I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte der Klägerin einen Betrag in Höhe von 234,93 EUR wegen zuviel gezahlter Behandlungskosten zurückzuerstatten hat.
Die Klägerin ist Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Beklagte ist niedergelassener Augenarzt.
Wegen eines Arbeitsunfalls eines bei der Klägerin versicherten Arbeitnehmers vom 11.04.2001 erbrachte der Beklagte an sieben Tagen im April 2001 und einem Tag im Mai 2001 Leistungen der Heilbehandlung.
Am 03.06.2001 stellte er der Klägerin dafür 811,70 DM in Rechnung. Am 11.09.2001 überwies die Klägerin für die augenärztliche Behandlung an den Beklagten nach Rechnungskürzungen einen Betrag von 761,90 DM.
Nach Überprüfung der augenärztlichen Rechnung durch ihren beratenden Augenarzt teilte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 10.10.2001 mit, dass dieser lediglich einen Betrag in Höhe von 230,70 DM hätte abrechnen dürfen. Gleichzeitig überwies die Klägerin den von ihr als richtig angenommenen Betrag von 230,70 DM an den Beklagten und bat diesen, die zuviel getätigte Überweisung in Höhe von 761,90 DM zurückzuerstatten.
Mit Schreiben vom 20.11.2001 informierte der Beklagte die Klägerin darüber, dass er lediglich den über den Rechnungsbetrag von 811,70 DM hinausgehenden Differenzbetrag von 180,90 DM zurücküberweisen werde.
Mit Schreiben vom 18.11.2002 teilte die Klägerin dem Beklagten nach erneuter Überprüfung der Rechnung mit, dass bei sehr großzügiger Auslegung der Abrechnungsvorschriften ein Rechnungsbetrag von 352,21 DM (180,08 EUR) angesetzt werden könne. Es wurde gebeten, die sich daraus ergebende Überzahlung von 459,49 DM (234,93 EUR) zurückzuüberweisen.
Nachdem eine Zahlung nicht erfolgt war, erhob die Klägerin mit Schreiben vom 08.12.2003 Klage.
Im Rahmen der gerichtlichen Ermittlungen wurde thematisiert, ob der Weg zu den Sozialgerichten oder zu den Zivilgerichten eröffnet sei, ob der zurückgeforderte Betrag mit Verwaltungsakt oder durch Leistungsklage geltend zu machen sei und ob vor oder anstelle des Gerichtsverfahrens ein schiedsrichterliches Verfahren durchzuführen sei. Mit Schriftsatz vom 27.10.2005 rügten die Bevollmächtigten des Beklagten, dass das hier erforderliche schiedsrichterliche Verfahren nicht durchgeführt worden sei.
In der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2006 beantragte der Vertreter der Klägerin,
den Beklagten zur Zahlung von 234,93 EUR zu verurteilen.
Die Bevollmächtigte des Beklagten beantragte,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Akten des Gerichts und der Klägerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist abzuweisen, da ein Verfahren vor der Schlichtungsstelle bei dem Landesverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften nicht durchgeführt worden ist.
1. Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit
Für die hier zu entscheidende Frage ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eröffnet.
Zumindest nach der früheren zivilgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 09.12.1974, Az.: III ZR 131/72, m.w.N.) war nicht abschließend geklärt, ob das Rechtsverhältnis zwischen dem im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung tätigen Arzt und der Berufsgenossenschaft dem öffentlichen Recht zuzurechnen sei. So wurde beispielsweise noch im Jahre 1993 (vgl. LG Münster, Urteil vom 30.09.1993, Az.: 11 O 194/93) der Weg zu den Zivilgerichten als eröffnet betrachtet.
Dieser Rechtsprechung der Zivilgerichte bzw. den dort aufgeworfenen Zweifeln und Fragen zur Rechtswegfrage kann sich das Gericht nicht anschließen. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Der Durchführung der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung lagen bzw. liegen öffentlich-rechtliche Verträge gemäß § 557 Abs. 3 RVO bzw. § 34 Abs. 3 SGB VII zugrunde (Abkommen Ärzte/Unfallversicherungsträger (Ärzteabkommen) zwischen dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften e.V., dem Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften e.V., dem Berufsverband der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand e.V. und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 23.03.1984 in der Fassung vom 26.03.1992; Vertrag gemäß § 34 Abs. 3 SGB VII zwischen dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenosenschaften, dem Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, dem Bundesverband der Unfallkassen einerseits und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung andererseits über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung der ärztlichen Leistungen (Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger) vom 29.11.2000). Mit diesen Verträgen wird sichergestellt, dass die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ihren gesetzlich vorgegebenen Pflichten im Rahmen der Heilbehandlung nachkommen können. Es handelt sich somit zweifelsohne um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag auf dem Gebiet des Sozialrechts (vgl. auch Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10.04.1986, Az.: GmS-OGB 1/85: Die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung (§§ 368 ff RVO) ist dem öffentlichem Recht und nicht dem Privatrecht zuzuordnen). Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. z.B. Urteil des Bundessozialgerichts vom 10.11.1972, Az.: 5 RKn 81/70) ist für derartige Streitigkeiten der Weg zu den Sozialgerichten eröffnet (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 51 RdNr. 9).
Die vertraglichen Leistungsbeziehungen und Abrechnungsmodalitäten im Rahmen der Heilbehandlung zwischen einem Arzt und einem Träger der Unfallversicherung sind damit öffentlich-rechtlicher Art (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 34 SGB VII, RdNr. 11).
Ein in diesem Verhältnis geltend gemachter Rückforderungs- bzw. Erstattungsanspruch des Unfallversicherungsträgers gegenüber dem tätigwerdenden Arzt stellt das Spiegelbild des zugrunde liegenden Leistungsanspruchs (Zahlungsanspruchs) dar, welcher ohne jeden Zweifel öffentlich-rechtlicher Art ist. Der Rückforderungs- bzw. Erstattungsanspruch kann in seiner Rechtsnatur wiederum nicht anders beurteilt werden als das zugrunde liegende Leistungsverhältnis bzw. der korrespondierende Zahlungsanspruch des Arztes. Damit ist der Sozialrechtsweg bei einem Anspruch auf Rückerstattung wegen zu Unrecht erfolgter Leistungen eröffnet, wenn er – wie hier – für den Leistungs- bzw. Zahlungsanspruch gegeben ist (vgl. Keller, a.a.O., § 51, RdNr. 11 d). Ein vor den Zivilgerichten geltend zu machender Anspruch gemäß § 812 ff. BGB scheidet damit aus.
2. Keine Möglichkeit zur Geltendmachung des Anspruchs durch Verwaltungsakt
Die Klage ist nicht deshalb unzulässig, weil die Beklagte ihre Rückforderung mit Verwaltungsakt hätte geltend machen können, was wiederum der Geltendmachung durch Leistungsklage entgegen stehen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.09.1992, Az.: 5 C 71/88). Denn in dem hier vorliegenden Fall ist eine Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs mit Verwaltungsakt ausgeschlossen.
Mit § 50 SGB X enthalten die Regelungen zum sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren eine Rechtsgrundlage für eine Rückforderung erbrachter Leistungen. Dabei regelt § 50 Abs. 1 SGB X die Rückerstattung von erbrachten Leistungen nach Aufhebung eines Verwaltungsakts, § 50 Abs. 2 SGB X die Rückerstattung von Leistungen, die ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind.
Eine Rückforderung gemäß § 50 Abs. 1 SGB X kommt nicht in Betracht, da die Zahlung der Klägerin an den Beklagten nicht aufgrund Verwaltungsaktes erfolgt ist. Zwar erfolgt die Leistungserbringung im Bereich des Sozialrechts regelmäßig durch Verwaltungsakt. Dies gilt aber nicht in Bezug auf das Leistungsverhältnis zwischen Unfallversicherungsträger und Arzt im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung. Wie oben bereits dargelegt, liegt diesem Verhältnis ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des Ärzteabkommens bzw. des Vertrages Ärzte/Unfallversicherungsträger zugrunde. Bereits die Wahl der Rechtsform des öffentlich-rechtlichen Vertrages im Zusammenhang mit der Leistungserbringung schließt es aus, dass Zahlungen auf der Grundlage von Verwaltungsakten erfolgen (vgl. auch Ricke, in: Kasseler Kommentar, § 34 SGB VII, RdNr. 16, § 26 SGB VII, RdNr. 11). Eine Rückforderung gemäß § 50 Abs. 1 SGB X ist damit ausgeschlossen.
Auch eine Rückforderung nach § 50 Abs. 2 SGB X kommt nicht in Betracht. § 50 Abs. 2 SGB X regelt die Rückforderung von zu Unrecht erbrachten Leistungen ohne Verwaltungsakt. Nach dem bloßen Wortlaut des § 50 Abs. 2 SGB X könnte diese Vorschrift hier zur Anwendung kommen, da die Klägerin eine Zahlung – aus ihrer Sicht – zu Unrecht erbracht hat, da die zugrunde liegende und zunächst beglichene Forderung – so die Klägerin – überhöht gewesen sei. Dies würde nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 10.09.1992, Az.: 5 C 71/88) bedeuten, dass eine Rückforderung nicht mit der Leistungsklage geltend gemacht werden könnte und vielmehr die zu erstattende Leistung durch Verwaltungsakt festzusetzen wäre. Nach der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. a.a.O.) stellen die Vorschriften der §§ 44 ff. SGB X ein geschlossenes System der Rücknahme und des Widerrufs von Verwaltungsakten und der Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen dar, wobei das Bundesverwaltungsgericht die im SGB I und SGB X enthaltenen Regelugen als umfassend und nicht ergänzungsfähig betrachtet. Eine derartige Auslegung des § 50 Abs. 2 SGB X verbietet sich jedoch. Im Gegensatz zur angeführten Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts stellen die Regelungen des § 44 ff. SGB X und insbesondere die Vorschrift des § 50 SGB X kein geschlossenes System für die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen dar. Vielmehr regelt nach der im maßgeblichen sozialversicherungsrechtlichen Schrifttum vertretenen Meinung (vgl. z.B. Steinwedel, in: Kasseler Kommentar, § 50 SGB X, RdNr. 2) § 50 SGB X nur einen Teilbereich des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Aus dem Sachzusammenhang ergibt sich unzweifelhaft, dass mit § 50 Abs. 2 SGB X nur die Fälle geregelt werden sollen, die grundsätzlich einer Zahlung aufgrund Verwaltungsakt zugänglich sind, bei denen aber ein Verwaltungsakt als Grundlage für die Leistung nicht ergangen ist (vgl. Steinwedel, a.a.O., § 50 SGB X, RdNr. 4 ff.). Sofern Leistungen erfolgen, ohne dass diesen ein Verwaltungsakt hätte zugrunde liegen können, z.B. bei fehlgeleiteten Überweisungen an Dritte, ist der Anwendungsbereich des § 50 SGB X nicht eröffnet (vgl. Bayer. Landessozialgericht, Urteil vom 30.03.2004, Az.: L 17 U 183/03).
Da in dem hier zu entscheidenden Fall eine Zahlung aufgrund Verwaltungsakts ausgeschlossen gewesen wäre, da sich die Beteiligten im Bereich eines öffentlich-rechtlichen Vertrages bewegen, kann § 50 Abs. 2 SGB X nicht für die Rückforderung zur Anwendung kommen.
Da die Klägerin ihr Rückforderungsbegehren nicht mit Verwaltungsakt hätte geltend machen können, ist eine Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 5 SGG zulässig (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 10.11.1972, Az.: 5 RKn 81/70).
3. Kein Ausschluss eines gerichtlichen Verfahrens gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 1032 Abs. 1 ZPO aufgrund des Ärzteabkommens vom 23.03.1984 in der Fassung vom 26.03.1992 und des Schiedsvertrags vom 23.01.1962 in der Fassung vom 03.11.1967
Zwar war zum Zeitpunkt des der ärztlichen Behandlung zugrunde liegenden Versicherungsfalls und zum Großteil der augenärztlichen Behandlung noch das Ärzteabkommen sowie der angeführte Schiedsvertrag gültig. Dies steht jedoch vorliegend einer gerichtlichen Entscheidung nicht entgegen, da der genannte Schiedsvertrag aufgehoben und damit ein schiedsrichterliches Verfahren undurchführbar geworden ist.
Gemäß § 557 Abs. 3 RVO war es den Trägern der Unfallversicherung möglich, zur Durchführung der Heilbehandlung öffentlich-rechtliche Verträge abzuschließen. Davon haben die Dachverbände der Unfallversicherungsträger mit dem Ärzteabkommen Gebrauch gemacht. Im Rahmen des Ärzteabkommens war auch ein Schiedsvertrag zwischen den Beteiligten des Ärzteabkommens abgeschlossen worden. Gemäß § 1 dieses Schiedsvertrags sind Streitfälle zwischen Ärzten und Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung aus dem Ärzteabkommen nach Befassung durch die Landesarbeitsgemeinschaften durch die Landesschiedsgerichte und ein Bundesschiedsgericht zu entscheiden. Gemäß § 5 des Schiedsvertrags und LtNr. 116 des Ärzteabkommens sind die Entscheidungen im Rahmen des Verfahrens vor den Schiedsgerichten bindend.
Die vorgenannten Regelungen des im Zusammenhang mit dem Ärzteabkommen geschlossenen Schiedsvertrags stellen eine schiedsrichterliche Vereinbarung im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO dar. Zwar ist nicht völlig unstrittig, ob die Regelungen der ZPO zum schiedsrichterlichen Verfahren auch im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens zur Anwendung kommen können. Grundsätzlich ist die Anwendbarkeit der ZPO über § 202 SGG eröffnet. Nach der überwiegenden Meinung (vgl. z.B. Leitherer, in: Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, § 202, RdNr. 4) ist von einer Anwendbarkeit auszugehen. Grundsätzliche Unterschiede des Verfahrens vor den Zivilgerichten und vor den Sozialgerichten stehen jedenfalls dann nicht entgegen, wenn – wie hier – dem Rechtsverhältnis der Beteiligten ein Vertrag (hier: öffentlich-rechtlicher Vertrag) zugrunde liegt. Eine andere Auslegung ist auch mit Blick auf die Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung (dort: § 168 Abs. 1 Nr. 5) nicht vertretbar; denn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, das dem sozialgerichtlichen Verfahren weitgehend ähnelt, ist eine Vereinbarung zum schiedsrichterlichen Verfahren sehr wohl möglich.
In Ansehung der Regelungen im Ärzteabkommen und im Schiedsvertrag ist davon auszugehen, dass vorliegend ein schiedsrichterliches Verfahren im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO gegeben ist, mit dem Streitigkeiten zwischen einzelnen Ärzten und Berufsgenossenschaften einer außergerichtlichen Regelung zugeführt werden sollen. Zwar ist der Schiedsvertrag von den Dachverbänden der Berufsgenossenschaften und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung abgeschlossen worden und damit nicht von einer einzelnen Berufsgenossenschaft und dem im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung tätigen Arzt. Dies steht aber nicht der Annahme entgegen, dass es sich bei dem hier vorliegenden Schiedsvertrag um einen solchen handelt, der auch zwischen den einzelnen beteiligten Ärzten und Berufsgenossenschaften Wirkungen entfaltet. Für diese Auslegung spricht zum einen bereits der eindeutige Wortlaut des Ärzteabkommens und des Schiedsvertrags, der ausdrücklich Streitigkeiten zwischen Arzt und Träger der gesetzlichen Unfallversicherung als Gegenstand des schiedsrichterlichen Verfahrens benennt (vgl. Ltnrn. 70 und 105 des Ärzteabkommens, § 1 des Schiedsvertrags). Zudem sind die Besonderheiten des hier vorliegenden öffentlich-rechtlichen Vertrages zu bedenken, im Rahmen dessen die beteiligten Dachverbände bzw. die Kassenärztliche Bundesvereinigung den Vertrag jeweils für ihre Mitglieder, d.h. die einzelnen Berufsgenossenschaften einerseits und die einzelnen Ärzte (§ 77 Abse. 3 und 4 SGB V) abgeschlossen haben. Belegt wird diese Auslegung weiter durch die vom Gesetzgeber in § 557 Abs. 3 RVO gewählte Formulierung, ("den an der Durchführung der Heilbehandlung beteiligten Stellen"), die darauf schließen lässt, dass durch das Ärzteabkommen nicht nur die Beziehungen zwischen den Dachverbänden und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, sondern auch zwischen den einzelnen Berufsgenossenschaften und den behandelnden Ärzten geregelt werden sollten. Noch deutlicher wird dies in der in der Nachfolgeregelung zu § 557 Abs. 3 RVO, nämlich in § 34 Abs. 3 Satz 1 SGB VII gewählten Formulierung ("mit Wirkung für ihre Mitglieder"). Diese "Mitglieder" können nur die einzelnen Berufsgenossenschaften und Ärzte sein.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht der Annahme eines schiedricherlichen Verfahrens im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO auch nicht entgegen, dass nach dem strengen Wortlaut der Ltnr. 110 des Ärzteabkommens ein schiedsrichterliches Verfahren nur auf Antrag einer "Vertragspartei" eingeleitet werden kann, wobei Vertragsparteien die Dachverbände der Berufsgenossenschaften und die Kassenärztliche Bundesvereinigung sind. Bedenken gegen die Annahme einer schiedsrichterlichen Vereinbarung wären allenfalls dann begründet, wenn den einzelnen Ärzten und Berufsgenossenschaften ein Antragsrecht nicht zustehen würde oder diese kein eigenes Recht hätten, auf eine Antragstellung hinzuwirken. Denn dies würde bedeuten, das eine Überprüfung von Streitigkeiten ausgeschlossen wäre, wenn die Dachverbände oder die Kassenärztliche Bundesvereinigung den Antrag auf Durchführung des schiedsrichterlichen Verfahrens nicht stellen würden. Den einzelnen Berufsgenossenschaften und Ärzten wäre dann keine Möglichkeit zur Überprüfung in Streitfällen eröffnet. Dies würde mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG die verfassungsrechtliche Legitimation des vorliegenden Schiedsvertrages entfallen lassen. Schon aus diesem Grunde ist im Sinne einer geltungserhaltenden Auslegung das Ärzteabkommen und der Schiedsvertrag dahingehend auszulegen, das auch einzelne Berufsgenossenschaften und Ärzte das Recht haben müssen, die Einleitung eines schiedsrichterlichen Verfahrens zu bewirken. Ob diese Auslegung dergestalt zu erfolgen hat, dass die einzelnen Berufsgenossenschaften und Ärzte aufgrund ihrer vereins- oder körperschafts- rechtlichen Stellung einen Anspruch auf Antragstellung gegen die Dachverbände bzw. die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben oder ob ihnen aufgrund ihrer vereins- oder körperschafts- rechtlichen Rechte bereits ein eigenes originäres Antragsrecht zusteht, kann mangels Entscheidungserheblichkeit in diesem Rechtsstreit dahingestellt bleiben.
Verfassungsrechtliche Einwände gegen die Annahme eines schiedsrichterlichen Verfahrens können – wie im Zivilprozessrecht (vgl. Albers, in: Baumbach, Lauterbach, Albers, Hartmann, ZPO, 62. Auflage, Grundzüge zu § 1025, RdNr. 6) – auch für den hier vorliegenden Anwendungsfall eines öffentlich-rechtlichen Vertrages nicht geltend gemacht werden. Insbesondere kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Schiedsvertrag als Vertrag zu Lasten Dritter, nämlich der einzelnen Berufsgenossenschaften und Ärzte, betrachtet werden könnte. So handelt es sich bei dem schiedsrichterlichen Verfahren um eine Einrichtung, die in sämtlichen Kulturstaaten geduldet wird, soweit dem nicht unverletztliche öffentlich-rechtliche Belange entgegenstehen. Durch die vom Gesetzgeber in §§ 1025 ff. ZPO vorgegebenen Regelungen ist zudem ein Rechtsschutz der einzelnen Betroffenen sichergestellt. Schließlich ist durch die fehlende Vollstreckbarkeit einer – wenn auch verbindlichen – Entscheidung des Schiedsgerichts die unabdingbare staatliche Kontrolle und Nachprüfung durch das zuständige Gericht im Rahmen der gerichtlichen Vollstreckbarerklärung sichergestellt (vgl. § 1060 ZPO). Auch der Gesetzgeber selbst hat, wie aus § 168 Abs. 1 Nr. 5 VwGO ersichtlich ist, keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen ein schiedsrichterliches Verfahren im Rahmen öffentlich-rechtlicher Rechtsverhältnisse gesehen.
Der vorliegende Schiedsvertrag soll nach seinem Wortlaut Streitigkeiten zwischen Ärzten und Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung regeln. Dies entspricht den Formulierungen in den Ltnrn. 105 und 70 des Ärzteabkommens. Eine Beschränkung des schiedrichterlichen Verfahrens auf Streitigkeiten mit grundsätzlicher Bedeutung lässt sich weder dem Wortlaut des Schiedsvertrags noch dem des Ärzteabkommens entnehmen. Zwar ist die genannte Ltnr. 70 räumlich vor dem 4. Teil des Ärzteabkommens eingeordnet, der die Vergütung ärztlicher Leistungen regelt. Dies könnte als Indiz dafür gesehen werden, dass aufgrund der Systematik des Ärzteabkommens ein schiedsrichterliches Verfahren nicht bei Streitigkeiten über Vergütungen zur Anwendung kommen dürfte. Gegen diese Auslegung spricht jedoch, dass das schiedrichterliche Verfahren für die Klärung von sich aus dem Ärzteabkommen ergebenden Zweifelsfragen gem. Ltnr. 105, wobei darunter mangels entgegenstehender Hinweise oder Formulierungen im Ärzteabkommen auch Zweifelsfragen über die Abrechnung im Einzelfall zu verstehen sind, eröffnet ist und dass die Regelungen zum Schiedsgericht im Ärzteabkommen erst im 5. Teil ab Ltnr. 105 aufgelistet und damit räumlich nach dem 4. Teil zu der Regelung der Vergütungen angesiedelt sind. Daraus lässt sich wiederum der Rückschluss ziehen, dass schiedsrichterliche Verfahren auch bei Vergütungsfragen in Einzelfällen durchzuführen sind, zumal das Gebührenverzeichnis mit den einzelnen Abrechnungspositionen in der Anlage A zum Ärzteabkommen enthalten ist und damit einen Bestandteil des Ärzteabkommens darstellt.
Die von der Klägerin vorgetragene Ansicht, dem schiedsrichterlichen Verfahren sollten nach den vertraglichen Regelungen nur grundsätzliche Fragen zur Klärung zugeführt werden, lässt sich daher weder mit dem Wortlaut des Abkommens noch mit dem Sinn und Zweck der getroffenen öffentlich-rechtlichen Vereinbarung belegen. Hätten die Vertragspartner das schiedsrichterliche Verfahren ausschließlich für grundsätzliche Streitigkeiten vorsehen wollen, so hätte dies im Wortlaut der Vereinbarung zum Ausdruck kommen müssen. Aus den Regelungen zum schiedsrichterlichen Verfahren lässt sich dies aber nicht entnehmen; vielmehr soll das schiedsrichterliche Verfahren zur Klärung von Streitigkeiten zwischen einzelnen Ärzten und Berufsgenossenschaften dienen. Dies bedeutet, dass das schiedsrichterliche Verfahren ganz konkrete Streitigkeiten, d.h. auch über Abrechnungsfragen im Einzelfall, schlichten soll.
Es muss daher davon ausgegangen werden, dass eine Streitigkeit – wie hier – zwischen einer Berufsgenossenschaft und einem Arzt über die Berechtigung der ärztlichen Abrechnung dem schiedsrichterlichen Verfahren unterliegt.
Gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO würde dies bedeuten, dass das Gericht die Klage als unzulässig abzuweisen hätte, sofern – wie dies hier erfolgt ist – vom Beklagten vor Beginn der mündlichen Verhandlung gerügt worden ist, dass es sich um eine Angelegenheit handelt, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist.
Das nicht durchgeführte schiedsrichterliche Verfahren würde jedoch dann einer Klage nicht entgegenstehen, wenn das schiedsrichterliche Verfahren nicht (mehr) durchführbar wäre (vgl. Albers, a.a.O., § 1032 ZPO, RdNr. 4). Als nicht mehr durchführbar ist ein schiedsrichterliches Verfahren auch dann zu bezeichnen, wenn der Schiedsvertrag durch eine der Parteien gekündigt worden ist. Zwar ist der Schiedsvertrag ein Dauerschuldverhältnis, aus dem für beide Schiedsparteien eine dauernde Verfahrensförderungspflicht samt Pflicht zum Zusammenwirken erwächst (vgl. BGHZ 23, 198, 200 f. m.w.N.). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Kündigung des Schiedsvertrags ausgeschlossen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.1964, Az.: VII ZR 5/63; Urteil vom 21.11.1968, Az.: VII ZR 77/66). Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung einer Schiedsvereinbarung, d.h. allein auf Betreiben einer Partei möglich ist, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Denn die Schiedsvereinbarung vom 23.01.1962 in der Fassung vom 03.11.1967 ist nicht gekündigt, sondern durch einvernehmliche Aufhebung beendet worden (vgl. § 69 Abs. 1 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger). Damit wurde das Ärzteabkommen einschließlich aller Anlagen und Anhänge und damit auch der Schiedsvertrag außer Kraft gesetzt. Insofern besteht – anders als beim Ausspruch der Kündigung durch eine Vertragspartei, die gegebenenfalls den Interessen der anderen Vertragspartei entgegensteht – keinerlei Grund, erhöhte Anforderungen an die Voraussetzungen für die Beendigung des Schiedsvertrags zu stellen. Dies bedeutet, dass bezüglich der hier vorliegenden Streitigkeit nicht mehr der Schiedsvertrag zur Anwendung kommen kann. Dem widerspricht auch nicht die Regelung in § 69 Abs. 2 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger, die eine Abrechnung der bis einschließlich 30.04.2001 erbrachten Leistungen (was hier ganz überwiegend der Fall ist) nach den Vorschriften des Ärzteabkommens vom 23.03.1984 in der Fassung vom 26.03.1992 vorschreibt. Denn diese Regelung betrifft einzig und allein die Abrechnungsvorschriften, d.h. die Fragen, welche Gebühren in welcher Höhe für die erbrachten Leistungen anzusetzen sind, nicht aber weitergehende Regelungen und Fragestellungen.
Der Klage kann daher nicht entgegengehalten werden, dass kein schiedsrichterliches Verfahren durchgeführt worden ist, wie es aufgrund des Ärzteabkommens vom 23.03.1984 in der Fassung vom 26.03.1992 und des Schiedsvertrags vom 23.01.1962 in der Fassung vom 03.11.1967 vorgesehen gewesen wäre.
4. Kein Ausschluss eines gerichtlichen Verfahrens gemäß § 202 SGG i.V.m. § 1032 Abs. 1 ZPO aufgrund des Vertrags Ärzte/ Unfallversicherungsträger vom 29.11.2000
Seit dem Inkrafttreten des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger vom 29.11.2000 mit Wirkung zum 01.05.2001, also seit dem Außerkrafttreten des Ärzteabkommens und des Schiedsvertrags vom 23.01.1962 in der Fassung vom 04.11.1967 mit Wirkung zum 01.05.2001 gemäß § 69 Abs. 1 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger, besteht keine schiedsrichterliche Vereinbarung im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO mehr, die gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO dem Weg zu den (Sozial-)Gerichten entgegen stehen würde.
Allein mit der Kündigung oder Aufhebung einer schiedsrichterlichen Vereinbarung würde nicht das Erfordernis eines schiedsrichterlichen Verfahrens entfallen, wenn unmittelbar anschließend an den gekündigten oder aufgehobenen Schiedsvertrag eine neue derartige Vereinbarung abgeschlossen würde. Eine andere Auslegung, d.h. der Entfall eines schiedsrichterlichen Verfahrens für "Altfälle", in denen die Grundlage für den Streitfall – wie hier mit der augenärztlichen Behandlung (weitgehend) im April 2001 – noch vor Außerkrafttreten des Schiedsvertrags vom 23.01.1962 in der Fassung vom 03.11.1967 entstanden ist, der Streitfall aber nicht mehr (aus zeitlichen Gründen) der Landesarbeitsgemeinschaft und dem Landesschiedsgericht vorgelegt werden konnte, wäre nicht vertretbar. Denn dies würde bedeuten, dass "alte" Streitfälle aus dem Grunde nicht mehr dem schiedsrichterlichen Verfahren unterfallen würden, weil die zum Zeitpunkt der Entstehung des Anlasses für den Streit bestehende Vereinbarung gekündigt worden ist. Haben jedoch die Vertragsparteien durch den Abschluss einer neuen schiedsrichterlichen Vereinbarung gezeigt, dass sie das Institut des schiedsrichterlichen Verfahrens aufrecht erhalten wollen, so kann dies nicht anders gedeutet werden, als dass für sämtliche Verfahren ein schiedsrichterliches Verfahren durchzuführen wäre.
Entscheidend ist daher die Frage, ob auch nach neuem Recht (Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger) ein schiedsrichterliches Verfahren im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO erforderlich ist. Insofern ist eine Auslegung des § 66 des Vertrages Ärzte/Unfallversicherungsträger ("Schlichtungsstelle") erforderlich.
Die Regelungen in § 66 des Vertrages Ärzte/Unfallversicherungsträger sind weitgehend identisch mit den im Ärzteabkommen getroffenen Regelungen in den Ltnrn. 105 ff. Abänderungen sind – mit einer entscheidenden Ausnahme – im Wesentlichen sprachlicher Art, ohne dass sich damit maßgebliche inhaltliche Äbänderungen begründen lassen könnten. So besteht z.B. gemäß § 66 Abs. 3 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger nunmehr ein Antragsrecht der Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Landesverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften. In der zuvor gültigen Fassung des Ärzteabkommens stand das Antragsrecht den Vertragsparteien zu. Nach den ehemals geltenden Regelungen wäre daher – bei strenger Auslegung nach dem Wortlaut, die nach den obigen Ausführungen nicht zutreffend ist – das Antragsrecht allein den Dachverbänden zugestanden. Nach den neueren Regelungen ist dagegen ein Antrag bereits eine Ebene tiefer möglich (§ 66 Abs. 3 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger: Kassenärztliche Vereinigung oder Landesverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften). Nachdem aber bereits die alte Vereinbarung dergestalt auszulegen war, dass den einzelnen Ärzten und Unfallversicherungsträgern zumindest aufgrund ihrer vereins- und körperschaftsrechtlichen Stellung die Möglichkeit offen gestanden haben muss, eine Antragstellung der Dachverbände bzw. Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu bewirken, ist auch für die jetzt gültige Regelung kein anderer Regelungsgehalt bzw. ein anderes Antragsrecht begründbar.
Eine entscheidende Abweichung der jetzt gültigen Vereinbarung im Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger gegenüber dem Ärzteabkommen liegt aber darin, dass ehemals die Entscheidungen im schiedsrichterlichen Verfahren bindend, d.h. endgültig waren (Ltnr. 116 des Ärzteabkommens, § 5 des Schiedsvertrags), nach der jetzt gültigen Regelung in § 66 Abs. 4 Satz 1 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger die Entscheidungen der Schlichtungsstelle aber nur dann verbindlich sind, wenn die Beteiligten ihr nicht widersprechen. Diese neue Rechtslage stellt eine maßgebliche Abweichung von den für das schiedsrichterliche Verfahren geltenden Regelungen der ZPO dar. So hat der Schiedsspruch gemäß § 1055 ZPO unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils. Dies bedeutet, dass nach den zivilprozessrechtlichen Regelungen zum schiedsrichterlichen Verfahren ein derartiges Verfahren im Sinne der ZPO nur dann bejaht werden kann, wenn der Ausspruch des Schiedsgerichts nicht mehr anfechtbar ist. Dies ist vorliegend für den Ausspruch der Schlichtungsstelle nicht der Fall. Insofern kann nicht davon ausgegangen werden, dass in den seit Inkrafttreten des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger gültigen Regelungen im Zusammenhang mit der Schlichtungsstelle gemäß § 66 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträgers noch eine schiedsrichterliche Vereinbarung im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO zu sehen ist.
Zusammenfassend bedeutet dies, dass dem Schlichtungsverfahren gemäß § 66 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträgers nicht mehr die Bedeutung eines schiedsrichterlichen Verfahrens gemäß § 1025 ZPO zukommt. Ein Ausschluss des Rechtswegs gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO ergibt sich damit nicht.
5. Kein Rechtsschutzbedürfnis wegen fehlendem Vorverfahren
Zwar ist – wie oben ausgeführt – dem Verfahren vor der Schlichtungsstelle gemäß § 66 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger nicht die Bedeutung eines schiedsrichterlichen Verfahrens im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO zuzumessen. Dies bedeutet aber nicht, dass im Rahmen einer Leistungsklage das Schlichtungsverfahren gemäß § 66 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträgers nicht von Bedeutung wäre. Vielmehr ist § 66 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger im Lichte der Vorgeschichte, insbesondere des Ärzteabkommens und des Schieds- vertrags vom 23.01.1962 in der Fassung vom 03.11.1967 dahingehend auszulegen, dass damit die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens sui generis begründet wird. Da dieses Vorverfahren nicht durchgeführt worden ist, ist der Klage das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen.
Unter Zugrundelegung der Auslegung der schiedrichterlichen Regelungen im Ärzteabkommen und des Schiedsvertrags und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bei den Regelungen der Vertragsärzte/Unfallversicherungsträger zur Schlichtungsstelle in weiten Passagen lediglich sprachliche Korrekturen formaler Art durchgeführt worden sind, ist § 66 Abs. 1 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger dahingehend auszulegen, dass zwar zunächst bei Streitigkeiten zwischen einzelnen Ärzten und Unfallversicherungsträgern ein Verfahren vor der Schlichtungsstelle durchgeführt werden muss, das ähnlich einem schiedsrichterlichen Verfahren ist, gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle aber nicht der Rechtsweg verschlossen sein soll. Dadurch kommt zum Ausdruck, dass Streitigkeiten im Zusammenhang mit Regelungsgegenständen des Vertrags gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 SGB VII, der dem Wortlaut des Gesetzes nach ausdrücklich auch Fragen der Abrechnung ärztlicher Behandlungen umfasst, zunächst einer Klärung im Wege einer erneuten Befassung der Vertragsparteien zugeführt werden müssen, wobei diese Befassung durch eine übergeordnete Institutionen (d.h. die Schlichtungsstelle, die sich gemäß § 66 Abs. 2 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger aus Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung und des Landesvebandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften zusammensetzt) erfolgt. Es wird auf diesem Wege eine eigenverantwortliche Überprüfung durch die Vertragsparteien sichergestellt, wie sie in der Vergangenheit im Rahmen des Schiedsvertrags (sogar mit streitbeendender Wirkung) möglich war und wie sie im Rahmen des hoheitlichen Tätigwerdens von Versicherungsträgern durch Verwaltungsakt im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gewährleistet ist. Dass eine derartige erneute Überprüfung durch die Vertragspartner bzw. die Verwaltung durch deren eigene Stellen ermöglicht werden soll, entspricht dem im Bereich des öffentlichen Rechts verankerten Prinzip, dass Sachentscheidungen der Verwaltung durch – gegebenenfalls höhere – Stellen der Verwaltung zu überprüfen sind. Damit ist eine Entlastung der Gerichte sichergestellt, den einzelnen Beteiligten eine erneute Überprüfung ihrer Entscheidungen ermöglicht und sichergestellt, dass die inhaltliche Überprüfung von besonderer Sachkenntnis durch die Sachnähe der Überprüfenden getragen ist. Insofern ist das Schlichtungsverfahren gemäß § 66 Abs. 1 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger als ein Überprüfungsverfahren sui generis in Anlehnung an das ehemals geltende schiedsrichterliche Verfahren bzw. das Widerspruchsverfahren zu sehen. Ein derartiges Vorverfahren können die Beteiligten eines öffentlich-rechtlichen Vertrages im Rahmen dieses Vertrages regeln. Dies ist hier mit dem Verfahren vor der Schlichtungsstelle erfolgt.
Gegenstand dieses Schlichtungsverfahrens sind auch Einzelfragen, wie sie in diesem Rechtsstreit zugrunde liegen. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut von § 66 Abs. 1 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträgers. Demnach sind Fragen, die sich aus der Auslegung des Vertrages Ärzte/Unfallversicherungsträger ergeben, den Schlichtungsstellen zur Entscheidung vorzulegen. Gemäß § 51 des Vertrages Ärzte/Unfallversicherungsträger ist die Vergütung für ärztliche Leistungen in dem dem Vertrag anliegende Leistungs- und Gebührenverzeichnis geregelt. Nicht geschlossen werden kann aus der Formulierung des § 66 Abs. 1 des Vertrages Ärzte/Unfallversicherungsträger, dass von der Schlichtungsstelle lediglich Entscheidungen zu Fragen grundsätzlicher Art zu treffen wären. Neben dem Wortlaut des Gesetzes in § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB VII (" … die Vergütung der Ärzte …") verbietet insbesondere auch die Vorgeschichte zur inmittenstehenden Regelung eine Beschränkung des Schlichtungsverfahrens auf Fragen grundsätzlicher Art. Auch die in § 66 Abs. 4 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger gewählte Formulierung lässt den Rückschluss darauf zu, dass gerade Einzelfragen zu klären sind. Denn in der genannten Regelung haben die Vertragspartner vereinbart, dass die Entscheidungen der Schlichtungsstelle für die Betroffenen verbindlich sind. Betroffene können aber im Wesentlichen nur die einzelnen Ärzte und einzelnen Berufsgenossenschaften sein. Denn diese haben die Heilbehandlung zu gewährleisten bzw. zu erbringen. Auch die unterschiedlichen Formulierungen in § 66 Abs. 4 und Abs. 5 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträgers sprechen dafür, dass auch und gerade Einzelfallentscheidungen im Schlichtungsverfahren zu klären ist. Denn in Abs. 5 ist vorgegeben, dass die Entscheidungen der Schlichtungsstellen den Partnern dieses Vertrages bekanntzugeben sind. § 66 unterscheidet damit in Abs. 4 und Abs. 5 zwischen den Betroffenen und den Partnern des Vertrages. Dies bedeutet, dass Entscheidungen, die nach dem Charakter des Schlichtungsverfahrens zunächst nur für die unmittelbar an diesem Verfahren Betroffenen (Arzt, Berufsgenossenschaft) von Bedeutung sind und nur zwischen diesen beiden Beteiligten Auswirkungen haben, auch an die Partner des Vertrages, d.h. an die Dachverbände weiterzuleiten sind, damit diese wiederum entsprechende Konsequenzen treffen können, wenn sich aus der Einzelfallentscheidung der Schlichtungsstelle Auswirkungen grundsätzlicher Art über den Einzelfall hinaus ergeben sollten.
Aus dem auf die Kassenärztliche Vereinigung oder den Landesverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften beschränkten Antragsrecht lässt sich – wie oben ausgeführt – keine Beschränkung des Schlichtungsverfahrens auf grundsätzliche Fragen herleiten. Zumindest aufgrund des Innenverhältnisses (Körperschafts- bzw. Vereinsrecht haben die einzelnen Ärzte und Berufsgenossenschaften die Möglichkeit, eine Antragstellung zu bewirken.
Das Verfahren vor der Schlichtungsstelle gemäß § 66 Abs. 1 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger ist zwingend vor einem Gerichtsverfahren durchzuführen. Es handelt sich dabei nicht um eine Alternative zum gerichtlichen Verfahren, die nur fakultativ durchzuführen wäre. Dies ergibt sich zum einen aus der Auslegung unter Berücksichtigung der früher geltenden Regelungen. Der einzige relevante Unterschied gegenüber der Rechtslage zur Zeit des Ärzteabkommens ist die, dass die Entscheidungen der Schlichtungsstelle für die Betroffenen nur dann verbindlich sind, wenn sie ihr nicht widersprechen. Insofern kann ein Unterschied gegenüber den früher geltenden Regelungen nur darin gesehen werden, dass die Entscheidungen der Schlichtungsstelle nicht eine rechtskraftgleiche Bindungswirkung entfalten. Dies bedeutet, dass im Sinne eines weitergehenden Rechtsschutzes die Möglichkeit eröffnet ist, nach Durchführung des Schlichtungsverfahrens die Gerichte anzurufen. Eine Auslegung, dass auch ohne Anrufung der Schlichtungsstelle die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens möglich wäre, verbietet sich dahingegen. Anderenfalls würde die von den Vertragspartnern gewünschte Eigenkontrolle und die Entlastung der Gerichte, die mit derartigen Vorverfahren bezweckt werden, nicht mehr erreicht werden. Eine völlige Abkehr vom früheren Verfahren, das zwingend eine Durchführung des schiedsrichterlichen Verfahrens erfordert und zudem den Rechtsweg ausgeschlossen hat, ist mit Blick auf die Vorgeschichte und die ansonsten marginalen Änderungen im Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger gegenüber dem Ärzteabkommen nicht anzunehmen. Hätten die Vertragspartner eine Beschränkung des Schlichtungsverfahrens auf Grundsatzfragen gewünscht, so hätte dies in Abgrenzung zu den früher geltenden Regelungen deutlich im Wortlaut zum Ausdruck kommen müssen. Dies ist aber nicht der Fall.
Für diese Auslegung spricht auch, das damit das Verfahren der Überprüfung der Abrechnung ärztlicher Leistungen bei berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren dem Verfahren im Bereich der Abrechnung kassenärztlicher Leistungen (Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfung gemäß §§ 106 f. SGB V) angeglichen wird. Auch dort ist vor Erhebung der Klage ein Vorverfahren durchzuführen (§ 106 Abs. 5 SGB V). Um in ähnlichen Rechtsbereichen die gebotenen ähnlichen Verfahren zu gewährleisten, ist § 66 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger daher dahingehend auslegen, dass das Verfahren vor der Schlichtungsstelle als vor Klageerhebung zwingend durchzuführendes Vorverfahren zu betrachten ist.
Gegen die getroffene Auslegung kann nicht eingewendet werden, dass die Schlichtungsstellen personell stark besetzt sind und damit für die Vertragspartner eine erhebliche personelle Belastung entstehen würde, wenn die Schlichtungsstellen des Öfteren bei Streitigkeiten in Anspruch genommen würden. Dem steht zum einen entgegen, dass bereits nach dem Ärzteabkommen die Landesarbeitsgemeinschaften und Schiedsgerichte personell in gleicher Weise besetzt waren. Da sich an der personellen Besetzung gegenüber der früheren Rechtslage nichts geändert hat, kann mit der personellen Besetzung auch keine Änderung des Charakters des schiedsrichterlichen bzw. Schlichtungsverfahrens begründet werden. Sofern – was nachvollziehbar erscheint – die personelle Besetzung der Schlichtungsstellen für die Schlichtung von Streitigkeiten von oft nur geringer finanzieller Auswirkung erheblich erscheint, mag es zutreffen, wie auch die Klägerin anmerkt, dass die Schlichtungsstellen personell überbesetzt wären. Dies kann jedoch an der vorzunehmenden Rechtsauslegung nichts ändern. Denn es ist Sache der Vertragsparteien, die personelle Besetzung sicherzustellen bzw. durch geeignete Änderungen des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträgers zu gewährleisten, dass mit dem Tätigwerden der Schlichtungsstelle keine personelle Überbelastung zustande kommt.
6. Ergebnis
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass vor Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens bei Streitigkeiten über die ärztliche Abrechnung im Rahmen des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger ein Verfahren gemäß § 66 Abs. 1 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger vor der Schlichtungsstelle durchzuführen ist. Solange dieses Verfahren nicht durchgeführt worden ist, fehlt einer Klage zum Sozialgericht das Rechtsschutzbedürfnis.
Das Gericht kann verfahrensfehlerfrei über den Rechtsstreit entscheiden, ohne dass das Verfahren vor der Schlichtungsstelle nach Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens analog § 114 Abs. 2 SGG nachgeholt worden ist. Insofern liegt der Sachverhalt anders als dies regelmäßig bei fehlender Durchführung des vor Klageerhebung erforderlichen Widerspruchsverfahrens der Fall ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, § 78, RdNr. 3a; Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, § 114, RdNr. 3a). Anders als vom Bundessozialgericht für das fehlende Widerspruchsverfahren angenommen (vgl. BSGE 20, 199, 200 f), kann vorliegend in der Klageerhebung gerade kein Antrag auf Durchführung des Verfahrens vor der Schlichtungsstelle gesehen werden. Denn die Klägerin ist ausdrücklich der Ansicht, dass ein derartiges Verfahren aus Rechtsgründen nicht durchzuführen ist. Eine Auslegung der Klageerhebung als Antrag auf ein Verfahren vor der Schlichtungsstelle verbietet sich daher aufgrund des gegen eine derartige Auslegung gerichteten explizit geäußerten Willens der Klägerin.
Die Klage ist daher als unzulässig abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Sprungrevision gemäß § 161 SGG ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat. Die Bedeutung des Rechtsstreits geht, wie auch von der Klägerin ausdrücklich festgestellt, weit über die Bedeutung des Einzelfalls hinaus. Denn Kernfrage des Rechtsstreits ist, ob bei sämtlichen Streitigkeiten zwischen Berufsgenossenschaften und Ärzten im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung und insbesondere bei Streitigkeiten über die Vergütung ärztlicher Leistungen zunächst ein Vorverfahren bei der Schlichtungsstelle durchzuführen oder ob unmittelbar Klage erhoben werden kann.
Erstellt am: 12.06.2008
Zuletzt verändert am: 12.06.2008