Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.03.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Klägers werden auch im zweitinstanzlichen Verfahren nicht erstattet. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zahlung von Altersruhegeld (ARG) unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Der am 00.00.1926 in U/Ukraine geborene Kläger ist Jude. Nach eigenen Angaben gehörte er dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) nicht an. In der Zeit von Sommer 1941 bis 1943 hielt er sich unter anderem in den Orten Rajgorod, Braszlaw und Ivangorod auf. Im Dezember 1990 wanderte der Kläger aus der UdSSR nach Israel aus.
Im März 2000 beantragte der Kläger bei der Claims Conference die Gewährung von Leistungen nach dem Article 2 Fund. Er gab an, er habe sich in der Zeit von Sommer 1941 bis Januar 1943 in den Ghetto-Lagern Teplik, Braszlaw, Rajgorod und Iwangorod (Gebiet Winnitza) aufgehalten. In der Zeit von Juli 1941 bis März 1942 habe er sich im Ghetto Teplik aufgehalten sowie in der Zeit von März 1942 bis Februar 1943 unter haftähnlichen Bedingungen in Raygorod, Bratslav und Ivangorod gelebt. Der Kläger erklärte im Antrag vom 11.02.2000 unter anderem:
"Ich wurde im Ort U, Geb. X, geboren und wohnte dort bis zum Kriegsausbruch. Hier erreichte mich der Krieg. Mein Vater wurde einberufen. In den letzten Julitagen 1941 wurde Teplik von den Deutschen eingenommen, und meine Mutter wurde zusammen mit uns, ihren vier Kindern, im Ghetto inhaftiert. Im März 1942 wurde ich zusammen mit anderen Jungen, meinen Altersgenossen, nach Raygorod, Geb. X, geschickt, wo wir in einem Steinbruch am Fluss Bug arbeiten sollten. Meine Mutter aber wurde zusammen mit den drei jüngeren Kindern in Teplik erschossen. Am 27. Mai 1942 wurde ich zusammen mit anderen Burschen aus Raygorod nach Bratslov zu Zwangsarbeiten wieder in einem Steinbruch ueberfuehrt und danach in das Lager Ivangorod, wo wir am Bau der Trasse Berlin – Warschau – Kiev beteiligt waren. Die Lebensbedingungen hier waren unertraeglich – wir wurden grausam geschlagen, hungerten, die Schwaechsten wurden erschlossen. Im Februar 1943 war es mir gelungen in den Pchelnitsker Wald zu fluechten …"
Im Protokoll über die telefonische Befragung des blinden Klägers vom 19.06.2000 ist als Ergebnis festgehalten, dass der Kläger mit seiner Mutter und seinen drei Geschwistern bei der Besetzung des Ortes Teplik durch die deutsche Wehrmacht nicht habe flüchten können. Der Kläger sei mit einer Gruppe von örtlichen Juden zu Zwangsarbeiten im Straßenbau im Gebiet Winnitza genommen worden. Er habe diese Zwangsarbeiten in Teplik, Raygorod, Brazlaw und Ivangorod verrichten müssen. Unter den Juden, die die Straßen gebaut hätten, hätte es sowjetische Kriegsgefangene gegeben. Er sei im Ghetto-Lager Iwangorod bis zu seiner Flucht Anfang 1943 gewesen. Dem Antrag waren Unterlagen von Yad Vashem über das Schicksal der Einwohner des Dorfes Teplik beigefügt. In diesen Unterlagen ist vermerkt, dass der Kläger aus dem KZ Rajgorod als einer der ersten geflüchtet sei. Der Kläger erhält Leistungen aus dem Article 2 Fund.
Im Februar 2001 beantragte der Kläger die Gewährung von Leistungen nach dem Gesetz über die Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG). In dem Antrag erklärte er, dass er zu "schwerster körperlicher Arbeit oder Zwangsarbeit 1941 in Raigorod, Vinizkay" gezwungen worden sei. Er erhielt Leistungen nach dem EVZStiftG.
Im September 2002 beantragte der Kläger die Gewährung von ARG ab dem 01.07.1997 nach den Vorschriften des ZRBG. In Israel habe er keine Beitragszeiten zur israelischen Nationalversicherung zurückgelegt. Er sei von Juli bis Dezember 1941 im Ghetto Rajgorod, in der Zeit von Dezember 1941 bis Dezember 1942 im Ghetto Braszlaw sowie in der Zeit von Dezember 1942 bis Juli 1943 im Ghetto Iwangorod als Arbeiter beschäftigt gewesen. Die Höhe des Entgeltes sei ihm nicht erinnerlich. Der Kläger reichte eine eidesstattliche Erklärung vom 30.01.2003 zu den Akten, die wie folgt lautet:
" …Ich wurde am 00.00.1926 in U, Ukraine geboren. Als der Krieg begann, hat man mich nach Rajgorod, Ukraine getrieben. Um zu existieren, suchte ich Arbeit. Ich arbeitete im Bruchstein. Ich arbeitete ganztags fuer Lebensmittel. Im Dezember 1941 hat man mich nach Braslaw ueberfuehrt. Dort habe ich auch fuer Lebensmitteln im Bruchstein garbeitet. Im Dezember 1942 hat man mich ins Ghetto Iwangorod ueberfuehrt. In Iwangorod haben wir einen Weg gebaut und dafuer Lebensmitteln bekommen. Im Juli 1943 gelang es mir zu fluechten."
Nach Beiziehung der Article 2 Fund Unterlagen der Claims Conference lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02.04.2003 den Antrag des Klägers ab. Die im Verfahren bei der Claims Conference geschilderten Umstände ließen nicht erkennen, dass der Kläger seine Beschäftigungen außerhalb von Rajgorod, Braslaw und Iwangorod aus freiem Willensentschluss gegen Entgelt im Sinne von § 1 Abs. 1 ZRBG ausgeübt habe. Aufgrund der Beschreibung der Arbeitsverhältnisse in diesem Verfahren sei überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger zu unentgeltlichen Arbeitsleistungen verpflichtet worden sei.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte am 04.09.2003 als unbegründet zurück.
Mit der am 08.09.2003 erhobenen Klage hat der Kläger die Gewährung von ARG unter Berücksichtigung der Zeit von Juli 1941 bis Juli 1943 als Ghetto-Beitragszeit begehrt. Er hat vorgetragen, dass die Voraussetzungen des § 1 ZRBG erfüllt seien. Er habe sich von Juli bis Dezember 1941 im Ghetto Rajgorod, von Dezember 1941 bis Dezember 1942 im Ghetto Braszow und von Dezember 1942 bis Juli 1943 im Ghetto Iwangorod teilweise über den Judenrat verschiedene Tätigkeit gesucht. Er habe für seine Tätigkeiten eine Entlohnung in Form von Essen und zusätzlichen Lebensmitteln erhalten.
Durch Urteil vom 16.03.2005 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 ZRBG seien nicht erfüllt. Es sei nicht glaubhaft, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum in einem dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Aufgrund der abweichenden Angaben des Klägers im Verfahren bei der Claims Conference und im Rentenverfahren über Beginn und Ende der Beschäftigungen in den Orten Rajgorod, Braslaw und Iwangorod sei eine Arbeitsleistung des Klägers vor März 1942 sowie über den Februar 1943 hinaus zweifelhaft. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger die von ihm verrichteten Arbeiten im Steinbruch und beim Straßenbau in den unterschiedlichen Ghettos freiwillig ausgeübt habe. Die Ausführungen des Klägers über sein Verfolgungsschicksal im Verfahren bei der Claims Conference sprächen wenigstens im gleichen Maße für Zwangsarbeiten im Rechtssinne. Es mangele an genügenden Anhaltspunkten, wonach der Kläger sich, wie von ihm behauptet, über den Judenrat freiwillig diese Tätigkeiten gesucht habe. Auch spreche für die Möglichkeit, dass der Kläger für seine Arbeiten ein Entgelt bezogen habe, das seinem wirtschaftlichen Wert nach eine versicherungspflichtige Beschäftigung begründet habe, nicht besonders viel. Nach den vom Kläger geschilderten Arbeitsbedingungen spreche mehr dafür, dass er Lebensmittel bzw. Sachbezüge erhalten habe, die dem unmittelbaren Verbrauch gedient hätten. Er sei somit in einem Maße verpflegt worden, das allenfalls seinen notdürftigen Unterhalt zur Erhaltung seiner Arbeitskraft abgedeckt habe.
Gegen das am 03.05.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.05.2005 Berufung eingelegt.
Er verfolgt sein Begehren weiter. Er sei bereit für eventuell fehlende Versicherungszeiten freiwillige Mindestbeiträge nach § 7 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nachzuzahlen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.03.2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.04.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2003 die Tätigkeiten von Juli 1941 bis Juli 1943 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem ZRBG anzuerkennen und ihm Regelaltersrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat einen Auszug zum Stichwort "Bratslav" aus dem Museum of Tolerance, Multimedia Learning Center online (motlc.wiesenthal.org), Auszüge aus dem Final Report of the International Commission on the Holocaust in Romania, aus den Erinnerungen von Frau Siofja Palatnikowa "Das kann niemals vergessen …" abgedruckt in: Zabarko, Nur wir haben überlebt, 2004, Auszüge über die Orte Rajgorod und Brazlaw aus dem Handbuch der Lager, Gefängnisse und Ghettos auf dem besetzten Territorium der Ukraine (1941 – 1944), herausgegeben vom Staatskomitee der Archiven der Ukraine, Kiew 2000, sowie die Unterlagen der Conference on Jewish Material Claims Against Germany über den Kläger beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtstreit in der mündlichen Verhandlung vom 12.07.2006 trotz Nichterscheinens des Prozessbevollmächtigten des Klägers entscheiden. In der Terminsmitteilung ist der Prozessbevollmächtigte auf die Möglichkeit einer solchen Verfahrensweise hingewiesen wurden.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist nicht nach § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf ARG nach §§ 35, 300 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Die für den Rentenanspruch erforderliche Wartezeit von 60 Kalendermonaten (§ 35 Nr. 2, 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII) ist nicht erfüllt, weil auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten nicht vorliegen. Die vom Kläger geltend gemachten Beschäftigungszeiten in den Orten Rajgorod, Braszlaw und Ivangorod von Juli 1941 bis Juli 1943 sind nicht als Beitragszeit zu berücksichtigen, da der Kläger nicht dem dSK angehörte und im streitbefangenen Zeitraum keine Beschäftigung Im Sinne von § 1 Abs. 1 ZRBG ausübte. Anrechenbare Ersatzzeiten liegen nicht vor.
Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der Kläger vollendete das 65. Lebensjahr im März 1991. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist die Erfüllung der Wartezeit von 5 Jahren Voraussetzung für einen Anspruch auf ARG. Auf die allgemeine Wartezeit werden nach § 51 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten und Ersatzzeiten angerechnet. Nach §§ 55 Abs. 1, 247 Abs. 3 S. 1 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht oder Reichsversicherungsrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind oder nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Ersatzzeiten werden nach § 250 Abs.1 SGB VI nur bei Versicherten als rentenrechtliche Zeiten berücksichtigt. Die Versicherteneigenschaft setzt voraus, dass vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt.
Bis zu seiner Ausreise nach Israel im Jahre 1990 lebte der Kläger in keinem Gebiet, das vom Geltungsbereich der Reichsversicherungsordnung (RVO) erfasst war. Er hielt sich von seiner Geburt bis zur Ausreise 1990 durchgehend im sowjetischen Staatsgebiet auf. Er legte auch in der Zeit von Juli 1941 bis Juli 1943 keine Versicherungszeiten nach deutschem Reichsrecht zurück. Denn im sowjetischen Staatsgebiet, das von der deutschen Wehrmacht 1941/42 erobert wurde, wurde die Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht eingeführt.
Der Kläger erwarb bis zu seiner Ausreise nach Israel 1990 keine Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG). Denn er erfüllt nicht die persönlichen Voraussetzungen des FRG. Der Kläger ist weder als Vertriebener im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt noch gehört er zu dem nach § 1 FRG begünstigten Personenkreis. Die Vorschriften des FRG sind auch nicht nach § 17a FRG oder § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) auf Beschäftigungen des Klägers bis 1990 anwendbar, da der Kläger nach eigenen Angaben nicht dem dSK angehörte.
Entgegen der Auffassung des Klägers sind die von ihm behaupteten Beschäftigungszeiten in den Orten Rajgorod, Braszlaw, und Ivangorod nicht nach den Bestimmungen des ZRBG als Beitragszeit zu berücksichtigen. Das ZRBG regelt weder die Gleichstellung von Beschäftigungszeiten in einem Ghetto mit nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten nach § 55 Abs. 1 S. 1 SGB VI noch mit fiktiven Beitragszeiten im Sinne von § 55 Abs. 1 S. 2 SGB VI (LSG NRW, Urteil vom 13.01.2006, – L 4 RJ 113/04 -; Urteile vom 03.02.2006, – L 4 R 47/05 und L 4 R 57/05 -). Das ZRBG weitet den Kreis der anspruchsberechtigten Verfolgten, der durch die Bestimmungen des SGB VI, des WGSVG (§§ 1, 20) und des FRG (§§ 1, 16, 17a FRG) festgelegt ist, nicht aus. Der Senat folgt nicht der von den Rentenversicherungsträgern (siehe z. B. Dienstanweisung zum ZRBG der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 04.11.2005, Punkt 2) und dem SG Hamburg (Urteil vom 09.02.2006, – S 9 R 896/06 -, Urteil vom 02.05.2006, – S 20 RJ 611/04 -; Urteil vom 03.05.2006, – S 10 RJ 944/03 – ) vertretenen Auffassung, dass für die Anerkennung von Ghetto-Beschäftigungen als Beitragszeiten nach dem ZRBG eine Beziehung der Verfolgten im Sinne des BEG zur deutschen Rentenversicherung während der Verfolgungszeit nicht mehr erforderlich ist und damit das ZRBG – unabhängig von den in den Bestimmungen des SGB VI, WGSVG und FRG festgelegten persönlichen Voraussetzungen – für Verfolgte im Sinne des BEG Beitragszeiten wegen einer Beschäftigung im Ghetto begründet. Das ZRBG weitet nicht den Kreis der anspruchsberechtigten Verfolgten aus, der durch die Bestimmungen des SGB VI, des WGSVG (§ 1, 20 WGSVG) und des FRG (§§ 1, 16, 17a FRG) festgelegt ist. Vielmehr beschränkt sich der Anwendungsbereich des ZRBG auf die Bewertung von Beschäftigungszeiten in einem Ghetto sowie deren Zahlbarmachung ins Ausland, die nach § 247 Abs. 3 S. 1 SGB VI (Beitragszeiten nach RVO) oder den Bestimmungen des FRG den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichgestellt sind. Das ZRBG ändert oder ergänzt nicht die Bestimmungen des SGB VI über das Entstehen und den Bestand eines Stammrechts auf Rente, sondern es betrifft nur den sich aus dem Rentenstammrecht ergebenden monatlichen Zahlungsanspruch. Denn durch die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 ZRBG wird die in § 113 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI vorgesehene "Zahlungssperre" für Leistungen an den besonderen Personenkreis der Verfolgten des Nationalsozialismus, die unter den Bedingungen eines Ghettos beschäftigt waren, beseitigt. Damit sollen die im Rentenversicherungsrecht durch nationalsozialistisches Unrecht eingetretenen Nachteile insoweit ausgeglichen werden, als der typischerweise im Ausland wohnende betroffene Personenkreis in Zukunft über die ihm zustehenden Leistungen verfügen können soll (BSG, Urteil vom 03.05.2005, – B 13 RJ 34/04 R -). Die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und des § 3 ZRBG betreffen die Bewertung der Beitragszeiten mit Entgeltpunkten nach § 254d Abs. 1 Nr. 5 SGB VI, die Ermittlung des Zugangsfaktor sowie den Rentenbeginn und somit nicht das Entstehen des Rentenstammrechts. Der Senat hat dazu im Urteil vom 03.02.2006, L 4 R 47/05, ausgeführt:
"Aus dem Wortlaut des ZRBG lässt sich nicht entnehmen, dass die in § 1 ZRBG definierten Beschäftigungszeiten in einem Ghetto Beitragszeiten nach § 55 SGB VI gleichgestellt werden und damit zur Erfüllung der Wartezeit geeignet sein sollen, unabhängig davon, ob die Verfolgten dem vom FRG, WGSVG oder der RVO erfassten Personenkreis angehören. Schon die Überschrift "Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto" spricht dafür, dass dessen Regelungen nur Fragen des monatlichen Zahlungsanspruches betreffen, jedoch das Bestehen eines Rentenanspruchs voraussetzen. Der in § 1 Abs.1 ZRBG verwandte Begriff "Verfolgte" ist im ZRBG nicht näher definiert. Soweit in den Vorschriften des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI und des § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO und der §§ 1 Abs. 1, 20 WGSVG auf die Verfolgteneigenschaft eines Berechtigten zur Berücksichtigung von rentenrechtlichen Zeiten abgestellt wird, handelt es um Verfolgte im Sinne des BEG, die einen durch die Verfolgungsmaßnahme bedingten Schaden in ihrer deutschen Rentenberechtigung erlitten haben, also in der Lage waren, zu Beginn und während der Verfolgungsmaßnahmen Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung zu erwerben (BSG, Urteil vom 08.09.2005, – B 13 RJ 20/05 – zu § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI; Urteil vom 14.08.2003, – B 13 RJ 27/02 R – zu § 1251 Abs.1 Nr. 4 RVO; Urteil vom 29.08.1996, – 4 RA 85/95 -). Aus dem Wortlaut des § 1 Abs.1 ZRBG ist nicht erkennbar, dass von diesem Verfolgtenbegriff abgewichen wird. Auch aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 2 ZRBG lässt sich eine umfassende Gleichstellung der sog. "Ghetto-Beitragszeiten" mit nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten im Sinne von § 55 SGB VI nicht herleiten. § 2 Abs. 1 ZRBG bestimmt, dass für Zeiten der Beschäftigung in einem Ghetto Beiträge als gezahlt gelten, und zwar für die Berechnung der Rente als Beiträge nach den Reichsversicherungsgesetzen für eine Beschäftigung außerhalb des Bundesgebiets (Nr. 1) sowie für die Erbringung von Leistungen ins Ausland als Beiträge für eine Beschäftigung im Bundesgebiet (Nr. 2). Durch § 2 Abs. 1 Nr. 2 ZRBG soll erreicht werden, dass die Zahlbarmachung einer Rente nicht mehr an den auslandsrentenrechtlichen Grundsätzen des SGB VI ( § 110 ff SGB VI) oder der fehlenden Beitragszahlung im Fall von Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG (§ 272 SGB VI) scheitert.
Die "Ghetto-Beitragszeiten" gelten nur für die Zahlung ins Ausland als fiktive Bundesgebiets-Beitragszeiten und ermöglichen die Anwendung des § 113 SGB VI zu Gunsten der Verfolgten. Des weiteren bewirkt auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG keine Anerkennung ausländischer Beschäftigungszeiten als Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung. Denn die dort geregelte Beitragsfiktion "für die Berechnung der Rente", d. h. die Ermittlung der Höhe der Entgeltpunkte nach § 254d Abs.1 Nr. 5 SGB VI, umfasst nicht die Berücksichtigung der betreffenden Zeit bei der Erfüllung der Wartezeit, also bei der Entstehung des Rentenstammrechts. Die Frage, ob eine Beschäftigungszeit, die nicht im Bundesgebiet zurückgelegt wurde, überhaupt in der deutschen Rentenversicherung berücksichtigt werden kann, ist keine Frage der Berechnung der Rente. Dies ergibt aus der Systematik des SGB VI, nach der die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und die Bestimmung der rentenrechtlichen Zeiten von der Berechnung der Rente getrennt sind. Das SGB VI unterscheidet im Zweiten Abschnitt des Zweiten Kapitels (§§ 33 -105a) zwischen den Bestimmungen über Rentenarten, den Voraussetzungen für einen Rentenanspruch, den Anspruchsvoraussetzungen für einzelne Renten (§ 35 ff SGB VI) – Bestimmungen, die das Entstehen des sog. Rentenstammrechts betreffen -, und den Bestimmungen über die Rentenhöhe und Rentenanpassung (§ 63 ff SGB VI), das Zusammentreffen von Renten und Einkommen (§ 89 ff SGB VI), Beginn, Änderung und Ende der Rente (§ 99 ff SGB VI) und Ausschluss und Minderung der Rente (§§ 103 – 105a SGB VI) – Bestimmungen, die den monatlichen Zahlungsanspruch aus dem Rentenstammrecht einschließlich der Bewertung der rentenrechtlichen Zeiten betreffen -. Die Berechnung der Höhe eines Zahlungsanspruchs setzt systematisch das Entstehen eines Rentenanspruchs voraus. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG kann daher nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die dort ausdrücklich " für die Berechnung der Rente" getroffene Regelung auch für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen gilt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die nach den allgemeinen Regeln zu bestimmenden Beitragszeiten erst bei der anschließenden Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte nach §§ 70 ff SGB VI wie Zeiten, die im Geltungsbereich der RVO außerhalb des Bundesgebiets zurückgelegt worden sind, behandelt werden sollen und nicht schon bei der Prüfung, ob diese Zeiten überhaupt in den Versicherungsverlauf aufzunehmen sind. Des weitern setzt auch die Regelung des § 3 ZRBG über den anzuwendenden Zugangsfaktor sowie über den Beginn der Rente voraus, dass ein Rentenanspruch entstanden ist.
Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des ZRBG auf die Bewertung von Beschäftigungszeiten in einem Ghetto sowie deren Zahlbarmachung ins Ausland, die nach § 247 Abs. 3 S. 1 SGB VI (Beitragszeiten nach RVO) oder den Bestimmungen des FRG den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichgestellt sind, widerspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers. Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/8583 und 14/8602) ist nicht die Absicht des Gesetzgebers zu entnehmen, alle Verfolgte, die in einem Ghetto freiwillig und entgeltlich beschäftigt waren, in die deutsche Rentenversicherung einzubeziehen und den Kreis der Anspruchsberechtigten über den in §§ 1 Abs.1, 20 WGSVG und §§ 1, 16, 17a FRG erfassten Personenkreis hinaus auszudehnen. Das zentrale Problem, das durch das Gesetz gelöst werden sollte, ist die Zahlbarmachung von Renten für Zeiten einer Beschäftigung in einem Ghetto für Berechtigte mit einem Auslandswohnsitz, ohne dass die Berechtigten Vorleistungen in Form von Nachentrichtungen erbringen müssen oder ihnen eine fehlende Beitragsabführung oder das Verstreichen von Nachentrichtungsrechten entgegen gehalten werden kann. Dies ergibt sich aus der im Allgemeinen Teil des Gesetzesentwurfs vorangestellten Problemdarstellung, in der ausgeführt wird, dass die auf einer Beschäftigung in einem Ghetto beruhende Rente vielfach aus auslandsrentenrechtlichen Gründen nicht ausgezahlt werden kann, insbesondere weil Bundesgebiets-Beitragszeiten nicht im erforderlichen Umfang vorliegen (BT-Drucks. 14/8583 S. 5 und 14/8602 S.5).
Im Allgemeinen Teil wird zwar ausgeführt, dass mit dem ZRBG von bestimmten Grundsätzen des Rentenrechts im Bereich der Anerkennung von rentenrechtlichen Zeiten als auch bei der Erbringung von Leistungen ins Ausland abgewichen wird. Die Verwendung des Ausdrucks "Anerkennung von rentenrechtlichen Zeiten", könnte ein Hinweis dafür sein, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, die Bestimmungen im Fünften Titel, Zweiter Unterabschnitt, zweiter Abschnitt, zweites Kapitel des SGB VI über "rentenrechtliche Zeiten", zu denen auch der Begriff der Beitragszeit in § 55 SGB VI gehört, zu ergänzen, indem er den Kreis der Anspruchsberechtigten ausdehnte. Jedoch wird im Wortlaut des § 1 Abs. 2 ZRBG ausgeführt, dass dieses Gesetz die rentenrechtlichen Vorschriften des WGSVG ergänzt. Die allgemeine Zielsetzung des WGSVG ist, das Recht der Wiedergutmachung so zu verbessern, dass den Sozialversicherten ein voller Ausgleich des Schadens ermöglicht wird, den sie durch Verfolgungsmaßnahmen in ihren Ansprüchen und Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung erlitten haben. Dabei knüpft der Gesetzgeber daran an, ob der Verfolgte vor oder im Anschluss an Verfolgungsmaßnahmen bereits rentenversichert war (BVerfG, Beschluss vom 04.01.1981, – 1 BvR 873/81 -). Dies bedeutet für Verfolgte, die vor oder im Anschluss an Verfolgungsmaßnahmen nicht im Geltungsbereich der RVO Beitragszeiten erworben haben, dass sie Beschäftigungs- und Beitragszeiten nach dem FRG erworben haben müssen, um von dem Geltungsbereich des WGSVG erfasst zu werden. Die Vorschriften des FRG knüpfen an bestimmte persönliche Voraussetzungen an, nämlich die Innehabung eines bestimmten Status und das Erreichen eines bestimmten Lebensalters.
Aus der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 2 ZRBG (BT-Drucks. 14/8583 S.6 und 14/8602 S.6) ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber über die in §§ 20 WGSVG und § 17a FRG geregelte Gleichstellung von vertriebenen Verfolgten mit anerkannten Vertriebenen hinaus Verfolgte in die gesetzliche Rentenversicherung als Berechtigte einbeziehen wollte, die wegen fehlender Zugehörigkeit zum dSK oder fehlendem Erwerb von Beitragszeiten im Geltungsbereich der RVO außer den Beschäftigungszeiten in einem Ghetto keine weiteren berücksichtigungsfähigen Beitragszeiten oder Ersatzzeiten erworben, also durch die Verfolgungsmaßnahmen kausal keinen Schaden in der deutschen Rentenversicherung erlitten haben. Denn diese Verfolgten wären im Verfolgungszeitraum nicht in der Lage gewesen, berücksichtigungsfähige Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung zu erwerben. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das ZRBG keine Wartezeitfiktion enthält, also für die Entstehung eines Rentenanspruchs die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit erforderlich ist. Verfolgte können wegen der Dauer der Verfolgungsmaßnahmen, die mit der Besetzung des jeweiligen Heimatlandes (ab September 1939 bzw. Sommer 1941) durch die deutsche Wehrmacht begannen, und der kurzen Dauer der Existenz von Ghettos, die überwiegend in den Jahren 1942/43 aufgelöst wurden, allein durch "Ghetto-Beitragszeiten" (§ 2 ZRBG) die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nicht erfüllen, also kein Rentenstammrecht begründen. Damit ist der Rentenanspruch davon abhängig, dass die Verfolgten weitere berücksichtungsfähige Beitrags- und Ersatzzeiten vor und nach der Verfolgungszeit, also die im SGB VI, FRG und WGSVG festgelegten Zugangsvoraussetzungen zur deutschen Renteversicherung erfüllt oder Beitragszeiten nach über- und zwischenstaatlichem Recht erworben haben. Denn auch die Verfolgungsersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI setzen u.a. voraus, dass die Verfolgten zu Beginn der Verfolgungsmaßnahmen die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die gesetzliche deutsche Rentenversicherung erfüllten (BSG, Urteil vom 08.09.2005, – B 13 RJ 20/05 R – ).
Des weiteren ist der Gesetzesbegründung zu § 2 ZRBG, insbesondere zu § 2 Abs. 2 ZRBG (BT-Drucks. 14/8583 S.6 und 14/8602 S.6) zu entnehmen, dass der Gesetzgeber für die Berechnung der aus den sog. "Ghetto-Beitragszeiten" zu leistenden Rente, eine Beitragszahlung für eine nach den Reichsversicherungsgesetzen versicherungspflichtige Beschäftigung außerhalb des Bundesgebiets, d. h. für die Ermittlung der Höhe der Rente eine fiktive Beitragszahlung unterstellte und nur für die Erbringung von Leistungen aus den "Ghetto-Beitragszeiten" ins Ausland diese als Bundesgebiets-Beitragszeiten ansah. Durch diese Gleichstellung sollte der Export der Rente nach den allgemeingültigen Grundsätzen des im SGB VI geregelten Auslandsrentenrechts ermöglicht werden. Er schloss eine Zahlung von Rentenleistungen ins Ausland für Zeiten einer Beschäftigung außerhalb des Ghettos sowie ein wertmäßiges Mitziehen von Beitragszeiten, die außerhalb des Ghettos erworben worden sind, in § 2 Abs. 2 ZRBG aus. Deshalb kann der Gesetzesbegründung nicht der Wille des Gesetzgebers entnommen werden, dass Verfolgte, die während der Verfolgungsmaßnahmen nicht dem Anwendungsbereich des WGSVG oder des FRG unterfielen, in die gesetzliche Rentenversicherung als Berechtigte miteinbezogen werden sollten. Vielmehr beschränkte sich der Wille des Gesetzgebers darauf, Berechtigte, die nach den Vorschriften von WGSVG und FRG während der Verfolgungsmaßnahmen berücksichtigungsfähige Versicherungszeiten durch eine Beschäftigung im Ghetto erworben hatten, den Erhalt von Leistungen aus diesen Zeiten zu ermöglichen."
Daran hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest.
Selbst wenn der Auffassung der Beteiligten gefolgt wird, dass Beschäftigungszeiten in einem Ghetto für Verfolgte im Sinne des BEG nach § 1 ZRBG grundsätzlich (fiktiven) Beitragszeiten nach § 55 SGB VI gleichgestellt sind, unabhängig davon, ob die Verfolgten zu dem vom FRG oder WGSVG erfassten Personenankreis gehören, sind die Voraussetzungen des § 1 ZRBG nicht erfüllt. Nach § 1 Abs.1 gilt das ZRBG für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist und gegen Entgelt ausgeübt wurde (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr.1 ) und das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom deutschen Reich besetzt war (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2). Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 ZRBG sind vorliegend nicht erfüllt.
Dabei lässt der Senat offen, ob die Orte Rajgorod, Braszlaw und Ivangorod in einem Gebiet im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZRBG gelegen haben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lagen die Orte Rajgorod und Braszlaw im Gebiet westlich des Flusses Bug, das nach der Eroberung durch die deutsch-rumänischen Truppen als Transnistrien bezeichnet wurde und nach der Rechtsprechung des Senat nicht dem ZRBG unterfällt (Urteil vom 27.01.2006, – L 4 RJ 126/04 -).
Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme ist weder erwiesen noch hat der Kläger – in entsprechender Anwendung des § 4 FRG bzw. § 3 WGSVG – glaubhaft gemacht, dass es sich bei den in der Zeit von Juli 1941 bis Juli 1943 ausgeübten Beschäftigungen in den Orten Rajgorod, Baszlav und Ivangorod um eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene und gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigung im Sinne von § 1 Abs. S. 1 Nr. 1 ZRBG handelte. Bei der Auslegung der in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZRBG verwandten Begriffe "aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen" und "gegen Entgelt ausgeübt" ist auf die Kriterien der Rechtsprechung des Bundssozialgerichts (BSG) zur Frage der versicherungsrechtlichen Einordnung und Abgrenzung von Zwangsarbeit zu versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen in einem Ghetto abzustellen (vgl. Urteile vom 14.07.1999, – B 13 RJ 75/98 R – und – B 13 RJ 61/98 R -). Denn das ZRBG knüpft nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, erkennbar an die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto an. Eine Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises über die von der "Ghetto-Rechtsprechung" Begünstigten hinaus ist vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen. Die in § 1 ZRBG genannten Kriterien folgen der Rechtsprechung des BSG und verdeutlichen die Abgrenzung einer von den Merkmalen der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit bestimmten Beschäftigung, die grundsätzlich der Versicherungspflicht unterliegt, gegenüber der nichtversicherten Zwangsarbeit (BSG, Urteil vom 7.10.2004, – B 13 RJ 59/03 R -; Urteil vom 20.07.2005, – B 13 RJ 37/04 -; LSG NRW, Urteil vom 27.01.2006, – L 4 RJ 126/04 -). Auch bei Arbeiten, die unter den allgemeinen Bedingungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verrichtet wurden, ist nach der Rechtsprechung des BSG eine freie, von den Merkmalen der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit bestimmte Beschäftigung, die grundsätzlich der Versicherungspflicht unterliegt, von nichtversicherungspflichtiger Zwangsarbeit abzugrenzen. Dabei ist das Vorliegen eines freien Beschäftigungsverhältnisses danach zu beurteilen, ob die Beschäftigten aus eigenem Willen ein konkretes Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnis durch zweiseitige Vereinbarung eingegangen sind, tatsächlich die von ihnen auf der Grundlage des mit dem Arbeitgeber geschlossenen Vertrags geforderte Arbeit geleistet haben und ihnen dafür im Austausch eine den Umständen nach angemessene Gegenleistung als Bar- oder Sachlohn gewährt worden ist (BSG, Urteil vom 18.06.1997, – 5 RJ 20/96 -, BSG, Urteil vom 23.08.2001, – B 13 RJ 59/00 R -; LSG NW, Urteil vom 23.10.2000, – L 3 RJ 60/99 – ).
Die Ausübung irgendeiner Beschäftigung reicht zur Glaubhaftmachung einer Beschäftigung im Sinne des § 1 ZRBG nicht aus. Es existiert kein Grundsatz, dass die Beschäftigung eines Ghettobewohners grundsätzlich als freies und entgeltliches Arbeitsverhältnis zu werten ist. Vielmehr sind die konkreten Umstände eines jeden Einzelfalles zu berücksichtigen. Die Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren, dass er sich in Rajgorod eine Arbeit suchte und er in Rajgorod, Braszlav und Ivangorod für seine Arbeit Lebensmittel erhielt, bzw. im Klageverfahren, dass er sich die Arbeiten über den Judenrat gesucht habe, genügen nicht zur Glaubhaftmachung der Ausübung einer Beschäftigung im Sinne von § 1 ZRBG. Insoweit nimmt der Senat auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend weist der Senat auf folgendes hin: Die im Berufungsverfahren durchgeführte Beweisaufnahme hat ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich bei den vom Kläger behaupteten Beschäftigungen um freiwillige Tätigkeiten handelte. Vielmehr spricht mehr dafür, dass es sich jeweils um Zwangsarbeit handelte. Denn aus der beigezogenen Sekundärliteratur ergibt sich, dass in den drei von dem Kläger genannten Orten im streitbefangenen Zeitraum (Zwangs-)arbeitslager bestanden. Im Handbuch " Lager, Gefängnisse und Ghettos auf dem besetzten Territorium der Ukraine" ist aufgeführt, dass im Ort Rajgorod ein Zwangsarbeitslager für Juden während der deutschen Besatzung (S. 45 des Handbuchs) existierte, wobei das Staatskomitee der Archiven der Ukraine, der Herausgeber, den Begriff "Zwangsarbeitslager für Juden" als eine "Haftstätte für Personen der jüdischen Nationalität zwecks deren Einsatzes bei schwierigen Arbeiten, aus Ghetto umgewandelt oder neugebildet, wobei arbeitsfähige Juden aus Ghettos in Lager eingeliefert wurden, das Lager unterstand der Polizeiverwaltung und der SS" definiert (S. 17 des Handbuchs). Das Staatskomitee der Archiven der Ukraine unterscheidet zwar bei der Klassifizierung von Orten als Lager, Gefängnisse und Ghettos zwischen Ghettos " als ein Teil einer Ortschaft, der für Zwangshaft der Personen der jüdischen Nationalität zwecks ihrer Isolierung und nachfolgenden Vernichtung bestimmt ist" (S. 16 des Handbuchs) und Zwangsarbeitslager für Juden (S. 17 des Handbuchs). Nach den Darlegungen des Staatskomitees der Archiven der Ukraine gibt es in den Archivalien jedoch keine strenge Abgrenzung zwischen Ghettos und Zwangsarbeitslager für Juden, so dass im Handbuch zu der Kategorie "Zwangsarbeitslager für Juden" nur Haftstätten gezählt wurden, in deren Unterlagen die Zwangsarbeit der jüdischen Bevölkerung fixiert ist (S. 17 des Handbuchs). Ebenfalls wird in den Unterlagen von Yad Vashem über das Verfolgungsschicksal der jüdischen Bevölkerung des Ortes Teplik, die dem Antrag des Klägers bei der Claims Conference beigefügt waren, ein Konzentrationslager in Raygorod erwähnt. Laut Eintragungen im Handbuch " Lager, Gefängnisse und Ghettos auf dem besetzten Territorium der Ukraine" existierte in Braszlaw ein Ghetto und ein Zwangsarbeitslager für Juden (S. 31 des Handbuchs). Diese Angaben zum Ort Braszlaw stimmen überein mit den Angaben im Stichwort "Bratslav" aus dem Museum of Tolerance, Multimedia Learning Center online, wonach die jüdische Bevölkerung des Ortes Braszlav, eine kleine Stadt am Fluss Bug in der Ukraine, in der Zeit von Juli und September 1941 vernichtet wurde und in der Zeit 1942/43 bei Braszlaw ein Konzentrationslager für Juden aus der Ukraine, Bessarabien und der Bukowina bestand. Der Kläger hielt sich nach seinen Angaben im Rentenverfahren in der Zeit von Dezember 1941 bis Dezember 1942 bzw. im Verfahren bei der Claims Conference in der Zeit von Mai 1942 bis Februar 1943 in Braszlaw auf, also zu einer Zeit, als ein Zwangsarbeiterlager in Braszlav bestand. Des weiteren ist im Final Report of the International Commission on the Holocaust in Romania ausgeführt, dass die Durchgangstraße IV, eine strategische Fernstraße, die Polen mit der südlichen Ukraine verbinden sollte, unter anderem durch die Orte Braszlav (westlich des Bug) und durch Nemirov, Gaysin, Ivangorod und Kirovograd (östlich des Bug) führte und tausende rumänischer Juden in den Arbeitslagern dieser Städte starben, also an den Orten Braszlav und Ivangorod Arbeitslager für den Straßenbau bestanden. Auch die Bekundungen des Klägers über sein Verfolgungsschicksal sprechen dafür, dass er sich in den Orten Rajgorod, Bratslav und Ivangorod in Zwangsarbeitslagern aufhielt und Zwangsarbeit verrichtete. Im Antrag vom 11.02.2000, adressiert an die Claims Conference, unterschied der Kläger zwischen dem Aufenthalt von Juli 1941 bis März 1942 im "Ghetto" Teplik und dem "Leben unter haftähnlichen Bedingungen" in den Orten Rajgorod, Braszlaw und Ivangorod, wobei er den Ort Ivangorod als "Lager" in seiner ausführlichen Erklärung über sein Verfolgungsschicksal bezeichnete. Er bekundete im Jahr 2000 sowie im Rentenverfahren, dass er von Teplik nach Raygorod, Gebiet Winniza "geschickt " bzw. "getrieben" wurden sei, er dort im Steinbruch gearbeitet habe, von Raygorod zur (Zwangs)arbeit im Steinbruch nach Baszlav und danach in das Lager Ivangorod zu Straßenarbeiten "überführt" worden zu sein. Die vom Kläger verwandte Terminologie "geschickt bzw. "überführt wurden sein" spricht dafür, das der Kläger im Rahmen einer Arbeitskolonne an mehreren Orten eingesetzt war. Auch die Angaben des Klägers über die Art der ausgeübten Tätigkeit in Ivangorod – Einsatz beim Bau der Strasse Berlin-Warschau-Kiev (Claims Conference) bzw. beim Bau eines Weges (Rentenverfahren) – ist mit der Tatsache vereinbar, dass ín Ivangorod ein Arbeitslager für den Bau der Durchgangsstaße IV bestand.
Da keine Beitragszeiten bestehen, können wegen Fehlens der Versicherteneigenschaft des Klägers keine Ersatzzeiten zur Erfüllung der Wartezeit berücksichtigt werden. Selbst wenn das Vorliegen einer Beitragszeit nach den Vorschriften des ZRBG als gegeben angesehen wird, sind die Voraussetzungen einer Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI nicht gegeben. Denn § 250 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI schützt nur die Situation, die zu Beginn der Verfolgungszeit bestand und die ohne die Verfolgungsmaßnahmen fortgedauert hätte. Da der Kläger nicht dem dSK angehörte, hätte er – ohne die nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen – keine Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach dem FRG, die vom deutschen Rentenversicherungsträger zu berücksichtigen wären, in der Sowjetunion erwerben können. Denn er gehörte nicht zu dem durch das FRG erfassten Personenkreis (siehe BSG, Urteil vom 08.09.2005, – B 13 RJ 20/05 R -). Das ZRBG enthält keine Bestimmungen, welche die Regelung des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI, insbesondere die geforderte Kausalität zwischen nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahme und Schaden in der Rente, ergänzen oder ändern (a.A. SG Hamburg, Urteil vom 09.02.2006, – S 9 R 896/06 -, Urteil vom 02.05.2006, – S 20 RJ 611/04 -; Urteil vom 03.05.2006, – S 10 RJ 944/03 -).
Da die Voraussetzungen für die Gewährung von ARG demnach nicht gegeben sind, kann offen bleiben, ob ein Zahlungsanspruch aus Ghetto-Beitragszeiten für Juli bis Dezember 1941 bereits nach § 16 Abs. 3 EVZStiftG ausgeschlossen ist ( siehe hierzu LSG NRW, Urteil vom 03.06.2005, – L 4 R 3/05 -).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
Erstellt am: 03.08.2006
Zuletzt verändert am: 03.08.2006