m.w.N. und Urteil vom 28.04.2009 – 2 A 8/08; BFH Beschluss v. 09.03.1976 – VII B 24/74). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn nicht ohne weiteres zu klärende bzw. nicht einfach gelagerte Sachfragen und/oder Rechtsfragen im Vorverfahren eine Rolle spielten und deshalb ein Bürger mit dem Bildungs- und Erfahrungsstand des Widerspruchsführers sich vernünftigerweise eines Rechtsanwalts bedient hätte. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Zuziehung ist auch die Bedeutung der Streitsache für den Widerspruchsführer zu berücksichtigen. Hierzu gehören auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der angefochtenen Entscheidung, sofern sie von nicht ganz unerheblicher Tragweite sind. Die einzelnen Gesichtspunkte sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu würdigen (BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 6 KA 19/11 R m.w.N.). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten ist dann als notwendig anzusehen, wenn es dem Beteiligten bei Beurteilung ex ante, also im Zeitpunkt der Auftragserteilung, nach den jeweils gegebenen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann, das Verfahren selbst zu führen (BSG Urteile vom18.12.2001 – B 12 KR 42/00 R – und 20.11.2001 – B 1 KR 21/00 R).
2) Auch der Zulassungsgrund der Divergenz i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt nicht vor. Eine Divergenz ist nicht erkennbar und ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers.
Eine Divergenz i.S.v. 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG kommt nur dann in Betracht, wenn ein Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts nicht den Kriterien entspricht, die die obersten Gerichte aufgestellt haben, sondern erst dann, wenn es diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (einheitliche Rechtsprechung der Gerichtshöfe des Bundes, stellvertretend und für jeweils viele z. B. BAG Beschluss vom 15.10.2012 – 5 AZN 1958/12; BGH Beschluss vom 27.03.2003 – V ZB 291/02, 23.06.2012 – AnwZ (Brfg) 58/11; BFH Beschlüsse vom 12.10.2011 – III B 56/11 und 01.06.2012 – III B 3/11; BVerwG Beschlüsse vom 17.10.2012 – 8 B 42/12 und 25.10.2012 – 10 B 16/12; BSG Beschluss vom 19.07.2012 – B 1 KR 65/11 B, jeweils m.w.N.; aus der Kommentierung speziell zum SGG: Frehse in Jansen, Sozialgerichtsgesetz, 4. Aufl., § 144 Rn 18; Düring in Jansen a.a.O., § 160 Rn 13 f; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, Rn 30, § 160 Rn 10 f.; Littmann in HK-SGG, 4. Aufl. § 144 Rn 17; Lüdtke in HK-SGG a.a.O., § 160 Rn 12 f. jeweils m.w.N.). Das angefochtene Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung müssen dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (z.B. BFH Beschlüsse vom 21.10.2010 – VIII B 107/09 und 12.10.2011- III B 56/11).
In dem angefochtenen Urteil hat das Sozialgericht keine von der obergerichtlichen Rechtsprechung abweichenden Rechtsätze aufgestellt oder angewendet. Es hat vielmehr die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts i.S.v. § 63 Abs. 2 SGB X, insbesondere die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 02.11.2012 – B 4 AS 97/11 R, angewendet und ist hiervon nicht abgewichen. Insbesondere ist das Sozialgericht der Auffassung des 4. Senats des Bundessozialgerichts gefolgt, wonach die Notwendigkeit einer Zuziehung eines Rechtsanwalts i.S.v. § 63 Abs. 2 SGB X nur ausnahmsweise verneint werden kann. Es hat unter Berücksichtigung der vom 4. Senat des Bundessozialgerichts aufgestellten Kriterien zur Beurteilung des Vorliegens eines Ausnahmefalls aufgrund der Umstände des Einzelfalls, insbesondere im Hinblick auf die individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse des Klägers, das Vorliegen eines Ausnahmefalls bejaht. Eine (etwaige) Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall begründet keine Divergenz i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG (BSG Beschluss vom 05.10.2011 – B 8 SO 61/10 B m.w.N. zum gleichlautenden § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
3) Verfahrensmängel im Sinne des Zulassungsgrundes nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG rügt der Kläger nicht.
Mit der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde wird das Urteil rechtskräftig, § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Prozesskostenhilfe steht nicht zu, weil es der beabsichtigten Rechtsverfolgung an der hinreichenden Erfolgsaussicht mangelt (§§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 114 S. 2 ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 29.10.2013
Zuletzt verändert am: 29.10.2013