Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 01.03.2006 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
I.
Streitig ist im Beschwerdeverfahren noch die Verpflichtung der Antragsgegnerin, eine einmalige Hilfe in Höhe von 110,- EUR für ein gebrauchtes Kinderbett nebst Matratze zu gewähren.
Die 1978 geborene Antragstellerin zu 1) lebt zusammen mit ihren Kindern M (geb. 00.00.2001) und der Antragstellerin zu 2) (M geb. 00.00.2006) in einer Wohnung. Sie beziehen seit dem 01.01.2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Die Antragsgegnerin gewährte mit Bescheid 16.01.2006 auf Antrag der Antragstellerin zu 1) einen Betrag von 193,- EUR für eine Babyerstausstattung.
Am 21.01.2006 beantragte die Antragstellerin zu 1) zudem einen Kinderwagen mit Matratze, ein Kinderbett mit Matratze, eine Wickelkommode mit Wickelauflage und eine Badewanne. Sie berief sich auf einen Beschluss des Sozialgerichts Hannover (S 46 AS 65/05 ER), wonach ihr bzw. dem Neugeborenen entsprechende einmalige Hilfen zustünden. Mit Bescheid vom 01.02.2006 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Die geltend gemachten Bedarfe seien bereits durch den Regelsatz gedeckt. Der Gesetzgeber habe davon abgesehen, auch einen Anspruch auf Babyerstausstattung zu regeln. Den Widerspruch der Antragstellerin zu 1) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2006 zurück.
Am 17.02.2006 hat die Antragstellerin zu 1) hiergegen beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen Klage erhoben und erneut unter Verweis auf die genannte Rechtsprechung des SG Hannover beantragt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihr die beantragten Hilfen zu gewähren.
Das SG hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 01.03.2006 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig einmalige Hilfen für ein gebrauchtes Kinderbett inklusive Matratze in Höhe von 110,- EUR zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag der Antragstellerin abgelehnt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Anordnungsanspruch ergebe sich aus § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB II. Das Kinderbett mit Matratze falle unter den Begriff der Erstausstattung für die Wohnung. Das Tatbestandsmerkmal "Erstausstattung der Wohnung" sei nicht zeitlich, sondern bedarfsbezogen zu verstehen. Da das zu gebärende Kind der Antragstellerin nach seiner Geburt erstmals mit Möbeln etc. auszustatten sei, könne es sich bei diesem Bedarf nur um eine Erstausstattung handeln. Hingegen gehöre ein Kinderwagen mit Matratze nicht zu den nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 SGB II zu berücksichtigenden Gegenständen. Dem widerspreche der Wille des Gesetzgebers, der entgegen einem Vorschlag des Bundesrats davon abgesehen habe, den Gesetzeswortlaut um den Begriff der Babyausstattung zu ergänzen. Hinsichtlich der ebenfalls beantragten Hilfe für einen Wickeltisch nebst Auflage und eine Badewanne fehle es an einem Anordnungsgrund.
Gegen den ihr am 03.03.2006 zugestellten Beschluss des SG Gelsenkirchen hat allein die Antragsgegnerin am 28.03.2006 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben. Die Argumentation des SG Gelsenkirchen sei widersprüchlich. Der Bundesrat habe in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf nämlich vorgeschlagen, § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II um den Begriff "Babyausstattung" zu ergänzen, da ansonsten werdende Mütter, anders als nach dem Bundessozialhilfegesetz, lediglich einen Anspruch auf Schwangerschaftsbekleidung und Bekleidung für das Neugeborene, nicht aber auf die weitere Babyausstattung wie Kinderbett, Kinderwagen und Wickelauflage hätten. In Anbetracht der vom SG Gelsenkirchen herangezogenen Gesetzesbegründung und Entstehungsgeschichte hätte das SG nicht lediglich den Anspruch auf den Kinderwagen ablehnen dürfen.
Im Übrigen handele es sich, wie vom SG Gelsenkirchen zutreffend ausgeführt, bei dem Kinderwagen um einen Bedarf des Neugeborenen. Das Gesetz sehe grundsätzlich keine Leistungen zur Deckung des Bedarfs eines Ungeborenen vor, der noch keinen eigenen Bedarf haben könne. Eine Ausnahme mache lediglich § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II. Dieser Anspruch sei aber ausdrücklich auf Bekleidung beschränkt. Die gesetzliche Regelung sei auch bei einer reinen finanziellen Betrachtung angemessen. Denn die werdende Mutter erhalte über die Regelleistung hinaus gemäß § 21 Abs. 2 SGB II Leistungen für Mehrbedarf in Höhe von 17 % der Regelleistung. Zusätzlich erwerbe sie mit Geburt des Kindes einen Anspruch auf Kindergeld und Erziehungsgeld. Finanzielle Engpässe nach der Geburt könnten allenfalls durch eine darlehensweise Leistungsgewährung gemäß § 23 Abs. 1 SGB II gedeckt werden.
Das SG hat der Beschwerde der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 18.03.2006 nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen, der der Entscheidung zu Grunde liegt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Senat nimmt zur Begründung zunächst auf die weitgehend für zutreffend erachteten Ausführungen des SG Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Beschwerdebegründung rechtfertigt eine andere Entscheidung zur Überzeugung des Senats nach der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung nicht (vgl. im Ergebnis auch LSG Rheinland Pfalz, Beschluss vom 12.07.2005, Az.: L 3 ER 45/05 AS). Der Senat teilt zunächst die im Schrifttum weit verbreitete Auffassung, dass der Begriff der Erstausstattung im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II nicht zeitlich, sondern bedarfsbezogen zu interpretieren ist (vgl. Lang in: Eicher/Spelbrink, SGB II, § 23 RdNr. 103; Hofmann in: LPK-SGB II, § 23 RdNr. 23). Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin widerspricht diese Auslegung nicht zwingend dem Willen des Gesetzgebers. Der Senat verkennt nicht, dass mit dem Gesetz zur Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) die vom Bundesrat beabsichtigte Erweiterung des Leistungskatalogs um die Babyerstausstattung (vgl. BT-Drs 15/4228, Seite 41) nicht umgesetzt worden ist (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung in der Anlage 3 zur BT-Drs 15/4228, Seite 51).
Da in der Begründung des Bundesrats unter Hinweis auf die Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz ausdrücklich auch das Kinderbett als der Babyausstattung zuzurechnen angesehen wird, scheint der Wille des Gesetzgebers auf den ersten Blick zwar im Sinne der Antragsgegnerin festgelegt zu sein. Zur Überzeugung des Senats spricht aber aus systematischen Gründen mehr dafür, den Begriff der Erstausstattung im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II insoweit weit auszulegen, als hierunter auch die durch die Geburt eines Kindes erstmals entstehenden Bedarfe zu zählen sind (vgl. etwa Hofmann a.a.O. RdNr. 23 unter Verweis auf die Gesetzesbegründung zum gleichlautenden § 31 SGB XII in BT-Drs. 15/1514, Seite 60) weil ansonsten im wohl nicht zu verantwortende Bedarfslücke entstehen würde. Denn ein Ansparen aus dem Regelsatz der Antragstellerin zu 2) ist bei einem Erstausstattungsbedarf nicht möglich. Die abschließende Konkretisierung des Begriffs der Erstausstattung wird der weiteren Rechtsprechung der Sozialgerichte vorbehalten bleiben (vgl. bereits Beschluss des Senats vom 25.01.2006, Az.: L 20 B 30/06 AS ER). Angesichts der Geburt der Antragstellerin zu 2) am 25.02.2006 ist das SG auch zutreffend von einem Anordnungsgrund ausgegangen. Insoweit erscheint eine Verweisung auf den gemäß § 21 Abs. 2 SGB II zu gewährenden Mehrbedarf für werdende Mütter schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil insoweit ein durch die Schwangerschaft selbst entstehender Mehrbedarf abgedeckt werden soll. Auch der Verweis auf die erst mit der Geburt entstehenden und auch durchsetzbaren Ansprüche auf Kindergeld und Erziehungsgeld sowie auf Leistungen nach dem SGB II erscheint in diesem Zusammenhang nicht zulässig. Insoweit ist zu beachten, dass die Antragstellerin zu 1) bis zur Geburt der Antragstellerin zu 2) berechtigt war, auch mit der Geburt entstehenden Ansprüche geltend zu machen (vgl. LSG Rheinland Pfalz a.a.O.). Der Senat unterstellt insoweit aber, dass mit der Geburt der Antragstellerin zu 2) der Anspruch lediglich noch in deren Namen verfolgt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 20.06.2006
Zuletzt verändert am: 20.06.2006