Der Rechtsstreit L 2 KN 11/07 U ist durch die Zurücknahme des Rechtsmittels erledigt. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten nicht zu erstatten. Dem Kläger werden Verschuldenskosten in Höhe von 225,00 EUR auferlegt. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten zunächst darüber, ob das Verfahren L 2 KN 11/07 U durch Rücknahme des Rechtsmittels beendet worden ist. Im Übrigen ist die Anerkennung und Entschädigung von Folgen eines Arbeitsunfalls am 17.10.1994 streitig.
Der am 00.00.1951 geborene Kläger erlitt am 17.10.1994 auf dem Weg von der Arbeit auf der Zeche T/I nach Hause einen Unfall. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 17.11.1995 die Anerkennung von Folgen des Arbeitsunfalls sowie die Gewährung von Verletztenrente ab. Im März 2005 beantragte der Kläger erneut wegen eines chronisch rezidivierenden Ganzkörperschmerzes bei pseudoradikulären Ausstrahlungen in beide Beine sowie depressiver Verstimmung mit chronischen Schmerzereignissen die Gewährung von Leistungen wegen des Arbeitsunfalls am 17.10.1994. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 15.03.2005 ab. Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, bei Erlass des Bescheides vom 17.11.1995 sei seiner psychischen Entwicklung in Folge des Arbeitsunfalls vom 17.10.1994 nicht hinreichend Rechnung getragen worden. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 27.04.2005). Die dagegen zum Sozialgericht Aachen (SG) erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 07.12.2006 abgewiesen. Im Berufungsverfahren L 2 KN 11/07 U hat der Kläger im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 15.03.2007 erklärt: "Die Sache ist für mich erledigt, der Rechtsstreit wird nicht fortbetrieben". Diese Erklärung wurde laut zu Protokoll diktiert, dem Kläger vorgespielt und von diesem genehmigt.
Mit Schreiben vom 17.04.2007 hat der Kläger die Fortführung des Berufungsverfahrens mit der Begründung begehrt, zu keiner Zeit den Rechtsstreit für erledigt erklärt zu haben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 07.12.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.03.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2005 zu verurteilen, wegen der Folgen des Unfalls vom 17.10.1994 Verletztenrente in gesetzlichem Umfang zu gewähren,
hilfsweise,
die Beklagte nach Rücknahme des Bescheides vom 17.11.1995 zu verurteilen, wegen der Folgen des Unfalls vom 17.10.1994 Verletztenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und den Kläger an den Kosten der auf sie entfallenden Pauschalgebühr zu beteiligen.
Der weiteren Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den übrigen Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der ursprünglich unter dem Aktenzeichen L 2 KN 11/07 U anhängige Rechtsstreit ist durch Rücknahme des Rechtsmittels erledigt worden.
Nach Auffassung des Senats begehrt der Kläger – neben seinem materiellen, auf Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gerichteten Anspruch – die Fortführung des Berufungsverfahrens, das er nicht als erledigt ansieht.
Eine materiell-rechtliche Entscheidung über einen Anspruch auf Verletztenrente ist dem Senat aus prozessrechtlichen Gründen verwehrt. Denn das Berufungsverfahren L 2 KN 11/07 U ist durch die Zurücknahme der Berufung erledigt worden. Die am 15.03.2007 unbedingt zu Protokoll gegebene Erklärung "Die Sache ist für mich erledigt, der Rechtsstreit wird nicht fortbetrieben" ist rechtlich als Zurücknahme der Berufung zu werten (vgl. § 156 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Dies bewirkt den Verlust des Rechtsmittels (vgl. § 156 Abs. 2 Satz 1 SGG) und hat zur Folge, dass der Rechtsstreit – wie bei einer Klagerücknahme – in der Hauptsache erledigt ist (vgl. § 102 Satz 2 SGG).
Die Abgabe der prozessbeendenden Erklärung des Klägers wird durch das Sitzungsprotokoll vom 15.03.2007 bewiesen. Die Sitzungsniederschrift bringt grundsätzlich vollen Beweis dafür, dass die beurkundeten Erklärungen tatsächlich abgegeben worden sind (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 415 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO -). Anhaltspunkte für eine Fälschung (§ 165 Satz 2 ZPO) oder eine unrichtige Beurkundung (§ 415 Abs. 2 ZPO) sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Seine (prozessbeendende) Erklärung ist dem Kläger ordnungsgemäß vorgespielt und von ihm genehmigt worden (vgl. § 122 SGG i.V.m. § 162 Abs. 1 ZPO), so dass alle für die Richtigkeit des Protokolls vorgeschriebenen Förmlichkeiten beachtet worden sind. Kein Zweifel besteht daran, dass der Kläger bei Abgabe dieser Erklärung prozessfähig war. Es liegen keine objektiven Anhaltspunkte und erst recht keine Nachweise für eine einmalige und zeitlich beschränkte Prozessunfähigkeit vor.
Die wirksam erklärte Zurücknahme der Berufung kann auch nicht durch Anfechtung (§§ 119, 123 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -) beseitigt werden. Denn die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Nichtigkeit und Anfechtung, insbesondere auch wegen Irrtums, sind auf Prozesshandlungen wie die Berufungszurücknahme nicht anwendbar (vgl. Urteil des BSG vom 19.03.2002, B 9 V 75/01 B, HVBG-INFO 2002, 2150-2152; Beschluss vom 24.04.2003, B 11 AL 33/03 B; Meyer-Ladewig, SGG 8. Auflage, § 156 Rdn. 2a).
Ein Wiederaufgreifen eines durch Zurücknahme der Berufung beendeten Rechtsstreit ist vielmehr ausnahmsweise nur dann möglich, wenn Wiederaufnahmegründe im Sinne der §§179, 180 SGG i.V.m. §§ 579 f. ZPO vorliegen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Soweit dem Kläger Verschuldenskosten auferlegt worden sind, beruht dies auf § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Der Kläger hat den Rechtsstreit fortgeführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.02.2008 die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauflegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Wer ein Verfahren, dessen Aussichtslosigkeit ihm im Einzelnen dargelegt worden ist, ohne nachvollziehbare Begründung fortführt, nimmt das Gericht missbräuchlich in Anspruch. Der Senat hat die Höhe der zu erstattenden Kosten nach dem gesetzlichen Mindestbetrag bemessen (vgl. §§ 192 Abs. 1 Satz 3 und 184 Abs. 2 SGG).
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (vgl. § 160 Abs. 2 SGG). Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Entscheidung beruht maßgeblich auf der Würdigung von Tatsachen des konkreten Einzelfalls.
Erstellt am: 08.04.2008
Zuletzt verändert am: 08.04.2008