Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 15.08.2006 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Antragsverfahren vor dem Sozialgericht wird unter Änderung des Beschlusses vom 23.08.2006 auf 5.244,24 Euro festgesetzt. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird ebenfalls auf 5.244,24 Euro festgesetzt.
Gründe:
I. Der Antragsteller (ASt.) wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln. Er begehrt der Sache nach, die Vollstreckung einer Beitragsforderung auszusetzen.
Der ASt. ist niedergelassener Allgemeinarzt. Er beschäftigte zwei Praxishelferinnen, die jedenfalls bis März 2006 bei dem ASt. beschäftigt und bei der Antragsgegnerin (Agn.) versichert waren. Diese war als Einzugsstelle zuständig, die für die Versicherten angefallenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge einzuziehen (Einzugsstelle gemäß § 28h des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV)).
Bis 28.02.2003 war das Beitragskonto des ASt. ausgeglichen. Seit März 2003 vermerkte die Agn. des öfteren verspätete Beitragszahlungen des ASt. Deswegen kam es seitdem wiederholt zu Differenzen zwischen den Beteiligten sowie zu Vollstreckungshandlungen und -ankündigungen der Agn.
Am 04.05.2006 teilte die Agn. dem ASt. auf der Grundlage seiner Beitrags- und Entgeltmeldungen mit, dass bis einschließlich April 2006 ein Beitragsrückstand in Höhe von 5132,64 EUR einschließlich Säumniszuschlägen und Mahngebühren entstanden sei. Gleichzeitig forderte sie den ASt. zur Zahlung auf, setzte aber mit Bescheid vom 10.05.2006 die Vollziehung bis zum 26.05.2006 aus.
Am 07.06.2006 hat der ASt. beim SG Köln beantragt,
der Agn. im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Zwangsvollstreckung durchzuführen und ihr für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 EUR anzudrohen.
Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt, es möge sein, dass er Beiträge verspätet gezahlt habe; er sei deshalb auch bereit die insoweit angefallenen Säumniszuschläge zu zahlen. Keinesfalls bestehe aber ein Beitragsrückstand. Dazu bezog er sich auf Kontoauszüge der Agn., aus denen sich u.a. ergibt, dass in den Monaten Januar 2005, Juli 2005, September 2005 keinerlei Beitragszahlungen erfolgt und in anderen Monaten geringere als die geforderten Beiträge gezahlt sein sollen.
Auch hat er sich gegen einen Bescheid der Agn. vom 08.06.2006 gewandt, mit dem diese Beitragsrückstände bis Mai 2006 sowie Säumniszuschläge und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 5.244,24 EUR angemahnt und ihn zur Zahlung aufgefordert hatte.
Die Agn. hat auf dem Ausgleich der geforderten Beiträge bestanden.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 15.08.2006 abgelehnt und ausgeführt, die Grundlagen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung lägen nicht vor. Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) seien nicht erfüllt.
Den Streitwert hat es mit Beschluss vom 23.08.2006 auf 5163,84 EUR (entsprechend einer ersten Bezifferung durch die Agn. im Schriftsatz vom 14.06.2006) festgesetzt.
Der ASt. hat gegen den ihm am 25.08.21006 zugestellten Beschluss vom 15.08.2006 am 25.09.2006 Beschwerde eingelegt. Er hat dargelegt, dass den Forderungen offenkundig kein Bescheid zugrunde liege. Auch sei offenkundig, dass die Beitragsforderungen überhöht seien, weil ihr Betrag die Höhe der an seine Beschäftigten (wohl monatlich) gezahlten Bruttolöhne übersteige. Zudem bestehe auch ein Anordnungsgrund, weil rund 5000,00 EUR kein Betrag seien, den man als Reserve auf dem Girokonto vorhalte. Er sei gezwungen, deshalb Darlehen aufzunehmen.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 27.09.2006).
Die Agn. beantragt,
die Beschwerde des ASt. zurückzuweisen.
Sie hat mitgeteilt, Vollstreckungsgrundlage seien die vom ASt. jeweils abgegebenen Beitragsnachweise (§ 28f Abs. 3 S. 3 SGB IV), die ihr elektronisch übermittelt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Zutreffend hat das SG entschieden, dass die Voraussetzungen für den beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung i.S.v. § 86b Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Auch soweit das Begehren des ASt. dahingehend auszulegen ist, dass er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen die Beitragsforderungen i.S.v. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG begehrt, ist die Beschwerde unbegründet.
Zwar dürfte schon im Schriftsatz des Bevollmächtigten des ASt. vom 18.01.2006 (Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung an die Agn.) wie auch im Antragsschriftsatz an das SG vom 02.06.2006 nicht nur ein Begehren um Vollstreckungsschutz zu sehen sein; dem Sinne nach wendet sich der ASt. darin gegen die Feststellung von Beitragsrückständen. Dies ist als Widerspruch gegen die Beitragsanforderungen durch die Agn. zu werten.
Unrichtig ist die Auffassung des ASt., dem Vollstreckungsbegehren der Agn. lägen keine entsprechenden vollstreckungsfähigen Bescheide zugrunde. Zutreffend ist zwar, dass die Agn. keine Bescheide erlassen hat, die eine gesonderte Beitragsfestsetzung für einzelne Monate oder Zeitabschnitte im engeren Sinne enthält. Insoweit ist mit der Agn. darauf hinzuweisen, dass Vollstreckungsgrundlage nicht eine ausdrückliche Entscheidung der Agn. als Einzugsstelle zu sein braucht; vielmehr reicht insofern als Vollstreckungsgrundlage die (in der Regel elektronische) Beitragsanmeldung durch den Arbeitgeber aus (§ 28f Abs. 3 S. 3 SGB IV). Darüber hinaus liegen aber aber auch konkrete Bescheide der Agn. vor. Denn ihre an den Ast. gerichteten Zahlungsaufforderungen, etwa vom 04.05.2006 und vom 08.06.2006, stellen nicht nur unverbindliche Bitten dar, sondern enthalten unmissverständlich öffentlich-rechtliche Entscheidungen zur Regelung eines Einzelfalls ("Verwaltungsakt”). Denn mit ihnen wird ein bestimmter Zahlungsbetrag vom ASt. gefordert. Dabei ist unerheblich, dass den entsprechenden Schreiben keine Rechtsmittelbelehrung zu entnehmen ist und sie auch nicht als "Bescheid” oder "Verwaltungsakt” bezeichnet worden sind. Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang die von der Agn. genannte und oben erwähnte Vorschrift des § 28f SGB IV hat, mag deshalb dahinstehen.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in Fällen, in denen der Widerspruch (1. Alternative) keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung durch Beschluss (§ 86b Abs. 4 SGG) ganz oder teilweise anordnen. Der Antrag kann schon vor Erlass des Widerspruchsbescheides (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage 2005, § 86b RdNr. 8) bzw. Klageerhebung gestellt werden (§ 86b Abs. 3 SGG).
Der Widerspruch des Antragstellers gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 04.05. und 08.06.2006 hat nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung; denn mit ihnen ist im weitesten Sinne über die Beitragspflicht entschieden worden. § 86b Abs. 1 SGG regelt unmittelbar die Voraussetzungen nicht, unter denen das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnen kann. Maßgeblich ist in Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG gemäß § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen (vgl. auch Meyer-Ladewig, a.a.O., § 86b RdNr. 12).
Das Gericht entscheidet nach Ermessen und aufgrund einer Abwägung des Vollzugsinteresses der Behörde und des Aussetzungsinteresses des Ast., wobei die Erfolgsaussichten des Widerspruchs oder der Klage von maßgeblicher Bedeutung sind.
Ernstliche Zweifel i.S.d. § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG liegen nur dann vor, wenn der Erfolg des Rechtsmittels deutlich wahrscheinlicher ist als ein möglicher Misserfolg. Andernfalls wäre angesichts der vielfältigen Rechtsprobleme wie auch der Schwierigkeiten einer umfassenden Sachverhaltsklärung in Beitragsangelegenheiten eine Aussetzung der Vollziehung regelmäßig durchsetzbar, was die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung erheblich beeinträchtigen könnte (vgl. ausführlich dazu Beschluss des Senats vom 18.12.2002 – L 16 B 70/02 KR ER -). Je größer die Erfolgsaussichten, um so geringer sind die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse des Antragstellers (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 86b RdNr.12).
Der Senat vermag derartige Zweifel nicht zu erkennen. Wie der Vorsitzende des Senats den Beteiligten bereits mit Schreiben vom 03.11.2006 verdeutlicht hat, fällt bei Durchsicht der von der Agn. erstellten Auszüge aus dem Beitragskonto des ASt. auf, dass er offenbar für mehrere Monate in Jahre 2005 keinerlei Beiträge und seit 2003 Beiträge nur verzögert gezahlt hat, sodass der Beitragsrückstand bei der gebotenen summarischen Prüfung erklärbar erscheint. Es wird Sache des Widerspruchsverfahrens und einer Offenlegung der Zahlungsbelege durch den ASt. sein, den entgegenstehenden Behauptungen der Beteiligten nachzugehen. Ob und inwieweit es zutreffend erscheint, dass der ASt. darüber hinaus seit April keine Versicherten mehr beschäftigt (so sein Vortrag im Antragsschriftsatz vom 07.06.2006, dem aber die Behauptung der Agn. im Bescheid vom 08.06.2006 widerspricht) wird sich sicherlich leicht durch Vorlage der Abmeldebestätigung oder eine Nachfrage bei den Versicherten klären lassen.
Der ASt. wird durch den Beitragseinzug auch keiner besonderen, unbilligen Härte (§ 86a Abs. 2 S.2 2. Alt. SGG) ausgesetzt. Dies ergibt sich schon daraus, dass er nach seinen Angaben in der Lage ist, die Forderung durch Aufnahme eines relativ geringen Kredites abzudecken. Dies ist ihm im Rahmen einer üblichen Abwicklung seiner Praxisgeschäfte auch zumutbar. Soweit ihm dadurch Kosten entstehen, hat diese die Agn. zu tragen, sofern sie in der Hauptsache unterliegt (§ 86b Abs. 2 SGG i.V.m. § 945 der Zivilprozessordnung – ZPO-).
Die Kostenentscheidung beruht in entsprechender Anwendung auf §§ 183, 193 SGG.
Die Streitwertentscheidungen ergeben sich aus §§ 47, 52, 53, 61, 63, 68 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. § 197a SGG und tragen dem Verfahrensinteresse des ASt. Rechnung. Zwar setzt der Senat den Streitwert in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Regel niedriger als in einem Hauptsacheverfahren fest (vgl. auch Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, Neue Zeitschrift für Sozialrecht 2006, S. 350 ff., Nr. 7.1.; ähnlich Hartmann, Kostengesetze, 36. Auflage, 2006, RdNrn. 37, 22-24 zu § 53 GKG). Dabei hält der Senat in ständiger Rechtsprechung bei Beitragsstreitigkeiten für den Regelfall im vorläufigen Rechtsschutzverfahren einen Wert von einem Viertel bis zu einem Drittel des Wertes der Beitragsforderung für angemessen (etwa in den Verfahren L 16 B 1/06 R ER, L16 B 56/04 KR ER oder L 16 B 21/04 KR ER, alle unter www.sozialgerichtsbarkeit.de – Entscheidungen -). Anderes gilt etwa dann, wenn ersichtlich mit dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Hauptsache vorweggenommen wird oder wenn der Ansatz des Wertes der Hauptsache oder sogar ein höherer Streitwert aus anderen Gründen (etwa wegen Erweiterung des Rechtsschutzumfangs) nötig wird. Abweichend vom Regelfall lässt sich im vorliegenden Falle der Streitwert nicht auf einen Betrag von rund 1.300,00 bis 1.400,00 Euro reduzieren. Denn der zusätzliche Antrag, der Agn. ein Ordnungsgeld in beträchtlicher Höhe anzudrohen, rechtfertigt es jedenfalls, es bei dem Wert der eigentlichen Beitragsforderung zu belassen und damit dem grundsätzlichen Ansatz des SG zu entsprechen.
Soweit der Senat dabei die Streitwertentscheidung des SG geringfügig abgeändert/erhöht hat, folgt dies aus § 63 Abs. 3 GKG und berücksichtigt, dass sich der ASt. ausdrücklich auch gegen die inzwischen höhere Beitragsforderung durch Bescheid vom 08.06.2006 gewandt hat.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 25.01.2007
Zuletzt verändert am: 25.01.2007