Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 11. Januar 2007 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Anordnung zeitlich befristet wird, längstens bis zum 30.09.2008. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses des Sozialgerichts Köln vom 11. Januar 2007 wird abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auch im Beschwerdeverfahren sowie im Antragsverfahren nach § 199 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz.
Gründe:
I.
Streitig ist ein Anspruch des Antragstellers (ASt.) auf eine indikationsüberschreitende Versorgung mit dem Arzneimittel Herceptin® in Kombination mit Tiefenhyperthermie.
Der am 00.00.1962 geborene ASt. ist bei der Antragsgegnerin (AG´in) krankenversichert. Seit Februar 2003 besteht eine Erkrankung in Form eines Harnblasenkarzinoms. Es erfolgten eine Blasentumorresektion sowie eine anschließende Radio-Chemotherapie. Dennoch trat eine Metastasierung bei Leber und Knochen ein. Am 09.06.2006 beantragten der ASt. sowie der behandelnde Krankenhausarzt Prof. C I von der Universitätsklinik L die Kostenübernahme (KÜ) für eine ambulante Chemotherapie mit dem Antikörper Trastuzumab (Markenname: Herceptin®), der unter im Einzelnen definierten Voraussetzungen für die Behandlung von metastasierten Mammakarzinomen zugelassen ist, zusätzlich zu den Zytostatika Gemcitabine / Cisplatin (cis-Diamindichlorplatin). Zur Begründung führte Prof. Dr. I aus, bei dem ASt. werde derzeit eine systemische Chemotherapie mit Gemcitabine und Cisplatin bei ossär, lymphogen und hepatisch metastasiertem Transitionalzellkarzinom der Harnblase durchgeführt. Die Erstdiagnose eines pT1-GIl-Blasenkarzinoms sei durch transurethrale Blasentumorresektion 2003 gestellt worden. 2005 sei erneut ein Blasenkarzinom pT1-GIl diagnostiziert worden. Im Rahmen der transurethralen Blasentumorresektion sei es damals zu einer dorsalen Perforation gekommen. Bei gleichzeitigem Tumorbefall des distalen rechten Harnleiters sei eine distale Ureterresektion sowie eine Harnleiter-Neueinpflanzung im Oktober 2005 durchgeführt worden. Postoperativ sei eine Radio-Chemotherapie bei ausgedehntem lokalem Tumorwachstum erfolgt. Nach Abschluss der Therapie habe sich im bildgebenden Verfahren eine diffuse ossäre, lymphogene und hepatische Metastasierung gezeigt, so dass zunächst eine Systemtherapie mit Gemcitabine / Cisplatin entsprechend den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Urologie eingeleitet worden sei. Gleichzeitig sei durch die Pathologie eine immunhistogenische Expressionsanalyse verschiedener Wachstumsfaktoren des resezierten Blasentumorgewebes vorgenommen worden. Hierbei habe sich eine massive membrame Expression des Her-2-neu-Onkogenproduktes mit einem Score von 3+ gezeigt, so dass entsprechend den Therapierichtlinien beim Mammakarzinom eine begleitende, indikationsüberschreitende Therapie mit Trastuzumab erfolgversprechend erscheine.
Der von der AG´in eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein vertrat durch den beratenden Arzt Dr. C unter dem 15.06.2006 die Auffassung, die Voraussetzungen für einen indikationsüberschreitenden Einsatz von Herceptin® seien, obwohl eine lebensbedrohliche Erkrankung mit ungünstiger Prognose gegeben sei, nicht erfüllt. Die Datenlage für eine entsprechende Behandlung sei noch derart "präliminär" (präliminieren = einstweilen festlegen, vorab feststellen), dass der klinische Nutzen dieser Maßnahme nicht beurteilbar sei. Darüber hinaus stehe als vertragliche Behandlungsalternative die palliative, also nicht auf Heilung, sondern auf Linderung der Beschwerden ausgerichtete Chemotherapie zur Verfügung. Unter Bezugnahme auf die negative Stellungnahme des MDK lehnte die AG´in daraufhin den Antrag auf KÜ mit Bescheid vom 26.06.2006 ab.
Zur Begründung seines dagegen gerichteten Widerspruchs verwies der ASt. auf einen Bericht seines behandelnden Onkologen T sowie auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Einsatz neuer Behandlungs- und Untersuchungsmethoden bei lebensbedrohlichen Erkrankungen. Eine solche liege bei ihm unzweifelhaft vor. Die Rechtsprechung sei auch auf den Off-label-use von Arzneimitteln übertragbar.
Die AG´in wies den Widerspruch des ASt. mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2006 als unbegründet zurück.
Seit dem 16.06.2006 wird der ASt. durch seinen behandelnden niedergelassenen Arzt T aus C, Facharzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren, onkologisch verantwortlicher Arzt, ganzheitliche Tumortherpaie und Hyperthermie, mit dem Arzneimittel Herceptin® behandelt. Die monatlichen Kosten, die bei rd. 6.500 EUR liegen, hat er dem ASt. zunächst gestundet, da dieser lediglich über Einkommen in Höhe von rd. 1.100 EUR monatlich (Krankengeld) verfügt.
Parallel zu der am 10.08.2006 erhobenen Klage hat der ASt. am 19.12.2006 seine Ansprüche im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verfolgt. Zur Begründung hat der ASt. vorgetragen, auf der Grundlage des Beschlusses des BVerfG vom 06.12.2005 (Sozialrecht -SozR- 4-2500 § 27 Nr. 5) sei ein Anordnungsanspruch gegeben. Dass bei ihm eine lebensbedrohliche Erkrankung vorliege, stelle auch die AG’in nicht in Abrede. Vor Beginn der Behandlung mit Herceptin® sei er aus schulmedizinischer Sicht austherapiert gewesen. Es sei allenfalls – auch nach Ansicht des MDK – eine palliative Behandlung in Betracht gekommen, auf die er aber nicht beschränkt werden dürfe. Auch bestehe die begründete Hoffnung, dass in seinem Fall ein konkreter Behandlungserfolg erzielt werden könne. Zum einen gebe es inzwischen – im Gegensatz zur Auffassung des MDK – eine Studie über den Einsatz von Herceptin® bei Blasenkarzinomen, die belege, dass das Arzneimittel auch bei dieser Krebsart wirksam sei. Zum anderen hätten sich bei ihm seit der Gabe von Herceptin® seine Laborwerte entscheidend verbessert. Das Absinken des Wertes der alkadischen Phosphatase zeige, dass die Knochenmetastasen deutlich zurückgegangen seien. Auch der TEA-Wert, der die Tumoraktivität zum Ausdruck bringe, sei seit Juni 2006 um ein Vierfaches zurückgegangen. In einer radiologischen und nuklearmedizinischen Untersuchung vom 27.11.2006 hätten Lungen- und Lebermetastasen überhaupt nicht mehr nachgewiesen werden können.
Im Hinblick auf seine beschränkten finanziellen Verhältnisse im Verhältnis zu den Kosten der Medikation und den Umstand, dass sich der behandelnde Onkologe T nicht länger in der Lage sehe, in Vorleistung zu treten, ohne den Bestand seiner Praxis zu gefährden, sei auch ein Anordnungsanspruch gegeben. Zur Glaubhaftmachung hat der ASt. eine eigene sowie eine eidesstattliche Versicherung des Onkologen T, jeweils vom 04.01.2007, sowie einen Bescheid der AG´in vom 01.11.2006 über die Höhe des gewährten Krankengeldes vorgelegt. Es dürfe nicht zu einer Unterbrechung der erfolgreichen Therapie kommen.
Der ASt. hat schriftsätzlich beantragt,
die AG´in im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für die Behandlung mit dem Arzneimittel Herceptin® in Kombination mit Tiefenhyperthermie zu übernehmen.
Die AG´in hat schriftsätzlich beantragt,
den Antrag auf einstweilige Anordnung abzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung auf den ihrer Auffassung nach rechtmäßigen angefochtenen Bescheid bezogen. Ergänzend hat sie vorgetragen, ein Anordnungsanspruch bestehe bereits deshalb nicht, weil der klinische Nutzen des indikationsüberschreitenden Einsatzes von Herceptin® nicht erwiesen sei. Auch stehe die palliative Chemotherapie als vertragliche Behandlungsmethode zur Verfügung.
In dem unter dem Aktenzeichen (Az.) S 5 KR 184/06 geführten Hauptsacheverfahren hat das Sozialgericht einen Befundbericht von dem behandelnden Onkologen T eingeholt, in dem dieser bestätigt hat, die Therapie mit Herceptin® habe angeschlagen: Das Wohlergehen und die erhöhte Lebensqualität des ASt. zeigten, dass die Therapie nachhaltigen Effekt erziele. Es sei dem ASt. nun möglich, mit seiner tödlichen Erkrankung zu leben.
Mit Beschluss vom 11.01.2007 hat das Sozialgericht die AG´in im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem ASt. vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens S 5 KR 184/06 gegen die ablehnende Entscheidung der AG´in vom 26.06.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2006 nach vertragsärztlicher Verordnung eine Behandlung mit dem Arzneimittel Herceptin® als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Den weitergehenden Antrag hat das Sozialgericht abgelehnt.
Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Bezug auf die zukünftige Versorgung des ASt. mit dem Arzneimittel Herceptin® lägen vor. Ein Anordnungsgrund sei gegeben. Dem ASt. könne im Hinblick auf die Gefahr einer Progredienz seiner lebensbedrohlichen Erkrankung – Harnblasenkarzinom im fortgeschrittenen metastasierenden Stadium – nicht zugemutet werden, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens und damit die endgültige Klärung des Bestehens einer Leistungsverpflichtung der AG´in abzuwarten. Aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse sei er nicht in der Lage, die Kosten für die Behandlung in Höhe von mtl. über 6.000 EUR aufzubringen. Es bestehe aber auch ein Anordnungsanspruch. Versicherten hätten gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. §§ 31 Abs. 1, 2 Abs. 1 S. 3 und 12 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) u. a. einen Anspruch auf Krankenbehandlung mit Arzneimitteln. Allerdings beschränke sich der Anspruch im Grundsatz auf solche Arzneimittel, die sich bei dem vorhandenen Krankheitsbild als zweckmäßig und wirtschaftlich erwiesen hätten und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Diese Voraussetzungen seien erfüllt, wenn das Arzneimittel nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts der Zulassung bedürfe, die Zulassung erhalten habe und in dem von der Zulassung umfassten Anwendungsbereich eingesetzt werde. Bei der Anwendung von Herceptin® handele es sich um eine zulassungsüberschreitende Anwendung; denn es sei nicht zur Behandlung von Blasenkarzinomen, sondern nur von Mammakarzinomen zugelassen. Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs eines Arzneimittels auf weitere Indikationen erfordere nach deutschem wie nach europäischem Arzneimittelrecht eine neue, erweitere Zulassung, die hier nicht vorliege. Ein Anspruch des ASt. im Sinne der Verpflichtung der AG´in zu einer vorläufigen KÜ bestehe jedoch nach der Rechtsprechung des BVerfG (a. a. O.) und des Bundessozialgerichts -BSG- (Urt. vom 04.04.2006, SozR 4-2500 § 31 Nr. 4), der sich das Sozialgericht anschließe. Im Falle einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung müssten gerichtliche Verfahren der Bedeutung der im Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG) enthaltenen grundlegenden Wertentscheidung Rechnung tragen und diese bei der Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts berücksichtigen. Die vom BVerfG und dem BSG entwickelten Kriterien für eine ausnahmsweise Leistungsgewährung durch eine gesetzliche Krankenkasse lägen vor: Der ASt. leide nachweislich an einer lebensbedrohlichen, vorhersehbar tödlich verlaufenden Erkrankung, einem metastasierten Harnblasenkarzinom im fortgeschrittenen Stadium mit Befall der Knochen und der Lunge sowie der Leber. Allgemein anerkannte, medizinischen Standards entsprechende Behandlungsmethoden hätten sich als nicht wirksam erwiesen. Trotz Tumorresektion und anschließender postoperativer Chemotherapie sei die Metastasierung fortgeschritten. Auch die zuletzt verabreichte Chemotherapie mit Gemcitabine / Cisplatin sei nicht erfolgreich verlaufen. Eine weitere zweckmäßige anerkannte Behandlungsmethode stehe nicht zur Verfügung. Dagegen sei eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine zumindest spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, wie ihn das BVerfG weiter fordere, gegeben. Nach Auffassung der den Kläger behandelnden Ärzte – Prof. Dr. I und T – sei bei dem Karzinom des ASt., das eine massive membrane Expression des HER-2/neu-Onkogenproduktes mit einem Score von 3+ gezeigt habe, entsprechend den Therapierichtlinien bei Mammakarzinomen eine begleitende Therapie mit Hereptin® erfolgversprechend. Es sei eine deutlich verbesserte Situation nachweisbar und damit ein Behandlungserfolg erzielbar. Dies werde durch den HER-2-Status des Primärtumors verdeutlicht. Sowohl der Allgemeinzustand als auch die Lebensqualität des ASt. hätten sich deutlich verbessert. In prospektiven randomisierten Studien habe bei Patientinnen mit metastasierenden Mammakarzinomen sowohl unter Herceptin®-Monotherapie als auch in Kombination mit Chemotherapie eine Verlängerung der progressionsfreien Phasen und des Gesamtüberlebens nachgewiesen werden können. Voraussetzung für eine erfolgreiche Antikörpertherapie mit dem Wirkstoff Trastuzumab sei eine Überexpression des HER-2/neu-Membramrezeptors. HER-2-dreifach positive Patientinnen hätten am meisten von der Therapie mit dem monoklonalen Antikörper profitiert. Da bei dem ASt. ebenfalls eine massive Expression des HER-2/neu-Onkogenproduktes mit einem Score von 3+ nachgewiesen worden sei, erscheine die Auffassung der behandelnden Onkologen nachvollziehbar, dass entsprechend den Therapierichtlinien bei Mammakarzinomen eine begleitende Therapie mit Trastuzumab auch bei einem metastasierenden Blasenkarzinom sinnvoll sei. Dies habe sich aufgrund der im Juni 2006 eingeleiteten Therapie mit Herceptin® bestätigt.
Der weitergehende Antrag sei dagegen abzulehnen gewesen; denn der ASt. habe bislang die KÜ für eine Hyperthermiebehandlung nicht einmal beantragt. Es liege dementsprechend noch keine Verwaltungsentscheidung der AG´in vor.
Gegen den ihr am 15.01.2007 zugestellten Beschluss hat die AG´in am 09.02.2007 Beschwerde erhoben, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Die AG´in bezieht sich zur Begründung auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Im Übrigen sei die Vollstreckung des Beschlusses des Sozialgerichts gemäß § 199 Abs. 2 SGG auszusetzen. Bei einem zu erwartenden negativen Ausgang des Hauptsacheverfahrens, das mehrere Jahre dauern könne und die monatlichen mit der Verabreichung des Arzneimittels Herceptin® verbundenen Kosten sei eine Rückforderung in Höhe von bis zu 100.000 EUR zu befürchten, die im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse des ASt. kaum realisierbar sein dürften.
Die AG´in beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 11.01.2007 zu ändern und den Antrag des ASt. abzuweisen, sie, die AG´in, im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für die Behandlung mit dem Arzneimittel Herceptin&61650; zu übernehmen.
Zugleich beantragt die AG´in,
die Vollstreckung des Beschlusses des Sozialgerichts Köln vom 11.01.2007 auszusetzen. Der ASt. beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beschwerde der AG´in gegen den o. g. Beschluss des Sozialgerichts C sowie den Antrag nach § 199 Abs. 2 SGG zurückzuweisen.
Er bezieht sich zur Begründung auf den aus seiner Sicht zutreffenden erstinstanzlichen Beschluss. Ergänzend macht er geltend, bei der Abwägung der Rechtsgüter sei zu bedenken, dass seine Lebenserwartung im Juni 2006 – nach Diagnose der Leber- und Lungenmetastasen – bei nur zwei bis drei Monaten gelegen habe. Infolge der Gabe von Herceptin habe sich sein Gesamtzustand deutlich verbessert. Von außen betrachtet, sei er nicht einmal mehr als krank erkennbar. Er bewältige seinen Lebensalltag ohne Hilfe, bewege sich wieder frei. Neben der gestiegenen Lebenserwartung habe die positive Entwicklung auch die Lebensqualität umfasst. Der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung könne im Hinblick darauf ebenfalls keinen Erfolg haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Prozessakte Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen hat und Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
II.
Die gemäß § 172 SGG statthafte und gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das SG Köln nicht abgeholfen hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Wesentlichen zu Recht stattgegeben die AG´in zu der hier allein noch streitgegenständlichen KÜ für das Arzneimittel Herceptin® bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens verpflichtet. Die vom Senat ausgesprochene Befristung trägt lediglich dem vorläufigen Charakter der Maßnahme Rechnung.
Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, also der materiellen Rechtsgrundlage, sowie eines Anordnungsgrundes, also der Unzumutbarkeit, unter Abwägung der betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abwarten zu müssen. Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund in der Weise in einer Wechselbeziehung, dass die an das Vorliegen des Anordnungsanspruchs zu stellenden Anforderungen mit zunehmender Eilbedürftigkeit zu verringern sind, während umgekehrt die Bedeutung des Anordnungsgrundes desto mehr zurücktritt, je offensichtlicher die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind (Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, a. a. O., § 86b RdNr. 29 f.). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Danach ist für die Überzeugungsbildung bezüglich des Vorliegens der tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und -grundes nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 86b RdNr. 16b). In den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den ASt. geht, ist den Gerichten – im Gegensatz zu der sonst verfassungsrechtlich unbedenklichen Orientierung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage – verwehrt, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (zuletzt BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007, Az.: 1 BvR 3101/06, noch nicht veröffentlicht, m. w. N.). Ist dem Gericht eine vollständige Prüfung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfGK 5, 237, 242 m. w. N.); die grundrechtlichen Belange des ASt. sind umfassend in die Abwägung einzubeziehen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007, a. a. O. m. w. N.).
Wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, kann sich ein Leistungsanspruch nur aus den vom BVerfG mit Beschluss vom 06.12.2005 (a. a. O.) aufgestellten Grundsätzen der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung im Falle lebensbedrohlich Erkrankter ergeben. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts entsprechend § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Dass der ASt. an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, wird auch seitens der AG´in nicht in Frage gestellt. Aus den Berichten der behandelnden Onkologen ergibt sich, dass die Metatastasierung des Harnblasenkarzinoms bereits mehrere Organe betroffen hatte – Lunge, Leber – und auch die Knochen betroffen gewesen sind. Obwohl der Annahme eines lebensbedrohlichen Zustandes nicht einmal entgegen stehen würde, wenn noch nicht das Stadium der konkreten Lebensgefährdung erreicht ist, sondern die Erkrankung regelmäßig erst in einigen Jahren zum Tode des Betroffenen führt (BVerfGE 115, 25, 45; BSG, Urt. vom 18.12.2006, www.juris.de), ist die Angabe des ASt., seine Lebenserwartung habe bei nur noch zwei bis drei Monaten gelegen, überaus nachvollziehbar. Es bestehen mit dem Sozialgericht auch keinerlei Bedenken, dass die schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten vollkommen ausgeschöpft gewesen sind. Nach Operation und Verabreichung verschiedener Chemotherapien hat allenfalls eine rein palliative Behandlung offen gestanden, wie auch der MDK eingeräumt und insoweit die diesbezüglichen Angaben der behandelnden Onkologen bestätigt hat. Im Hinblick darauf, dass über die Verabreichung von Herceptin® eine curative Behandlungsmöglichkeit gegeben war, lässt sich wohl kaum vertreten, dass diese Behandlungen als gleichwertig zu beurteilen sind. Schließlich hat das Sozialgericht ebenfalls zu Recht angenommen, dass eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine zumindest spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, wie ihn das BVerfG weiter fordert, gegeben ist. Die Erscheinungsform des metatastasierenden Harnblasenkarzinoms im fortgeschrittenen Zustand, wie es bei dem ASt. vorliegt, ist derjenigen in vollem Umfang vergleichbar, wie sie als Indikation für eine Verabreichung von Herceptin bei Mammakarzinomen vorausgesetzt wird. Durch die tatsächlich von dem behandelnden Onkologen eingeleitete Verabreichung des Arzneimittels hat sich inzwischen sogar erwiesen, dass eine deutliche Besserung und Verlängerung der Lebenserwartung eingetreten ist. Der Senat und vor ihm das Sozialgericht hat insoweit nicht einmal von einer Prognose ausgehen müssen, wie sie sonst im Falle der noch nicht realisierten Versorgung mit einem Arzneimittel oder einer Behandlungs- und Untersuchungsmethode aufzustellen ist. Dass sich die Wirkweise des Arzneimittels bei Vorliegen anderer Karzinomerkrankungen als einem Mammakarzinom noch nicht in wissenschaftlich ausreichender Weise hat dokumentieren lassen, ist im Gegensatz zur Auffassung der AG´in und des MDK nicht Voraussetzung für eine Leistungsgewährung. Das BVerfG (Beschluss vom 06.12.2005, a. a. O.), dass bei der Beurteilung lediglich auf den konkreten Einzelfall abzustellen ist. Bei dem ASt. aber hat die Gabe von Herceptin&61650; unzweifelhaft zu messbaren Erfolgen geführt.
Die AG´in vermag im Rahmen der Rechtsgüterabwägung auch nicht mit dem Argument durchzudringen, es sei mit erheblichen Kosten zu rechnen, die der ASt., falls das Hauptsacheverfahren für ihn negativ ausgehen sollte, endgültig zu tragen habe und aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse kaum aufbringen könne. Wenn – wie hier – eine deutliche Verbesserung der Lebenserwartung und -qualität erreichbar ist, so können, wie das BVerfG in der jüngsten Entscheidung noch einmal deutlich gemacht hat (Beschluss vom 06.02.2007, a. a. O.) daneben rein pekuniäre Interessen keine Rolle spielen, zumal sie vorliegend auch nicht außer Verhältnis zu dem eingetretenen deutlichen Erfolg stehen und, wie dargelegt, von einem endgültigen Obsiegen des ASt. auszugehen ist.
Hinsichtlich des Anordnungsgrundes nimmt der Senat auf die gleichfalls zutreffenden Erwägungen des Sozialgerichts Bezug.
Der Antrag der AG´in nach § 199 Abs. 2 SGG ist im Hinblick auf den Erfolg des ASt. auch im Beschwerdeverfahren abzuweisen gewesen.
Die Begehren der AG´in mussten daher in vollem Umfang mit der gebotenen Modifizierung des sozialgerichtlichen Ausspruchs (Befristung bis längstens 30.09.2008) erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 29.03.2007
Zuletzt verändert am: 29.03.2007