Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte den Eltern der Klägerin 1.118,- DM (= 571,72 Euro) zu erstatten hat. Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der beklagten Krankenkasse, der Klägerin bzw. ihren Eltern die Kosten einer täglichen Katheterisierung während des Kindergartenbesuchs durch einen Pflegedienst zu erstatten.
Die am 00.00.1995 geborene Klägerin leidet an einer lumbalen Spina bifida mit Blasenentleerungsstörung. Die Blasenentleerung erfolgt mittels Einmalkatheterisierung, die die Mutter der Klägerin im hier streitigen Zeitraum (Juli bis Oktober 2001) zu Hause vornahm. Für die Dauer des Kindergartenbesuchs verordnete der behandelnde Kinderarzt Dr. C einmal täglich eine Katheterisierung. Diese bewilligte die Beklagte, gestützt auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Westfalen-Lippe vom 12.10.2000, bis zum 30.06.2001. Mit Bescheid vom 17.05.2001 lehnte sie eine weitere Übernahme der Kosten für den täglichen Katheterwechsel ab, weil die Leistung nicht im Haushalt der Familie erbracht werde und damit nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden könne. Den hiergegen eingelegten Widerspruch, mit dem die Klägerin die Notwendigkeit der entsprechenden Versorgung geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2001 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 29.06.2001 vor dem Sozialgericht (SG) Detmold Klage erhoben und die Ansicht vertreten, eine Beschränkung der häuslichen Krankenpflege auf den unmittelbaren Wohnbereich entspräche nicht den gesetzlichen Vorgaben und sei andernfalls auch verfassungswidrig.
Dr. C verordnete auch für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2001 einmal täglich und fünfmal in der Woche die Katheterisierung als häusliche Krankenpflege. Durchgeführt wurde sie noch bis zum Oktober 2001 von der WF Kranken- und Senioren-Pflege-Ambulanz GmbH, die zur Versorgung der Versicherten der Beklagten zugelassen war. Diese stellte 1.118,00 DM für die Behandlungspflege im Zeitraum Juli bis Oktober 2001 in Rechnung.
Die Beklagte hat aufgrund eines Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.11.2002 ? B 3 KR 13/02 R – (= SozR 3-2500 § 37 Nr. 5) zwar eingeräumt, dass häusliche Krankenpflege auch während des Kindergartenbesuchs zu ihren Lasten erbracht werden könne, sie hat sich nunmehr aber darauf berufen, dass die entsprechende Leistung durch die Richtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (jetzt Gemeinsamer Bundesausschuss = Beigeladener) nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfe.
Mit Urteil vom 18.02.2004 hat das SG die Beklagte verurteilt, die Klägerin von den Kosten für die selbstbeschaffte Pflegekraft in der Zeit vom 01.07.2001 bis zum 31.12.2001 freizustellen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 18.03.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.04.2004 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, die im Zeitpunkt der Behandlung gültige Richtlinie habe die Verordnung der Einmalkatheterisierung zu ihren Lasten ausgeschlossen. Die Richtlinien des Beigeladenen seien insoweit bindendes Recht. Im Übrigen habe eine alternative Versorgungsmöglichkeit bestanden, wie der Beigeladene in einem anderen Verfahren erläutert habe (Versorgung mittels suprapubischem Katheter oder transurethralem Dauerkatheter). Die Beklagte hat hierzu eine entsprechende Stellungnahme des Beigeladenen vom 27.01.2004 an das SG Neubrandenburg sowie ein Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) vom 12.08.2003 an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Detmold vom 18.02.2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verurteilt wird, den Eltern der Klägerin einen Betrag von 571,72 Euro (= 1.118,- DM) zu zahlen.
Sie ist der Ansicht, dass die entsprechende Richtlinie des Bundesausschusses weder ausdrücklich den Ausschluss der Verordnungsfähigkeit der Einmalkatheterisierung enthalte noch sei ein solcher Ausschluss zulässig. Hinreichende alternative Versorgungsmöglichkeiten bestünden nämlich gerade nicht, da die vom Beigeladenen genannten Möglichkeiten mit Harnwegsinfektionsgefahren einhergingen.
Der vom Senat beigeladene Gemeinsame Bundesausschuss, der sich dem Antrag der Beklagten anschließt, vertritt die Ansicht, dass aufgrund seiner Richtlinie die intermittierende Einmalkatheterisierung nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zähle. Sie sei lediglich in Notsituationen mit akutem Harnverhalt oder bei anderen chronischen Erkrankungen der Harnblase medizinisch geboten. In diesen Fällen erscheine es jedoch sachgerecht, die Einmalkatheterisierung nicht zum Gegenstand der häuslichen Krankenpflege zu machen, weil in Notfällen der behandelnde Arzt die Katheterisierung vorzunehmen habe und bei chronischen Störungen der Patient oder eine in seinem Haushalt lebende Person in der Durchführung der Katheterisierung geschult werde. Bei Personen, denen dieses nicht möglich sei, stünde eine Versorgung mittels transurethralem Dauerkatheter zur Verfügung. Letzteres gelte auch für Kinder, bei denen regelmäßig davon auszugehen sei, dass sie mit dem Schulalter zur Erlernung des Gebrauchs des Katheters in der Lage seien und ansonsten mittels Dauerkatheter versorgt werden könnten. Der Senat hat eine Auskunft von Dr. C eingeholt, der bescheinigt hat, dass die Klägerin sich nicht selbst habe katheterisieren können. Der Senat hat des Weiteren ein Gutachten des Prof. Dr. H von der Orthopädischen Universitätsklinik I beigezogen, das im Verfahren LSG NRW – L 5 KR 228/03 – in einem vergleichbaren Sachverhalt erstattet worden ist. Schließlich hat der Senat eine Auskunft der behandelnden Ärzte des Universitätsklinikums F eingeholt. Wegen deren Angaben wird auf das Schreiben vom 21.02.2005 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Beklagte hat die Kosten der Versorgung der Klägerin auch während des Besuchs des Kindergartens zu tragen, wie das SG zu Recht entschieden hat. Da allerdings die Eltern der Klägerin die für die Katheterisierung in Rechnung gestellten Beträge inzwischen beglichen haben, war der Ausspruch des SG dahin zu ändern, dass den Eltern der Klägerin (für die Zeit von Juli bis Oktober 2001) der Betrag von 1.118,- DM (= 571,72 Euro) zu erstatten war (zum Kostenerstattungsanspruch bei familienversicherten Kindern vgl. BSG Urt. vom 16.09.2004 ? B 3 KR 19/03 R ?).
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung ? (SGB V) sind, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil die Beklagte die Gewährung der verordneten häuslichen Behandlungspflege in Form der Einmalkatheterisierung während des Kindergartenbesuchs zu Unrecht abgelehnt hat.
Versicherte erhalten gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Die häusliche Krankenpflege in diesem Sinne beschränkt sich nicht auf Leistungen, die in der Wohnung oder dem Haus des Versicherten bzw. seiner Familie zu erbringen sind. Nach der extensiven Auslegung dieser Vorschrift durch das BSG (vgl. SozR 3?2500 § 37 Nr. 5) besteht der Anspruch von versicherten Kindern auch während des Besuchs einer Kindertagesstätte oder der Schule. Nichts anderes gilt im Rahmen eines Aufenthalts des Kindes im Kindergarten. Dessen Besuch dient der Entwicklung des Kindes und ist in Fällen, in denen beide Eltern wie hier berufstätig sind, unverzichtbarer Bestandteil der Organisation des Familienlebens. Dies wird von der Beklagten auch nicht mehr in Abrede gestellt. Bei der von Dr. C verordneten einmal täglichen Katheterisierung handelt es sich um notwendige Behandlungspflege. Hierzu zählen alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Erkrankung erforderlich werden, auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern (BSG a.a.O. S. 31 f.). Die Katheterisierung ist infolge der durch die Spina bifida hervorgerufene Blasenentleerungsstörung erforderlich und beugt einer weiteren Schädigung von Blase und Niere vor. Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen. Prof. Dr. C1 hat schon im September 2000 bescheinigt, dass zum Schutz der Niere eine Katheterisierung in einem drei- bis vierstündigen Abstand erfolgen müsse. Dies ist von Dr. N vom MDK in seinem Gutachten vom 12.10.2000 bestätigt worden, in dem er die Auffassung vertreten hat, die Leistung sei grundsätzlich notwendig und könne ? sofern die Eltern sie nicht vornehmen könnten ? in entsprechender Anwendung der Richtlinien des Beigeladenen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgen.
Die von der Beklagten und dem Beigeladenen für ausreichend angesehene Versorgung mit einem transurethralem Dauerkatheter stellt dagegen keine ausreichende und damit wirtschaftlichere Versorgung i.S.d. §§ 12 Abs. 1 Satz 1, 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V dar. Das Einbringen eines transurethralen Dauerkatheters beinhaltet die Gefahr einer bakteriellen Verunreinigung und infolgedessen die Entstehung chronischer, schwer behandelbarer Entzündungen, wie Prof. Dr. C1 auf Nachfrage des Senats überzeugend dargelegt hat (Stellungnahme vom 22.02.2005). Dies wird durch das vom Senat beigezogene Gutachten des Prof. Dr. H bestätigt, der wegen der mit einer Dauerkatheterisierung einhergehenden Erkrankungsgefahr die intermittierende Katheterisierung als nach internationalem Standard geltendes Mittel der Wahl beschrieben hat. Das Risiko einer Harnwegsinfektion mit der Gefahr eines Nierenversagens ist insbesondere einem Kind nicht zumutbar, so dass die Einmalkatheterisierung hier die ausschließliche Versorgungsmöglichkeit darstellt. Die gegenteilige Auffassung des Beigeladenen erscheint widersprüchlich, wenn er zum einen bescheinigt, dass die Einmalkatheterisierung bei chronischen Erkrankungen der Harnblase medizinisch geboten ist, er diese aber andererseits allenfalls als Schulungsmaßnahme zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung anerkennen will. Dies würde im Ergebnis bedeuten, dass Kleinstkinder immer mit einem Dauerkatheter versorgt werden müssten, da auch nach Auffassung des Beigeladenen Kinder vor Erreichen der Schulreife nicht in der Lage sind, den Gebrauch des Einmalkatheters zu erlernen.
Der Anspruch der Klägerin war im streiterheblichen Zeitraum auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil andere Kinder in entsprechendem Alter möglicherweise schon in der Lage sind, die Katheterisierung selbst vorzunehmen. Die Eltern der Klägerin haben in nachvollziehbarer Weise vor dem Senat dargelegt, dass der Klägerin dies im Alter von sechs Jahren noch nicht möglich war. Auch dieses hat seine Bestätigung in der Auskunft von Dr. C und den Darlegungen von Prof. Dr. C1 gefunden.
Ebensowenig schließt § 37 Abs. 3 SGB V den Anspruch aus. Danach besteht zwar kein Anspruch auf häusliche Krankenpflege, wenn eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Jedoch waren die Eltern der Klägerin aufgrund ihrer Berufstätigkeit gehindert, während des Kindergartenbesuchs die Versorgung des Kindes selbst vorzunehmen. Eine unmittelbar nach Aufsuchen des Kindergartens bzw. bei Abholung von ihm durchgeführte Katheterisierung, wie dies Dr. N diskutiert hat, wäre wegen des notwendigen Zeitintervalls von drei bis vier Stunden nicht ausreichend gewesen.
Die Einstandspflicht der Beklagten ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Maßnahme untrennbarer Bestandteil einer Maßnahme der Grundpflege i.S.d. § 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI ? Soziale Pflegeversicherung ? ist, für die die Pflegeversicherung zuständig ist. Ob ein solcher Zusammenhang überhaupt ausreichend ist, die Zuständigkeit der Krankenkasse zu beseitigen (vgl. BSG SozR 3?2500 § 37 Nr. 3; jetzt kritisch LSG, NRW Urt. v. 04.12.2003 ? L 5 KR 23/03 ?), kann dahinstehen. Jedenfalls wenn, wie hier, die Versicherte keine Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung beanspruchen kann, kommt ein Vorrang dieser Versicherung nicht in Betracht.
Schließlich steht dem Anspruch der Klägerin nicht die Richtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V vom 16.02.2000 (BAnz Nr. 91 S. 8878) entgegen. Diese sah in dem Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege unter Nr. 23 die Katheterisierung der Harnblase vor durch Einlegen, Entfernen oder Wechseln eines transurethralen Dauerkatheters in die Harnblase zur Ableitung des Urins. Wie insbesondere der Vergleich mit der zum 09.07.2003 in Kraft getretenen geänderten Fassung der Richtlinie (BAnz Nr. 123 S. 14486) zeigt, sollte die Versorgung mittels Einmalkatheter keine Leistung häuslicher Krankenversicherung i.S.d. § 37 SGB V sein (wohl a.A. Bayerisches LSG, Urt. vom 28.10.2004 ? L 4 KR 15/04? (JURIS – Dok. KSRE 098340418) ohne weitere Diskussion dieser Frage). Da zum einen die hier anzuwendende ursprüngliche Fassung der Richtlinie ausschließlich den transurethralen Dauerkatheter aufgeführt hatte, und zum anderen die nunmehr gültige Fassung der Richtlinie den Einmalkatheter lediglich zu Schulungszwecken für eine Dauer von maximal fünf Tagen in das Verzeichnis der verordnungsfähigen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege aufgenommen hat, kann die Richtlinie in der Fassung vom 16.02.2000 nur dahin verstanden werden, dass ausschließlich Maßnahmen der Dauerkatheterisierung als verordnungsfähige Leistungen der häuslichen Krankenpflege i.S.d. § 37 SGB V anerkannt sein sollten, wie es auch der Stellungnahme des Beigeladenen entspricht.
Trotz dieser Einschränkung vermag die Richtlinie keine Wirkung zum Nachteil der Klägerin zu entfalten.
Allerdings kommt – entgegen der Auffassung des SG – den Richtlinien, die auf der Grundlage des § 92 SGB V erlassen werden, grundsätzlich normative Wirkung zu, so dass sie im Leistungsrecht verbindliche Regelungen treffen können (vgl. BSG SozR 3?2500 § 27 Nrn. 11, 12; § 92 Nrn. 6, 7). Soweit die Richtlinie über die häusliche Krankenpflege jedoch notwendige Behandlungsmaßnahmen ausschließt, ist sie wegen Verstoßes gegen die Ermächtigungsgrundlage des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, Abs. 7 SGB V unwirksam. Ob dies schon daraus folgt, dass die hier anzuwendende Ursprungsfassung der Richtlinie nicht einmal die Einmalketheterisierung als Schulungsmaßnahme aufgeführt hat, die der Beigeladene selbst für eine notwendige Maßnahme erachtet, kann dahinstehen. Jedenfalls zeigt die Entstehungsgeschichte der Regelung über die häusliche Sicherungsbehandlungspflege i.S.d. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V und der parallel dazu übertragenen Richtlinienkompetenz, dass der Gesetzgeber den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nicht ermächtigen wollte, notwendige Behandlungsmaßnahmen von der Verordnungsfähigkeit auszuschließen.
Häusliche Krankenpflege zur Sicherung der ärztlichen Behandlung ist zunächst als reine Satzungsleistung durch das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) vom 27.06.1977 (BGBl. I S. 1069) als § 185 Abs. 1 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) eingeführt worden. Eine Erweiterung der Richtlinienkompetenz des Bundesausschusses in § 368p RVO ist dabei nicht erfolgt. Das die RVO zum 01.01.1989 ablösende SGB V (Gesundheitsreformgesetz ? GRG ? vom 20.12.1988 ? BGBl. I S. 2477 ?) behielt zunächst die Regelung der häuslichen Behandlungssicherungspflege als Satzungsleistung bei (§ 37 Abs. 2) und erweiterte die durch Richtlinien regelungsfähigen Tatbestände um die "häusliche Pflegehilfe" (§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V). Dass damit auch notwendige Maßnahmen der Behandlungssicherungspflege durch den Bundesausschuss ausgeschlossen werden konnten, sah die Begründung des Gesetzentwurfs nicht vor (vgl. BT-Drucks. 11/2237 S. 194 zu § 100). Durch das KOV-Anpassungsgesetz 1990 (KOVAnpG 1990) vom 26.06.1990 (BGBl. I S. 1211) wurde die Behandlungssicherungspflege zur Regelleistung, ohne dass eine Änderung des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erfolgte. Das 2. GKV-Neuordnungsgesetz (2. GKV-NOG) vom 23.06.1997 (BGBl. I S. 1520) hat in § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 die Worte "und häusliche Krankenpflege" sowie einen neuen Abs. 7 eingefügt, wonach in den Richtlinien nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 insbesondere zu regeln sind: 1. die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung und 2. Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus. Letzterer Absatz ist auf Vorschlag des Gesundheits-Ausschusses (14. Ausschuss) eingefügt worden. Zur Begründung hat er angeführt, dass die häusliche Krankenpflege neben anderen Leistungen unverändert im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten bleiben und die Verbände der nichtärztlichen Leistungserbringer bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen der Versorgung partnerschaftlich eingebunden werden sollten (BT-Drucks. 13/7264, S. 65). Der Hinweis auf die unveränderte Leistungspflicht zeigt aber gerade, dass dem Bundesausschuss nicht die Kompetenz zukommen sollte, notwendige Maßnahmen aus dem Leistungskatalog auszuschließen. Eine solche Leistungsbeschränkung bedürfte aber als eine teilweise Abkehr vom Sachleistungsprinzip aufgrund ihrer Tragweite für das System der gesetzlichen Krankenversicherung der Verantwortung des Gesetzgebers (vgl. BVerfG SozR 3?2500 § 35 Nr. 2 S. 26). Da für einen solchen Willen des Gesetzgebers kein Anhaltspunkt vorliegt, sondern gerade im Gegenteil die Leistungspflicht im Rahmen der häuslichen Krankenpflege uneingeschränkt Fortbestand haben sollte, ist die dem entgegenstehende Richtlinie des Bundesausschusses in der hier anzuwendenden Fassung nicht gesetzeskonform und vermag daher keine Rechtswirkung zu entfalten.
Die Berufung der Beklagten musste daher mit der auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 12.04.2005
Zuletzt verändert am: 12.04.2005