Die Beschwerde der Beklagten gegen den Streitwertbeschluss des Sozialgerichts Köln vom 12. Februar 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Streitwert für das Klageverfahren hinsichtlich der Zeiten vom 29.12.2006 bis zum 19.07.2007 sowie vom 04.08.2007 bis zum 23.01.2008 auf 11.067,43 Euro und im Übrigen hinsichtlich der Zeit vom 20.07.2007 bis zum 03.08.2007 auf 22.134,86 Euro festgesetzt wird. Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Die Beklagte (d. Bekl.) wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln, mit welchem dieses den Streitwert für das Verfahren der Klage und der Widerklage auf jeweils 11.067,43 Euro festgesetzt hat.
Die Klägerin (d. Kl.) betreibt ein Krankenhaus (sog. Plankrankenhaus gemäß § 108 Nr. 2 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V)) und ist mit d. Bekl. durch einen Versorgungsvertrag (Landesvertrag Nordrhein-Westfalen (NRW) vom 06.12.1996, §§ 109, 112 SGB V) verbunden.
In der Zeit von Juli 2002 bis Februar 2004 behandelte d. Kl. in ihrem Krankenhaus mehrere Versicherte d. Bekl. (die Patienten W., K., E., Th., B. und H.) stationär und stellte dafür insgesamt 15.289,04 Euro in Rechnung (Rechnungen vom 31.08.2002, 02.,03.,10. und 28.02.2004). Diese Forderungen waren der Höhe nach nicht bestritten. D. Bekl. zahlte auf diese Forderungen nur Teilbeträge und erklärte im Übrigen wegen eines Rückforderungsanspruchs (betreffend die stationäre Behandlung der Patientin W. vom 21.03.2003 bis zum 14.05.2003; Behandlungskosten laut Rechnung vom 20.05.2003 insgesamt in Höhe von 13.137,57 Euro; von d. Bekl. unter Vorbehalt an d. Kl. Ende Mai/Anfang Juni 2003 gezahlt) die Aufrechnung in Höhe von 11.067,43 Euro. Zur Begründung führte d. Bekl. an, nach einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) stehe d. Kl. lediglich ein Anspruch auf Behandlungskosten für acht Tage, nicht aber für 55 Tage zu (Rückzahlungsaufforderung vom 01.12.2003).
Da sich d. Bekl. auch in der Folgezeit weigerte, die für die Patienten W. bis H. aufgelaufenen Behandlungskosten in voller Höhe zu zahlen, erhob d. Kl. am 29.12.2006 Zahlungsklage in Höhe der noch ausstehenden Beträge in Höhe von 11.067,43 Euro. Dieser Klage trat d. Bekl. am 20.07.2007 mit dem Aufrechnungsbegehren entgegen und erhob gleichzeitig Widerklage wegen der Kosten, die anlässlich der Behandlung der Patientin W. von März bis Mai 2003 zu Unrecht an d. Bekl. ausgeglichen worden seien (11.067,43 Euro).
Nachdem d. Bekl. auf die Klageforderung, offenbar mit Rücksicht auf das in § 15 des Landesvertrags vom 06.12.1996 verankerte allgemeine Aufrechnungsverbot, am 24.07.2007 den geforderten Betrag gezahlt hatte, erklärte d. Kl. das Klageverfahren am 03.08.2007 für erledigt und beantragte, d. Bekl. die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Dem ist d. Bekl. nicht entgegengetreten.
Sie führte lediglich das vom Sozialgericht abgetrennte Verfahren der Widerklage fort und wertete unter Hinzuziehung des MDK die Behandlungsakten für die Patientin W. aus. Nach Vorlage der Ergebnisse nahm sie am 23.01.2008 die Widerklage zurück. Das SG hat mit Beschluss vom 12.02.2008 die früheren Trennungsentscheidungen aufgehoben, d. Bekl. die Kosten für Klage und Widerklage auferlegt und mit weiterem Beschluss vom 12.02.2008 den Streitwert für Klage und Widerklage auf je 11.067,43 Euro festgesetzt.
Gegen den letztgenannten Streitwertbeschluss richtet sich die am 07.04.2008 eingelegte Beschwerde. Zur Begründung führt d. Bekl. unter Bezugnahme auf ein erfolgreiches Erinnerungsverfahren aus Mitte 2007 aus, die Streitwerte für Klage und Widerklage seien nicht gemäß § 39 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) zusammenzurechnen. Nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG müsse die Zusammenrechnung unterbleiben, weil Klage und Widerklage denselben Streitgegenstand beträfen.
Demgegenüber vertritt d. Kl. die Auffassung, das SG habe den Streitwert zutreffend festgesetzt. Sie, d. Kl., habe mit der ursprünglichen Klageforderung Behandlungskosten für mehrere Versicherte gefordert. Mit der Widerklage habe d. Bekl. einen angeblichen Rückforderungsanspruch aus einer anderen Angelegenheit geltend gemacht.
II. 1. Die Streitwertbeschwerde ist zulässig (§ 68 GKG), weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt. Denn die von d. Bekl. auszugleichenden Gerichts- und Anwaltskosten würden, sollte ihre Beschwerde begründet sein, weit weniger als die von d. Kl. geltend gemachten Anwaltskosten (vgl. die Kostenrechnung vom 28.02.2008, Bl. 584 ff. der Gerichtsakten) und die nach der Gebührentabelle für Gerichtskosten anfallenden Gebühren des SG ausmachen (Differenz von rund ca. 1.000 Euro).
2. Die Beschwerde ist im Kern unbegründet. Lediglich hinsichtlich der Zeiträume für die Geltung des jeweiligen Streitwertes ist die sozialgerichtliche Entscheidung in geringem, wirtschaftlich hier unbedeutendem Umfange zu modifizieren.
Der Streitwert für das gerichtskostenpflichtige Verfahren (§ 183 S. 1, § 197a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) ist gemäß § 52 Abs. 1 bis 3, § 63 sowie §§ 39 und 45 Abs. 1 S.1 GKG zunächst auf 11.067,43 Euro bis zur Erhebung der Widerklage, sodann auf den doppelten Wert von 22.134,86 Euro und für die Zeit ab dem 03.08.2007, also nach Erledigung des Klageverfahrens (durch Zahlung des Klagebetrages am 27.07.2007) wieder auf 11.067,43 Euro festzusetzen. Dies ist sind die Beträge, die den erkennbaren Klageinteressen beider Beteiligter bei (Wider-)Klageerhebung und teilweiser Erledigung des Rechtsstreites entsprochen haben. Eine Festsetzung des Streitwertes für die Zeit des Aufeinandertreffens von Klage und Widerklage nur auf den Wert des Klageforderung zu beschränken, wie dies d. Bekl. fordert, wird den Wertvorschriften des GKG nicht gerecht. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ist nicht anwendbar, sodass es bei der Anordnung einer Zusammenrechnung der Streitgegenstände nach § 45 Abs. 1 S.1 GKG bleiben muss, wie dies das SG auch mit der Formulierung in seiner Festsetzungsentscheidung " … wird jeweils auf …" ausgedrückt hat. Denn entgegen der Annahme d. Bekl. sind die Streitgegenstände beider Verfahrensteile nicht identisch. Dies mag zwar auf den ersten Blick so erscheinen, weil die geforderte Widerklagesumme der Klagesumme entspricht. Indes bestimmt sich der Streitgegenstand nicht allein aus der Höhe einer Forderung und einer Gegenforderung, sondern auch aus dem materiellen Rechtsgrund. Streitgegenstände sind nur dann identisch, wenn das Gericht nicht beiden Klageansprüchen gleichzeitig stattgeben könnte (Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage, 2008; Randnummern (RNr.) 10 ff., 35, 36 zu § 45 GKG). Schon dies ist hier zweifelhaft, weil wegen des bestehenden Aufrechnungsverbots aus § 15 des Landesvertrages NRW die Klageforderung von Anfang an begründet und binnen 15 Tagen nach Rechnungsstellung, unabhängig von eventuellen Gegenforderungen, zu bezahlen war. Auf die im Wege der Aufrechnung geltend gemachte Gegenforderung kam es schon gar nicht an. Darüber hinaus umfasst die Gegenforderung auch einen von der Klageforderung unabhängigen Wert, denn die mit der Widerklage erhobenen Ansprüche erfordern eine über die Fragen der Aufrechenbarkeit hinausgehende Problematisierung, inwieweit die 55-tägige Behandlung der Patientin W. berechtigt war oder nicht. Eine andere Lösung würde auch das grundsätzliche Aufrechnungsverbot des § 15 Landesvertrag NRW weitgehend sinnlos werden lassen. Denn die Vorschrift bezweckt, dass eine Aufrechnung mit den damit verbundenen Kostenvorteilen nur in engen, dort genannten Grenzen zulässig sein soll. Liegen diese Voraussetzungen aber nicht vor, wäre es wenig sinnvoll, das Zahlungs- und Prozessverhalten des säumigen Schuldners sanktionslos zu stützen und die von ihm beim Gegner und beim Gericht verursachten Mehrkosten nicht auszugleichen.
Unbeachtlich bleibt, dass d. Bekl. mit ihrer Argumentation im Erinnerungsverfahren durchgedrungen ist (vgl. die Abhilfeentscheidung vom 27.09.2007). Denn maßgebend ist für die Frage der Zusammenrechnung von Streitwerten nicht die Entscheidung des Urkundsbeamten, sondern die richterliche Festsetzung. Darüber hinaus ist d. Kl. an die nur für den Bereich des Gerichtskostengesetzes ergangene Abhilfeentscheidung nicht gebunden.
Soweit der Senat die Entscheidung des SG nicht in vollem Umfange bestätigt hat und für die Zeit zu Beginn und zum Ende des Verfahrens geringere Streitwerte bestimmt hat, hängt damit zusammen, dass bei Änderungen der Streitgegenstände nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), für das die Festsetzung des Streitwertes nach dem GKG im Regelfall maßgeblich ist (vgl. § 32 Abs. 1 RVG), vom GKG abweichende Berechnungsgrundsätze gelten können. Da der Anwalt nicht nur nach grundsätzlichen Gebühren für die Verfahrensführung abrechnet, sondern auch weitere Leistungen gebührenerhöhend berücksichtigen kann, pflegt der Senat in ständiger Praxis den Streitgegenstand zeitabschnittweise festzusetzen. Dabei bleibt unbeachtlich, ob letztlich die zeitabschnittsweise erfolgte Streitwertfestsetzung bei der abschließenden Kostenberechnung Bedeutung erlangt. Dies lässt sich nämlich bei der Streitwertfestsetzung zum Teil noch gar nicht abschätzen.
Ob und inwieweit allerdings die nach der wieder aufgehobenen Verfahrenstrennung von d. Kl. angesetzten Einzelstreitwerte (vgl. Antrag d. Kl. vom 28.02.2008, Bl. 584 ff. GA) für das Verfahren der Widerklage Grundlage einer Berechnung der auszugleichenden Anwaltskosten sein können, muss im Festsetzungsverfahren vom SG in eigener Zuständigkeit entschieden werden (§ 197 SGG, insbesondere Abs. 2). Ob die (endgültige) Festsetzung der Gerichtskosten (vgl. die Kostenrechnung vom 06.03.2008) unter Berücksichtigung des festgestellten erhöhten Streitwerts (gebührenerhöhend) berichtigt werden muss und ob ggf. wegen der ohne Urteil erfolgten Erledigung der Streitsache die Kostennummer 7111 (Ermäßigungstatbestand wegen stillschweigendem Anerkenntnis der Klageforderung und Rücknahme der Widerklage) gebührensenkend berücksichtigt werden kann, obliegt ebenfalls der Entscheidung des SG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 07.07.2008
Zuletzt verändert am: 07.07.2008