Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 06.04.2011 geändert. Es wird festgestellt, dass die im Bescheid vom 01.12.2009 in der Fassung des Bescheides vom 05.01.2010, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2012, vorgenommene Feststellung des zu berücksichtigenden Einkommens des Ehemannes der Klägerin rechtswidrig war. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Leistungsfestsetzung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum von Januar bis Juni 2010. Konkret ist die vom Beklagten vorgenommene Festlegung des zu berücksichtigenden (schwankenden) Einkommens des Ehemannes der Klägerin streitig.
Die 1978 geborene Klägerin bezieht in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem 1977 geborenen Ehemann Q E und dem 2005 geborenen gemeinsamen Sohn G E vom Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Der Ehemann der Klägerin erzielt in variierender Höhe Erwerbseinkommen aus einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis in einer Alten-, Kranken- und Pflegeeinrichtung in T.
Mit Bescheid vom 01.12.2009 und Änderungsbescheid vom 05.01.2010 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum von Januar bis Juni 2010 vorläufige Leistungen in Höhe von 208,50 Euro (§ 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Neufassung der Freibetragsregelungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige – Freibetragsneuregelungsgesetz – vom 14.08.2005, BGBl I, 2407 i.V.m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III). Dabei berücksichtigte er als Nettoerwerbseinkommen des Ehemannes der Klägerin einen monatlichen Betrag von 1.150,00 Euro. Den gegen den Bescheid vom 05.01.2010 gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 19.01.2010 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2010 zurück. Er führte aus, dass als Einkommen gem. § 2 Abs. 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) vom 17.12.2007 (BGBl I, 2942) ein monatliches Durchschnittseinkommen zu Grunde gelegt werden könne, wenn bei laufenden Einnahmen im Bewilligungszeitraum zu erwarten sei, dass diese in unterschiedlicher Höhe zuflössen. Als monatliches Durchschnittseinkommen sei für jeden Monat im Bewilligungszeitraum der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens durch die Anzahl der Monate ergebe. Aus den vom Ehemann der Klägerin erzielten Nettoeinkünften (Juni 2009: 1.141,28 Euro, Juli 2009: 1.145,05 Euro, August: 1.048,59 Euro, September: 1.024,48 Euro, Oktober: 1.048,59 Euro, November: 1.147,55 Euro, Dezember: 1.192,07 Euro) ergebe sich ein genaues Durchschnittseinkommen von 1.106,80 Euro netto, so dass die Anrechnung eines fiktiven Einkommens in Höhe von 1.150,00 Euro zur Vermeidung einer Überzahlung nicht zu beanstanden sei.
Der Ehemann der Klägerin legte im Folgenden nach deren Erhalt die Lohnabrechnungen für die Monate Januar bis Juni 2010 vor. Am 15.04.2010 erließ der Beklagte einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid für den Monat März 2010 in Höhe von 31,36 Euro. Mit weiterem Bescheid vom 22.04.2010 setzte er die Leistungen für Januar 2010 endgültig fest. Aufgrund einer Überzahlung erließ er am selben Tag einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid in Höhe von 53,89 Euro (Widerspruchsbescheid vom 29.04.2010).
Die Klägerin hat am 26.04.2010 Klage beim Sozialgericht (SG) Aachen erhoben und beantragt, ihr höhere vorläufige monatliche Grundsicherungsleistungen als 208,50 Euro zu bewilligen. Die fiktive Anrechnung des Einkommens habe sich an dem monatlichen Durchschnittsnettoverdienst des gesamten Jahres 2009 zu orientieren, der 1.103,76 Euro bzw. nach Abzug der Freibeträge und Hinzurechnung des Kindergeldes 987,76 Euro betrage.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 06.04.2011 abgewiesen. Die Klägerin sei durch die angefochtenen Bescheide nicht in ihren Rechten verletzt. Der Beklagte sei berechtigt gewesen, im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung für Januar bis Juni 2010 ein fiktives monatliches Erwerbseinkommen des Ehemannes der Klägerin in Höhe von 1.150,00 Euro zu berücksichtigen. Nach § 2 Abs. 3 S. 1 der Alg II-V könne als Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt werden, wenn bei laufenden Einnahmen im Bewilligungszeitraum zu erwarten sei, dass das Einkommen in unterschiedlicher Höhe zufließe. Als monatliches Durchschnittseinkommen sei für jeden Monat im Bewilligungszeitraum der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergebe (§ 2 Abs. 3 S. 2 Alg II-V). Hinsichtlich der Frage, "ob" ein Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen sei, seien keine Ermessensfehler des Beklagten ersichtlich. Auch die Bestimmung der Höhe könne nicht beanstandet werden. Als Orientierungswert sei das durchschnittliche Monatseinkommen des vorigen Bewilligungszeitraumes zu wählen (so auch Durchführungshinweise der BA Nr. 11.8). § 2 Abs. 3 Alg II-V treffe ausdrücklich nur eine Regelung für ein in der Summe bekanntes Einkommen. Stehe ein solches wie hier noch nicht fest, sei der Beklagte berechtigt, das Gesamteinkommen des vorigen Bewilligungszeitraums heranzuziehen. Wenngleich dieses hier unter dem vorläufig vom Beklagten zugrunde gelegten Einkommen liege, sei letztere Höhe nicht zu beanstanden. Zu beachten sei, dass der Bedarfsgemeinschaft im vorigen Zeitraum auch im Oktober 2009 (niedrigstes Erwerbseinkommen) zusammen mit den ausgezahlten SGB II Leistungen und dem Kindergeld ein Betrag über dem Bedarf verblieben sei. Dies gelte auch für den streitigen Zeitraum. Die Summe in Höhe des Freibetrags, die der Bedarfsgemeinschaft kurzfristig teilweise nicht zur Verfügung gestanden habe, sei nicht als notwendiger Bedarf für den Lebensunterhalt vorgesehen, sondern diene vorwiegend der Schaffung eines Anreizes zur Beschäftigung. Zum anderen sei zu beachten, dass der Beklagte stets nach Vorlage des Nachweises über das tatsächlich ausgezahlte Einkommen umgehend eine Nachzahlung veranlasst habe. Die Verwaltungspraxis sei daher angemessen, zumutbar und somit rechtmäßig. Die Berufung hat das SG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Gegen das ihr am 14.04.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.04.2011 Berufung eingelegt und sich im Wesentlichen auf ihr voriges Vorbringen gestützt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist sie nicht erschienen und auch nicht vertreten worden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf Nachfrage des Senats hat der Beklagte erklärt, dass sich unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lohnabrechnungen für die Monate Januar bis Juni 2010 aus den einzelnen Überzahlungen bzw. Nachzahlungen insgesamt eine Nachzahlung in Höhe von 19,25 Euro ergebe. Diese werde mit einer sich für Leistungen im Monat Juli 2010 ergebenden Überzahlung verrechnet.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig.
Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beteiligtenfähig. Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung unter der Bezeichnung Jobcenter (§ 6d SGB II) als Rechtsnachfolger an die Stelle der zunächst beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine unzulässige Klageänderung dar (vgl. zB. BSG Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 99/10 R). Das Passivrubrum ist entsprechend bereits im Klageverfahren von Amts wegen berichtigt worden.
Der Senat legt den Berufungsantrag der Klägerin zu ihren Gunsten dahingehend aus, dass sie die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen vorläufigen Bewilligungsbescheide im Hinblick auf die dort vorgenommene Festlegung des zu berücksichtigenden Einkommens ihres Ehemannes begehrt.
Schriftlich hat die Klägerin im Berufungsverfahren wie im Klageverfahren beantragt, den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide vom 01.12.2009, 05.01.2010 und 12.04.2010 zu verurteilen, ihr und den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft höhere vorläufige monatliche Leistungen als 208,50 Euro zu bewilligen. Da die Entscheidung der Bewilligung einer vorläufigen Leistung gem. § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II (idF des Freibetragsneuregelungsgesetzes, jetzt § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II) i.V.m. § 328 Abs. 1 SGB III eine Ermessensentscheidung ist, die dem Verwaltungsträger einen Entscheidungsfreiraum im Sinne eines Entschließungs- und Auswahlermessens lässt, kann das Begehren auf höhere vorläufige Leistungen nicht – wie von der Klägerin formuliert – mit einer Leistungsklage verfolgt werden. Statthafte Klageart ist vielmehr grundsätzlich (wenn – wie hier – eine Ermessensreduzierung auf Null nicht ersichtlich und auch nicht behauptet ist), die Verpflichtungsklage (vgl. BSG Urteil vom 10.05.2011 – B 4 AS 139/10 R Rn 16 m.w.N. – NZS 2012, 154).
Vorliegend kann die Klägerin ihr Begehren anders als zumindest teilweise im Zeitpunkt der Klageerhebung jedoch auch nicht (mehr) zulässig mit einer Verpflichtungsklage verfolgen. Dabei kann dahinstehen, ob sich die mit den angefochtenen Bescheiden ausgesprochene vorläufige Bewilligung von Leistungen bereits – teilweise – durch die endgültige Leistungsfestsetzung für den Monat Januar 2010 (Bescheid vom 22.04.2010) und/oder ggf. durch die Neuberechnung der Leistungen für den Monat März 2010 (vgl. Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15.04.2010) erledigt hat. Vorläufige Leistungsbescheide werden durch endgültige Leistungsbescheide ersetzt und erledigen sich hierdurch auf sonstige Weise im Sinn von § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X – (vgl. auch BSG Urteil vom 10.05.2011 – B 4 AS 139/10 R Rn 13 m.w.N. – NZS 2012, 154). Eine Verpflichtungsklage ist – unabhängig von dieser etwaigen Teilerledigung – jedenfalls deshalb nicht mehr statthafte Klageart, weil der Erlass eines (neuen) vorläufigen Bescheides durch den Beklagten nicht mehr rechtmäßig wäre. Die Voraussetzungen des § 328 Abs. 1 SGB III, die den Erlass eines vorläufigen anstelle eines endgültigen Bescheides ermöglichen, liegen für die Leistungsfestsetzung in der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin nicht (mehr) vor. Die mit den angefochtenen Bescheiden ausgesprochene Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung beruhte darauf, dass eine vollständige Klärung der Leistungsansprüche mangels Kenntnis des genauen künftigen Lohnzuflusses des Ehemannes der Klägerin im Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten (noch) nicht möglich war und die Voraussetzungen des § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III daher damals vorlagen. Seit der Lohnabrechnung für zuletzt Juni 2010 hingegen war die Sachlage vollständig aufgeklärt bzw. für den Beklagten aufklärbar, so dass dieser für den streitigen Zeitraum nunmehr nur noch eine endgültige Leistungsfestsetzung vornehmen kann. Liegen die Voraussetzungen für eine (erneute) vorläufige Leistungsbewilligung aber nicht vor, kann das Gericht den Beklagten nicht zum Erlass eines entsprechenden rechtswidrigen Bescheides verurteilen. Eine endgültige Festsetzung der Leistungen hingegen hat die Klägerin im vorliegenden Fall weder beantragt noch entspricht dies ihrem Begehren. Die Klägerin hat zu keinem Zeitpunkt die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für eine vorläufige Regelung nach § 328 SGB III nicht vorgelegen hätten oder dass endgültige Berechnungen des Beklagten nach Vorlage der Lohnabrechnungen fehlerhaft seien. Vielmehr wendet sie sich ausschließlich gegen die von ihr für rechtswidrig erachtete Festlegung des zu berücksichtigenden Einkommens ihres Ehemannes in den streitigen vorläufigen Bewilligungsbescheiden. Dieses Begehren ist mit einer Fortsetzungsfeststellungsklage zu verfolgen. Der Übergang zu dieser Klageart ist analog § 131 Abs. 1 S. 3 SGG auch bei Verpflichtungsklagen möglich, wenn sich das primäre Rechtsschutzbegehren – wie hier aus den o.g. Gründen – erledigt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 131 Rn 7c m.w.N.). Die Verpflichtungsklage kann dabei gem. § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage werden, ohne dass eine Klageänderung vorliegt (Keller a.a.O. § 131 Rn 7b m.w.N.).
Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag ist zulässig. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der von ihr begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Festlegung des Einkommens ihres Ehemannes im Rahmen einer vorläufigen Leistungsbewilligung. Ein solches Interesse ist bei einer Wiederholungsgefahr gegeben, d.h. der konkreten, in naher Zukunft oder absehbarer Zeit bestehenden Gefahr eines gleichartigen Verwaltungsakts bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen (Keller a.a.O. § 131 Rn 10b m.w.N.). Eine solche Wiederholungsgefahr besteht hier, da der Beklagte seit Erlass der streitigen Bescheide für nachfolgende Zeiträume vorläufige Bewilligungsbescheide erlassen hat und aufgrund des fortbestehenden Hilfebedarfs der Bedarfsgemeinschaft sowie des nach wie vor schwankenden Einkommens des Ehemannes der Klägerin weiter nach denselben Maßstäben wie hier angegriffen, erlässt. Behält der Beklagte eine bestimmte, vom Kläger gerügte Verwaltungspraxis bei gleichbleibenden Sachverhalten in Folgebescheiden bei, besteht ein berechtigtes Interesse, hierzu eine gerichtliche Feststellung zu erlangen, wenn Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zum Tragen kommen können.
Der Senat hat eine Auslegung des lediglich schriftlich (als Leistungsantrag) formulierten Berufungsantrags in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag für möglich und notwendig erachtet. Zwar hat nicht die Klägerin selbst, sondern ihr prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt den Berufungsantrag formuliert, so dass das Gericht grundsätzlich davon ausgehen könnte, dass gewollt ist, was der Antrag besagt. Gibt aber der Antrag – wie hier – das aus den Umständen erkennbare Prozessbegehren nicht zutreffend wieder, ist das Gericht gem. § 106 Abs. 1 SGG durch seinen Vorsitzenden gehalten, den Kläger zur Klarstellung bzw. Antragsänderung aufzufordern und ggf. Formulierungshilfe zu leisten (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 106 Rn 5a). Ein derartiger Hinweis, der bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte erteilt werden müssen und bei dem davon auszugehen ist, dass die Klägerin diesem folgend ihren Antrag umgestellt hätte, ist dort unterblieben und war im Berufungsverfahren nicht möglich, da die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht vertreten worden ist. Der Senat ist im Hinblick auf den – auch bei Klageanträgen – geltenden Meistbegünstigungsgrundsatz (vgl. z.B. BSG Urteil vom 23.03.2010 – B 14 AS 6/09 R Rn 15 m.w.N. – BSGE 106, 78; BSG Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 8/06 R Rn 11 m.w.N. – BSGE 97, 217), unter Berücksichtigung von § 123 SGG und unter Würdigung des gesamten klägerischen Sach- und Rechtsvorbringens im Laufe des Verfahrens davon ausgegangen, dass das Begehren der Klägerin allein von einem Fortsetzungsfeststellungsantrag richtig erfasst wird.
Die zulässige Berufung ist begründet. Die vom Beklagten in den angefochtenen Bescheiden vom 01.12.2009, 05.01.2010 und dem Widerspruchsbescheid vom 12.04.2012 vorgenommene Festlegung des zu berücksichtigenden Einkommens des Ehemannes der Klägerin ist rechtswidrig.
Die Klägerin, ihr Ehemann und ihr Sohn erfüllten die grundsätzlichen Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nach dem SGB II gem. §§ 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 3a) und Nr. 4, 28 SGB II in der – für den streitigen Zeitraum – maßgeblichen bis 31.12.2010 gültigen Fassung des Gesetzes.
Lohneinkünfte des Ehemannes der Klägerin sind als Einnahmen in Geld oder Geldeswert i.S.v. §§ 11 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 2 SGB II als Einkommen in der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen. Als laufende Einnahme findet eine Berücksichtigung dabei gem. § 13 SGB II i.V.m. §§ 2 Abs. 2 S. 1 Alg II-V in der vom 01.01.2009 bis 31.03.2011 geltenden Fassung vom 18.12.2008, BGBl I, 2780 (jetzt § 11 Abs. 2 SGB II) grundsätzlich in dem Monat statt, in dem sie zufließt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Ermächtigungsnorm des § 13 SGB II bestehen nicht (BSG Urteil vom 30.07.2008 – B 14 AS 26/07 R Rn 29 ff. – SozR 4-4200 § 11 Nr. 17).
Abweichend vom Grundsatz monatlich abgegrenzter Berücksichtigung regelt § 2 Abs. 3 S. 1 Alg II-V, dass als Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt werden kann, wenn – wie hier – bei laufenden Einnahmen im Bewilligungszeitraum zu erwarten ist, dass diese in unterschiedlicher Höhe zufließen. Die hier ausgesprochene Ermächtigung des Leistungsträgers erfordert ihrem Zweck nach gem. § 39 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) eine Ermessensentscheidung zugunsten eines Durchschnittseinkommens, in die u.a. Gesichtspunkte wie die Länge des Bewilligungsabschnitts, die Höhe der voraussichtlichen Schwankungen insb. auch im Hinblick auf die unterschiedlichen gesetzlichen Freibeträge des § 11b Abs. 2 und 3, die Notwendigkeit der Bedarfsdeckung aber auch die Gewährleistung eines angemessenen Verwaltungsaufwands mit u.a. Vermeidung des Wechsels von Transfersystemen (Wohngeldansprüche, Kinderzuschlag) einzustellen sind (vgl. auch Geiger in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 11 Rn 47, § 12a Rn 8). Eine solche pflichtgemäße Ermessensausübung des Beklagten, auf die die Klägerin gem. § 39 Abs. 1 S. 2 SGB II einen Anspruch hat, fehlt, so dass sich die vorgenommene Festlegung des zu berücksichtigenden Einkommens des Ehemannes der Klägerin bereits aus diesem Grund als rechtswidrig darstellt. Weder in den Ursprungsbescheiden noch im Widerspruchsbescheid hat der Beklagte in irgendeiner Weise zu erkennen gegeben, dass er sich der Ausübung eines Ermessens bewusst war. Entsprechend fehlt auch eine Abwägung jeglicher ermessensrelevanter Gesichtspunkte.
Die von der Klägerin kritisierte Festlegung des zu berücksichtigenden Einkommens ihres Ehemannes durch den Beklagten ist darüber hinaus auch im Hinblick auf die Vorgehensweise des Beklagten bei der Berechnung rechtswidrig. Zutreffend hat der Beklagte, der sich (wenngleich ohne pflichtgemäße Ermessensausübung) für die Heranziehung eines monatlichen Durchschnittseinkommens entschieden hat, die Vorschrift des § 2 Abs. 3 S. 2 Alg II-V als Grundlage für die Ermittlung dieses Durchschnittseinkommens herangezogen. Nach der dort normierten Regelung ist als monatliches Durchschnittseinkommen für jeden Monat im Bewilligungszeitraum der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Ausdrücklich trifft § 2 Abs. 3 S. 2 Alg II-V zwar nur eine Regelung für ein in der Summe bekanntes künftiges Einkommen, da vorgesehen ist, dass das Gesamteinkommen des Bewilligungszeitraums (also des "künftigen" Zeitraums) durch die Zahl der Monate dieses (künftigen) Zeitraums zu teilen ist. Bei systematischer Betrachtung der Vorschrift und unter Berücksichtigung ihres Sinngehalts ist jedoch davon auszugehen, dass die Regelung gerade auch Fälle wie den vorliegenden erfassen soll. Sie ist in Fällen vorläufiger Leistungsbewilligung dann so zu verstehen, dass als monatliches Durchschnittseinkommen für jeden Monat im Bewilligungszeitraum der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des zu erwartenden Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt.
Ohne eine entsprechende Auslegung liefe die Vorschrift des § 2 Abs. 3 S. 2 Alg II-V weitgehend leer. Systematisch bezieht sich die Bestimmung des Durchschnittseinkommens in § 2 Abs. 3 S. 2 Alg II-V auf die vorgehende Regelung in Satz 1, die künftige Bewilligungsabschnitte erfasst ("ist zu erwarten"). Es dürften kaum Fallgestaltungen denkbar sein, in denen für einen kommenden Bewilligungszeitraum zwar das Gesamteinkommen bekannt ist, dies aber nicht gleichermaßen für die Aufteilung auf die einzelnen Monate des Bewilligungszeitraums gilt. Vielmehr sind Fallgestaltungen wie der vorliegende regelhaft (z.B. im Kranken- und Pflegegewerbe) anzutreffen, in denen das Einkommen künftiger Monate zwar ungefähr abgeschätzt, aber im Voraus nicht genau angegeben werden kann. Da sich das Gesamteinkommen jedoch nach dem Einkommen der einzelnen Monate richtet, ist auch dieses dann nicht im Voraus bekannt.
Der oben genannten Auslegung der Vorschrift des § 2 Abs. 3 S. 2 Alg II-V entspricht auch der Sinn der Regelung, die es ermöglicht, abweichend von einer monatsgenauen Erfassung von Einkommen auf Durchschnittseinkommen abzustellen. Hierdurch wird zum einen für den Leistungsberechtigten eine Planbarkeit der ihm im Bewilligungszeitraum zur Verfügung stehenden Mittel erzielt, zum anderen ein durch Unterdeckungen bzw. Überzahlungen erhöhter Verwaltungsaufwand vermieden. Dies gilt um so mehr, je präziser der Leistungsträger das "zu erwartende Gesamteinkommen" ermittelt, d.h. je genauer und zutreffender die Überlegungen hierzu sind. Dabei mag in einer Reihe von Fällen das Gesamteinkommen des vorigen Bewilligungsabschnitts als Orientierungswert dienen, wie dies die Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit für die Anwendung des SGB II vorsehen (DH-BA SGB II Nr. 11.8). Zu prüfen wird jedoch stets sein, ob die Umstände des Einzelfalls eine abweichende Annahme erfordern. Andere und/oder weitere Kriterien sind heranzuziehen, wenn der vorige Bewilligungsabschnitt den künftigen Bewilligungsabschnitt aufgrund von Besonderheiten nicht ausreichend widerspiegelt. So wird z.B. bei Personen, die Weihnachtsgeld beziehen, wegen der relevanten Abweichung des Lohns im Monat Dezember gegenüber dem Lohn aus anderen Monaten eine alleinige Heranziehung des jeweiligen letzten Bewilligungsabschnitts in der Regel keine ausreichende Prognoseentscheidung zulassen. Auch sind im Zeitpunkt der (vorläufigen) Bewilligung z.B. bereits bekannte Änderungen im künftigen Bewilligungsabschnitt wie Lohnerhöhungen oder Lohnausfälle zu beachten.
Eine derartige an Sachgründen orientierte Abschätzung des zu erwartenden Gesamteinkommens des Ehemannes der Klägerin hat der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden nicht vorgenommen. Er hat lediglich die Lohneinkünfte der vorigen 7 Monate herangezogen und das künftige Durchschnittseinkommen zunächst hiervon errechnet sowie auf den errechneten Betrag anschließend einen Aufschlag gebildet. Eine sachliche Erklärung dazu, warum gerade die letzten 7 Monate herangezogen worden sind, ist weder vorgetragen worden noch in irgendeiner Weise ersichtlich. Zu vermuten ist vielmehr, dass das Einkommen des letzten Bewilligungsabschnitts (Juli bis Dezember 2009) herangezogen werden sollte und versehentlich der Monat Juni mitberechnet worden ist. Ist schon die vom Beklagten herangezogene Grundlage des gebildeten Durchschnittseinkommens (7 Monate) nicht nachvollziehbar, so fehlt es für den vorgenommenen (Sicherheits-)Aufschlag schlicht an einer gesetzliche Grundlage (einen Sicherheitseinbehalt ablehnend auch Geiger, a.a.O., § 11 Rn 48 unter Hinweis auf SG Berlin Beschluss vom 28.11.2007 – S 37 AS 29104/07 ER). Im Übrigen benachteiligt ein derartiger Aufschlag den Leistungsberechtigten nicht nur bei der vorläufigen Leistungsbewilligung, sondern unter Umständen auch bei der endgültigen Festsetzung in einer den Bestimmungen der Alg II-V widersprechenden Weise. Würde der Durchschnittsbetrag des Einkommens ungerechtfertigt hoch ermittelt, ginge dem Leistungsberechtigten die vorgesehene begünstigende Regelung des § 2 Abs. 3 S. 3 Alg II-V verloren.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Regelung des § 2 Abs. 3 Alg II-V in den Fällen, in denen sich – wie hier – die Bildung eines Durchschnittseinkommens als sinnvoll darstellt, entgegen der bisherigen Praxis des Beklagten auch zu einer erheblichen Verwaltungsvereinfachung führt. Wie sich aus § 2 Abs. 3 S. 3 Alg II-V herauslesen lässt, ist – sofern die vorläufige Bewilligung auf einer Durchschnittslohnberechnung basiert – auch die endgültige Festsetzung nicht monatsgenau, sondern nach dem tatsächlichen Durchschnittslohn vorzunehmen, so dass ständige Berechnungen von monatlichen Nachzahlungen und/oder Überzahlungen mit etwaigen Bescheiderteilungen nicht anfallen. Hat der Beklagte mit seiner prognostischen Ermittlung des Gesamteinkommens und hiervon abgeleitet des Durchschnittseinkommens das spätere tatsächliche Einkommen zutreffend vorausgesehen, erübrigt sich eine Nachzahlung bzw. Rückforderung ganz. Letzteres gilt bis zu einer Abweichung des tatsächlichen vom vorläufig bestimmten Durchschnittseinkommen von 20 Euro. Das vorläufig bestimmte Durchschnittseinkommen ist gem. § 2 Abs. 3 S. 3 Alg II-V auch bei der endgültigen Festsetzung der Leistungen zugrunde zu legen, wenn dieses vorläufige Einkommen um bis zu 20 Euro niedriger lag als das später tatsächlich erzielte Durchschnittseinkommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage als gegeben angesehen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 19.12.2012
Zuletzt verändert am: 19.12.2012