1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.877,99 EUR zuzüglich
Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.03.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 3.877,99 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Zahlungsforderung nach einer Nachkodierung der Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin ist Trägerin des B L I. Dieses ist zur stationären Krankenhausbehandlung gesetzlich Krankenversicherter zugelassen.
In der Zeit vom 02.09.2015 bis zum 22.09.2015 befand sich der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Herr L M (Versicherter) in der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie im Krankenhaus der Klägerin zur Implantation einer Hüftendoprothese links am 03.09.2015. Im postoperativen Verlauf bestand der Verdacht einer Verunreinigung mit Mikkrokokus luteus, weswegen der Versicherte ab dem 15.09.2015 dreimal täglich mit dem Medikament Clindamycin 600 mg behandelt wurde. Am 22.09.2015 wurde der Versicherte in die ambulante Nachbehandlung mit der Empfehlung zur Fortführung der medikamentösen Behandlung zur Prophylaxe für sechs Wochen entlassen. Für den stationären Aufenthalt stellte die Klägerin der Beklagten am 14.10.2015 unter der DRG I47B (Revision oder Ersatz des Hüftgelenkes ohne komplizierende Diagnose, ohne Arthrodese, ohne äußerst schwere CC, Alter ) 15 Jahre, ohne komplizierenden Eingriff) einen Betrag in Höhe von 7.997,47 EUR in Rechnung. Die Beklagte beglich diesen Betrag zunächst vollständig.
Mit Prüfanzeige vom 30.10.2015 leitete die Beklagte sodann ein Prüfverfahren durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) unter der Fragestellung: "War die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer medizinisch begründet? Warum hat die Krankenhausbehandlung über die obere Grenzverweildauer angedauert?", ein. Mit Gutachten vom 21.12.2015 kam dieser zu dem Ergebnis, dass die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer begründet gewesen sei. Zudem bestätigte der MDK das Auffinden eines Keims im präoperativen Abstrich. Unter Bezugnahme auf das Gutachten bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 11.01.2016 gegenüber der Klägerin die Korrektheit der Abrechnung.
Unter dem 11.02.2016 erstellte die Klägerin eine neue Schlussrechnung unter der DRG I03B (Revision oder Ersatz des Hüftgelenks mit komplexer Diagnose oder Arthrodese oder Alter ( 16 Jahre oder beidseitige oder mehrere gr. Eingriffe an Gelenken der unteren Extremitäten mit komplexem Eingriff, ohne äußerst schwere CC, ohne mehrzeit. Wechsel, ohne Eingriff an mehreren Lokalisationen) in Höhe von 11.875,46 EUR. Die Neukodierung sei erforderlich, da in der vorherigen Abrechnung die Nebendiagnosen M00.95/B96.8! (Infektiöse Arthritis ohne nähere Angaben Hüfte (Hüftgelenk)/Sonstige näher bezeichnete Bakterien als Ursache von Krankheiten, die in den anderen Kapiteln klassifiziert sind) vergessen wurden.
Mit Schreiben vom 22.02.2016 lehnte die Beklagte die Nachkodierung ab, da diese nach § 7 Abs. 5 SS. 1-2 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) nicht mehr zulässig sei. Mit Schreiben vom 26.02.2016 verwies die Klägerin darauf, dass die Neuberechnung zulässig sei, da die Fünf-Monats-Frist der Prüfverfahrensvereinbarung und die Jahresfrist der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eingehalten seien. Zudem enthalte die Prüfverfahrensvereinbarung keine Ausschlussfrist. Zu einer weiteren Vergütung kam es in der Folge nicht.
Mit der am 18.04.2016 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung der noch offenen Vergütung unter der DRG I03B in Höhe von 3.877,99 EUR weiter. Die Nachkodierung sei medizinischen gerechtfertigt, da die Infektion des Hüftgelenks durch den nachgewiesenen Erreger Mikrokokkus luteus erfolgt sei und eine Behandlung mit Clindamycin eingeleitet wurde. Die Nachforderung sei zulässig und auch nicht verwirkt, weil sie innerhalb eines Jahres nach Erteilung der ersten Schlussrechnung erfolgt sei und es sich nicht um einen Bagatellbetrag handle. Auch sei die Fünf-Monats-Frist nach § 7 Abs. 5 PrüfvV eingehalten. Diese gelte auch weiter, wenn die MDK-Prüfung abgeschlossen ist, denn eine Letztentscheidungsbefugnis komme dem MDK nicht zu. Ferner entfalte die Regelung des § 7 Abs. 2 PrüfvV keine Ausschlusswirkung, weil die Regelung einer Ausschlussfrist nicht von der Rechtsgrundlage des § 17c Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) gedeckt sei und eine solche Frist einen ungerechtfertigten Eingriff in den durch Art. 14 Grundgesetz (GG) geschützten Vergütungsanspruch darstelle.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.877,99 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, dass nach Beendigung der MDK-Begutachtung und der Bekanntgabe des Prüfergebnisses die Nachkodierung nach §§ 7 Abs. 5, 8 PrüfvV ausgeschlossen sei.
Mit Schriftsatz vom 25.04.2017 hat die Beklagte mitgeteilt, dass sie zur mündlichen Verhandlung nicht erscheinen werde und sich mit einer Entscheidung in ihrer Abwesenheit einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die von der Beklagten beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Das Gericht konnte trotz des Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2017 verhandeln und entscheiden, da sie rechtzeitig und unter Hinweis auf § 110 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geladen worden ist und sie zudem mit einer Entscheidung in ihrer Abwesenheit einverstanden gewesen ist.
Die Klage ist als echte Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R, zit. nach juris).
Die Klägerin ist berechtigt den stationären Aufenthalt des Versicherten unter der DRG I03B abzurechnen. Aus der Rechnung vom 11.02.2016 steht ihr daher gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des sich unter Abzug der auf die Rechnung vom 14.10.2015 bereits geleisteten Zahlung von 7.997,47 EUR ergebenden streitgegenständlichen Betrages von 3.877,99 EUR zu.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs eines zugelassenen Krankenhauses für eine stationäre Behandlung ist § 109 Abs. 4 S. 3 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – (SGB V) in Verbindung mit §§ 7 Satz 1 Nr. 1, 8 Abs. 2 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgeltG) und § 17b KHG, die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2015 und die von den Vertragsparteien auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) für das Jahr 2015. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung – wie hier – in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erforderlich ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 13.11.2012, Az.: B 1 KR 14/12 R, zit. nach juris m.w.N.).
Danach ist die Abrechnung unter der DRG I03B zulässig, da die stationäre Behandlung des Versicherten im Krankenhaus der Klägerin nach § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erforderlich war und die Nachverschlüsselung der Nebendiagnosen M00.95/B96.8! nach Auffassung der Kammer zutreffend ist.
Nach DKR D003l ist die Nebendiagnose definiert als: "Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt.” Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist:
• therapeutische Maßnahmen • diagnostische Maßnahmen • erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand
Bei Patienten, bei denen einer dieser erbrachten Faktoren auf mehrere Diagnosen (entweder Hauptdiagnose und Nebendiagnose(n) oder mehrere Nebendiagnosen) ausgerichtet ist, können alle betroffenen Diagnosen kodiert werden. Somit ist es unerheblich, ob die therapeutische(n)/diagnostische(n) Maßnahme(n) bzw. der erhöhte Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand auch in Bezug auf die Hauptdiagnose geboten waren."
Ferner kann ein Krankheitsverdacht als Verdachtsdiagnose kodiert werden. Verdachtsdiagnosen werden nach DKR D008b als Diagnosen definiert, "die am Ende eines stationären Aufenthaltes weder sicher bestätigt noch sicher ausgeschlossen sind. Verdachtsdiagnosen werden unterschiedlich kodiert, abhängig davon, ob der Patient nach Hause entlassen oder in ein anderes Krankenhaus verlegt wurde. Wenn eine Behandlung eingeleitet wurde und die Untersuchungsergebnisse nicht eindeutig waren, ist die Verdachtsdiagnose zu kodieren.
Unter Berücksichtigung der Richtlinie, des Entlassberichts vom 17.09.2015 und des MDK-Gutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass die Angabe der Nebendiagnosen M00.95/B96.8! berechtigt ist. Der Verdacht auf eine Keiminfektion ist durch die beschriebene Anreicherung multisensibler Mikrokokkus luteus im Keimabstreich begründet und wird auch vom MDK bestätigt. Durch die Verabreichung des Medikaments Clindamycin dreimal täglich ist auch eine Behandlung eingeleitet worden, welche das Patientenmanagement sowohl im diagnostischen als auch therapeutischen Rahmen beeinflusst hat. Medizinische Anhaltspunkte die gegen die Nachkodierung sprechen sind der Kammer nicht ersichtlich und werden auch von der Beklagten nicht benannt. Mangels der Geltendmachung von Einwänden gegen die Richtigkeit der Rechnungskorrektur, insbesondere gegen die Richtigkeit des Ansatzes der DRG I03B, ist die Beklagte zudem von der Erhebung etwaiger Einwände gegen die Richtigkeit dieser Rechnung nunmehr ausgeschlossen. Sowohl aus § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V als auch aus § 6 Abs. 2 S. 2 PrüfvV folgt, dass Einwände gegen die Richtigkeit einer Krankenhausabrechnung nur innerhalb einer sechswöchigen Frist ab Eingang der Abrechnung erhoben werden können. Diese Frist ist hier abgelaufen.
Zur Überzeugung der Kammer war die Klägerin, entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten, auch zur Nachkodierung berechtigt. Dem Zahlungsanspruch steht weder der Einwand der Verwirkung noch eine Ausschlussfrist nach § 7 Abs. 5 SS. 1-2 PrüfvV i.V.m. § 8 S. 1 PrüfvV entgegen.
Der zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und den Verbänden der Krankenkassen geschlossene Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V über "Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung" (Landesvertrag NRW) enthält weder eine Regelung, die die Nachberechnung ausschließt, noch eine solche, die eine zeitliche Grenze dafür setzt. Mangels ausdrücklicher (vertraglicher oder gesetzlicher) Regelung richtet sich somit die Zulässigkeit von Nachforderungen eines Krankenhausträgers wegen Behandlung eines Versicherten gemäß dem über § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V auf die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhaus und Krankenkassen einwirkenden Rechtsgedanken des § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Treu und Glauben in Gestalt der Verwirkung.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des nunmehr für den Bereich der Abrechnungsstreitigkeiten stationärer Krankenhausbehandlungen zuständigen 1. Senats passt das Rechtsinstitut der Verwirkung als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht. Es findet nämlich nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung. Ein Verwirkungsverhalten kommt daher nur in Betracht bei der vorbehaltlosen Erteilung einer nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnung eines Krankenhauses. Eine Vertrauensgrundlage entsteht in der Regel im Anschluss hieran, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden noch nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der Krankenkassen geltend macht. Der Vertrauenstatbestand erwächst daraus, dass die Krankenkasse regelhaft darauf vertraut, dass das Krankenhaus insoweit keine weiteren Nachforderungen erhebt. Hieran richtet sie ihr Verhalten aus, indem sie davon Abstand nimmt, die Abrechnung als zweifelhaft zu behandeln und – im Kontext sonstiger streitiger Forderungen – dafür haushaltsrechtlich relevante Vorkehrungen zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2016, Az.: B 1 KR 40/15, Rn. 21, zit. nach juris m.w.N.).
Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer ausdrücklich an, sodass die von der Klägerin im nachfolgenden Haushaltsjahr 2016 vorgenommene nachträgliche Korrektur der ersten Rechnung aus dem Jahr 2015 nicht verwirkt und damit zulässig ist.
Zur Überzeugung der Kammer folgt etwas Anderes auch nicht unter Berücksichtigung der für stationäre Krankenhausbehandlungen aus dem Jahr 2015 anwendbaren Prüfverfahrensvereinbarung 2015, die zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) nach § 17c Abs. 2 KHG zur Regelung des "Näheren" zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V am 04.08.2014 vereinbart wurde (so im Ergebnis auch SG Reutlingen, Urteil vom 11.01.2017, Az.: S 1 KR 3109/15 und SG Kassel, Gerichtsbescheid vom 25.11.2016, Az.: S 12 KR 594/15; entgegen, SG Köln, Urteil vom 04.05.2016, Az.: S 23 KN 108/15 KR, alle zit. nach juris).
Nach § 3 S. 1 PrüfvV hat die Krankenkasse die von dem Krankenhaus übermittelten Leistungs- und Abrechnungsdaten im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen und Korrektheit deren Abrechnung näher zu prüfen. Erkennt die Krankenkasse bei der Prüfung nach § 3 Auffälligkeiten, die es erforderlich machen, eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen oder der Korrektheit deren Abrechnung nach § 275 Abs. 1c SGB V einzuleiten, hat sie dem Krankenhaus nach § 4 PrüfvV die Auffälligkeiten innerhalb von 6 Wochen nach Eingang der nach § 3 übermittelten Daten und entsprechenden Krankenhausrechnung so konkret wie möglich mitzuteilen, und hierzu mindestens die Art der Prüfung wie folgt zu bestimmen:
– eine Teilprüfung der Abrechnung (bestimmte Diagnosen, bestimmte Prozeduren etc.), – eine Vollprüfung der Abrechnung (alle abrechnungsrelevanten Diagnosen/Prozeduren etc.) – eine Fehlbelegungsprüfung oder – Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen (medizinische Indikation, NUB etc.).
Die Mitteilung muss dem Krankenhaus in dieser Frist zugehen. Bedarf es aus Sicht der Krankenkasse der direkten Beauftragung des MDK erfolgt nach § 6 Abs. 2 S. 2 PrüfvV die Beauftragung des MDK durch die Krankenkasse innerhalb der 6-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V. Der MDK zeigt nach § 6 Abs. 3 PrüfvV dem Krankenhaus die Einleitung der MDK-Prüfung, einschließlich des Datums seiner Beauftragung, unverzüglich an. In der Prüfanzeige sind die bei der Einleitung des Prüfverfahrens (§ 4) mitgeteilten Auffälligkeiten gegebenenfalls zu konkretisieren und, sofern in dem Vorverfahren weitere Erkenntnisse gewonnen wurden, zu ergänzen. Eine Beschränkung der MDK-Prüfung auf den Prüfanlass besteht nicht. Eine Erweiterung des Prüfanlasses ist dem Krankenhaus anzuzeigen.
§ 7 PrüfvV enthält nähere Regelungen zur Durchführung der Prüfung. So kann nach § 7 Abs. 2 PrüfvV bei Prüfung im schriftlichen Verfahren der MDK die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Das Krankenhaus hat die Unterlagen innerhalb von 4 Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MDK zu übermitteln. Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag. Nach § 7 Abs. 5 PrüfvV sind Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig möglich. Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Abs. 2 an die Krankenkasse erfolgen. Unabhängig hiervon kann das Krankenhaus bei Erweiterung des Prüfanlasses nach § 6 Abs. 3 S. 4 eine einmalige Korrektur oder Ergänzung des Datensatzes innerhalb von 5 Monaten nach dieser Erweiterung vornehmen.
Nach § 8 PrüfvV hat die Krankenkasse dem Krankenhaus ihre abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch mitzuteilen. Wenn die Leistung nicht in vollem Umfange wirtschaftlich oder die Abrechnung nicht korrekt war, sind die wesentlichen Gründe darzulegen. Die Mitteilungen nach Satz 1 und 2 haben innerhalb von 9 Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige nach § 6 Abs. 3 zu erfolgen.
Unter Beachtung und Auslegung dieser Regelungen vor dem Hintergrund der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 KHG sowie von Sinn und Zweck des Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1c SGB V ist nach Auffassung der Kammer, erstens bereits die Vereinbarung einer Ausschlussfrist für eine nachträgliche Rechnungskorrektur nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt (vgl. hierzu a), zweitens in § 7 Abs. 5 SS. 1-2 PrüfvV i.V.m. § 8 S. 1 PrüfvV keine Ausschlussfrist vereinbart worden (vgl. hierzu b) und drittens, sofern man entgegen der Ansicht der Kammer erstens und zweitens bejaht, eine etwaige in § 7 Abs. 5 SS. 1-2 PrüfvV i.V.m. § 8 S. 1 PrüfvV vereinbarte Ausschlussfrist auf den vorliegenden Abrechnungsfall nicht anwendbar (vgl. hierzu c).
a) Die Vereinbarung einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist zur nachträglichen Rechnungskorrektur innerhalb der gesetzlich normierten vierjährigen Verjährungsfrist bzw. innerhalb des von der Rechtsprechung des BSG definierten Zeitraums des Einwendungsausschlusses der Verwirkung ist nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 S. 1 KHG gedeckt, da damit bereits unter Beachtung des Wortlauts ("das Nähere zum Prüfverfahren") über die Regelung einer Verfahrensfrage hinausgegangen wird (vgl. SG Kassel, Gerichtsbescheid vom 25.11.2016, Az.: S 12 KR 594/15, Rn. 40-46, zit. nach juris). Weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung ist zudem ein derartig enger und tiefgreifender Ausschluss des Vergütungsanspruchs anerkannt. Vielmehr enthält § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V als einzig relevante Frist die Einleitungsfrist von sechs Wochen, welche von den Krankenkassen zu berücksichtigen ist. Diese Frist beginnt erst nach Erteilung der Schlussrechnung sowie der Übersendung der Daten nach § 301 SGB V, sodass letztlich den Krankenkassen Anfang, Dauer und Ende der Frist bekannt sind und die Einhaltung der Frist somit allein von einer rechtzeitigen Prüfanzeige abhängig ist. Würde man nunmehr der Fertigstellung eines MDK-Gutachtens eine über die bloße Beendigung der Prüfung hinausgehende materiell-rechtliche Ausschlusswirkung für Rechnungskorrekturen einräumen, hätte es allein der MDK in der Hand, eine Rechnungsnachforderung auszuschließen. Denn den Krankenhäusern ist gerade nicht bekannt, wie lange die MDK-Prüfung dauern bzw. welche Einwendungen der MDK erheben wird. Letztlich trägt damit das Krankenhaus das alleinige Risiko der Prüfdauer ohne die Möglichkeit der Einwirkung. Dies widerspricht jedoch der Zielsetzung des Prüfverfahrens, welches neben einer zeiteffektiven auch auf eine konsensuale Durchführung ausgerichtet ist. Dieser Umstand wird besonders deutlich, wenn ein Krankenhaus, wie hier, die Rechnungskorrektur innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des Prüfverfahrens entsprechend des § 7 Abs. 5 S. 2 PrüfvV geltend macht und dennoch keine Nachvergütung erfolgt, weil der MDK die Prüfung bereits vor Ablauf der fünf Monate beendet hat.
b) Darüber hinaus ist die Kammer aber auch davon überzeugt, dass die in § 7 Abs. 5 SS. 1-2 PrüfvV i.V.m. § 8 S. 1 PrüfvV aufgeführten Fristen keine Ausschlussfristen darstellen. Anders als etwa die Fristen der §§ 6 Abs. 2, 8 PrüfvV, welche ausdrücklich als Ausschlussfristen benannt werden gemäß § 6 Abs. 2 S. 3 PrüfvV und § 8 S. 4 PrüfvV, haben die Beteiligten auf eine solche Bezeichnung in §§ 7, 8 PrüfvV verzichtet.
Vor dem Hintergrund der besonders tiefgreifenden Auswirkungen, die nach Ansicht der Beklagten an die Beendigung des Prüfverfahrens durch den MDK geknüpft werden sollen, wäre aber eine ausdrückliche Bezeichnung erforderlich gewesen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die gesetzliche Verjährungsfrist und die Verwirkungsrechtsprechung des BSG. Im Umkehrschluss zu den ausdrücklich in der Prüfverfahrensvereinbarung als solche bezeichneten Ausschlussfristen geht die Kammer daher davon aus, dass hier eine Ausschlusswirkung gerade nicht bezweckt bzw. einvernehmlich vereinbart war. Insofern liegt ein versteckter Einigungsmangel vor, welcher im Sinne der bei der Auslegung von Verträgen jedenfalls entsprechend heranzuziehenden §§ 139, 155 BGB zur Teilnichtigkeit der Vereinbarung führt, was zur Folge hat, dass allein das Gesetz bzw. die Rechtsprechung des BSG zu beachten ist.
c) Selbst wann man jedoch entgegen der Ansicht der Kammer zu dem Ergebnis kommt, dass die Vereinbarung einer Ausschlussfrist für die nachträgliche Korrektur der Schlussrechnung von der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 KHG gedeckt ist und eine solche Frist auch in § 7 Abs. 5 S. 1-2 PrüfvV i.V.m. § 8 S. 1 PrüfvV wirksam vereinbart wurde, steht dem Zahlungsanspruch gleichwohl keine Ausschlussfrist entgegen. Insoweit teilt die Kammer die Auffassung des SG Reutlingen (SG Reutlingen, Urteil vom 11.01.2017, Az.: S 1 KR 3109/15, Rn. 48, zit. nach juris), dass in Fällen, in denen – wie hier – eine Prüfung durch den MDK erfolgt ist, die Rechtsprechung des BSG zur Zulässigkeit einer nachträglichen Rechnungskorrektur durch § 7 Abs. 5 PrüfvV nur insoweit modifiziert wird, als die Rechnungskorrektur den Gegenstand der MDK-Prüfung betrifft. Bezieht sich also der Prüfanlass auf einen anderen Sachverhalt als die Rechnungskorrektur, findet die Rechtsprechung des BSG weiterhin uneingeschränkt Anwendung. Eine Rechnungskorrektur ist daher in diesen Fällen noch bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres zulässig. Die in § 7 Abs. 5 PrüfvV enthaltene 5-Monats-Frist findet in diesen Fällen keine Anwendung.
Hier hat die Beklagte nach § 4 PrüfvV eine Prüfung der Krankenhausabrechnung durch den MDK unter der Fragestellung einer Fehlbelegungsprüfung für erforderlich gehalten. Durch ihren Prüfauftrag vom 29.10.2015 hat sie dem MDK den Anlass der Prüfung mitgeteilt und damit zugleich auch Art und Umfang der von ihr in Auftrag gegebenen Prüfung bestimmt. Entsprechend diesem Auftrag hat der MDK dann die Prüfung durchgeführt ohne sich dabei mit der Frage der ordnungsgemäßen Kodierung des Aufenthaltes auseinanderzusetzen. Aus dem Zusammenspiel zwischen der Bestimmung der Art der Prüfung durch die Krankenkasse, dem darauf beruhenden "bestimmten" Prüfauftrag an den MDK und dem auftragsgemäß durchgeführten Prüfverfahren zeigt sich, dass die 5-Monats-Frist des § 7 Abs. 5 S. 2 PrüfvV nur für die beim MDK in Auftrag gegebene Prüfungsart gilt. Nur innerhalb dieses konkret in Auftrag gegebenen Prüfungsverfahrens kann der MDK berechtigt sein, nach Ablauf der 5-Monats-Frist bzw. der Beendigung des Prüfverfahrens Korrekturen oder Ergänzungen zurückzuweisen (SG Reutlingen, Urteil vom 11.01.2017, Az.: S 1 KR 3109/15, Rn. 51, zit. nach juris).
Dieses Auslegungsergebnis findet seine Bestätigung in der Regelung des § 6 Abs. 3 SS. 3-4 PrüfvV, da der MDK zwar nicht an den Prüfanlass gebunden ist, er jedoch bei einer beabsichtigten Erweiterung, diese dem Krankenhaus anzuzeigen hat. Dies hat dann zur Folge, dass nach § 7 Abs. 5 S. 3 PrüfvV eine erneute 5-Monats-Frist zu laufen beginnt. Die einzelnen Fristen beziehen sich damit ausdrücklich auf den jeweiligen Prüfanlass bzw. die Art der Prüfung. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BSG, dass vor der Einführung des ab dem 01.01.2016 gültigen § 275 Abs. 1c S. 4 SGB V das sachlich-rechtliche Prüfregime (hier die Frage der Kodierung der Nebendiagnosen M0095/B96.8!) von der Auffälligkeitsprüfung (hier die von der Beklagten in Auftrag gegebene Prüfung der oberen Grenzverweildauer) zu trennen ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.10.2016, Az.: B 1 KR 22/16 R, zit. nach juris).
Damit steht der Klägerin der geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 3.877,99 EUR zu. Diesen hat die Beklagte nach § 15 Abs. 1 S. 3 Landesvertrag NRW antragsgemäß zu verzinsen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 1 SGG zulässig. Der Berufungsstreitwert von 750,00 EUR wird vorliegend bei der streitgegenständlichen Klageforderung in Höhe von 3.877,99 EUR erreicht.
Erstellt am: 03.07.2017
Zuletzt verändert am: 03.07.2017