Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 27.08.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Bezuschussung einer erneuten Versorgung der Antragstellerin (ASt in) mit Zahnersatz nach Mängelrüge.
Die 1974 geborene ASt in ist bei der Antragsgegnerin (AG in) gegen Krankheit versichert. Am 06.11.2007 wurde ihr durch den damals behandelnden Zahnarzt L aus Q Zahnersatz im Ober- und Unterkiefer eingegliedert. Die ASt in bemängelte den Sitz der oberen Prothese, die bereits einmal habe unterfüttert werden müssen. Im Unterkiefer hätten bei sonst gutem Sitz zudem die Klammern aktiviert werden müssen. Der darauf von der AG in mit der Erstellung eines Mängelgutachtens beauftragte Zahnarzt Dr. L aus N stellte in seinem Gutachten vom 27.01.2008 nach körperlicher Untersuchung der ASt in am 25.01.2008 fest, beide Prothesen seien mängelfrei. Die ASt in rüge keine Mängel, sondern sie beklagte übliche Abläufe beim Heilungsprozess, wenn eine Vielzahl von Zähnen – vorliegend hätten fünfzehn Zähne und Wurzelreste extrahiert werden müssen – verloren gegangen sei. Ausgehend vom Röntgenbild seien diese Zähne offensichtlich aufgrund jahrelanger Vernachlässigung beim Putzen und Fehlernährung zerstört worden. Die Abläufe bei der Umstellung auf Zahnersatz und die Heilungsphase seien der ASt in eingehend erläutert worden. In der Heilungsphase solle sie weitere Unterfütterungen vornehmen lassen.
Nach einigen – aus Sicht der ASt in erfolglosen – Unterfütterungen der Oberkieferprothese stimmte die AG in einem Zahnarztwechsel zu. Wegen einer erneuten Mängelrüge der ASt in holte sie sodann ein weiteres Gutachten von Dr. Q, Zahnarzt aus Bad P, vom 25.04.2008 ein. Aufgrund körperlicher Untersuchung der ASt in stellte der Gutachter fest, dass im Oberkiefer ein zahnloser, gut abgeheilter Kiefer vorliege, der mit einer "Totalen als Immediatversorgung" mängelfrei versorgt sei. Im Unterkiefer befänden sich mängelfrei Kronen und eine mit einem nicht genau passenden Modellguss versorgte Restbezahnung. Es sei allerdings verwunderlich, dass der Vorgutachter den Modellguss nicht beanstandet habe.
In der daraufhin eingeholten Stellungnahme teilte der ehemalige Behandler der ASt in, Zahnarzt L aus Q, mit, die ASt in habe bei der Vorstellung in seiner Praxis am 09.05.2008 einen Modellguss für den Unterkiefer präsentiert, an dem seiner Auffassung nach Manipulationen vorgenommen worden seien. Alle drei Gussklammern seien verbogen gewesen, teilweise derart unfachgemäß, dass der Ersatz nicht mehr vollständig über die Klammerzähne passe. Der von ihm geäußerten Verdacht, dass die ASt in die Gussklammern selbst nachgebogen habe, sei von dieser jedoch zurückgewiesen worden. Sie habe behauptet, der Modellguss befinde sich seit der Eingliederung ununterbrochen in ihrem Mund. Dass der im November 2007 eingliederte Zahnersatz ursprünglich mängelfrei gewesen sei, habe jedoch auch der Sachverständige Dr. L bestätigt. Dem Betrugsversuch der ASt in, die sich offensichtlich nach Manipulationen eine Neuanfertigung der Prothese für den Unterkiefer zu Lasten der AG in verschaffen wolle, trete er auf das Schärfste entgegen.
Die AG in lehnte sodann mit Bescheid vom 02.06.2008 die Erteilung einer Kostenzusage für eine erneute Versorgung des Unterkiefers mit Zahnersatz ab. Auf der Grundlage der Stellungnahme des behandelnden Zahnarztes und der beiden eingeholten Gutachten gebe es dazu keinen Anlass.
Mit dem dagegen gerichteten Widerspruch machte die ASt in geltend, die Oberkieferprothese habe bereits nach kurzer Zeit nicht mehr "gehalten". Trotz mehrfacher Unterfütterungen und Einsatzes von Haftcreme sei immer noch kein guter Halt erreicht worden. Die Unterkieferprothese habe sich immer wieder "verstellt". Sie habe jedoch keine Veränderungen daran vorgenommen. Eine solche Annahme sei abwegig, zumal sie sich eine Vielzahl von Zähnen habe ziehen lassen und über einen längeren Zeitraum Schmerzen habe erdulden müssen. Sie werde wohl kaum im Anschluss die eigene Prothese zerstören.
Den Widerspruch der ASt in wies die AG in mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.2008 als unbegründet zurück. Versicherte hätten gemäß § 55 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei der medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktion. In begründeten Einzelfällen könnten ausgeführte prothetische Leistungen bei vermuteten Planungs- und/oder Ausführungsmängeln gemäß § 4 Anlage 12 des Bundesmantelvertrages Zahnärzte überprüft und begutachtet werden. Aufgrund der Feststellungen der Gutachter und der glaubhaften Angaben des behandelnden Zahnarztes sei ein Manipulationsverdacht nicht auszuschließen. Eine Neuversorgung mit Zahnersatz zu ihren, der AG in, Lasten sei daher ausgeschlossen.
Am 13.08.2008 hat die ASt in Klage zum Sozialgericht (SG) Detmold erhoben und zugleich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht, ihr Kiefer sei an mehreren Stellen entzündet, so dass eine schmerzfreie Nahrungsaufnahme nicht möglich sei. Sie habe bereits 8 kg Körpergewicht verloren und wiege bei einer Länge von 168 cm nur noch 54 kg. Durch die aus ihrer Sicht mängelbehaftete Zahnbehandlung sei sie durchgehend schmerzbelastet und könne ihre sechs Kinder im Alter zwischen zwei und zwölf Jahren nicht mehr umfassend versorgen.
Die ASt in hat sinngemäß schriftsätzlich beantragt,
die AG in im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes unter Aufhebung des Bescheides vom 02.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2008 zu verurteilen, ihre zahnprothetische Neuversorgung im Ober- und Unterkiefer nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen erneut zu bezuschussen.
Die AG in hat schriftsätzlich beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid als rechtmäßig erachtet. Der Manipulationsverdacht sei nicht ausgeräumt. Wahrscheinlich habe entweder die ASt in, die sich nach dem Eindruck der Gutachter mit den Prothesen nicht abfinden könne und nie zufrieden zu stellen sei, oder aber ein Dritter unfachmännisch Anpassungen vorgenommen, um eine Neuversorgung zu erzwingen, die aber auch nicht zu einem höheren Grad an Zufriedenheit führen werde. Die ASt in sei mit funktionstüchtigem, mängelfreiem Zahnersatz versorgt worden. Sie habe die Möglichkeit, die Prothese auf eigene Kosten reparieren zu lassen.
Mit Beschluss vom 27.08.2008 hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Unter Berücksichtigung der Gutachten und der Stellungnahme des behandelnden Zahnarztes sei nicht ersichtlich, dass der ASt in ein erneuter Anspruch auf Bezuschussung zustehen könne. Ein Anordnungsanspruch lasse sich auch nicht auf die geltend gemachten ständigen Schmerzen und die Gewichtsreduzierung stützen. Es sei bereits nicht nachvollziehbar, dass die Schmerzen durch schlecht sitzende Zahnprothesen bedingt sein könnten. Auch habe es nahe gelegen, diesbezüglich allgemein- oder zahnärztliche Behandlung in Anspruch zu nehmen. Die ASt in habe das Bestehen eines Anspruch darüber hinaus nicht glaubhaft gemacht.
Gegen den ihr am 30.08.2008 zugestellten Beschluss hat die ASt in am 23.09.2008 Beschwerde eingelegt, zu deren Begründung sie ergänzend vorträgt, sie leide seit Wochen an einer Entzündung im Mundraum und an starken Schmerzen. Deshalb könne sie kein Fleisch mehr essen. Auch sei die Unterkieferprothese von Anfang an zu groß gewesen und hafte nicht richtig. Der ursprüngliche Behandler, Zahnarzt L, weigere sich, die Behandlung fortzusetzen. Sie habe auch keine Manipulationen an der Prothese vorgenommen.
Die ASt in beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beschluss des SG Dortmund vom 27.08.2008 zu ändern und die AG in im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes unter Aufhebung des Bescheides vom 02.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2008 zu verurteilen, ihre zahnprothetische Neuversorgung im Ober- und Unterkiefer nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen erneut zu bezuschussen.
Die AG in beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde der ASt in zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den ihrer Auffassung nach zutreffenden angefochtenen Beschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakten der AG in Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
II.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde der ASt in ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht mit Beschluss vom 27.08.2008 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgewiesen.
Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) können einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erfolgen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind insoweit glaubhaft zu machen, vgl. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i. V m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Das einstweilige Rechtsschutzverfahren dient vorläufigen Regelungen. Nur wenn dies zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d. h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den ASt. unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht, weil dem Rechtsschutzsuchenden ein bestimmter Anspruch zusteht (vgl. Bundesverwaltungsgericht -BVerwG-, Beschl. vom 13.08.1999, Az.: 2 VR 1/99, www.jurisweb.de, RdNr. 24 f.; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b RdNr. 31 m. w. N.), ist ausnahmsweise die Vorwegnahme der Hauptsache im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zulässig (vgl. BVerwG, Beschl. vom 13.08.1999, a. a. O.; Meyer-Ladewig, a. a. O.; ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. Beschlüsse vom 16.10.2002 – L 16 KR 219/02 ER -, vom 13.05.2004 – L 16 B 20/04 KR ER -, vom 29.11.2005 – L 16 B 90/05 -, vom 06.04.2006 – L 16 B 3/06 KR ER -, vom 11.07.2006 – L 16 B 43/06 KR ER -, sowie vom 24.09.2008 – L 16 B 62/08 KR ER, siehe www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Das SG hat zu Recht die Auffassung vertreten, es fehle bereits an einem Anordnungsgrund. Zur Begründung bezieht sich der Senat auf die zutreffenden erstinstanzlichen Entscheidungsgründe, denen er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage vollumfänglich anschließt, § 153 Abs. 2 SGG analog. Insbesondere hat die ASt in in keiner Weise dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass eine besondere Eilbedürftigkeit bestehe, die ein Abwarten des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens unzumutbar machen könnte. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass sich die ASt in wegen der Behandlung der Schmerzen und Entzündungen – unabhängig von einer prothetischen Neuversorgung – ohne Weiteres in allgemein- oder zahnmedizinische Behandlung begeben könnte. Es ist auch nicht erkennbar, dass sie bei entsprechender Behandlung nicht in der Lage sein sollte, ihre Familie ordnungsgemäß zu versorgen. Bezüglich der geltend gemachten Gewichtsabnahme sei darauf hingewiesen, dass eine Nahrungsaufnahme in pürierter Form auch mit einer schlecht sitzender Prothese möglich ist.
Das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs hat das SG zu Recht offen lassen können. Mit dem SG ist jedoch auch der Senat der Auffassung, dass Anhaltspunkte für von der ASt in selbst oder mit ihrem Wissen und ihrer Billigung von Dritten vorgenommene Manipulationen an der Unterkieferprothese bestehen, die einer Vorwegnahme der Entscheidung entgegen stehen. In dem anhängigen Hauptsacheverfahren ist genügend Gelegenheit gegeben, das Bestehen und die Ursache von Mängeln an den Prothesen zu klären.
Der Beschwerde war daher mit der auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden, vgl. § 177 SGG.
Erstellt am: 05.11.2008
Zuletzt verändert am: 05.11.2008