Revision durch Beschluss vom 10.03.08 als unzulässig verworfen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 13.12.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Fahrkosten zu erstatten, die ihm durch die Teilnahme an von der Beklagten geförderten Rehabilitationssport entstanden sind.
Die Beklagte bewilligte dem im Jahre 1963 geborenen und querschnittsgelähmten Kläger Rehabilitationssport. Zur Teilnahme an dem Rehabilitationssport der Behindertensportgemeinschaft C (BSG C) legte er im Jahre 2004 im eigenen Pkw 36 mal eine Wegstrecke von 40 km, insgesamt 1.440 km, zurück (Teilnahmebestätigungen vom 10.07.2004/02.01.2005).
Den im April 2005 gestellten Antrag des Klägers auf Übernahme der Fahrkosten im Zusammenhang mit diesem Rehabilitationssport lehnte die Beklagte mit den Bescheiden vom 21.04.2005 und 15.06.2005 ab. Eine Übernahme der Fahrkosten sei nicht mehr möglich, weil die Bestimmungen des § 60 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V "eine ambulante Behandlung", also eine medizinische Maßnahme, voraussetzten. Rehabilitationssport sowie Funktionstraining seien keine ambulante Behandlung in diesem Sinne.
Der Kläger verwies mit seinem Widerspruch vom 30.06.2005 u.a. auf die Regelungen in der Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglHV) zu § 60 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII). Diese sähen in § 6 EinglHV vor, dass zu den Leistungen der medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 26 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) auch ärztlich verordneter Rehabilitationssport in Gruppen unter ärztlicher Betreuung und Überwachung gehöre. Die Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining beinhalte in Nr. 17.3 ausdrücklich, dass Fahrkosten und etwaige weitere im Zusammenhang mit der Durchführung des Rehabilitationssports bzw. Funktionstrainings stehende Leistungen nach den gesetzlichen Bestimmungen erbracht würden. Unter Berücksichtigung der Rechtsansichten der Beklagten sei diese Vorschrift sinnentleert. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger mit einem am 12.09.2005 bei dem Sozialgericht (SG) Detmold eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben und vorgetragen, die ergänzenden Leistungen des § 44 SGB IX seien als Leistungen der Krankenversicherung anzusehen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13.12.2006 (zugestellt am 10.01.2007) abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten für den im Jahre 2004 durchgeführten Rehabilitationssport. Ein solcher ergebe sich weder aus § 60 SGB V noch aus den §§ 44, 53 SGB IX. Auf die weiteren Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Mit seiner Berufung vom 29.01.2007 macht der Kläger geltend, der Sinn und Zweck der Regelungen zum Rehabilitationssport bestehe darin, dass einem behinderten Menschen die Teilnahme an Rehabilitationsmaßnahmen nicht deshalb verwehrt bleibe, weil er die erforderlichen Fahrkosten nicht tragen könne. Hierfür spreche auch Nr. 17.3 der Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport. Im Übrigen sehe § 60 Abs. 5 SGB V vor, dass im Zusammenhang mit den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Fahr- und andere Reisekosten nach § 53 SGB IX übernommen würden. Der Rehabilitationssport sei eine im Zusammenhang mit einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation stehende Maßnahme.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 13.12.2006 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 21.04.2005/15.06.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2005 zu verurteilen, Fahrkosten für 36 Fahrten vom Wohnort bis zur Behindertensportgemeinschaft C entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten, die vorgelegen haben und ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat es mit dem angefochtenen Urteil zu Recht abgelehnt, die Bescheide vom 21.04.2005 und 15.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2005 aufzuheben und die Beklagte zur Kostenerstattung zu verurteilen. Die gesetzlichen Vorschriften enthalten keine Rechts-grundlage für die von dem Kläger begehrte Erstattung der im Zusammenhang mit dem Rehabilitationssport im Jahre 2004 entstandenen Fahrkosten.
§ 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V sieht vor, dass die Krankenkasse Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in begründeten Ausnahmefällen übernimmt, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V festgelegt hat. Ein Anspruch des Klägers nach dieser Vorschrift scheitert bereits daran, dass die Fahrten zum Rehabilitationssport keine Fahrten zu einer ambulanten ärztlichen Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. den Kranken-transport-Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V sind. Abzustellen ist auf den in § 28 Abs. 1 SGB V definierten Begriff der ärztlichen Behandlung. Ärztliche Behandlung umfasst hiernach die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Kranken-behandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Zur Kranken-behandlung im Sinne dieser Vorschriften gehören nur Maßnahmen mit Behandlungs- und Therapiecharakter sowie eindeutigem Krankheitsbezug, die gezielt zur Bekämpfung der Krankheit eingesetzt werden (BSG, Urteil vom 18.05.1976 – 3 RK 53/74 – SozR 2200 § 182 Nr. 14). Allgemeine Mittel der Gesunderhaltung, die deshalb erforderlich sind, weil sich der Versicherte wegen der Krankheit nicht ohne fachkundige Hilfe beschäftigen oder sportlich betätigen kann, sind keine Maßnahme der Krankenpflege (BSG a.a.O.).
Zur Krankenbehandlung zählt der von dem Kläger wahrgenommene Rehabilitationssport als ergänzende Leistung zur Rehabilitation nach § 43 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 44 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX nicht. Zwar findet dieser Rehabilitationssport unter ärztlicher Betreuung und Überwachung statt, er ist jedoch als sportliche Aktivität einzustufen. Nach der Definition des Rehabilitationssports in der Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining vom 01.10.2003, die zwischen den gesetzlichen Krankenkassen, den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern, den Trägern der gesetzlichen Rentenver-sicherung und der Alterssicherung der Landwirte und dem Träger der Kriegsopferver-sorgung auf der einen sowie dem Deutschen Behindertensportverband e.V., der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen e.V. und dem Deutschen Rheuma-Ligabundesverband e.V. auf der anderen Seite abgeschlossen worden ist, wirkt Rehabilitationssport mit den Mitteln des Sports und sportlich ausgerichterer Spiele ganzheitlich auf die Behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen, die über die notwendige Mobilität sowie physische und psychische Belastbarkeit für Übungen in Gruppen verfügen, ein. Zum Ausdruck kommt die im SGB V vorge-sehene Differenzierung zwischen Maßnahmen der Krankenbehandlung und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation weiter in § 11 Abs. 1 und 2 SGB V. Die Vorschrift macht deutlich, dass es sich bei den Rehabilitationsleistungen gegenüber denjenigen der Krankenbehandlung um eigenständige Leistungen handelt.
Einen nicht zwingend mit ambulanter Krankenbehandlung in Zusammenhang stehenden Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten enthält § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift, nach der die Krankenkasse nach den Absätzen 2 (dem Grunde nach) und 3 (der Höhe nach) die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten) übernimmt, wenn sie in Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind, liegen jedoch nicht vor. Nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V ist dies – neben hier nicht in Betracht zu ziehenden weiteren Alternativen – der Fall bei anderen Fahrten von Versicherten, die während der Fahrt einer fachlichen Betreuung oder besonderen Einrichtungen eines Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen dies aufgrund ihres Zustandes zu erwarten ist (Krankentransport – Nr. 3). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger während der Fahrt zum Rehabilitationssport einer solchen fachlichen Betreuung oder einer besonderen Einrichtung eines Krankenkraftwagens bedurfte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr legte der Kläger die Strecken von seinem Wohnort zu den Trainingsstätten der Behindertensportgemeinschaft C im Jahre 2004 in einem Pkw eigenständig zurück. Es handelte sich auch nicht um Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung sowie zu einer Behandlung nach § 115a oder § 115b, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung (§ 39) vermieden oder verkürzt wird oder diese nicht ausführbar ist, wie bei einer stationären Krankenbe-handlung (§ 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V).
Schließlich kann der Kläger auch aus § 60 Abs. 5 SGB V i.V.m. § 53 Abs. 1 bis 3 SGB IX keinen Anspruch auf Krankenbehandlung ableiten. Nach diesen Vorschriften werden als Reisekosten die in Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen. Hierzu gehören u.a. auch die Kosten für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist (§ 53 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGB IX). Nach § 53 Abs. 3 SGB IX werden Reisekosten nach Absatz 2 auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden. Die Vorschrift des § 53 Abs. 1 SGB IX erfasst nach ihrem Wortlaut und den Gesetzesmaterialien jedoch lediglich Kosten, die im Zusammenhang mit einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben er-bracht werden (BT-Drucks. 14/5074, Seite 110), nicht jedoch ergänzende Leistungen zur Rehabilitation, die sowohl nach den Vorschriften des SGB V als auch nach denjenigen des SGB IX von den Leistungen zur medizinischen Rehabilition und denjenigen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu unterscheiden sind. So beinhaltet § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V nach seinem Wortlaut ("Versicherte haben auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen") ergänzende Leistungen neben Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Das SGB IX enthält gesonderte Kapitel zu den verschiedenen Leistungsgruppen des § 5 SGB IX (Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen). Auch § 44 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX zählt die medizinischen Leistungen zur Rehabilitation neben den ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation auf. Hiernach ergänzt u.a. der ärztlich verordnete Rehabilitationssport die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben. Insofern hat bereits das SG in seinen Entscheidungsgründen zutreffend darauf hinge-wiesen, dass die Systematik des § 44 Abs. 1 SGB IX zeigt, dass der Rehabilitationssport und das Funktionstraining gerade keine eigenständigen medizinischen Rehabilitations-maßnahmen darstellen.
Die von dem Kläger herangezogene Bestimmung der Nr. 17.3 der Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining verweist – als untergesetzliche Vorschrift – ausdrücklich auf den Vorrang der gesetzlichen Regelungen des SGB V. Die § 6 EinglHV zugrunde liegende unklare Systematik kann allenfalls für die Bestimmung von Ansprüchen nach dem SGB XII Bedeutung erlangen, die hier jedoch nicht im Streit sind.
Die sich aus den gesetzlichen Vorschriften ergebende Konsequenz, dass im Zusammen-hang mit dem Rehabilitationssport und dem Funktionstraining eine Erstattung von Fahrkosten nur in den zahlenmäßig als gering einzuschätzenden Fällen des § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V bei gravierenden gesundheitlichen Einschränkungen erfolgt, kann allein der Gesetzgeber beseitigen. Vor dem Hintergrund der durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 (BGBl. I Seite 2190) mit Wirkung zum 01.01.2004 vorgenommenen Änderungen im Bereich der Erstattung von Fahrkosten sieht der Senat auch keine Möglichkeit zu einer erweiternden Auslegung der gesetzlichen Vorschriften und regelmäßigen Einbeziehung der Fahrkosten zum Rehabilitationssport und Funktionstraining in die Leistungspflicht der GKV. Mit der Neuregelung sollte stärker als bisher auf die medizinische Notwendigkeit der im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Krankenkassenleistung erforderlichen Fahrt abgestellt werden. In allen Fällen des § 60 SGB V müssen die Fahrten im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sein, um einen Anspruch auf Übernahme der Kosten zu begründen. Letztlich finanzielle Gründe sollten gerade nicht mehr zu einer Übernahme der Fahrkosten führen (BSG, Urteil vom 26.09.2006 – B 1 KR 20/05 R – SozR 4-2500 § 60 Nr. 1; BT-Drucks. 15/1525, Seite 77), Wie das BSG bereits entschieden hat, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die GKV den Versicherten Leistungen nur nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Die Übernahme von Fahrkosten aus finanziellen Gründen gehört gerade nicht in den Leistungskatalog, den die GKV ihren Versicherten zu leisten hat (BSG, Urteil vom 26.09.2006 a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Erstellt am: 18.03.2008
Zuletzt verändert am: 18.03.2008