I. Der Bescheid vom 24. Juli 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2003 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, einen amputationsbedingten Verlust des rechten Fußes in Höhe der Fußwurzel als Folge des Arbeitsunfalles vom 18. Mai 2002 anzuerkennen und mit einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab dem 1. Januar 2003 nach einer MdE in Höhe von 30 v.H. zu entschädigen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu 3/4 zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Parteien ist streitig, ob eine Amputation im rechten Bein des Klägers als Folge des Arbeitsunfalles vom 18.05.2002 anzuerkennen und mit einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu entschädigen ist.
Der am 1926 geborene Kläger ist Landwirt. Am 18.05.2002 stieg ihm eine Kuh beim Melken mit dem linken Hinterhuf auf den rechten Vorfuß.
Erstmalig begab sich der Kläger am 28.05.2002 in ärztliche Behandlung und zwar zunächst zu Dr. Sch. und danach zu Dr. B … Der Arzt Dr. Scho. stellte eine druckschmerzhafte Schwellung mit Bluterguss im rechten Vorfuß die 1. bis 3. Zehe betreffend fest. Der Arzt Dr. B. hielt in seinem D-Arzt-Bericht vom Untersuchungstag eine Prellmarke und einen Druckschmerz am rechten Fußrücken fest. Knöcherne Verletzungen lagen nicht vor. Dr. B. diagnostizierte eine Quetschung des rechten Vorfußes. Nachdem eine deutliche Verschlechterung der Zustände am rechten Fuß eingetreten war, wurde der Kläger vom 24. bis zum 26.06.2002 stationär im Klinikum K. behandelt. Es wurden dort u.a. ein beginnendes Gangrän Dig IV rechts bei Phlegmone rechter Vorfuß und ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus festgestellt. Nach Angaben des Hausarztes des Klägers würden seit ca. 10 Jahren erhöhte Zuckerwerte bestehen, die bei oraler antidiabetischer Therapie nur mäßig einzustellen seien. Zuletzt sei eine Insulintherapie erforderlich geworden, die noch in der Einstellungsphase sei. Die Frage einer Amputation wurde erstmals erörtert. Am 26.06.2002 wurde der Kläger ins Bundeswehrkrankenhaus U. und am 28.06.2002 ins Rehabilitationskrankenhaus U. verlegt. Dort wurde bei Gangrän des Vorfußes noch am 28.06.2002 der Unterschenkel rechts amputiert.
Im Auftrag der Beklagten erstattete Prof. Dr. B. am 06.03.2003 ein chirurgisches Gutachten zur Zusammenhangsfrage. Die Amputation des rechten Unterschenkels sei – so der Gutachter – nicht ursächlich auf den Unfall vom 18.05.2002 zurückzuführen. Vielmehr sei im Rahmen der bestehenden Vorerkrankung die Quetschverletzung als Gelegenheitsursache zu betrachten. Im Rahmen der vorbestehenden Erkrankung wäre wahrscheinlich früher oder später eine Amputation notwendig gewesen. Als Beleg dafür wurde vom Gutachter angegeben, dass der Diabetes mellitus relativ schlecht eingestellt gewesen sei und die erste ärztliche Vorstellung erst 10 Tage nach dem eigentlichen Unfall erfolgt sei. Die eigentliche Quetschverletzung sei daher nicht in dem Ausmaß erfolgt, dass ein ursächlicher Zusammenhang mit der Amputation zu rechtfertigen sei.
Darauf gestützt erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 24.07.2003 zwar den Unfall vom 18.05.2002 als Arbeitsunfall an, als Unfallfolge wurde jedoch lediglich eine Quetschverletzung des rechten Vorfußes und nicht die erfolgte Amputation anerkannt.
Den dagegen mit Schreiben vom 28.07.2003 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2003 als unbegründet zurück.
Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 15.12.2003 Klage. Ziel der Klage war die Anerkennung der Unterschenkelamputation rechts als Unfallfolge und darauf gestützt eine Unfallrente nach einer MdE in Höhe von mindestens 50 v.H …
Nach der Anforderung von Befundberichten erhob das Gericht Beweis durch die Einholung eines Gutachtens beim Chirurgen, Unfallchirurgen und Gefäßchirurgen Dr. R … Dieser kam in seinem Gutachten vom 01.07.2004 zu dem Ergebnis, dass unfallbedingt eine Amputation des rechten Fußes in Höhe der Fußwurzel erforderlich geworden sei, die Notwendigkeit der Amputation in Höhe des knienahen Unterschenkels jedoch als unfallunabhängig zu betrachten sei. Unter der Annahme, dass unfallbedingt fiktiv von der Notwendigkeit einer Amputation in Höhe der Fußwurzel auszugehen sei, sei die MdE auf 30 v.H. zu schätzen.
Im Einzelnen führte der Gutachter Folgendes aus: Der Tritt der Kuh am 18.05.2002 habe einen durch eine diabetische Mikro- und Makroangiopathie vorgeschädigten Fuß getroffen. Zwar seien zum Unfallzeitpunkt bereits krankhafte Veränderungen an den Gefäßen vorhanden gewesen, die Versorgung des Gewebes mit Blut sei jedoch gut gewesen, klinische Symptome einer Mangeldurchblutung seien nie aufgetreten. Diabetesbedingt habe zudem eine Polyneuropathie (Funktionsstörung der Nerven, insbesondere der Sensibilität) vorgelegen. Durch die Weichteilquetschung und das hierdurch entstandene Hämatom sei es zu einer Störung der Durchblutung und in der Folge zum Gewebeuntergang gekommen, so dass bei drohender Sepsis eine Unterschenkelamputation notwendig geworden sei.
Zum zeitlichen Verlauf wies der Gutachter auf Folgendes hin: Nach 10 Tagen habe der Kläger erstmals seinen Hausarzt aufgesucht. Diese verzögerte Vorstellung sei auf die Verminderung der Schmerzempfindung infolge der diabetischen Polyneuropathie, aber auch auf die persönlichkeitsbedingte abwartende Haltung des Klägers als selbständiger Landwirt zurückzuführen. Ein erhebliches Trauma habe jedenfalls vorgelegen. Erst am 26.06.2002 sei ein schwer entzündeter Vor- und Mittelfuß festgestellt worden. Der Infekt, der zur Unterschenkelamputation geführt habe, sei erstmals 5 Wochen nach dem Trauma beschrieben worden. Dieser Zeitraum sei vereinbar mit dem durch Minderperfusion (Minderdurchblutung) bedingten langsam eintretenden Gewebeuntergang. Typisch für eine diabetesbedingte Angiopathie sei dagegen das Auftreten von sehr rasch sich entwickelnden und rasch sich ausbreitenden Entzündungen (diabetische Gangrän).
Der Gutachter kam darauf aufbauend zu dem Ergebnis, dass durch das Quetschtrauma der Gewebeuntergang im rechten Vorfuß wesentlich mitverursacht worden sei. Dadurch sei eine Amputation in Höhe der Fußwurzel erforderlich geworden. Die Tatsache, dass die Amputation jedoch in Höhe des Unterschenkels erfolgen musste, sei dem diabetestypischen Verlauf zuzuordnen. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 31.12.2002 vorgelegen.
Gegen dieses Gutachten erhob die Beklagte mit Schreiben vom 03.08.2004 Einwendungen und verwies dabei auf ein nach Aktenlage eingeholtes chirurgisches Gutachten des Dr. A. vom 29.07.2004. Dr. A. kam zu dem Ergebnis, dass die Quetschverletzung nicht in dem Ausmaß erfolgt sei, dass ein ursächlicher Zusammenhang mit den geklagten Unfallfolgen zu rechtfertigen sei. Dies begründete er u.a. damit, dass die ärztliche Vorstellung erst 10 Tage nach dem eigentlichen Unfall erfolgt sei. Vielmehr sei die Quetschverletzung als Gelegenheitsursache im Rahmen der bestehenden Vorerkrankung zu betrachten. Einen Zusammenhang zwischen Quetschtrauma und Amputation könne er jedenfalls nicht erkennen.
Auf Nachfrage des Gerichts mit Schreiben vom 21.10.2004, ob der eingetretene Gesundheitsschaden beim Kläger etwa zur selben Zeit wie dem Unfalltag auch durch ein alltägliches Ereignis hätte verursacht werden können, wobei als alltägliches Ereignis beispielhaft das Anstoßen mit dem Fuß an einem Tischbein oder das Anstoßen an einer Türschwelle beim Durchschreiten der Tür genannt wurden, äußerte sich der Gerichtsgutachter mit Schreiben vom 08.11.2004. Danach seien die vorgenannten beispielhaften alltäglichen hypothetischen Ereignisse nicht in der Lage, den beim Kläger eingetretenen Schaden hervorzurufen. Der Gutachter wies dabei darauf hin, dass der Kläger als Landwirt in der Vergangenheit einer Vielzahl derartiger alltäglicher Ereignisse ausgesetzt gewesen sei, ohne dass es zu einem solchen Schaden gekommen sei.
Mit Schreiben vom 15.12.2004 wies das Gericht auf das kurz zuvor veröffentlichte Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11.02.2004, Az.: L 2 U 140/02 hin. Diese Entscheidung erging zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt, wobei im dortigen Verfahren der Gutachter jedoch festgestellt hatte, dass auch ein alltägliches hypothetisches Ereignis – anders als der Gutachter hier festgestellt hat – zu dem amputationsbedingten Schaden geführt hätte.
Mit Schreiben vom 02.02.2005 legte die Beklagte eine Stellungnahme des Arztes Dr. A. vor. Danach hätte auch irgendein anderes alltägliches Ereignis zum Schaden, wie er hier eingetreten ist, führen können. Eine weitere Begründung dieser Ansicht wurde nicht gegeben.
In der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2005 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers, den Bescheid vom 24.07.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2003 aufzuheben und dem Kläger eine Unfallrente nach einer MdE in Höhe von mindestens 50 v.H. zuzusprechen.
Der Vertreter der Beklagten beantragte, die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Akten des Gerichts und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und teilweise begründet. Die im Bereich des rechten Beines erfolgte Amputation ist insoweit als unfallbedingt zu betrachten, als von einer fiktiven Amputation im Bereich der Fußwurzel auszugehen ist. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit hat sich an einer fiktiven Amputation wie vorgenannt zu orientieren.
Ein Arbeitsunfall ist gemäß § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII) ein Versicherungsfall. Dabei sind nach § 8 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Das äußere Ereignis muss mit der die Versicherteneigenschaft begründenden Tätigkeit rechtlich wesentlich zusammenhängen. Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises, d.h. sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285, 287). Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann (vgl. BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 128). Hingegen genügt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen der schädigenden Einwirkung und der Gesundheitsstörung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 58, 80; 61, 127, 129). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ist dann gegeben, wenn nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalles mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSGE 45, 285, 286; 60, 58, 59). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 280). Daran fehlt es, wenn eine Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 221).
Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleiten möchte, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSGE 6, 70, 72).
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Sofern die MdE mindestens 10 v.H. beträgt, ist eine Berücksichtigung im Rahmen einer Stützrente möglich (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalles abzustellen (vgl. BSGE 21, 63, 66).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze und des Ergebnisses der Ermittlungen in diesem Verfahren kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen dem streitgegenständlichen Unfallereignis und der beim Kläger durchgeführten Amputation im Bereich des rechten Beines insoweit gegeben ist, als von einer Amputation im Bereich der Fußwurzel auszugehen ist.
Das Gericht stützt sich dabei auf folgende Erwägungen:
Die Beklagte hat die Ablehnung der Anerkennung (auch nur eines Teils) der Amputation als Unfallfolge damit begründet, dass der Unfall vom 18.05.2002, bei dem der Kläger eine Quetschverletzung erlitten habe, lediglich als Gelegenheitsursache für die erfolgte Amputation zu betrachten sei. Dabei hat sie sich auf das Gutachten des Prof. Dr. B. vom 06.03.2003 berufen. Aus Sicht dieses Gutachters wäre im Rahmen der vorbestehenden Erkrankung (Diabetes) wahrscheinlich früher oder später eine Amputation notwendig geworden.
Dieser Argumentation kann das Gericht aus folgenden Gründen nicht folgen:
Ein äußeres Ereignis kann nur dann als Gelegenheitsursache oder Gelegenheitsanlass betrachtet werden, wenn der neue, d.h. über die vorbestehende Erkrankung oder Krankheitsanlage hinausgehende Schaden wahrscheinlich auch eingetreten wäre
1. etwa zur selben Zeit und
2. etwa im selben Umfang und
3. entweder spontan, d.h. ohne Mitwirkung eines äußeren Ereig- nisses oder zwar unter notwendiger Mitwirkung eines äußeren Ereignisses, das aber das Maß der alltäglichen Belastung nicht überschreitet (vgl. Ricke, Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII, Rdnr 27).
Auch bei einer Schädigung unter nicht mehr alltäglicher Belastung kann die Schadensanlage die rechtlich allein wesentliche Ursache sein, wenn der Schaden unter den vorgenannten Kriterien zu 1. und 2. und bei alltäglicher Belastung wahrscheinlich auch aufgetreten wäre (vgl. aaO, Rdnr 28).
Ohne Rücksicht auf Art und Umfang des Vorschadens ist jedoch immer dann ein versicherter Unfall samt den sich daraus ergebenden Unfallfolgen zu bejahen, wenn das äußere Ereignis geeignet gewesen ist, in der gleichen Weise auch einen gesunden Körper zu schädigen (vgl. aaO, Rdnr 28). Dies begründet sich einleuchtend und überzeugend damit, wenn die Situation Osteoporoseerkrankter betrachtet wird. Bei einem derart Erkrankten reichen bereits alltägliche Ereignisse aus, um Knochenbrüche zu verursachen. Trotzdem kann es nicht angehen und wäre nicht begründbar, dass jeder Knochenbruch bei einem Osteoporoseerkrankten, also auch der infolge eines schweren Sturzes, als unversichert bezeichnet werden sollte; dies wäre jedoch die logische Folge, wenn allein die Tatsache, dass auch ein alltägliches Ereignis zu diesem Schaden hätte führen können, den Versicherungsschutz entfallen lassen würde.
Erst wenn das äußere Ereignis nicht geeignet ist, auch einen gesunden Körper in gleicher Weise zu schädigen, stellt sich daher die Frage, ob auch ein alltägliches Ereignis denselben Schaden hätte herbeiführen können. Allein die Tatsache, dass ein gesunder Körper nicht in gleicher Weise geschädigt hätte werden können, lässt für sich allein betrachtet die Verneinung eines kausalen Zusammenhangs noch nicht zu (vgl. z.B. Fischer, BG 1977, S. 602).
In einem Fall wie diesem hier, in dem die Frage der Geeignetheit eines Unfallereignisses, einen bestimmten Schaden herbeizuführen, in Zweifel steht, sind deshalb folgende zwei Fragen zu beantworten, wobei sich bei Bejahung der Frage 1 aus oben genannten Gründen Frage 2 erübrigt:
1. War das äußere Ereignis geeignet, in gleicher Weise einen gesunden Körper zu schädigen?
2. Wäre der Schaden wahrscheinlich auch eingetreten etwa zur selben Zeit, etwa im selben Umfang und auch bei alltäglicher Belastung?
Zu Frage 1:
Bis auf den gerichtlichen Gutachter Dr. R. hat sich keiner der sonstigen Gutachter mit der Beantwortung dieser Frage eingehender beschäftigt. Mit Ausnahme des Gutachters Dr. R. haben sich die weiteren Gutachter allesamt unmittelbar der Frage 2 zugewandt. Dies ist jedoch aus den oben genannten Gründen unzulässig und im Rahmen der Kausalitätsbeurteilung fehlerhaft.
Dr. R. hat überzeugend dargelegt, dass die unfallbedingte Quetschung im Bereich des Vorfußes des Klägers geeignet war, auch bei einem Gesunden zu einem Verlust des Fußes im Fußwurzelbereich infolge der Minderdurchblutung zu führen. Auch der Verlauf der Erkrankung innerhalb der ersten 5 Wochen spricht dafür, dass es sich nicht um eine im Wesentlichen diabetesbedingte Entwicklung gehandelt hat. Denn in dieser Zeit ist nur ein langsam eintretender Gewebeuntergang erfolgt, was untypisch für eine diabetesbedingte Gefäßerkrankung ist. Eine diabetesbedingte Gefäßerkrankung ist dagegen durch das Auftreten sehr rasch sich entwickelnder und sich rasch ausbreitender Entzündungen (diabetische Gangrän) geprägt. Eine derartige explosionsartige Entwicklung ist beim Kläger erst im zeitlich eng umgrenzten letzten Abschnitt des Zeitraums zwischen Verletzung und Amputation eingetreten. Der massiv eingetretene Infekt ist erstmals 5 Wochen nach dem Unfall bei der Aufnahme im Klinikum K. beschrieben worden. Dass sich dagegen die Gefäßerkrankung am Ende schnell so weit ausgebreitet hat, dass eine Amputation im Unterschenkel erforderlich geworden ist, ist rechtlich wesentlich nur noch der Vorerkrankung (Diabetes) zuzurechnen. Dafür spricht eindeutig der diabetesspezifische schnelle Verlauf der Erkrankung.
Nachdem damit zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Huftritt auch bei einem Gesunden zur Amputation des Fußes im Fußwurzelbereich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit hätte führen können, stellt sich Frage 2 nicht mehr. Gleichwohl soll der Vollständigkeit halber auf Folgendes zu Frage 2 hingewiesen werden:
Zu Frage 2.:
Würde man – wie tatsächlich nicht der Fall – Frage 1 verneinen, so wären im Rahmen der Beantwortung der Frage 2 diejenigen Gesundheitsschäden als Unfallfolgen auszuscheiden, die zur selben Zeit, in ähnlichem Umfang und auch bei hypothetisch alltäglicher Belastung eingetreten wären. Der Gutachter Dr. R. hat dazu festgehalten, dass ein alltägliches Ereignis wie ein Anstoßen am Tischbein oder am Türstock nicht ausreichen würde, um beim Kläger eine zur Amputation führende Erkrankung auszulösen. Der Gutachter im Verwaltungsverfahren sowie der von der Beklagten im Gerichtsverfahren beigezogene Gutachter haben diese Frage dagegen konträr zum Gerichtsgutachter beantwortet. Eine konkrete Begründung dazu, warum aus ihrer Sicht auch bei alltäglichen Ereignissen der vorliegende Schaden hätte eintreten können, haben sie nicht abgegeben. Der Gerichtsgutachter hat demgegenüber darauf hingewiesen, dass es gerade bei der Tätigkeit des Klägers als Landwirt auch in umwegsamem Gelände tagtäglich zu diversen Ereignissen kommen dürfte, die alltäglichen Ereignissen im Sinne eines Anstoßens mit dem Fuß an Tischbein oder Türschwelle ähneln. Trotzdem ist es sowohl vor dem Unfall als auch auf der anderen Seite (diabetesbedingte Schäden wirken sich symmetrisch aus), d.h. beim linken Fuß, bis heute nicht zu irgendwelchen Schädigungen mit Amputationsfolgen gekommen. Insofern kann aus der Tatsache, dass – wie von sämtlichen mit dem Fall befassten ärztlichen Sachverständigen angenommen – der Kläger seit rund 10 Jahren an Diabetes erkrankt ist, ein gewisses Indiz dafür abgeleitet werden, dass der Gesundheitszustand des Klägers jedenfalls nicht so anfällig war, dass es durch alltägliche Ereignisse zu Gesundheitsschäden mit Amputationen hätte kommen können. Denn es erscheint dem Gericht doch sehr unwahrscheinlich, dass sich – aus Sicht der Beklagten naheliegende – Gesundheitsschäden bei tatsächlich vorhandenen täglichen Gefährdungen trotz eines Zeitraumes von 10 Jahren nicht hätten ergeben sollen.
Ebenso lediglich der Vollständigkeit halber und um deutlich zu machen, warum sich der hier zu entscheidende Sachverhalt von dem des vom Bayerischen Landessozialgericht am 11.02.2004, Az. L 2 U 140/02, entschiedenen Falles unterscheidet, werden die maßgeblichen Unterschiede kurz aufgezeigt:
– In dem vom LSG entschiedenen Fall erfolgte die Amputation 13 Tage nach dem Unfall, hier erst 40 Tage später. Der zeitliche Verlauf, der bei diabetesbedingten Erkrankungen von schneller Entwicklung geprägt ist, differiert daher wesentlich.
– In dem vom LSG entschiedenen Fall war eine Blutung oder Verfärbung der Zehen nach dem Unfall nicht bemerkt worden. Hier dagegen wurde ärztlicherseits noch 10 Tage nach dem Unfall ein Bluterguss mit Quetschung nachgewiesen, was ein Beleg für einen wesentlich größeren Erstschaden ist, als er im LSG-Fall vorgelegen hat.
– Der vom LSG beauftragte Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass für die eingetretene Krankheitsentwicklung samt Amputation auch beispielsweise das Anstoßen des Fußes an der Bett- oder Türkante ausgereicht hätte. Genau dies hat der hier im Verfahren beauftragte Gutachter mit nachvollziehbarer Begründung verneint.
Als Unfallfolge ist daher ein amputationsbedingter Verlust des rechten Fußes in Höhe der Fußwurzel anzuerkennen. Eine derartige Amputation ist nach der maßgeblichen Begutachtungsliteratur (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 760) mit einer MdE in Höhe von 30 v.H. einzuschätzen, wie dies der gerichtliche Gutachter zutreffend getan hat. Nachdem die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.12.2002 gedauert hat, ist Rente ab dem 01.01.2003 zuzusprechen.
Die weitergehende Amputation des Unterschenkels ist wie oben ausgeführt nicht als Unfallfolge anzuerkennen und kann daher bei der MdE nicht berücksichtigt werden.
Der Klage ist daher teilweise stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Bei der Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers war zu berücksichtigen, dass das Klageziel auf die volle Anerkennung der Amputation und eine MdE in Höhe von 50 v.H. gerichtet war. Dieses Klageziel wird nicht voll erreicht. Die getroffene Kostenregelung trägt diesem Umstand Rechnung.
Erstellt am: 27.03.2007
Zuletzt verändert am: 27.03.2007