Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.09.2004 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger entstandenen Kosten für die stationäre Entwöhnungsbehandlung des Beigeladenen zu 1) in der Fachklinik I in S in der Zeit vom 07.08.2000 bis 05.02.2001 einschließlich der in dieser Zeit angefallenen Arztkosten in Höhe von 17.188,02 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 % zu erstatten. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der für die stationäre Entwöhnungsbehandlung des Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 07.08.2000 bis 05.02.2001 entstandenen Kosten in Höhe von 17.188,02 Euro (33.616,85 DM).
Die Beigeladene zu 2) war im streitigen Zeitpunkt bei der Beklagten krankenversichert. Sie ist die Mutter des Beigeladenen zu 1), der im November 1976 geboren wurde.
Der Beigeladene zu 1) wurde 1983 altersgemäß eingeschult. Er besuchte zunächst die Grundschule und dann die Realschule, die er aus der 10. Klasse mit einem Hauptschulabschluss beendete. Anschließend begann er eine Ausbildung zum Elektroinstallateur, aus der er nach 6 Monaten wegen Unzuverlässigkeit entlassen wurde. Er nahm zweimal an einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme teil, brach sie ab jeweils nach ca. 3 Monaten ab. Im Alter von 17 Jahren zog er in eine Notunterkunft, in der er ca. 2 ½ Jahre wohnte. Zuerst konsumierte er sog. weiche Drogen. Nach Abbruch der Ausbildung steigerte sich der Drogenkonsum. Seit dem 17. Lebensjahr konsumiert der Beigeladene zu 1) Heroin. Im Februar und Mai 1997 fanden Entgiftungen statt. Nach Abbruch der zweiten Entgiftungsmaßnahme im Juli 1997 kam es dann zu einem exzessiven Konsum von Heroin und Kokain. Aufgrund von Drogendelikten wurde der Beigeladene zu 1) (erneut) verurteilt. Nach der Entlassung aus der Haft befand er sich zwei Monate im Evangelischen Krankenhaus. Im Februar 1999 beantragte der Beigeladene zu 1) bei dem Kläger die Übernahme der Kosten für eine Unterbringung im Haus X in E. Während dieser Zeit erfolgte eine Methadonsubstitution. Der Aufenthalt im Haus X endete am 22. April 1999, weil der Beigeladene zu 1) das Methadonprogramm abgebrochen hatte. Ab 01.07.1999 war der Beigeladene zu 1) dann wieder in der JVA E inhaftiert.
Der Beigeladene zu 1) war bei der Beklagten in der Zeit vom 01.11.1993 bis 31.10.1994 über die Beigeladene zu 2) familienversichert, bis zum 08.02.1995 selbstversichert im Rahmen einer Beschäftigung, in der Zeit vom 30.03.1995 bis 30.12.1995 versichert über die Bundesagentur für Arbeit und vom 15.06.2001 bis 31.08.2001 versichert im Rahmen einer Beschäftigung. Darüber hinaus war der Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 01.01.1996 bis 16.04.1998 und 17.09.1998 bis 31.08.1999 freiwillig versichert bei der BKK E.
Im Mai 2000 beantragte er (noch in der Haft befindlich) beim Kläger die Übernahme für die Kosten der streitige Entwöhnungsbehandlung. Dem Antrag beigefügt war ein Bericht des Suchtberaters M vom 28.04.2000. Darin wurde auch ausgeführt, dass eine Drogentherapie notwendig sei, damit der Beigeladene zu 1) in einem geschützten Rahmen ein geordnetes Leben ohne Drogen kennenlerne und sich in einer neuen Umgebung auf eine neue Existenz vorbereiten könne; zu diesem Existenzaufbau gehöre auch eine berufliche Qualifikation.
Der Kläger bewillligte die beantragte Eingliederungshilfe gemäß § 39 ff. BSHG in der Einrichtung Fachklinik I GmbH in S ab dem 07.08.2000. Der Beigeladene zu 1) verweilte dort bis zum 05.02.2001. Anschließend nahm er an einer Adaptionsmaßnahme des Vereins "Neue Sozialarbeit" teil.
Nachdem der Kläger erfahren hatte, dass die Beigeladene zu 2) im streitigen Zeitraum bei der Beklagten pflichtversichert war, meldete er im Oktober 2000 einen Erstattungsanspruch bezüglich der Kosten der streitigen Behandlung bei der Beklagten an. Zur Begründung führte sie aus, dass für den Beigeladenen zu 1) aufgrund der Pflichtversicherung der Beigeladenen zu 2) eine Familienversicherung gemäß § 10 SGB V bestehe. Denn der Beigeladene zu 1) sei seit vielen Jahren heroinabhängig. Bedingt durch diese Abhängigkeit und der damit häufig einhergehenden Kriminalität sowie der sozialen Verelendung (Obdachlosigkeit) sei der Versicherte stark in der Führung eines alltäglichen Lebens beeinträchtigt worden. Dies beziehe sich vor allem auf die Erhaltung seiner Erwerbsfähigkeit.
Nach Anhörung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 05.12.2000 einen Anspruch im Rahmen der Familienversicherung ab. Zur Begründung führte sie aus, dass nicht durch ärztliche Berichte oder Behandlungsdaten nachgewiesen sei, dass der Beigeladene zu 1) dauernd arbeitsunfähig bzw. erwerbsunfähig gewesen sei; in der Zeit von Januar 1994 bis Dezember 1995 sei er erwerbstätig gewesen und habe der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden.
Mit der am 06.03.2003 erhobenen Klage hat der Kläger die Erstattung der streitigen Kosten geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, der Anspruch ergäbe sich aus § 104 SGB X i. V. m. §§ 40 Abs. 1, 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V. Als Sozialhilfeträger sei er nachrangig leistungsverpflichtet, da der Beigeladene zu 1) aufgrund der Familienversichererung einen entsprechenden Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten habe. Der Beigeladene zu 1) sei nämlich zur Zeit seines 23. Geburtstages im November 1999 außer Stande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Denn er habe seit seinem 18. Lebensjahr regelmäßig Heroin konsumiert, in den letzten drei Jahren sogar intravenös. Die streitige Entwöhnungsmaßnahme sei im August 2000 erfolgt; der Beigeladene zu 1) sei gerade wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz dreimal inhaftiert gewesen. Daraus ergebe sich, dass er auch nach der Haft nicht in der Lage gewesen sei, für sich selbst zu sorgen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger entstandenen Kosten für die stationäre Entwöhnungsbehandlung des Beigeladenen zu 1) in der Fachklinik I S in der Zeit vom 7. August 2000 bis 5. Februar 2001 einschließlich der in dieser Zeit angefallenen Arztkosten in Höhe von 33.616,85 DM nebst gesetzlicher Zinsen zu erstatten, hilfsweise ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob der Beigeladene zu 1) am 1. November 1999 außerstande war, in Folge Behinderung sich selbst zu unterhalten; außerdem hilfsweise Frau Dr. M1 beziehungsweise Herrn Dipl.-Psychologen N X und Herrn M von der Drogenberatung der JVA als Zeugen zu vernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Voraussetzung für eine Familienversichererung gemäß § 10 SGB V läge nicht vor. Nach Ablauf des Arbeitslosenhilfeanspruches sei (mit Unterbrechungen) bis zum 31.08.1999 eine freiwillige Versicherung bei der BKK der Stadt E durchgeführt worden. Man müsse deshalb davon ausgehen, dass für diesen Zeitpunkt keinesfalls die besonderen Vorschriften des § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V vorgelegen hätten. Sie gehe vielmehr davon aus, dass die Beiträge zur BKK vom Sozialhilfeträger getragen worden seien und zwar, weil vom Sozialhilfeträger das Bestehen eines Familienhilfeanspruchs geprüft, jedoch im Ergebnis verneint worden sei. Die Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme von Mai bis Juli 1997 zu Lasten des Rentenversicherungsträgers mache ebenfalls deutlich, dass als Rehabilitationsziel die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess angesehen worden sei.
Das Sozialgericht (SG) Köln hat eine Auskunft der JVA E eingeholt. Diese hat mitgeteilt, dass der Beigeladene zu 1) vom 02.07. bis 08.07.1999 arbeitsunfähig aufgrund einer Erkrankung gewesen sei, die seine seelische Gesundheit höchstwahrscheinlich für länger als 6 Monate vom typischen Zustand abweichen ließ; von einem Arbeitseinsatz sei nichts bekannt.
Mit Urteil vom 15.09.2004 hat das SG Köln die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzung des § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V sei nicht erfüllt, denn der Beigeladene zu 1) sei nicht in Folge einer Behinderung zum Zeitpunkt der Vollendung seines 23. Lebensjahres im November 1999 nicht in der Lage gewesen, sich selbst zu unterhalten. Er habe sich vielmehr seit Juli 1999 in Haft in der JVA E befunden und sei nur für wenige Tage arbeitsunfähig gewesen. Die Kammer gehe davon aus, dass der Beigeladene zu 1) während seiner Inhaftierung keine Drogen konsumieren konnte und zum Zeitpunkt der Vollendung seines 23. Lebensjahres nicht gehindert gewesen wäre, sich selbst zu unterhalten. Tatsächlich hätte er allein aufgrund der Inhaftierung einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen können. Die Stellungnahmen der Fachklinik I in S seien nicht geeignet, über den Gesundheitszustand des Beigeladenen zu 1) im November 1999 Auskunft zu geben, da die Therapeuten dieser Klinik den Beigeladenen erstmalig im August 2000 untersucht hätten.
Gegen das dem Kläger am 26.10.2004 zugestellte Urteil hat er am 08.11.2004 Berufung eingelegt mit der er im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend weist er darauf hin, dass das SG den Sachverhalt z.B. dadurch weiter hätte aufklären können, dass das persönliche Erscheinen des Beigeladenen zu 1) angeordnet oder dem Antrag des Klägers auf Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens gefolgt worden wäre.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Köln vom 15.09.2004 die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger entstandenen Kosten für die stationäre Entwöhnungsbehandlung des Beigeladenen zu 1) in der Fachklinik I in S in der Zeit vom 07.08.2000 bis 05.02.2001 einschließlich der in dieser Zeit angefallenen Arztkosten in Höhe von 17.188,02 Euro (33.616,85 DM) nebst Zinsen in Höhe von 4 % zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben sich im Berufungsverfahren (wie auch im Klageverfahren) in der Sache nicht geäußert.
Der Senat hat eine Auskunft des Anstaltsarztes Steeger der JVA E eingeholt. Darin wird mitgeteilt, dass der Beigeladene zu 1) opiatabhängig ist und wegen seiner Entgiftung arbeitsunfähig war; er leide als Suchterkranker unter einer dauerhaften Erkrankung; inwieweit sich hieraus eine Behinderung ergäbe, hänge ganz vom Einzelfall ab.
Die Fachklinik I hat auf entsprechende Anfrage des Senats mitgeteilt, dass ein fachärztliches Gutachten nicht vorliege; bei der durchgeführten Maßnahme habe es sich um eine Entwöhnungsbehandlung gehandelt, die im Rahmen des Versorgungsauftrages nach § 111 SGB V erfolgt sei.
Es ist weiterer Beweis erhoben worden durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (einschließlich ergänzender gutachterlicher Stellungnahme) von Dr. C, Arzt für Neurologie und Psychiatrie in E. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 31.03.2005 ausgeführt, der Beigeladene zu 1) leide unter einer eindeutig bewiesenen, schweren Drogensucht, insbesondere auch einer Abhängigkeit von Heroin. Daneben bestehe eine Persönlichkeitsstörung, die praktisch bei allen Suchtkranken festzustellen sei. Die Suchtkrankheit sei sehr schwer gewesen. Im Dezember 1999 sei der Beigeladene zu 1) aufgrund der Inhaftierung gezwungenermaßen abstinent gewesen. Eine unmittelbare, drogenbedingte Beeinträchtigung seiner Arbeitsfähigkeit sei damit nach Überwindung des initialen Entzugssyndroms nicht gegeben gewesen; es müsse allerdings dargelegt werden, dass zum damaligen Zeitpunkt die Suchtkrankheit nicht ausgeheilt gewesen sei; im Falle einer Entlassung aus der Haft wäre er – wie schon in den Vorjahren – sehr schnell wieder rückfällig geworden. Von einer Ausheilung der Erkrankung könne auch zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Klinik im Februar 2001 noch keine Rede gewesen sein; der Beigeladene zu 1) sei aufgrund seiner Behinderung in den Jahren 1999 bis mindestens Februar 2001 nicht in der Lage gewesen, sich selbst zu unterhalten.
In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme führt der Sachverständige aus, dass die Sucht selbst nicht zwangsweise eine Leistungseinschränkung bewirke, jedoch sei im vorliegenden Fall aus der dokumentierten Anamnese zu ersehen, dass die früh im Leben des Beigeladenen zu 1) aufgetretene Sucht letztlich lebensbestimmend wurde, dass die Sucht eben nicht nur eine kompensierte Abhänigigkeit beinhalte und dass selbst nach einer durch Haftstrafe erzwungenen Abstinenz sofort wieder Rückfälligkeit zu beobachten gewesen sei; die vorliegende, schwere Sucht sei selbstverständlich eine Krankheit, auch wenn aus ihr noch keine Sekundärschäden resultierten; eine Sucht sei zwar im Einzelfall mit einer Erwerbstätigkeit vereinbar; für eine schwere Sucht wie beim Beigeladenen zu 1) gelte dies jedoch nicht.
Die Beklagte hat den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein angehört. In der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. U wird zusammenfassend ausgeführt, dass der Beigeladene zu 1) im strittigen Zeitraum nicht wie ein Kind zu behandeln gewesen sei und dass der Beigeladene zu 1) grundsätzlich in der Lage gewesen sei, einer Erwerbstätigkeit zumindest in reduziertem Umfang auf dem zweiten Arbeitsmarkt nachzukommen, wenn er das gewollt hätte.
Die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die vom Kläger übersandten Krankenakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird – insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten – ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der für die stationäre Entwöhnungsbehandlung des Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 07.08.2000 bis 05.02.2001 entstandenen Kosten in Höhe von 17.188,02 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 %.
Der Erstattungsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. §§ 40 Abs. 1, 10 Abs. 2 Nr. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Denn die Beklagte ist aufgrund der bestehenden Familienversicherung des Beigeladenen zu 1) aus der Versicherung der Beigeladenen zu 2) leistungspflichtig. Der Kläger ist demgegenüber als nachrangig verpflichteter Leistungsträger erstattungsberechtigt. Die Ausschlussfrist gemäß § 111 SGB X steht dem nicht entgegen, da der Kläger den hier streitigen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten bereits während der laufenden Maßnahme angemeldet hat.
Nach § 10 Abs. 2 SGB V sind der Ehegatte und die Kinder von Mitgliedern unter den dort genannten Voraussetzungen familienversichert, d.h. sie sind ohne Beitragszahlung krankenversichert. Kinder sind gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, nach Nr. 2 bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres, wenn sie nicht erwerbstätig sind, nach Nr. 3 bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder ein freiwilliges soziales Jahr leisten, nach Nr. 4 ohne Altersgrenze, wenn sie wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung zu einem Zeitpunkt vorlag, in dem das Kind nach Nr. 1, 2 oder 3 versichert war, familienversichert. Eine Behinderung liegt nach allgemeiner Meinung vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft erheblich beeinträchtigt ist. Unter dem für das jeweilige Lebensalter untypischen Zustand ist der Verlust oder die Beeinträchtigung von normalerweise vorhandenen körperlichen Funktionen, geistigen Fähigkeiten und seelischer Gesundheit zu verstehen (§ 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IX]; BSG vom 31.01.1979, USK 79 08). Die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten, ist gegeben, wenn das Kind seinen eigenen Lebensunterhalt, zu dem auch notwendige Aufwendungen infolge der Behinderungen sowie sonstige Ausgaben des täglichen Lebens rechnen, nicht selbst bestreiten kann. Dies setzt zunächst voraus, dass das Kind infolge der Behinderung nicht in der Lage ist, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, insbesondere eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und mehr als nur geringfügige Einkünfte zu erzielen. Insoweit ist der Begriff des Außerstandeseins mit dem der Erwerbsunfähigkeit i.S.d. gesetzlichen Rentenversicherung (§ 44 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]) vergleichbar (BSGE 57, 108).
Die Beigeladene zu 2) war im relevanten Zeitraum bei der Beklagten pflichtversichert. Aufgrund dieser Versicherung bestand gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V ein Anspruch des Beigeladenen zu 1) auf Familienversicherung gegenüber der Beklagten. Denn der Beigeladene zu 1) war im Zeitpunkt der Vollendung des 23. Lebensjahres wie auch im Zeitpunkt der streitigen Maßnahme wegen einer Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten.
Dem steht nicht entgegen, dass seitens der Beklagten im November 1999 das Bestehen einer Familienversicherung nicht ausdrücklich festgestellt worden ist. Denn ein Anspruch aus § 10 SGB V besteht ohne ausdrückliche Feststellung durch den Krankenversicherungsträger bei Vorliegen der dortigen Voraussetzungen.
Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme stellt der Senat fest, dass beim Beigeladenen zu 1) im November 1999 eine Behinderung vorgelegen hat. Der vom Senat gehörte Sachverständige Dr. C hat im Einzelnen ausgeführt, dass aufgrund der Schwere der beim Beigeladenen zu 1) vorliegenden Suchterkrankung eine Behinderung anzunehmen ist. Dies ergibt sich auch aus den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit 2005. Danach liegt eine Behinderung vor, wenn eine Drogenabhängigkeit besteht, die aufgrund eines chronischen Gebrauchs von Rauschmitteln zu körperlichen und/oder psychischen Abhängigkeiten mit entsprechender psychischer Veränderung und sozialen Einordnungsschwierigkeiten geführt hat. Der Grad der Behinderung ist je nach psychischer Veränderung und sozialen Anpassungsschwierigkeiten auf mindestens 50 einzuschätzen. Diese Voraussetzungen sind gegeben, da der Beigeladene zu 1) über einen sehr langen Zeitraum Drogen konsumiert hat, ein entsprechender körperlicher und geistiger Verfall eingetreten ist und soziale Einordnungsschwierigkeiten bestehen. Letztere haben sich insbesondere dadurch gezeigt, dass er mehrfach wegen Drogen- und Beschaffungsdelikten zu Haftstrafen verurteilt worden ist.
Der Senat stellt aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme weiter fest, dass der Beigeladene zu 1) aufgrund dieser Behinderung im November 1999 tatsächlich gehindert war, sich selbst zu unterhalten. Zwar war der Beigeladene zu 1) zu diesem Zeitpunkt auch aufgrund der Inhaftierung gehindert, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, jedoch wäre er auch ohne Berücksichtigung der Inhaftierung nicht in der Lage gewesen, sich selbst zu unterhalten. Dies ergibt sich daraus, dass im November 1999 bereits eine schwerwiegende Suchterkrankung beim Beigeladenen zu 1) vorlag. Zwar liegt nicht bei jeder Suchterkrankung eine "Erwerbsunfähigkeit" vor, jedoch ist dies bei einer entsprechend schweren Suchterkrankung anzunehmen, da die Persönlichkeitsstruktur des Suchterkrankten dann derart beeinträchtigt ist, dass er auch nicht den Willen aufbringen kann, entsprechende Arbeiten zur Sicherung des Lebensunterhaltes aufzunehmen. Dies war nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. C beim Beigeladenen zu 1) gegeben; aufgrund der Schwere der Suchterkrankung, die sich u.a. darin zeigte, dass er nach entsprechenden Behandlungen sofort wieder rückfällig wurde, war eine derart gravierende Veränderung der Persönlichkeitsstruktur eingetreten, dass der Beigeladene zu 1) nicht in der Lage war, seinen Willen derart zu steuern, dass er durch Arbeit seinen Lebensunterhalt hätte verdienen können.
Soweit die Beklagte auf das Gutachten von Dr. U Bezug nimmt, der die Auffassung vertritt, dass der Beigeladene zu 1) durchaus in der Lage gewesen wäre, einer Arbeit nachzugehen, wenn er das gewollt hätte, überzeugt dies nicht. Denn der Sachverständige Dr. C hat überzeugend dargelegt, dass gerade das Krankheitsbild der Suchterkrankung mit der entsprechenden Veränderung der Persönlichkeitsstruktur dem entgegensteht, dass ein Suchtkranker durch Steuerung seines Willens sich in die Lage versetzt, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Es ist vielmehr gerade Teil der Suchtkrankheit, dass der Suchterkrankte diesen Willen nicht mehr hat.
Soweit die Beklagte der Auffassung ist, dass es ausreichend ist, dass der Beigeladene zu 1) im November 1999 in der Lage gewesen wäre, auf dem sog. zweiten Arbeitsmarkt (z.B. in sog. geschützten Einrichtungen) zu arbeiten, kommt es darauf nicht an. Denn nach der Rechtsprechung des BSG (BSGE 57, 108) ist die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten, gegeben, wenn das Kind seinen eigenen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann, d.h. nicht in der Lage ist, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, insbesondere eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und mehr als nur geringfügige Einkünfte zu erzielen. Daraus wird deutlich, dass der Begriff des Außerstandeseins mit dem der Erwerbsunfähigkeit i.S.d. gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar ist. Da aber für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit/vollen Erwerbsminderung nicht auf Tätigkeiten auf dem sog. zweiten Arbeitsmarkt abgestellt werden darf, hat dies auch bei der Beurteilung gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V zu unterbleiben.
Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß §§ 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Erstellt am: 23.11.2006
Zuletzt verändert am: 23.11.2006