Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.09.2017 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 600,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist die Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung und in diesem Zusammenhang insbesondere die Berechtigung der Beklagten zur Aufrechnung einer Forderung.
Die Klägerin ist Trägerin des gemäß § 108 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) zugelassenen Krankenhauses "Lungenklinik I". Dort wurden die bei der Beklagten Versicherten N M (vom 21.02.2011 bis 05.03.2011) sowie H H (vom 27.05.2011 bis 01.07.2011) vollstationär behandelt. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zeigte der Klägerin unter dem 05.04.2011 bzw 31.08.2011 Prüfaufträge der Beklagten gemäß § 275 Abs 1 SGB V an. Nachdem die sodann durchgeführten Prüfungen nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hatten, zahlte die Beklagte gemäß § 275 Abs 1c S 3 SGB V jeweils eine Aufwandspauschale iHv 300,00 EUR (insgesamt 600,00 EUR) an die Klägerin.
Mit Schreiben vom 10.12.2015 machte die Beklagte einen Erstattungsanspruch bezüglich der geleisteten Aufwandspauschalen geltend. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe in beiden Fällen eine sachlich-rechnerisch Richtigkeitsprüfung und nicht eine Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs 1c SGB V stattgefunden. Zugleich erklärte die Beklagte die Aufrechnung des Betrags iHv 600,00 EUR gegen eine unstreitige Vergütungsforderung der Klägerin aus der Behandlung des Versicherten L T (LT).
Die Klägerin hat am 11.01.2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben, mit der der sie die vollständige Vergütung aus der Behandlung von LT begehrt hat. Sie hält die Aufrechnung für unwirksam, weil ihr ein Aufrechnungsverbot nach § 15 Abs 4 S 2 des nordrhein-westfälischen Landesvertrages nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V (Landesvertrag NRW) entgegenstehe. Weder lägen die dort verlangte Beanstandung rechnerischer Art, noch eine Rücknahme der Kostenzusage oder unzutreffende Angaben des Krankenhauses vor.
Demgegenüber hat die Beklagte die Ansicht vertreten, der Anwendungsbereich des Aufrechnungsverbotes nach § 15 Abs 4 S 2 des Landesvertrages NRW sei nicht eröffnet. Denn dieser Vertrag regele ausschließlich die Voraussetzungen von stationärer Krankenhausbehandlung und deren Vergütung. Die Beklagte habe indes nicht mit einer Vergütungsforderung aus stationärer Behandlung sondern mit einer Verwaltungspauschale aufgerechnet. Maßgeblich für die Anwendbarkeit des Landesvertrages sei die Forderung, welcher sich die Krankenkasse berühme.
Das SG hat mit Urteil vom 12.09.2017 die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 600,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über den jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 11.01.2016 zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Aufrechnung verstoße gegen das Aufrechnungsverbot des § 15 Abs. 4 Satz 1 Landesvertrag NRW. Dieses lasse nach der ständigen Rechtsprechung des Landessozialgerichts NRW (LSG NRW) eine Aufrechnung nur in den dort ausdrücklich genannten Fällen zu (Bezugnahme auf ua eine Urteil des LSG NRW vom 27.03.2003, L 5 KR 141/01). Der Erstattungsanspruch der Beklagten begründe sich aber auf keine dieser Fall-gestaltungen. Weder hätten ein Rechenfehler vorgelegen, noch unzutreffende Angaben der Klägerin. Auch eine Kostenzusage sei nicht zurückgenommen worden. Die Beklagte berufe sich zur Begründung des Erstattungsanspruchs, mit welchem sie gegen die Forderung der Klägerin aus dem Behandlungsfall LT aufgerechnet habe, vielmehr auf eine höchstrichterliche Rechtsfortbildung des BSG. § 15 Abs 4 S 2 des Landesvertrages NRW sei entgegen der Auffassung der Beklagten auch einschlägig, da auf die Rechtsnatur der Hauptforderung, nicht diejenige der Gegenforderung abzustellen sei.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 17.10.2017 zugestellte Urteil am 10.11.2017 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft und insbesondere darauf hinweist, ihrer Auffassung nach sei bereits der Anwendungsbereich des § 15 Abs 4 des Landesvertrags NRW nicht eröffnet, da es sich bei der Aufwandspauschale um keinen Anspruch auf Vergütung handle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.09.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es liege auf der Hand und bedürfe keiner weiteren höchstrichterlichen Klärung, dass es unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Aufrechnungsverbots für die Anwendbarkeit von § 15 Abs 4 Landesvertrag NRW auf die Rechtsnatur des Hauptanspruchs des Krankenhausträgers und nicht auf diejenige des Gegenanspruchs der Krankenkasse ankomme, was das LSG NRW bereits in einem Beschluss vom 30.10.2017 (L 16 KR 780/16 NZB) klargestellt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen. Diese Akten waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält der Senat nicht für erforderlich. Das Rechtsmittel wird daher ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§ 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung weiterer 600,00 EUR aufgrund der stationären Krankenhausbehandlung des LT. Der Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 10.830,33 EUR ist in Höhe dieses Restbetrages weiterhin offen, weil die von der Beklagten erklärte Aufrechnung unwirksam ist. Dabei kann offen bleiben, ob der von der Beklagten geltend gemachte Erstattungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach bestand. Jedenfalls konnte die Beklagte mit diesem Anspruch nicht gegen den Vergütungsanspruch der Klägerin aufrechnen.
Rechtsgrundlage des restlichen Vergütungsanspruchs der Klägerin wegen der stationären Behandlung des LT ist § 109 Abs 4 S 3 SGB V iVm § 7 S 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Fallpauschalensystem 2011; Deutsche Kodierrichtlinien Version 2011) und auf Landesebene durch den Landesvertrag NRW konkretisiert. Hiernach stand der Klägerin für die stationäre Behandlung von LT der geltend gemachte Vergütungsanspruch in voller Höhe zu, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Einwände gegen die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung oder die Wirtschaftlichkeit der Behandlung hat die Beklagte nicht erhoben und sind auch nicht ersichtlich. Bezüglich eines Restbetrags iHv 600,00 EUR ist noch keine Erfüllung eingetreten, weil die von der Beklagten gegen die Klageforderung erklärte Aufrechnung unwirksam und eine Zahlung nicht erfolgt ist.
Rechtsgrundlage für eine Aufrechnung von Krankenkassen zur Erfüllung von Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser ist § 69 Abs 1 S 3 SGB V iVm §§ 387 ff des Bürgerlichen Gesetzbuchs (stRspr des BSG, vgl ua Urteil vom 19.09.2013, B 3 KR 31/12 R in juris, Rn 11 mwN). Begrenzt wird die Berechtigung zur Aufrechnung durch § 15 Abs 4 des Landesvertrages NRW. Dieser Vertrag ist zwar am 08.04.2003 gekündigt worden, die Vertragsparteien haben sich aber darauf verständigt, den Vertrag bis zu einer Neuregelung weiter zu praktizieren. Da ein neuer Vertrag bislang nicht zustande gekommen ist, ist der gekündigte Vertrag weiter anzuwenden, was auch von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt wird (vgl auch LSG NRW, Urteil vom 24.05.2012, L 16 KR 8/09, juris Rn 21).
Nach § 15 Abs 4 des Landesvertrages können Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht werden (S 1). Bei Beanstandungen rechnerischer Art sowie nach Rücknahme der Kostenzusage und falls eine Abrechnung auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht, können überzahlte Beträge verrechnet werden (S 2). Die Regelung in Satz 2 statuiert, wie das LSG NRW in der bereits vom SG in Bezug genommenen ständigen Rechtsprechung, der der erkennende Senat sich anschließt, entschieden hat, ein vertragliches Aufrechnungsverbot, wenn die dort ausdrücklich genannten Voraussetzungen für eine zulässige Verrechnung nicht erfüllt sind. Insoweit können Krankenkassen Erstattungsansprüche nur klageweise geltend machen.
Die Urteile des BSG vom 25.10.2016 (B 1 KR 6/16 R, B 1 KR 7/16 R, B 1 KR 9/16 R) geben keinen Anlass, von dieser ständigen Rechtsprechung abzuweichen, da sie sämtlich andere Fallgestaltungen betreffen. Soweit das BSG entschieden hat, in einer Pflegesatzvereinbarung könnten die Vertragsparteien nach § 18 Abs 2 KHG kein Aufrechnungsverbot begründen (vgl BSG, Urteil vom 25.10.2016, B 1 KR 9/16 KR, juris Rn 17 ff), weil es hierfür an einer Ermächtigungsgrundlage fehle, ist dies auf das aus § 15 Abs 4 S 2 des Landesvertrages NRW folgende Aufrechnungsverbot nicht übertragbar. Denn § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 Buchst b SGB V ermächtigt ausdrücklich zur Vereinbarung von Regelungen auch über die Abrechnung der Entgelte. Dies schließt die Möglichkeit von Vereinbarungen über die Zulässigkeit und Grenzen von Aufrechnungen mit ein (vgl LSG NRW, Urteile vom 03.06.2003, L 5 KR 205/02, juris Rn 23 und vom 06.12.2016, L 1 KR 358/15, juris Rn 46).
Dieses Aufrechnungsverbot greift vorliegend auch, weil, was auch die Beklagte nicht bestreitet, ihrer Gegenforderung weder eine Beanstandung rechnerischer Art, noch die Rücknahme einer Kostenzusage oder unzutreffende Angaben des Krankenhauses zugrunde liegen. Dies hat das SG zudem bereits zutreffend dargelegt. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen nach § 153 Abs 2 SGG Bezug.
Soweit die Beklagte meint, das Aufrechnungsverbot des § 15 Abs 4 des Landesvertrages NRW sei vorliegend nicht anwendbar, weil die von ihr zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung, der Erstattungsanspruch wegen der geleisteten Aufwandspauschalen, vom Landesvertrag NRW nicht erfasst werde, ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Beurteilung der Anwendbarkeit der Regelungen des Landesvertrages allein auf den im Wege der Klage geltend gemachten Anspruch ankommt. Der Landesvertrag NRW regelt ua die Einzelheiten der Geltendmachung und Abrechnung von Vergütungsansprüchen zugelassener Krankenhäuser aus der stationären Behandlung Versicherter. Einen solchen Anspruch macht die Klägerin vorliegend geltend. Damit ist für die Frage, ob der Anspruch durchsetzbar ist, ohne weiteres auf den Landesvertrag NRW zurückzugreifen. Auf die Rechtsnatur der Gegenforderung kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (so bereits Beschluss des LSG NRW vom 30.10.2017, L 16 KR 780/16 NZB, juris Rn 9).
Der Entscheidung des Senats steht, entgegen der Ansicht der Beklagten, auch nicht das Urteil des BSG vom 28.11.2013 (B 3 KR 4/13 R), wonach es sich bei der Aufwandspauschale nicht um einen Vergütungsanspruch handelt, entgegen. Denn vorliegend ist, wie dargelegt, nicht eine Aufwandspauschale sondern allein der Vergütungsanspruch aus dem Behandlungsfall LT eingeklagt.
Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 15 Abs 1 S 4 des Landesvertrags NRW.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 154 Abs 2, 161 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Anlass, die Revision nach § 160 Abs 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, 52 Abs 1 und Abs 3 S 1, 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Erstellt am: 23.06.2020
Zuletzt verändert am: 23.06.2020