Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 26.04.2007 geändert. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (Sozialgericht Köln – S 5 KR 276/06 ER -) wird abgelehnt. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.06.2004 bis 31.12.2005.
Der selbständig tätige Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin seit 01.02.1998 freiwillig versichert. Auf der Grundlage des von ihm für das Jahr 2000 vorgelegten Einkommensteuerbescheides vom 18.12.2001 errechnete die Antragsgegnerin monatliche Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 264,04 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 35,34 EUR. Nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2001 im April 2004 ermittelte die Antragsgegnerin von dem Antragsteller zu zahlende Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 244,48 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 32,73 EUR (Bescheid vom 29.04.2004). In der Folgezeit kam es häufiger zu Rückläufen bei der Beitragsabbuchung, weil der Antragsteller die fälligen Beiträge für die freiwillige Versicherung nicht rechtzeitig überwiesen hatte. Auf eine Einkommensanfrage der Antragsgegnerin im September 2005 übersandte der Antragsteller sodann die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 (vom 26.05.2004) und 2003 (vom 13.12.2004).
Mit Bescheid vom 27.12.2005 errechnete die Antragsgegnerin die vom Antragsteller zu zahlenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.06.2004 neu. Für den Zeitraum vom 01.06.2004 bis 31.12.2004 setzte sie monatliche Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 381,88 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 51,04 EUR fest. Für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2005 ermittelte sie monatliche Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 447,68 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 59,92 EUR. Ab 01.01.2006 setzte sie die monatlichen Beiträge zur Krankenversicherung mit 466,69 EUR und zur Pflegeversicherung mit 60,56 EUR fest. Vom 01.06.2004 bis 31.12.2005 bezifferte die Antragsgegnerin einen Nachberechnungsbetrag in Höhe von 3.898,32 EUR. Mit seinem Widerspruch vom 27.01.2006 kündigte der Antragsteller gleichzeitig die Mitgliedschaft zum 31.03.2006.
Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 17.02.2006 führte sie aus, der Antragsteller sei seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Dies berechtigte sie zu einer rückwirkenden Beitragsanpassung. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2006 wies der Widerspruchsausschuss der Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Antragsteller mit einem am 28.11.2006 bei dem Sozialgericht Köln eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben und gleichzeitig die Ansicht vertreten, die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 27.12.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2006 gerichteten Klage sei anzuordnen. Er hat vorgetragen, die ursprünglichen Beitragsbescheide aus dem Jahre 1989 seien nicht unter dem Vorbehalt des Widerrufs erlassen worden. Ebensowenig sei der Bescheid vom 29.04.2004, mit dem die Antragsgegnerin die Monatsbeiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 244,48 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 32,73 EUR festgesetzt habe, mit einem Vorbehalt versehen gewesen. Die rückwirkende Rücknahme des Verwaltungsaktes mit der Folge der Nachberechnung der Versicherungsbeiträge setze eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Rücknahme voraus. Auch seien die Voraussetzungen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X nicht erfüllt. Im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 29.04.2004 sei dem Antragsteller nicht bekannt gewesen, dass sich sein Einkommen in den Jahren 2002 und 2003 erhöht habe, da die Einkommensteuerbescheide für diese Jahre noch nicht vorgelegen hätten.
Mit Beschluss vom 26.04.2007 hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage vom 28.11.2006 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27.12.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2006 angeordnet und ist im Wesentlichen der Argumentation des Antragstellers gefolgt. Der Bescheid vom 29.04.2004 sei rechtswidrig gewesen, weil er nicht – wie dies § 240 Fünftes Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V vorschreibe – die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers bei Erhebung der Beiträge berücksichtigt habe. Der Antragsteller habe in den Jahren 2002 und 2003 höhere Einnahmen als im Jahre 2001 gehabt. Sofern die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 29.04.2004 – nicht vorläufig und nicht unter Vorbehalt – also endgültig und ohne zeitliche Befristung die vom Antragsteller zu zahlenden Beiträge ab 01.05.2004 auf 244,48 EUR festgesetzt habe, habe dies nicht den Vorgaben des § 240 SGB V entsprochen. Den Bescheid vom 29.04.2004 könne die Antragsgegnerin – worauf der Antragsteller zutreffend hinweise – nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zurücknehmen. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme seien nicht erfüllt.
Gegen den ihr am 02.05.2007 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 04.06.2007, einem Montag, Beschwerde eingelegt und unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG – vorgetragen, das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung kenne grundsätzlich keine einstweilige Beitragsfestsetzung, so dass die Beitragsbescheide in der Regel endgültig festzusetzen seien. Ausnahmen von diesem Grundsatz würden nur in Fällen der erstmaligen Beitragseinstufung bei Beginn der selbständigen Tätigkeit zugelassen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 26.04.2007 zu ändern und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 14.06.2007), ist begründet, da eine aufschiebende Wirkung der Klage weder aufgrund gesetzlicher Vorschriften eingetreten noch anzuordnen ist.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Der Antrag des Antragstellers ist nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG statthaft, da seine Klage und sein Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2006 entgegen der Ansicht des Sozialgerichts keine aufschiebende Wirkung haben. Insofern bestimmt § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG, dass die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten entfällt. Bei den angefochtenen Bescheiden handelt es sich um solche Bescheide.
Es ist daher bei der Abwägungsentscheidung nach den Kriterien des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG vorzugehen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86b Rdnr. 12b; st. Rspr. des Senats vgl. Beschluss vom 07.09.2005 – L 5 B 39/05 KR ER). Danach ist die Aussetzung der Vollziehung vorzunehmen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Abgabe- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel liegen nicht erst vor, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, sondern (schon) dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg (Beschluss des Senats vom 07.09.2005 a.a.O. m.w.N.).
Diese Voraussetzung ist unter Berücksichtigung der zugrunde zu legenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage im Hauptsacheverfahren nicht gegeben.
Die Antragsgegnerin war – entgegen der Ansicht des Sozialgerichts und des Antragstellers – zu einer endgültigen Festsetzung der Beiträge berechtigt. So hat es das BSG, dem der Senat nach eigener Prüfung folgt, in ständiger Rechtsprechung als zulässig ange-sehen, bei einem selbständig Erwerbstätigen den der Beitragsbemessung für die Zukunft zugrunde zu legenden Grundlohn anhand der bei Abschluss des Verwaltungsverfahrens vorhandenen neuesten Steuerunterlagen zu bestimmen und zugleich ausgeführt, dass die darauf aufbauende Beitragsberechnung bis zu einer neuen, wieder nur für die Zukunft wirkenden Bestimmung des Grundlohns aufgrund späterer Unterlagen rechtmäßig ist (BSG, Urteil vom 22.03.2006 – B 12 KR 15/05 R – SozR 4-2500 § 240 Nr. 5). Es ist daher eine neue Berechnung der Beiträge unter entsprechender Abänderung der bisherigen Beitragsbescheide nach § 48 SGB X möglich. Auch liegen die subjektiven Voraussetzungen für eine rückwirkende Änderung des Beitragsbescheides nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X vor. Der Antragsteller hat mehrfach, zuletzt am 21.03.2003 und 25.03.2004, unterschriftlich bestätigt, dass er künftige Änderungen der Einkommensverhältnisse unverzüglich mitteilen werde. Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 und 2003 hat er jedoch nicht umgehend, sondern zeitlich verzögert der Antragsgegnerin zugesandt.
Schließlich kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch nicht wegen einer unbilligen Härte in Betracht. Eine unbillige Härte ist zu bejahen, wenn durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Leistung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut gemacht werden können (Beschluss des Senats vom 07.09.2005 a.a.O.). Solche Nachteile hat der Antragsteller nicht vorgetragen; sie sind auch nicht ersichtlich.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Erstellt am: 13.08.2007
Zuletzt verändert am: 13.08.2007