Auf Rev. d.Kl. werden die Urteile des LSG und des SG aufgehoben !!!
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19.10.2017 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld für die Zeit vom 7.3.bis 15.3.2016.
Der 1955 geborene und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte Kläger arbeitete beim St. Martinus Hospital in P. Er wurde zum 05.02.2017 ausgesteuert und bezieht sei März 2018 eine Rente wegen Erwerbsminderung befristet bis Dezember 2019. Das Beschäftigungsverhältnis ruht.
Der Kläger ist seit 1994 bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin B I in Behandlung. Die Praxis erhält von der AOK und IKK Freiumschläge für die Versendung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (fortan: AU-Bescheinigungen). Von der Beklagten wurden keine Freiumschläge ausgehändigt. Die Praxis erklärte nach eigenen Angaben jedem Patienten, der bei der AOK, IKK oder aber auch der Beklagten versichert war, anlässlich jeder Arbeitsunfähigkeit, dass sie den Durchschlag der AU-Bescheinigung zur Krankenkasse schicken werde. Die AU-Bescheinigungen der bei der Beklagten Versicherten versandte die Praxis in den Freiumschlägen der AOK (Aufdruck: "AOK, Beleglesung, 59816 Arnsberg") an diese. Die AOK leitete die AU-Bescheinigungen der Versicherten der Beklagten an diese weiter. Diese Verfahrensweise wurde über viele Jahre so gehandhabt.
Ab 2013 erkrankte der Kläger immer häufiger. Ab dem 10.8.2015 war er arbeitsunfähig wegen F 31.9 G und F 48.0 und bezog ab dem 03.09.2015 Krankengeld. Die Beklagte übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 18.09.2015 ein Merkblatt mit den wichtigsten Informationen rund um das Krankengeld mit der Bitte, die weitere Arbeitsunfähigkeit auf der Bescheinigung für die Krankengeldzahlung vom behandelnden Arzt bestätigen zu lassen und wieder bei ihr im Original einzureichen. Die Arbeitsunfähigkeit stellte – mit Ausnahme der Zeit eines stationären Krankenhausaufenthalts – auch im weiteren Verlauf Herr I fest. Dabei verwendete er sowohl "Bescheinigungen für die Krankengeldzahlung" als auch AU-Bescheinigungen. Die für die Krankenkasse vorgesehenen Durchschläge der AU-Bescheinigungen enthielten im Jahr 2015 den Hinweis "Bei verspäteter Vorlage droht Krankengeldverlust". Die Meldungen gingen auf postalischem Wege entweder bei der Geschäftsstelle in Siegen oder in Bochum ein. Die am 22.2.2016 (bis zum 6.3.2016) festgestellte Arbeitsunfähigkeit zeigte der Kläger der Beklagten an, indem er ihr eine Kopie der Ausfertigung für Versicherte mailte. Auf dieser Ausfertigung ist folgender Hinweis vermerkt:
"Hinweise für Versicherte zum Krankengeld
Achten Sie beim Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit auf einen lückenlosen Nachweis. Hierfür stellen Sie sich bitte spätestens an dem Werktag, der auf den letzten Tag der aktuellen Arbeitsunfähigkeit folgt, bei ihrem Arzt oder ihrer Ärztin vor. Bei der verspäteten Vorlage der Bescheinigung bei der Krankenkasse oder lückenhaftem Nachweis der Arbeitsunfähigkeit droht Krankengeldverlust. Weitere Informationen erhalten Sie bei Ihrer Krankenkasse."
Am 7.3.2016 bescheinigte Herr I weiterhin Arbeitsunfähigkeit bis zum 20.3.2016 und versandte die für die Beklagte bestimmte Ausfertigung der AU-Bescheinigung in einem Freiumschlag der AOK. Die AU-Bescheinigung ging am 16.3.2016 bei der Beklagten in Bochum ein und wurde sodann digitalisiert.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 21.3.2016 Krankengeld vom 1.3. bis 6.3.2016 und vom 16.3. bis 20.3.2016. Zugleich stellte sie für die Zeit vom 7.3. bis 15.3.2016 das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld fest, da die Attestierung der Arbeitsunfähigkeit erst am 16.3.2016 angezeigt worden sei. Mit seinem Widerspruch erklärte der Kläger, Herr I habe sich um den postalischen Versand gekümmert. Er fügte ein Attest des Herrn I vom 5.4.2016 bei, in dem dieser angab, dem Kläger lediglich das Formular für den Arbeitgeber ausgehändigt zu haben. Der Durchschlag für die Krankenkasse sei durch die Praxis auf postalischem Weg versandt worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.3.2017 als unbegründet zurück.
Mit seiner am 12.8.2016 erhobenen Klage hat der Kläger betont, er habe die Verspätung nicht zu vertreten, da diese auf der zwischen seinem behandelnden Arzt, der AOK und der Beklagten vereinbarten und gehandhabten Verfahrensweise beruhe. Er habe die Wochenfrist durch den Eingang der AU-Bescheinigung bei der AOK gewahrt. Davon sei jedenfalls unter Bezugnahme auf die Vorschriften des SGB X auszugehen. Der Kläger überreichte ein weiteres Attest des Herrn I vom 25.08.2016. Darin erklärt dieser, die AU-Bescheinigungen für die Beklagte zusammen mit denen für die AOK in einem Kuvert an die AOK zu versenden. Die Umschläge befördere er noch am selben Tag in den Briefkasten, spätestens am nächsten Tag. Die Weiterleitung von der AOK an die Beklagte funktioniere seit Jahren problemlos. Im vorliegenden Fall müsse es zu einer postalischen Verzögerung gekommen sein.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21.3.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18.7.2017 zu verurteilen, ihm auch für den Zeitraum vom 7.3.2016 bis 15.3.2016 Krankengeld nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf den Inhalt der Verwaltungsakten verwiesen. Die von Herrn I beschriebene Weiterleitungspraxis sei ihr nicht bekannt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.10.2017 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die Beklagte habe zu Recht das Ruhen des Krankengeldanspruchs gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die Zeit vom 7.3. bis 15.03.2016 festgestellt, da die Arbeitsunfähigkeit nicht binnen einer Woche gemeldet worden sei. Es liege auch kein Ausnahmefall vor, bei dem der Kläger auf eine rechtzeitige Meldung durch seinen Vertragsarzt bzw. die von diesem mit der AOK vereinbarte Weiterleitungspraxis habe vertrauen dürfen. Denn die Beklagte habe den Vertragsarzt nicht zu Übersendung von AU-Bescheinigungen angehalten. Vielmehr habe sie den Kläger unmittelbar vor dem streitgegenständlichen Zeitraum um die Übersendung der AU-Bescheinigungen gebeten. Weder aus der Vereinbarung der Gemeinschaftspraxis mit der AOK noch durch einen Verweis auf eine allgemeine Verwaltungspraxis in entsprechender Anwendung von § 16 Abs. 2 S. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) folge, dass die Meldefrist durch den Eingang der Bescheinigung bei der AOK gewahrt werde. Denn die Beklagte sei in die Vereinbarung mit der AOK nicht einbezogen worden. Auch seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte die Weiterleitungspraxis gekannt habe. Einer entsprechenden Anwendung von § 16 Abs. 2 S. 2 SGB I stehe auch entgegen, dass der Gesetzgeber die Frist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V als Ausschlussfrist konzipiert habe, bei der eine Wiedereinsetzung nicht möglich sei. Sinn und Zweck der rechtzeitigen Meldung bei der zuständigen Krankenversicherung sei es, dieser die unverzügliche Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit zu ermöglichen. Dieses Ziel werde unterlaufen, wenn die Meldung bei einer unzuständigen Behörde ausreiche. Zu einem anderen Ergebnis gelange man auch nicht über § 5 Abs. 1 S. 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG). Nach §§ 1, 3 EntgFG sei der Anwendungsbereich des EntgFG nur auf den Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung beschränkt. Daher dürfe ein Versicherter nicht von der Meldeobliegenheit befreit werden und auch nicht auf die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch den Vertragsarzt vertrauen, wenn er zwischen dem Ende der Entgeltfortzahlung und dem Verstoß gegen die Meldeobliegenheit mehrere Monate ununterbrochen Krankengeld bezogen habe. Ein Nebeneinander der §§ 44 ff. SGB V und des § 5 EntgFG sehe das Gesetz nicht vor, da andernfalls der Anwendungsbereich des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V auf wenige Anwendungsfälle beschränkt sei.
Gegen das ihm am 17.11.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1.12.2017 Berufung eingelegt und sein Vorbringen vertieft. § 5 Abs. 1 S. 5 EntgFG regele, dass die ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers, der Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse sei, einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten müsse, dass der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt werde. Diese Regelung verdränge § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V und sei bereits dann anzuwenden, wenn der Versicherte dem Anwendungsbereich des EntgFG grundsätzlich unterfalle. Es komme nicht darauf an, ob der Versicherte tatsächlich Entgeltfortzahlung erhalte. Da die seit Jahren geübte Praxis des Herrn I mit der AOK der Beklagten bekannt gewesen, jedenfalls von ihr gebilligt worden sei, sei ihr die Verspätung zuzurechnen. Da ihm der Praxisvorgänger und Herr I gesagt hätten, dass sie die AU-Bescheinigungen an die Krankenkasse versenden, sei er davon ausgegangen, dass sie seine AU-Bescheinigungen an die Beklagte verschickten. Von den Freiumschlägen und der Weiterleitungspraxis der AOK an die Beklagte habe er keine Kenntnis gehabt. Da alles immer reibungslos geklappt habe, habe er sich auch während des aktuellen Krankengeldbezugs nicht noch einmal nach dem Verfahren erkundigt. Warum er die AU-Bescheinigung vom 22.2.2016 an die Beklagte gemailt habe, wisse er heute nicht mehr. Nach dem hier streitigen Vorfall übersende er die AU-Bescheinigungen immer selbst an die Beklagte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19.10.2017 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf ihre bisherigen Ausführungen und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Original der AU-Bescheinigung könne sie nicht vorlegen, da dieses nach der Digitalisierung vernichtet worden sei. Eine Vereinbarung über eine Weiterleitung von AU-Bescheinigungen ihrer Versicherten habe es mit der AOK nicht gegeben.
Die AOK Nordwest hat erklärt, in ihren Beleglesezentren ausschließlich AU-Bescheinigungen eigener Mitglieder zu digitalisieren. Irrläufer leite man zeitnah im Original an die jeweils zuständige Krankenkasse weiter. Dies gelte auch für AU-Bescheinigungen für die Beklagte.
Herr I hat am 26.6.2018 angegeben, seinen bei der Beklagten versicherten Patienten erklärt zu haben, den Durchschlag der AU-Bescheinigung an die Krankenkasse zu schicken. Diese Vereinbarung sei anlässlich jeder ausgestellten AU-Bescheinigung getroffen worden. Der Praxis seien ausschließlich Freiumschläge der AOK und IKK zur Verfügung gestellt worden. Ihm sei nicht bekannt, ob irgendwann einmal eine Vereinbarung mit der AOK oder der Beklagten über die Weiterleitung der AU-Bescheinigungen von der AOK an die Beklagte getroffen worden sei. Allerdings habe die Weiterleitung seit vielen Jahren problemlos geklappt. Mit dem Kläger habe er darüber nicht gesprochen. Er hat die Kopie einer E-Mail eines Mitarbeiters der AOK, Herrn X, vom 06.03.2018 übersandt. Darin erklärt dieser, die AOK leite AU-Bescheinigungen anderer Versicherter an die zuständige Krankenkasse weiter.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen den Bescheid vom 21.3.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18.7.2017 zu Recht mit Urteil vom 19.10.2017 abgewiesen. Denn die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten nach § 54 Abs. 2 S.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat für die Zeit vom 7.3. bis 15.3.2016 keinen Anspruch auf Krankengeld.
Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld ergeben sich aus den Regelungen des Zweiten Titels des Fünften Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB V (§§ 44 ff. SGB V), die hier in der mit dem 23.07.2015 in Kraft getretenen Fassung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (BGBl. I 2015, 1211-1244; BR-Drs. 641/14) zur Anwendung gelangen. Danach setzt der Anspruch auf Krankengeld zunächst voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ärztlich festgestellt wurde und er weiterhin gegen das Risiko der Arbeitsunfähigkeit bei der Beklagten versichert gewesen ist (vgl. § 44 Abs. 1 SGB V). Beides ist vorliegend unstreitig der Fall, da der Kläger in einem Beschäftigungsverhältnis stand und Arbeitsunfähigkeit vom 7.3. bis 15.3.2016 durch Herrn I festgestellt worden war.
Der Krankengeldanspruch des Klägers ruhte jedoch nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V in der Zeit vom 7.3. bis 15.3.2016.
Gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.
Der Kläger kann einen Zugang der AU-Bescheinigung vom 7.3.2016 vor dem 16.3.2016 nicht nachweisen. Diese ist ausweislich des Eingangsstempels am 16.3.2016 bei der Beklagten eingegangen. Eine Wiedereinsetzung in die Wochenfrist scheidet aus, weil es sich bei dieser um eine Ausschlussfrist handelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80 Rn. 22; Brinkhoff in jurisPK-SGB V, Stand: 23.02.2016, § 49 Rn. 47 m.w.N.; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Erg.-Lfg. 10/14 X/14, K § 49 Rn. 63).
Unabhängig davon, dass der Kläger auch nicht nachweisen kann, wann die AU-Bescheinigung bei der AOK eingegangen ist, kann er die Wochenfrist nicht durch den Eingang der AU-Bescheinigung bei einer unzuständigen Krankenkasse wahren. Denn die Vorschrift des § 16 Abs. 2 SGB I ist nicht auf § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V anzuwenden. Nach § 16 Abs. 2 SGB I sind Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist. Nach § 37 Satz 1 SGB I gelten das Erste und Zehnte Buch für alle Sozialleistungsbereiche der Sozialgesetzbücher, soweit sich aus ihnen nichts Abweichendes ergibt; § 68 bleibt unberührt. Satz 2 bestimmt, dass der Vorbehalt nicht für die §§ 1 bis 17 und 31 bis 36 gilt. Auch wenn das Übersenden einer AU-Bescheinigung an die Krankenkasse als Antrag auf Gewährung von Krankengeld verstanden werden könnte, setzt § 44 SGB V als Anspruchsvoraussetzung neben der Versicherung mit einem Anspruch auf Krankengeld und Arbeitsunfähigkeit nur den Nachweis einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit voraus. Die Meldung des Versicherten durch die Vorlage der AU-Bescheinigung ist daher nur eine bloße Tatsachenmitteilung und keine Willenserklärung (siehe schon BSG Urteil v. 12.11.1985 – 3 RK 35/84 – SozR 2200 § 216 Nr. 8). Da das Gesetz auch nicht bestimmt, von wem die Mitteilung auszugehen hat, genügt es, dass die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse überhaupt bekanntgegeben wird. Das BSG hat (a.a.O.) zu der Vorgängervorschrift des § 216 Abs. 3 RVO als Begründung hierfür ausgeführt, dass es der Krankenkasse – anders als bei einer bloßen Antragsfrist – ermöglicht werden soll, die Arbeitsunfähigkeit durch einen Vertrauensarzt rechtzeitig nachprüfen zu lassen, um sowohl eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen zu verhindern als auch zeitnah Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu treffen (so auch LSG Bayern, Urteil vom 17.1.2008 – L 4 KR 77/05; Brinkhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 49 SGB V Rn.45).
Entgegen der Auffassung des Klägers gehörte das Übersenden der AU-Bescheinigung an die Beklagte auch zu seinen Obliegenheiten. Die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Die Gewährung von Krankengeld bei verspäteter Meldung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben waren und die Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft (BSG, Urteile vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R -, vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R – und vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R -, jeweils in juris). Die an die nicht oder nicht rechtzeitig erstattete Meldung der Arbeitsunfähigkeit geknüpfte Wirkung, dass der Anspruch auf Krankengeld zeitweise ruht, tritt daher auch dann ein, wenn der Versicherte die Meldung rechtzeitig zur Post gegeben und diese durch den Postlauf verzögert oder gar nicht bei der Beklagten eingeht (siehe schon BSG, Urteil vom 24.06.1969, – 3 RK 64/66 -, in juris). Dieser Grundsatz gilt auch im vorliegenden Fall. Zwar hat das BSG in seinem Urteil vom 28.10.1981 (B 3 RK 59/80) zu der bis zum 31.12.1994 geltenden Vorgängervorschrift § 3 Abs. 1 Satz 3 Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) ausgeführt, dass sich durch die Einführung dieser Norm eine Einschränkung des Verantwortungsbereichs des Versicherten ergeben habe. § 3 Abs. 1 Satz 3 LFZG und der dieser Norm ab dem 1.6.1994 nachfolgende § 5 Abs. 1 Satz 3 EntgFG sehen vor, dass die ärztliche AU-Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten muss, dass der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird. Das BSG hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass sich aus dem Umstand, dass die AU-Bescheinigung den Hinweis des § 3 Abs. 1 Satz 3 LFZG enthalte, ergebe, dass dem Versicherten mit Anspruch auf Lohnfortzahlung die Meldeobliegenheit an die Krankenkasse abgenommen werde. Behandele der Vertragsarzt einen Versicherten ohne Anspruch auf Lohnfortzahlung (z.B. Arbeitslosengeld) bei der Erstellung und Aushändigung wie einen Versicherten mit Anspruch auf Lohnfortzahlung, so könne dieser, wenn ihm die Unrichtigkeit dieser Verfahrensweise nicht bekannt gewesen sei oder hätte bekannt sein müssen, darauf vertrauen, dass die Krankenkasse unverzüglich von der Arbeitsunfähigkeit unterrichtet werde. In der jüngeren Rechtsprechung wird hingegen vertreten, dass §§ 1 ff. EntgFG die Zahlung des Arbeitsentgelts an gesetzlichen Feiertagen und die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall an Arbeitnehmer sowie die wirtschaftliche Sicherung im Bereich der Heimarbeit für gesetzliche Feiertage und im Krankheitsfall regele. Gemäß § 3 EntgFG sei der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gegenüber dem Arbeitgeber begrenzt. Bereits aus diesem begrenzten Anwendungsbereich ergebe sich, dass die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 5 EntgFG nicht von der Obliegenheitsverpflichtung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V suspendieren wolle. Von der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber sei vielmehr der nachfolgende Zeitraum der Zahlung von Krankengeld durch die Krankenkasse zu unterscheiden. Dies werde auch durch § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V deutlich, wenn dort ein Anspruch auf Krankengeld im Fall der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausgeschlossen werde. Ein Nebeneinander der Regelungen des EntgFG und der §§ 44 ff. SGB V sehe das Gesetz nicht vor. Diese stünden vielmehr in einem Ausschließungsverhältnis. Jedes andere Verständnis schränkte den Anwendungsbereich des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V derart ein, dass für diesen quasi kein Anwendungsbereich mehr verbleibe (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2017 – L 5 KR 2067/17, Revision anhängig unter B 3 KR 23/17 R, SG Detmold, Urteil vom 12.1.2018 – S 3 KR 824/16; so auch Knittel in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, SGB V § 49 Rn. 33 f.). Dem schließt sich der Senat an, auch wenn es im vorliegenden Fall nicht darauf ankommt. Denn auch nach der Rechtsprechung des BSG liegen im vorliegenden Fall schon die Voraussetzungen für eine Gleichbehandlung des Klägers mit Beziehern von Entgeltfortzahlung nicht vor. Herr I hat den Kläger nicht wie einen Versicherten behandelt, der Entgeltfortzahlung bezieht. Dies hat der Kläger auch nicht vorgetragen. Es liegt kein auch Anhaltspunkt dafür vor, dass Herr I irrig davon ausging, der Kläger beziehe im streitgegenständlichen Zeitraum (oder davor) Entgeltfortzahlung. Dies ergibt sich aus den in 2016 ausgestellten AU-Bescheinigungen für die Krankenkasse, auf denen Herr I das Feld "im Krankengeldfall – ab 7. AU-Woche oder sonstiger Krankengeldfall" angekreuzt hat. Zudem findet sich auf den dem Senat vorliegenden AU-Bescheinigungen, die in 2015 ausgestellt wurden der Hinweis "Bei verspäteter Meldung droht Krankengeldverlust!". Des weiteren hätte dem Kläger bekannt sein müssen, dass nicht Herr I, sondern er selbst für die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit Sorge zu tragen hat. Denn der Kläger wurde nicht nur in dem Schreiben der Beklagten vom 18.9.2015 darum gebeten, die ärztliche Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit wieder im Original bei der Beklagten einzureichen. Er wurde auch in dem Merkblatt darauf hingewiesen, dass die Bescheinigung spätestens sieben Tage nach der Feststellung der AU bei der Beklagten sein müsse, da bei verspätetem Eingang Krankengeldverlust drohe. Auf der für den Versicherten bestimmten AU-Bescheinigung vom 22.2.2016, die dem Kläger unmittelbar vor dem hier streitigen Zeitraum ausgehändigt wurde, wurde er ebenfalls noch einmal zeitnah darauf hingewiesen, dass er auf einen lückenlosen Nachweis von Arbeitsunfähigkeit achten muss und dass bei verspäteter Meldung Krankengeldverlust drohe.
Die Voraussetzungen für eine Nachsichtgewährung liegen ebenfalls nicht vor.
Eine Nachsichtgewährung kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80 Rn. 20, 22 m.w.N.), der sich der erkennende Senat in diesem Zusammenhang angeschlossen hat (Urteil vom 2.1.2018 – L 5 KR 265/17, anhängig unter B 3 KR 6/18 R, Urteile vom 26.4.2018 – L 5 KR 783/17 und L 5 KR 845/17, anhängig unter B 3 KR 13/18 R und B 3 KR12/18 R) in Betracht, wenn dafür besondere Gründe vorliegen und die vom Gesetzgeber mit der Ausschlussfrist verfolgten Ziele und die dabei zu berücksichtigenden Interessen nicht entgegenstehen. Denn in solchen Fällen kann sich die Berufung des Versicherungsträgers auf die Ausschlussfrist als rechtsmissbräuchlich darstellen (vgl. BSG a.a.O. Rn. 22). Sinn und Zweck des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ist es – ebenso wie des § 46 S. 1 SGB V -, Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung einer AU und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen können (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R Rn. 14 f., 17).
Davon ausgehend hat das Bundessozialgericht (Urteil vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80 Rn. 23 ff.) für die Vorgängerregelung zu § 49 Nr. 5 SGB V (§ 216 Abs. 3 RVO) und in nachfolgenden Entscheidungen zu § 49 Nr. 5 SGB V (vgl. etwa BSG, Urteil vom 8.11.2005 – B 1 KR 30/04 R Rn. 15 ff.) zwar entschieden, dass die Meldeobliegenheit – ebenso wie § 46 S. 1 SGB V – stets strikt auszulegen ist (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R m.w.N.) und sich Versicherte bei unterbliebener oder verzögerter Meldung auch nicht auf fehlendes (eigenes) Verschulden (etwa wegen unvorhersehbar langer Postlaufzeiten) berufen können (vgl. Urteil vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80 Rn. 23 und Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 Rn. 17 – jeweils m.w.N.).
Daraus, dass das Gesetz die Meldung der AU grundsätzlich dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuweist, ergibt sich jedoch nicht, dass der Krankenkasse kein eigener Verantwortungsbereich mehr verbleibt. Vielmehr kann der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes unter Umständen dem Ruhen des Krankengeldanspruches entgegenstehen. Ein Ruhen des Krankengeldanspruchs ist nicht gerechtfertigt, wenn ein Versicherter die AU rechtzeitig "gemeldet" hat, der Zugang der Meldung aber durch Umstände verhindert oder verzögert wurde, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sind (BSG, Urteil vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80 Rn. 24).
Die Voraussetzungen für eine Nachsichtgewährung bei Versäumung der Meldefrist hat das BSG (Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R Rn. 22) folgendermaßen konkretisiert: Hat der Versicherte alles in seiner Macht stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde er daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert und macht er seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend, kann er sich auf die Fehlentscheidung auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen.
Diese Kriterien entsprechen im Wesentlichen auch den Grundsätzen, die in der neueren Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 22/15 R) zu der gleich gelagerten (s.o.) Bestimmung des § 46 S. 1 SGB V entwickelt worden sind und finden auch auf den hier vorliegenden Fall Anwendung.
Hier hat der Kläger nicht alles in seiner Macht stehende und ihm Zumutbare unternommen, um seinen Anspruch auf Krankengeld zu sichern. Auch wenn der Senat davon ausgeht, dass der Kläger darauf vertraut hat, dass sich Herr I um die Versendung der AU-Bescheinigungen kümmern werde und es in der Vergangenheit noch nicht zu Verspätungen gekommen war, hat er sich letztlich bei der ihm obliegenden Aufgabe eines Erfüllungsgehilfen bedient, dessen Verschulden er sich ebenso zurechnen lassen muss wie eine Verzögerung bei der postalischen Beförderung. Auf Grund der Hinweise der Beklagten in ihrem Schreiben vom 18.8.2015 und in dem Merkblatt sowie auf der unmittelbar zuvor erhaltenen AU-Bescheinigung vom 22.2.2016 hätte er sich (wie dort auch angeregt) bei der Beklagten wenigstens nach seinen Obliegenheiten erkundigen müssen und nicht darauf vertrauen dürfen, "dass schon alles gut gehen werde". Unabhängig davon hätte er bei genauerer Nachfrage bei Herrn I von der Versendung der AU-Bescheinigung in letztlich falsch adressierten Umschlägen und der "Weiterleitungspraxis" über die AOK erfahren und erkennen können, dass bei dieser Verfahrensweise das Einhalten der Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 6 SGB V ungewiss ist. Dies hätte den Kläger – wie nach dem hier streitigen Vorfall ja auch geschehen- früher dazu veranlasst, die AU-Bescheinigungen wieder selbst an die Beklagte zu senden.
Eine (Fehl)Entscheidung der Beklagten, die den Kläger im vorliegenden Fall daran hinderte, seinen Krankengeldanspruch zu wahren, liegt ebenfalls nicht vor, da die Beklagte Herrn I keine Freiumschläge überlassen hat und ihr die "Weiterleitungspraxis" über die AOK auch nicht bekannt gewesen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 Abs. 1 S. 1, 183 SGG.
Der Senat hat die Revision im Hinblick auf das anhängige Verfahren B 3 KR 23/17 R wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen; § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Erstellt am: 12.11.2019
Zuletzt verändert am: 12.11.2019