Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 06.12.2006 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Beitragseinstufung des Klägers als Selbständiger in den Monaten November und Dezember 2004.
Der 1962 geborene Kläger, der schon während seiner abhängigen Beschäftigung freiwilliges Mitglied der Beklagten war, begann nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes ab dem 01.11.2004 eine selbständige Tätigkeit. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte ihm mit Bescheid vom 21.10.2004 für die Zeit vom 01.11.2004 bis 30.04.2005 Überbrückungsgeld (jetzt: Gründungszuschuss) in Höhe von 21.408,36 Euro, das in monatlichen Teilbeträgen von 3568,06 Euro ausgezahlt wurde.
Mit Schreiben vom 25.09.2004 hatte der Kläger der Beklagten mitgeteilt, er beginne ab dem 01.11.2004 eine selbständige Tätigkeit. Vom 20.10. bis 01.11.2004 erhalte er Arbeitslosengeld. Während seiner selbständigen Tätigkeit im Jahre 2004 erwarte er einen Umsatz von 0,00 Euro und einen Verlust von 19.000,00 Euro, so dass er eine Einstufung nach dem Mindestbeitrag beantrage. Nachdem er mitgeteilt hatte, er rechne ab dem 01.01.2005 mit Einkünften aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 40.000,00 Euro jährlich, ging die Beklagte von monatlichen Einkünften von 3333,33 Euro aus und setzte mit Bescheid vom 18.05.2005 für die Zeit ab 01.11.2004 auf dieser Grundlage Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 443,34 Euro und zur Pflegeversicherung in Höhe von 56,66 Euro fest. Der Kläger legte Widerspruch ein und machte geltend, in den Monaten November und Dezember 2004 habe er aus seiner selbständigen Tätigkeit keine positiven Einkünfte erzielt. Für die Zeit ab Januar 2005 werde er die Beiträge in der festgesetzten Höhe überweisen. In der weiteren Korrespondenz bezifferte er sein Einkommen für die Monate November und Dezember 2004 mit 0,00 Euro und forderte eine Einstufung nach dem Mindestbeitrag. Nachdem die Beklagte Kenntnis von der Zahlung des Überbrückungsgeldes erlangt hatte, hob sie mit Bescheid vom 11.07.2005 ihren Bescheid vom 18.05.2005 auf und berechnete die Beiträge neu. Bei dem Überbrückungsgeld handele es sich um beitragspflichtige Einnahmen zum Lebensunterhalt. Da das Überbrückungsgeld über der Beitragsbemessungsgrenze (im Jahre 2004: 3487,50 Euro) liege, würden die Beiträge aus diesem Betrag errechnet. Sie setzte Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 463,84 Euro und zur Pflegeversicherung in Höhe von 59,28 Euro, insgesamt 523,12 Euro fest. Dagegen wandte der Kläger ein, das Überbrückungsgeld sei steuerfrei und unterliege auch nicht dem Progressionsvorbehalt, so dass es nicht zur Beitragsbemessung herangezogen werden dürfe. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung der Klage hat der Kläger vorgetragen, er habe im Jahre 2004 aus seiner selbständigen Tätigkeit negative Einkünfte erzielt. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei das Überbrückungsgeld nicht beitragspflichtig, so dass er nur Beiträge nach der Mindestbemessungsgrundlage zu leisten habe. In der mündlichen Verhandlung hat er den Einkommenssteuerbescheid vom 18.05.2006 für das Jahr 2004 vorgelegt, der aus der selbständigen Tätigkeit einen Verlust in Höhe von 6379,00 Euro ausweist.
Mit Urteil vom 06.12.2006 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid insoweit aufgehoben, als für die Monate November und Dezember 2004 Beiträge über dem Mindestbeitrag festgesetzt worden sind. Es hat gemeint, zwar handelt es sich bei dem Überbrückungsgeld um eine beitragspflichtige Einnahme, jedoch sei der Verlust aus der selbständigen Tätigkeit zu berücksichtigen, so dass sich bei einer Saldierung beider Einnahmen nur positiven Einnahmen in Höhe von 757,00 Euro für zwei Monate ergäben.
Gegen das ihr am 14.12.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.12.2006 Berufung eingelegt. Sie verteidigt die Berücksichtigung des Überbrückungsgeldes als beitragspflichtige Einnahmen und rügt, eine Saldierung negativer und positiver Einkünfte, wie sie das Sozialgericht vorgenommen habe, sei nur innerhalb der gleichen Einkunftsart zulässig. Im Rahmen des § 240 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) habe das BSG einen vertikalen Verlustausgleich abgelehnt. Somit müsse das Überbrückungsgeld in voller Höhe der Beitragsbemessung zugrundegelegt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 06.12.2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Da das Überbrückungsgeld erst bewilligt werde, wenn eine Bestätigung des Finanzamtes über die Aufnahme der freiberuflichen Tätigkeit vorliege, sei es den Einkünften aus der freiberuflichen Tätigkeit zuzurechnen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist statthaft, denn ihre Beschwer übersteigt den Beschwerdewert von 500,00 Euro (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). In dem angefochtenen Bescheid vom 11.07.2005 hat die Beklagte für die allein streitigen Monate November und Dezember 2004 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 523,12 Euro monatlich festgesetzt. Diesen Bescheid hat das Sozialgericht insoweit geändert, als über der Mindestbemessungsgrundlage für Selbständige (§ 240 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) V in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung) liegende Beiträge festgesetzt worden sind. Unter Zugrundelegung der im Jahre 2004 geltenden Mindestbemessungsgrundlage für Selbständige in Höhe von 1811,25 Euro ergibt sich nach dem im fraglichen Zeitraum geltenden Beitragssatz von 13,3 % in der Krankenversicherung ein Monatsbeitrag von 240,89 Euro sowie nach dem Beitragssatz von 1,7 % zur Pflegeversicherung ein Beitrag in Höhe von 30,79 Euro, also ein Gesamtmonatsbeitrag von 271,68 Euro. Die Differenz zwischen den angefochtenen Beiträgen und den Beiträgen nach der Mindestbemessungsgrundlage für die beiden streitigen Monate beträgt somit 502,88 Euro (1046,24 Euro – 543,36 Euro). Für die Beschwer ist unerheblich, dass die Beklagte als Krankenversicherungsträger nicht befugt war, die Beiträge zur Pflegeversicherung festzusetzen (vergleiche zuletzt BSG, Urteil vom 07.03.2007 – B 12 KR 33/06 R). Das Sozialgericht hat über die im Bescheid vom 11.07.2005 festgesetzten Beiträge insgesamt entschieden, ohne zwischen den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung zu differenzieren, so dass sich dementsprechend die Beschwer der Beklagten auf die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge bezieht. Dass die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung das Verfahren auf die Beiträge zur Krankenversicherung beschränkt haben berührt die Zulässigkeit der Berufung nicht, da es für die Beschwer auf den Zeitpunkt der Einlegung der Berufung ankommt.
Die auch sonst zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, denn entgegen der Ansicht des Sozialgerichts durfte die Beklagte der Beitragsbemessung das gesamte Überbrückungsgeld bis zur Beitragsbemessungsgrenze zugrunde legen.
Nach § 240 Abs. 1 S. 1 SGB V wird die Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder durch die Satzung geregelt, wobei nach Satz 2 a.a.O. sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Die Satzung der Beklagten sieht dementsprechend die Berücksichtigung aller Einnahmen zum Lebensunterhalt für die Beitragsberechnung vor.
Auf dieser Grundlage durfte (und musste) die Beklagte das Überbrückungsgeld in voller Höhe als beitragspflichtige Einnahme berücksichtigen. Da nur die Beitragseinstufung für die Monate November und Dezember 2004 im Streit ist, sind im vorliegenden Fall noch die bis zum 31.07.2006 geltenden Fassungen der §§ 240 SGB V sowie 57 SGB III anzuwenden. Durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006 (BGBl I, 1706) ist die Förderung zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im SGB III neu geregelt worden. In der jetzigen Fassung des § 57 SGB III ist die Bezeichnung Überbrückungsgeld in § 57 SGB III durch den Ausdruck Gründungszuschuss ersetzt worden. Ferner ist die Berechnung des Gründungszuschusses insoweit geändert worden, als nunmehr zusätzlich zu dem zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld statt der darauf entfallenden pauschalierten Sozialversicherungsbeiträge (§ 57 Abs. 5 SGB III a.F.) ein fester Betrag von 300,00 Euro monatlich gezahlt wird (§ 58 Abs. 1 SGB III n.F.), der zur sozialen Sicherheit vorgesehen ist. Gleichzeitig ist § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V dahingehend ergänzt worden, dass dieser zur sozialen Sicherheit vorgesehene Teil des Gründungszuschusses nicht als beitragspflichtige Einnahmen berücksichtigt werden darf.
Das Überbrückungsgeld hatte – wie jetzt der Existenzgründungszuschuss – den Zweck, den Lebensunterhalt des vorher Arbeitslosen während der Übergangszeit, in der aus der neu aufgenommenen selbständigen Tätigkeit keine vollen Einnahmen zu erwarten sind, sicherzustellen (vgl. Niesel/Stratmann, SGB III, 3. Aufl. 2005, § 57 RdNr. 1), stellt also eindeutig eine Einnahme zum Lebensunterhalt dar. Die jetzt in § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V getroffene Regelung bestätigt, dass entgegen der Ansicht des Klägers das (frühere) Überbrückungsgeld als Einnahme zum Lebensunterhalt der Beitragsbemessung zugrundegelegt werden durfte. Da nach § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V n.F. nur der zur sozialen Sicherung vorgesehene Betrag nicht berücksichtigt werden darf, ergibt sich daraus im Gegenschluss, dass ansonsten der Gründungszuschuss als beitragspflichtige Einnahme berücksichtigt werden darf.
Dabei kann für die Zeit bis zur Neuregelung nicht entsprechend § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V n.F. ein "Freibetrag" für den Anteil zur sozialen Sicherung eingeräumt werden. Zwar wurde auch das Überbrückungsgeld zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit der Existenzgründung gezahlt; es setzte sich auch aus dem Betrag, den der Betroffene als Arbeitslosengeld erhalten hatte oder erhalten haben würde und den darauf entfallenden pauschalierten Sozialversicherungsbeiträgen zusammen (§ 57 Abs. 1, Abs. 5 SGB III a.F.). Gleichwohl ist nach dem alten Recht das gesamte Überbrückungsgeld als beitragspflichtige Einnahmen zu berücksichtigen. Die Änderung des § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V hat der Gesetzgeber offenkundig nicht (nur) als "Klarstellung" angesehen. In der Begründung der Änderung (BT-Drucksach 16/1696, 32) wird ausgeführt, mit der Änderung werde geregelt, dass der Betrag des Gründungszuschusses, der zur sozialen Sicherung vorgesehen ist, nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen zur Bemessung der Beiträge zähle. In diesem Zusammenhang sind die Ausführungen zur Änderung des § 57 SGB III zu beachten, wo es heißt, die Erfahrung mit dem Existenzgründungszuschuss zeigten darüber hinaus, dass die soziale Absicherung auch für Selbständige immer bedeutsamer werde (a.a.O. S. 30). Aus diesen Ausführungen lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber zur Sicherstellung der sozialen Absicherung für Selbständige den "Freibetrag" eingeführt hat. Ein solcher "Freibetrag" ist an sich systemwidrig, weil versicherungspflichtige Beschäftigte Beiträge aus dem Bruttoentgelt leisten müssen. Auch deshalb kann ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung für die Zeit vor dem 01.08.2006 nicht angenommen werden, ein Teilbetrag des Überbrückungsgeldes habe als Anteil zur sozialen Sicherung nicht als beitragspflichtige Einnahmen berücksichtigt werden dürfen.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts waren die im Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2004 festgestellten Verluste aus der Einkunftsart selbständige Tätigkeit nicht beitragsmindernd zu berücksichtigen. Ein vertikaler Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkunftsarten findet im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht statt (BSG SozR 3-2500 § 240 Nr. 19; BSG, Urteil vom 09.08.2006 – B 12 KR 8/06 R). Die beitragspflichtigen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit bemessen sich allein nach dem Arbeitseinkommen (§ 15 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)), d.h. dem nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelten Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit (vgl. BSG SozR 3-2500 § 240 Nr. 27). Das Überbrückungsgeld mag zwar im Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit stehen, zählt aber – was auch der Kläger nicht bezweifelt hat – eindeutig nicht zu den Einnahmen aus einer selbständigen Tätigkeit und damit nicht zum Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 Abs. 1 SGB IV. Es handelt sich vielmehr um sonstige Einnahmen zum Lebensunterhalt, so dass eine Saldierung der negativen Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit mit dem Überbrückungsgeld ausscheidet.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, insbesondere hat der Rechtsstreit im Hinblick auf die erfolgte Gesetzesänderung keine grundsätzliche Bedeutung.
Erstellt am: 18.09.2007
Zuletzt verändert am: 18.09.2007