Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.04.2016 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Heilmitteln in den Quartalen I/2007 bis III/2007.
Der Kläger ist als Facharzt für Orthopädie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Unter dem 4. Februar 2009 teilte ihm die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Westfalen-Lippe mit, die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der von ihm verordneten physikalisch-medizinischen Leistungen für die Quartale I/2007 bis IV/2007 eingeleitet zu haben, da eine Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses vorliege. Die differenzierten Heilmittelstatistiken waren beigefügt. Im Einzelnen ergaben sich folgende Verordnungssummen: 62.096,98 EUR (I/2007), 59.378,10 EUR (II/2007), 58.563,44 EUR (III/2007). Daraus ergaben sich bei 1681, 1691 und 1665 Fällen Summen pro Fall in Höhe von 36,94 EUR (I/2007), 35,11 EUR (II/2007) sowie 35,17 EUR (III/2007).
Der Kläger führte mit Schreiben vom 14. Februar 2009 aus, dass er die vorgelegten Statistiken nicht nachvollziehen könne. Sie wichen erheblich von seiner Praxis-EDV ab. Seine Statistik weise für die drei Quartale Gesamtkosten von 50.199 EUR, 42.053 EUR bzw. 42.819 EUR, 1685, 1696 bzw. 1665 Fälle und Kosten pro Fall in Höhe von 29,79 EUR, 24,80 EUR bzw. 25,72 EUR auf. Die zugrunde gelegten Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe seien das Ergebnis willkürlicher Regressandrohungen und spiegelten keineswegs den Behandlungsbedarf wider. Der größte Teil der Verordnungen sei für chronische Schmerzpatienten mit schweren degenerativen Wirbelsäulenschäden erfolgt. Es sei allgemeiner Wissensstand, dass Krankengymnastik die wirtschaftlichste Behandlungsmethode dieser Patienten darstelle. Durch die Verordnungen hätten stationäre Einweisungen zu konservativen oder operativen Therapien weitgehend vermieden werden können. Arbeitsunfähigkeitszeiten seien vermindert worden. Die Verordnungen seien streng nach den 2004 veröffentlichten Heilmittelrichtlinien erfolgt.
Mit Beschluss vom 25. März 2009 setzte die Prüfungsstelle einen Regress in Höhe von 16.502,17 EUR fest und verpflichtete den Kläger, diesen zu Gunsten der gesetzlichen Krankenkassen zu zahlen. Als Prüfmethode sei der statistische Fallkostenvergleich gewählt worden. Verglichen werde mit den Durchschnittswerten der Fachgruppe, gewichtet nach der Fallverteilung bei den Mitgliedern, Familienangehörigen und Rentnern. Nach den gewichteten Verordnungskosten pro Fall ergäben sich Abweichungen von + 145,76 % (I/2007), + 144,48 % (II/2007), + 139,48 % (III/2007) sowie + 94,01 % (IV/2007). Zu Gunsten des Klägers seien für die Quantifizierung von Fällen entsprechend der für den Zeitraum bis Ende 2007 geltenden Übergangsvereinbarung "Heilmittel" Verordnungskosten für die Diagnosegruppe chronische Lymphabflussstörungen bei bösartigen Erkrankungen, ZNS-Erkrankungen einschließlich des Rückenmarks und Lymphabflussstörungen mit prognostisch länger andauerndem Behandlungsbedarf anerkannt und diese Kosten von den Gesamtverordnungskosten in Abzug gebracht worden. Außerdem seien die Mehrkosten in den Bereichen der Ergotherapie/Logopädie vorab abgezogen worden. Danach verblieben Überschreitungen von + 132,69 % (I/2007), + 123,62 % (II/2007), + 117,75 % (III/2007) und + 74,39 % (IV/2007). Die Prüfungsstelle sehe die Grenze zu einem offensichtlichen Missverhältnis bei einer Fallwertüberschreitung von plus 40 %. Die vorliegenden Überschreitungen stellten daher ein offensichtliches Missverhältnis im Sinne der Rechtsprechung dar und begründeten die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit. Nach eingehender Überprüfung der Stellungnahme seien insgesamt keine Gründe zu erkennen, die die beanstandeten Überhöhungen in vollem Umfang als notwendig und wirtschaftlich erscheinen ließen. Eine von der Vergleichsgruppe abweichende Klientel, die die beanstandeten Überschreitungen in vollem Umfang erklären könnte, sei nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht dargelegt worden. Einsparungen in anderen Bereichen seien nicht erkennbar. Die Darlegungen zu den Einsparungen im Bereich der Krankenhauseinweisungen und bei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien nicht geeignet, einen nach der Rechtsprechung erforderlichen Kausalzusammenhang substantiiert zu begründen. Unter Würdigung aller Umstände halte es die Prüfungsstelle für vertretbar, die verordneten Heilmittel bis zu einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnittswertes von + 100 % als noch tolerierbar anzusehen. Da der Umfang der verordneten Heilmittel im Quartal IV/2007 noch unterhalb der Toleranz liege, werde für dieses Quartal eine Beratung ausgesprochen. Mit der belassenen Toleranz in den übrigen Quartalen verbleibe ein Mehraufwand gegenüber der Vergleichsgruppe deutlich im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses. Der unwirtschaftliche Bruttomehraufwand betrage 18.335,75 EUR. Unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgegebenen Zuzahlungen belaufe sich der Regress wegen veranlasster physikalisch-medizinischer Leistungen auf insgesamt 16.502,17 EUR.
Der Kläger legte am 30. März 2009 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, die zugrunde gelegten Statistiken seien nicht nachvollziehbar, sie wichen um z.T. über 40 % von seiner PraxisEDV ab. Sein Verordnungsverhalten habe sich nicht von demjenigen der Vorquartale unterschieden, das der Prüfausschuss am 14. November 2007 als wirtschaftlich eingeschätzt habe. Alle Verordnungen seien streng im Rahmen der Heilmittelrichtlinien erfolgt.
In seiner Sitzung am 16. Juni 2010 beschloss der Beklagte, das Verfahren zu vertagen. Dem Kläger werde Gelegenheit gegeben, eine Aufstellung vorzulegen über sämtliche Verordnungen von physikalisch-medizinischen Leistungen. Diese Aufstellung solle sich auf jeden einzelnen Patienten im Quartal unter Angabe der medizinischen Indikation beziehen. Die Praxisbesonderheiten nach der Übergangsvereinbarung seien anzugeben mit Frequenzangabe und Operationsdatum. Dem Kläger wurden in der Folge die sog. Blatt-Daten und die AOK-Images für die Quartale I bis III/2007 vorgelegt.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2010 wies der Kläger darauf hin, dass für das Quartal I/2007 nur 14,7 %, für das Quartal II/2007 15,4 % sowie für das Quartal III/2007 16,7 % der Verordnungen vorgelegt worden seien, also nur die Hälfte der von der mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geschlossenen Gemeinsamen Prüfvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe und den Verbänden der Krankenkassen (Prüfvereinbarung 2008) in § 13 Abs. 2 geforderten Mindestsumme. Praxisbesonderheiten seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Nach der Übergangsvereinbarung habe "Krankengymnastik nach chirurgisch-orthopädischen Operationen mit prognostisch längerem Behandlungsbedarf" berücksichtigt werden sollen. Er habe diese Patienten nach der führenden Symptomatik nach den Kennzeichen a bis c verschlüsselt. Vorsorglich würden auch ersparte Krankenhauseinweisungen zunächst pauschaliert bekanntgegeben. Dem Schreiben war beigefügt eine Auflistung für das Quartal I/2007 mit 35 namentlich benannten Patienten sowie Indikationsschlüsseln, eine Aufstellung der Heilmittelverordnungen für die streitgegenständlichen Quartale sowie eine Aufstellung über nach Durchschnittswerten angeblich vermiedene stationäre Einweisungen zur konservativen Schmerztherapie. Allein bei der Berücksichtigung der aufgeführten Beispiele liege die Überschreitung deutlich unter 100%.
Mit Beschluss vom 3. November 2010, dem Kläger zugestellt am 29. März 2011, hob der Beklagte den Beschluss der Prüfungsstelle teilweise auf und verpflichtete den Kläger, einen Regress in Höhe von 10.207,99 EUR zu Gunsten der gesetzlichen Krankenkasse zu zahlen. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, die Prüfung erfolge nach der statistischen Prüfmethode. Diese erfordere keine Prüfung der einzelnen Behandlungsfälle. Die Vergleichsgruppe sei regelmäßig die Fachgruppe des zu prüfenden Arztes. Die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit sei gerechtfertigt, wenn Überschreitungen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses vorlägen. Der Beklagte sehe die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei einer Fallwertüberschreitung von + 40%. Die Fallzahlen des Klägers seien nahezu im Durchschnitt bzw. in dem Quartal II/2007 mit + 5,65 % nur unerheblich über dem Durchschnitt der Fachgruppe. Der Rentneranteil liege über dem Durchschnitt der Fachgruppe. Durch die Gewichtung der Vergleichszahlen sei diesem Sachverhalt ausreichend Rechnung getragen. Nach eingehender Prüfung seien insgesamt keine Gründe zu erkennen, die die beanstandeten Überhöhungen in vollem Umfang als notwendig und wirtschaftlich erscheinen ließen. Die geltend gemachten Zweifel an der Datenlage hätten sich nicht bestätigt. Er, der Beklagte, könne von der Richtigkeit der zugrunde liegenden Daten ausgehen. Aufgrund der normativen Billigung der elektronischen Verfahrensweise sei zunächst von der Richtigkeit des ermittelten Datenvolumens auszugehen. Dass die Datengrundlage fehlerhaft gewesen sein könnte, sei nicht ersichtlich und vom Kläger im Beschwerdeverfahren auch nicht substantiiert geltend gemacht worden. Er habe lediglich pauschal darauf hingewiesen, dass die der Prüfung zu Grunde gelegte Statistik teilweise um mehr als 40% von seiner Praxis-EDV abweiche. Der Hinweis, dass alle Verordnungen streng im Rahmen der Heilmittelrichtlinie erfolgt seien, könne nicht entlasten. Neben den von der Prüfungsstelle bereits entsprechend der für den Zeitraum bis Ende 2007 geltenden Übergangsvereinbarung "Heilmittel" anerkannten Verordnungskosten sowie nach Abzug der überdurchschnittlichen Kosten aus den Bereichen Ergotherapie und/oder Logopädie seien zum einen anhand der Abrechnungs- und Heilmittelblattdaten und zum anderen auf der Grundlage der vom Kläger eingereichten Patientenaufstellung im Wege der manuellen Ermittlung weitere Verordnungskosten für Behandlungsfälle festgestellt worden, die Indikationen nach der Übergangsvereinbarung "Heilmittel" aufwiesen. Im Wege der manuellen Ermittlung habe er für die Prüfquartale Verordnungskosten für Behandlungsfälle festgestellt, die entsprechend der ICD-Codierung Indikationen nach der Übergangsvereinbarung "Heilmittel" aufwiesen. Diese Beträge seien in den Prüfquartalen II/2007 und III/2007 vollumfänglich von der Prüfungsstelle anerkannt worden. Im Quartal I/2007 habe er die Differenz zu den anhand der Abrechnungs- und Heilmittelblattdaten manuell ermittelten Verordnungskosten in Höhe von 737,15 EUR zusätzlich anerkannt. Anhand der vorgelegten Patientenaufstellung zu dem Quartal I/2007 habe der Beklagte außerdem Verordnungskosten für die Krankengymnastik bei postoperativen Fällen in Höhe von insgesamt 2.210,00 EUR ermitteln können. Dieser Betrag entspreche einem Anteil von 3,76% der Verordnungskosten, die nach Bereinigung der Gesamtverordnungskosten um die seitens der Prüfungsstelle in Abzug gebrachten Kosten verblieben. Änderungen in den Folgequartalen seien für den Beklagten nicht ersichtlich. Er habe daher für alle vorliegenden Prüfquartale zu Gunsten des Klägers den ermittelten Prozentsatz von 3,76% der verbleibenden Verordnungskosten für die Berechnung der nach der Übergangsvereinbarung zusätzlich aufgrund der postoperativen Behandlungsfälle zu berücksichtigenden Verordnungskosten angewandt und die entsprechenden Beträge zusätzlich von den gesamten Verordnungskosten in Abzug gebracht. Zu Gunsten des Klägers seien die Gesamtkosten und nicht lediglich die Mehrkosten zur Vergleichsgruppe der von der Übergangsvereinbarung erfassten Heilmittel in Abzug gebracht worden. Es verblieben folgende Abweichungen gegenüber dem Fachgruppendurchschnitt: + 121,01% (I/2007), + 115,25% (II/2007) sowie + 109,52% (III/2007). Es bestünden dadurch weiterhin Überschreitungen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses, so dass die beanstandeten Überschreitungen nicht im vollen Umfang zu begründen seien. Verwertbare Minderaufwendungen seien weder ersichtlich noch dargelegt worden. Für das Jahr 2007 liege eine Abweichung des Arzneimittelrichtgrößenvolumens von + 44,28% vor. Es sei dem Kläger auch nicht gelungen darzulegen, dass er mit den Krankenhauseinweisungen unter dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe gelegen habe. Selbst wenn Minderaufwendungen vorgelegen haben sollten, sei dies noch nicht ausreichend, um eine kompensatorische Ersparnis anzuerkennen. Es sei ein kausaler Zusammenhang zwischen Minderaufwendungen und dem Mehraufwand bei den beanstandeten Leistungen erforderlich. Dabei sei nachzuweisen, dass durch den Mehraufwand Einsparungen erzielt worden seien und dass diese Behandlungsart medizinisch gleichwertig sowie insgesamt kostensparend und damit wirtschaftlich sei. Die Erforderlichkeit von Krankenhauseinweisungen sei in der Regel durch die Verordnungsweise der Ärzte kaum zu beeinflussen. Der Kläger gehe fehl in der Annahme, der Prüfungsausschuss habe die Vorquartale als wirtschaftlich eingeschätzt. Vielmehr habe er für die Quartale IV/2005 bis II/2006 eine Beratung nach § 106 Abs. 5 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ausgesprochen. Der Regress werde in der Form reduziert, dass in den Prüfquartalen nach Berücksichtigung von weiteren Verordnungskosten entsprechend der Übergangsvereinbarung "Heilmittel" eine Toleranz von +100% verbleibe. Damit werde den Praxisgegebenheiten ausreichend Rechnung getragen. Die verbleibenden Überschreitungen lägen hier mit 121,01%, 115,25% und 109,52% noch über der belassenen Toleranz von 100% und deutlich im Bereich des "offensichtlichen Missverhältnisses". Der Umfang des Regresses sei auch vom Beklagten unter Berücksichtigung der Patientenzuzahlungen festgesetzt worden. Es verblieben folgende Werte: 4.777,61 EUR (I/2007), 3.333,78 EUR (II/2007) sowie 2.096,60 EUR (IV/2007), zusammen 10.207,99 EUR.
Der Kläger hat am 28. April 2011 Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, es seien Fehler in den Beträgen für bestimmte Verordnungen gefunden worden. Für die gleichen Leistungen kämen völlig unterschiedliche Preise vor. Es könne nicht sein, dass der Preis für Krankengymnastik in elf Fällen 83,40 EUR, die gleiche Leistung in weiteren 41 Fällen 83,22 EUR und in vier Fällen 69,00 EUR betrage. Er hat eine Liste der seiner Auffassung nach gefundenen Fehler beigefügt. Die gesamte Systematik und Ordnung der Preisangaben sei hier verloren gegangen. Die Fehlerhaftigkeit sei i.S.d. Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. November 2005 – B 6 KA 63/04 R – zu häufig. Vorliegend blieben Fehler, die zwar gering aber dennoch als Abrechnungsfehler zu bezeichnen seien und die zu einem Regress führten, der aufgrund der Datenlage fehlerhaft zustande gekommen sei. Die Fehler seien nicht wegen Geringfügigkeit zu ignorieren. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Verfahrens schienen aufgrund dieser Tatsache schon nicht gegeben. Die Verordnung von Frau N S sei mit 109,50 EUR abgerechnet, obwohl die Empfangsbestätigung keine Maßnahme ausweise und die Patientin nur mit Datum vom 30. April2007 unterschrieben habe. Die Verordnungskosten je AOK-Patient lägen um 30 – 61,2% unter den Durchschnittswerten der Heilmittelstatistik. Die von Krankenhausambulanzen erbrachten Leistungen würden zu einem anderen Satz abgerechnet als die Leistungen in freien Praxen. Kosten der Krankengymnastik im Krankenhaus betrügen 11,50 EUR, in freier Praxis 13,90 EUR. Diese günstigeren Preise seien in der Auflistung nicht berücksichtigt.
Soweit er die Daten habe überprüfen können, stimmten die Durchschnittswerte mit seinen überein. Er verstehe jedoch nicht, wie sich der höhere Durchschnittswert im Gesamtregress errechne. Soweit er die AOK-Images habe überprüfen können, stimmten diese betreffend die Verordnungssumme im Wesentlichen mit seinen Daten überein. Im Einzelfall habe er auch Fehler feststellen können. Aus seiner EDV hätten sich insgesamt wesentlich geringere Verordnungsbeträge ergeben als hier im Regress geltend gemacht. Die Diskrepanz sei ihm unerklärlich. Bezogen auf die vorgelegten Blattdaten ergäben sich in jedem Quartal Fehler und Abweichungen. So ließen sich 84 Datensätze für die Quartale I und II/2007 bzw. 31 Datensätze für das Quartal III/2007 keinen Patienten zuordnen, weil das Geburtsdatum nur 00.00. aufweise. Nur bei 12, 35 bzw. 33 Datensätzen sei der Indikationsschlüssel angegeben. In den Quartalen sei teilweise die mehrfache Verordnung an einem Tag oder mit kurzem Abstand nicht schlüssig. Er halte es für ausgeschlossen, dass er an einem Tag für ein- und denselben Patienten zwei Rezepte über das gleiche Heilmittel ausgestellt habe. Er könne dies anhand eigener Daten nicht überprüfen, weil er inzwischen nicht mehr zugelassen sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Beschluss vom 3. November 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 25. März 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, dass sich die vom Kläger im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Zweifel an der Richtigkeit der Datenlage nicht bestätigt hätten. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass die Krankenkassen vor der Zahlung der von den Leistungserbringern abgerechneten Leistungen eine eigene Abrechnungsprüfung durchführten, und damit sichergestellt sei, dass keine Zahlungen an die Leistungserbringer ohne eine entsprechende vertragliche Grundlage erfolgten. Zum einen handele es sich bei den monierten Abweichungen um geringfügige Differenzen. Soweit für 6 Therapieeinheiten Krankengymnastik nicht 83,22 EUR entsprechend 13,87 EUR je Therapieeinheit, sondern 83,40 EUR abgerechnet worden seien, habe der Heilmittelerbringer mit auf eine Stelle hinter dem Komma gerundeten Beträgen, nämlich 13,90 EUR, gerechnet. Zum anderen ließen sich die abgerechneten Beträge unter Hinweis auf das Leistungs- und Preisverzeichnis für "ambulante Heilmittel" in Krankenhäusern erklären (6 x 11,5 EUR = 69 EUR). Insofern sei eine Fehlerhaftigkeit der Beträge bzw. Fehlerhaftigkeit der Datengrundlage nicht zu erkennen. Geringfügige Abweichungen zwischen Heilmittelstatistik und Blattdaten könnten durch Rundungsfehler bedingt sein, hätten sich jedoch nicht auf die Entscheidung des Beklagten ausgewirkt.
Zu der Frage, auf welche Weise der Beklagte Praxisbesonderheiten von Amts wegen zu berücksichtigen habe bzw. ob und in welcher Weise die sogenannte Übergangsvereinbarung 2007 und/oder die Prüfvereinbarung für das Jahr 2008 Anwendung finden müsse, werde auf Ausführungen des erkennenden Senats im Sitzungsprotokoll vom 14. Dezember 2011 – L 11 KA 128/10 u.a. – hingewiesen. Gehe man davon aus, dass die Übergangsvereinbarung "Heilmittel 2007" keine Anwendung habe finden dürfen, stelle sich die Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang die Prüfvereinbarung 2008 bei der Entscheidung hätte berücksichtigt werden müssen. Diese gelte für alle ab dem 1. Januar 2008 durchzuführenden Prüfverfahren. Im vorliegenden Prüfverfahren seien – abweichend von der Prüfvereinbarung 2008 – zu Gunsten des Klägers die Gesamtkosten für die Fälle angerechnet worden, die unter die Indikationen der Übergangsvereinbarung zu subsumieren gewesen seien. Bei alleiniger Anwendung der Prüfvereinbarung 2008 wären Praxisbesonderheiten nicht in dieser Höhe berücksichtigt worden, da gemäß Anhang 5 Abschnitt B.I derselben lediglich die Mehrkosten zur Vergleichsgruppe in Abzug zu bringen seien. Außerdem würden sich die von Amts wegen zu beachtenden Praxisbesonderheiten gemäß § 11 Abs. 6 i. V. m. Abs. 9 nur auf die Richtgrößenprüfung beziehen. Vorliegend handele es sich jedoch um eine Prüfung nach Durchschnittswerten der verordneten Heilmittel. Zusätzlich sei dem Kläger eine Toleranz von 100 % gewährt worden.
Den der Prüfung zugrunde liegenden elektronisch erfassten und übermittelten Daten komme die Vermutung der Richtigkeit zu. Erst wenn der Anscheinsbeweis der Richtigkeit durch konkrete Tatsachen erschüttert werde, seien weitergehende Ermittlungen hinsichtlich der Höhe des vom Arzt veranlassten Verordnungsvolumens erforderlich. Der Umstand, dass einige wenige Datensätze das Geburtsdatum mit 00.00. auswiesen, resultiere daraus, dass aus datenschutzrechtlichen Gründen neben der Chiffrierung der Versichertennummer durch wenige Krankenkassen zusätzlich das Geburtsdatum verschlüsselt werde. Dabei sei zu beachten, dass pro Patient jeweils nur eine verschlüsselte Versicherungsnummer vergeben werde, so dass trotz des fehlenden Geburtsdatums eine konkrete Zuordnung zu dem betroffenen Patienten bei Bedarf durch die jeweilige Krankenkasse erfolgen könne. Den Prüfungseinrichtungen müssten nur solche Daten zur Verfügung gestellt werden, die für die Durchführung der Richtgrößenprüfung erforderlich seien. Es würden daher nur solche Indikationsschlüssel übermittelt, die für Diagnosegruppen und Leitsymptomatiken stünden, deren Mehrkosten gem. § 11 Abs. 6 und 9 Prüfvereinbarung i.V.m. Anhang 5 B zu berücksichtigen seien oder berücksichtigt werden könnten. Der Einwand, einige Verordnungen seien aufgrund des nahen zeitlichen Abstandes als unschlüssig einzustufen, lasse keinen Schluss auf die Fehlerhaftigkeit der Datengrundlage zu, sondern weise vielmehr darauf hin, dass vor Ablauf der Erstverordnungen bereits eine Folgeverordnung durch den Kläger erfolgt sei. Dies wiederum bekräftige die Annahme eines unwirtschaftlichen Verordnungsverhaltens.
Die Beigeladene zu 1) hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erklärt, dass im Hinblick auf die Übergangsvereinbarung 2007 keine Urkunde existiere, auf der sowohl die Unterschrift der Kassenärztlichen Vereinigung als auch der Krankenkassen vorhanden sei. Zudem sei die Vereinbarung nicht veröffentlicht worden.
Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat die Klage durch Urteil vom 6. April 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beschluss sei nicht wegen eines Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften rechtswidrig. Die Festsetzung des Regresses sei nicht deshalb rechtswidrig, weil nur die AOK-Images und damit entgegen § 13 Abs. 2 Prüfvereinbarung 2008 weniger als 30% der Rezepte im Original oder einer dem Original vergleichbaren Form vorgelegen hätten. Es sei schon zweifelhaft, ob die Verfahrensvorschrift überhaupt dem Schutz des zu prüfenden Vertragsarztes diene. Es handele sich jedenfalls um eine Soll-Vorschrift, so dass die Nichteinhaltung der Quote nicht von vornherein rechtsfehlerhaft sei. Der Beschluss sei auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Zweifel an den festgestellten Verordnungssummen bestünden nicht. Den gemäß §§ 296, 297 SGB V vorgelegten Daten komme die Vermutung der Richtigkeit zu. Diesen Anscheinsbeweis habe der Kläger nicht zu erschüttern vermocht. Er habe schon keine substantiierten Zweifel geltend gemacht. Es wäre aber seine Aufgabe gewesen, anhand eigener Unterlagen und Aufzeichnungen darzulegen, aus welchem Grund und an welchen Positionen die vorliegenden Daten nicht korrekt seien. Darüber hinaus habe der Beklagte in seiner Entscheidung dem Kläger im Ergebnis Überschreitungen mit Quoten von 126,87%, 130,78% sowie 130,84% zugestanden. Damit sei auch – hier nur hypothetisch vorliegenden – Bedenken an der Richtigkeit der Datengrundlage ausreichend Rechnung getragen.
Gegen das am 24. Mai 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. Juni 2016 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, der Beschluss verstoße gegen § 13 Abs. 2 Prüfvereinbarung 2008. Es seien nicht mindestens 30% der Rezepte im Original oder vergleichbarer Form vorgelegt worden. Diese vom Gesetzgeber ausdrücklich normierte Pflicht sei entgegen der Auffassung des SG zu beachten. Die angeblich verschlüsselten Geburtsdaten und Versichertennummern seien offen zu legen. Er vermute, dass es sich nicht um eine Verschlüsselung, sondern um Datenübertragungsfehler handele. Der vom SG angenommene Anscheinsbeweis für die Vermutung der Richtigkeit könne daher nicht greifen. Wenn die fehlerhaften elektronischen Daten als Grundlage für die Entscheidung des Beklagten dienten, müsse diese folglich selbst fehlerhaft sein. Die von ihm erstellte Fehlerliste weise einen Gesamtumfang für das Quartal I/2007 von 4.259,08 EUR und damit 6,85% der Verordnungskosten aus. Es lägen damit konkrete und plausible Angaben vor, die die Richtigkeit der elektronisch übermittelten Ergebnisse zweifelhaft erscheinen lasse. Damit sei der Anscheinsbeweis der Richtigkeit der elektronisch erfassten und verarbeiteten Verordnungsdaten erschüttert. Es müssten daher sämtliche Einzelverordnungsblätter herangezogen werden und die von ihm tatsächlich veranlassten Verordnungskosten durch individuelle Auswertung ermittelt werden. Soweit die vollständige Beiziehung der Verordnungsblätter bzw. Printimages nicht gelinge, hätten die Prüfgremien einen entsprechenden Sicherheitsabschlag vorzunehmen. Er sei auch durch die Anwendung der sog. Übergangsvereinbarung beschwert. Die Rechtswidrigkeit des Beschlusses führe zu dessen Unwirksamkeit wenn nicht gar Nichtigkeit. Dabei spiele es keine Rolle, ob er inhaltlich beschwert sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 6. April 2016 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Beschlusses vom 3. November 2010 zu verurteilen, über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 25. März 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Abweichend von Anhang 5 Abschnitt B.I. der Prüfvereinbarung 2008 seien zu Gunsten des Klägers nicht nur die Mehrkosten zur Vergleichsgruppe, sondern die Gesamtkosten dieser Fälle in Abzug gebracht worden. Bei der Prüfung nach Durchschnittswerten der verordneten Heilmittel obliege die Darlegungs- und Feststellungslast für Praxisbesonderheiten grundsätzlich dem Arzt, wobei die Prüfgremien zu Ermittlungen von Amts wegen hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet seien, die typischer Weise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig seien. Dieser Pflicht sei er über das erforderliche Maß hinaus nachgekommen. Die nach Anlage 5 B.I der Prüfvereinbarung von Amts wegen zu berücksichtigenden Praxisbesonderheiten bezögen sich gemäß § 11 Abs. 6 i.V.m. Abs. 9 nur auf die Richtgrößenprüfung. Dem Kläger sei zusätzlich im Vergleich zur Fachgruppe eine Toleranz in Höhe von 100% gewährt worden. Ein Nachweis, inwiefern ein darüber hinausgehender Mehrbedarf gerechtfertigt sein könnte, sei durch den Kläger nicht erbracht worden. Der Beschluss verstoße nicht gegen Verfahrensvorschriften. § 13 Abs. 2 der Prüfvereinbarung diene nicht dem Schutz des zu prüfenden Arztes. Seit der Einführung der elektronischen Erfassung und Verarbeitung der Verordnungsdaten müssten für die Wirtschaftlichkeitsprüfung anhand von Durchschnittswerten und die Richtgrößenprüfung keine Originalverordnungsblätter vorliegen. Diese Prüfungen seien auf Grundlage der von den Krankenkassen übermittelten elektronischen Daten durchzuführen. Fehlerhafte Daten habe der Kläger nicht nachgewiesen. Die von ihm erstellte Fehlerliste trage nicht den vom BSG entwickelten Grundsätzen Rechnung. Wie er aus der Behauptung, am jeweils aufgeführten Datum habe kein Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden, die weitere Behauptung herleite, er habe an diesem Datum auch keine Verordnung ausgestellt, sei nicht nachvollziehbar. Im Übrigen habe er keine Nachweise für seine Behauptungen vorgelegt. Außerdem würden im Rahmen vertragsärztlicher Tätigkeit auch Verordnungen ohne Arzt-Patienten-Kontakt ausgestellt, wenn dem Arzt der Zustand des Patienten aus der laufenden Behandlung bekannt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen; der angefochtene Beschluss vom 3. November 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Rechtsgrundlage für Regresse wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 2 SGB V (hier zu Grunde zu legen in der Fassung vom 31. Oktober 2006) i.V.m. der zwischen der Beigeladenen zu 7) und den Krankenkassen(-verbänden) geschlossenen Prüfvereinbarung.
Nach § 106 Abs. 2 SGB V wurde die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen anhand von Richtgrößen (Satz 1 Nr. 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (Satz 1 Nr. 2) geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus konnten die Landesverbände der Krankenkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V Prüfungen nach Durchschnittswerten und andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Dies ist sowohl in der Prüfvereinbarung 2008 als auch in der vorherigen, ab 1. Januar 2004 geschlossenen Prüfvereinbarung (Westfälisches Ärzteblatt 9/2004 S. 55; Prüfvereinbarung 2004) geschehen. In § 8 Prüfvereinbarung 2004 bzw. § 9 Prüfvereinbarung 2008 haben die Vertragsparteien die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungen von Arznei- und Verbandmitteln (Arzneiverordnungstätigkeit), Heilmitteln und von Sprechstundenbedarf nach Durchschnittswerten vereinbart. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen war die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode (u.v.a. BSG, Urteile vom 9. September 1998 – B 6 KA 50/97 R – SozR 3-2500 § 106 Nr. 45; vom 9. Juni 1999 – B 6 KA 21/98 R – SozR 3-2500 § 106 Nr. 47; vom 6. September 2000 – B 6 KA 46/99 R – SozR 3-2500 § 106 Nr. 51; vom 12. Dezember 2001 – B 6 KA 7/01 R – SozR 3-2500 § 106 Nr. 55 und vom 16. Juli 2003 – B 6 KA 45/02 R – SozR (4-2500 § 106 Nr. 3). Die Abrechnungs- bzw. Heilmittelkostenwerte des Arztes werden mit denjenigen seiner Fachgruppe – bzw. ggf. mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe – im selben Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, ist dies die Methode, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse bringt (u.v.a. BSG, Urteile vom 10. Mai 2000 – B 6 KA 25/99 R – SozR 3-2500 § 106 Nr. 49, vom 6. September 2000 – B 6 KA 24/99 R – SozR 3-2500 § 106 Nr. 49, vom 12. Dezember 2001 – B 6 KA 7/01 R – a.a.O. und vom 16. Juli 2003 – B 6 KA 45/02 R – a.a.O.). Ergibt die Prüfung, dass die Verordnungskosten des Arztes je Fall in einem offensichtlichen Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe stehen, mithin ihn in einem Ausmaß überschreiten, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (u.v.a. BSG, Urteile vom 6. September 2000 – B 6 KA 24/99 R – a.a.O., vom 6. September 2000 – B 6 KA 46/99 R – a.a.O., vom 11. Dezember 2002 – B 6 KA 1/02 R – SozR 3-2500 § 106 Nr. 57 und vom 16. Juni 2003 – B 6 KA 45/02 R -).
Davon ausgehend hat der Beklagte mit seinem Bescheid vom 3. November 2010 eine unwirtschaftliche Verordnungsweise des Klägers in beanstandungsfreier Weise im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums (u.v.a. BSG, Urteile vom 28. Oktober 1992 – 6 RKa 3/92 – SozR 3-2500 § 106 Nr. 15, vom 15. November 1995 – 6 RKa 4/95 – SozR 3-2500 § 106 Nr. 31 und vom 6. Mai 2009 – B 6 KA 17/08 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 23) angenommen.
I. Der angefochtene Beschluss ist nicht deswegen rechtswidrig, weil der Beklagte zu wenige Originalverordnungsblätter oder Printimages beigezogen hätte. Eine Verpflichtung dazu ergab sich weder aus § 13 Abs. 2 Prüfvereinbarung 2008 (dazu 1.) noch aufgrund des Verdachts von Fehlern bei der Berechnung des dem Kläger zugeordneten Verordnungsvolumens (dazu 3.).
1. Eine Rechtswidrigkeit folgt nicht aus einem Verstoß gegen § 13 Abs. 2 Prüfvereinbarung 2008. Die Prüfvereinbarung 2008 gilt nach ihrem § 20 für alle vom 1. Januar 2008 an durchzuführenden Prüfungen und damit auch für die im Jahr 2009 begonnene Prüfung des Klägers. § 13 Abs. 2 der Prüfvereinbarung 2008 lautet:
"Für eine Prüfung der Verordnungsweise der Arznei-, Verband- und Heilmittel, insbesondere nach Durchschnittswerten, sollen die Hälfte der Rezepte, mindestens jedoch insgesamt 30 %, im Original oder einer dem Original vergleichbaren Form vorliegen."
Tatsächlich lagen hier für das Quartal I/2007 79 Printimages bei insgesamt 539 Verordnungen, für das Quartal II/2007 84 Printimages bei insgesamt 520 Verordnungen und für das Quartal III/2007 79 Printimages bei insgesamt 467 Verordnungen vor. Das entspricht 14,7 %, 16,15 % und 16,92 %. Es lagen damit weniger als 30 % der Rezepte im Original oder vergleichbarer Form vor.
Der Kläger kann aber schon deshalb keine für ihn günstige Rechtslage aus § 13 Abs. 2 Prüfvereinbarung 2008 herleiten, weil diese Vorschrift gegen höherrangiges Recht verstößt.
Der Prüfstelle sind nur Daten nach § 296 bzw. § 297 SGB V zu übermitteln (§ 106 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2016 gültigen Fassung, ab 1. Januar 2017: § 106 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Die in den Originalrezepten bzw. Printimages enthaltenen Daten wie Name und Geburtsdatum sind dabei nicht vorgesehen. Diese Daten dürfen folglich nicht der Prüfstelle übermittelt werden. Der gesetzlichen Konzeption liegt das in § 106 Abs. 2c Satz 1 (in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung) i.V.m. § 296 Abs. 2 bzw. § 297 Abs. 3 SGB V für Richtgrößen- und Durchschnittswertprüfungen einheitlich ausgestaltete Modell einer elektronischen Erfassung, Übermittlung und arztbezogenen Zusammenfassung der veranlassten Verordnungskosten zu Grunde. Den auf diese Weise für den einzelnen Vertragsarzt erfassten Verordnungsdaten kommt die Vermutung ihrer Richtigkeit zu; sie begründen den Anscheinsbeweis für das Volumen der von ihm veranlassten Verordnungskosten. Datenschutzrechtliche Aspekte bilden einen wesentlichen Grund für die Anordnung der elektronischen Erfassung, Übermittlung und arztbezogenen Zusammenstellung veranlasster Verordnungskosten. Der Gesetzgeber sah sich verpflichtet, in §§ 284 ff SGB V die erforderlichen Grundlagen für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit Leistungsabrechnungen im System der gesetzlichen Krankenversicherung zu schaffen. Datenverarbeitungsmaßnahmen sollten nur für die im Gesetz bezeichneten Zwecke zugelassen und im Umfang auf das für den jeweiligen Zweck unerlässliche Minimum beschränkt werden. Eine auf den Versicherten beziehbare Datenübermittlung von den Krankenkassen an die Kassenärztlichen Vereinigungen sollte deshalb auch für die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfung nur zulässig sein, soweit ein Arzt im Rahmen des Prüfverfahrens die Verordnungsweise darzulegen habe (BSG, Urteil vom 2. November 2005 – B 6 KA 63/04 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 11).
Diese Konzeption kommt auch in § 106 Abs. 2 SGB V (seit 1. Januar 2017: 106a SGB V) zum Ausdruck. Dort ist nicht für Durchschnittswert- und Richtgrößenprüfungen, sondern nur für Zufälligkeitsprüfungen (§ 106 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F., seit 1. Januar 2017: § 106a Abs. 1 Satz 1 SGB V) eine versichertenbezogene Stichprobe als Datengrundlage vorgesehen. Im Übrigen ist in Satz 4 a.a.O. (ab 1. Januar 2017: § 106a Abs. 4 Satz 3 SGB V) auch hinsichtlich weiterer Prüfmethoden angeordnet, dass versichertenbezogene Daten nur nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels (§§ 284 ff. SGB V) übermittelt werden dürfen. In § 106 Abs. 2c SGB V (a.F.; ab 1. Januar 2017: § 106 Abs. 2 Satz 2 SGB V) ist verdeutlicht, dass Durchschnittswert- und Richtgrößenprüfungen der Wirtschaftlichkeit von Heilmittelverordnungen auf der Grundlage der von den Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen ohne Versichertenbezug gemäß §§ 296, 297 SGB V übermittelten elektronischen Daten und nicht auf der Grundlage von Originalbelegen durchzuführen sind. Aus den gesetzlichen Regelungen ergibt sich somit, dass Durchschnittswert- und Richtgrößenprüfungen der Wirtschaftlichkeit von Heilmittelverordnungen auf der Grundlage der von den Krankenkassen ohne Versichertenbezug übermittelten elektronischen Daten und nicht auf der Grundlage der vollständigen Originalbelege durchzuführen sind (BSG, Urteile vom 16. Juli 2008 – B 6 KA 57/07 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 19 und vom 2. November 2005 – B 6 KA 63/04 R – a.a.O.). Etwas anderes kann sich allenfalls aus dem Amtsermittlungsgrundsatz ergeben, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die übermittelten elektronischen Daten fehlerhaft sind. Eine individuelle Beurteilung anhand der Original-Verordnungsblätter oder Images wird notwendig, wenn die Beweiskraft der dem Vertragsarzt auf elektronischem Wege zugeordneten Verordnungskosten durch dessen konkrete und plausible Angaben erschüttert wurde. In einem solchen Falle sind die Prüfgremien trotz der grundsätzlich vorrangigen Bestimmungen des Sozialdatenschutzes gegenüber der Verpflichtung zur Amtsermittlung nach § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verpflichtet und gemäß § 298 SGB V auch berechtigt, die Einzelverordnungsblätter beizuziehen, soweit dies erforderlich ist, um eine beweiskräftige Datenbasis für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise des Arztes zu gewinnen. Eine generelle Heranziehung sämtlicher versichertenbezogener Verordnungsblätter ohne einzelfallbezogenen Aufklärungsbedarf gestattet § 298 SGB V hingegen nicht (BSG, Urteil vom 2. November 2005 – B 6 KA 63/04 R – a.a.O.). Per se und in allen Fällen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten dürfen diese versichertenbezogenen Daten daher nicht, auch nicht für 30 – 50% der Verordnungen vorgelegt werden. Die gegenteilige Regelung in § 13 Abs. 2 der Prüfvereinbarung 2008 ist daher rechtswidrig und als untergesetzliche Rechtsnorm nicht wirksam.
2. Eine Pflicht des Beklagten zur Beiziehung von Verordnungsdaten kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Vertragsarzt sie zur Geltendmachung von Praxisbesonderheiten zwingend benötigt. Dies trifft nicht zu, denn der Vertragsarzt kann die Besonderheiten in der Zusammensetzung und im Versorgungsbedarf seiner Patienten bereits auf der Grundlage seiner eigenen Patientendokumentation (vgl. § 57 BMV-Ä bzw. § 13 Abs. 7 EKV-Ä) geltend machen. Die Verordnungsblätter enthalten bezüglich möglicher Praxisbesonderheiten keine Informationen, die dem Arzt nicht ohnehin schon zur Verfügung stehen (Senat, Urteil vom 14. Dezember 2011 – L 11 KA 75/10 – juris).
3. Die Datenlage gibt vorliegend keinen Anlass zur Beiziehung sämtlicher Verordnungsblätter bzw. Printimages. Über die elektronischen Daten hinaus muss das Prüfgremium nur dann weitere Daten anfordern, wenn der Vertragsarzt substantiierte Zweifel gegenüber dem elektronisch ermittelten Verordnungsvolumen vorbringt. Zunächst ist von der Richtigkeit der elektronisch ermittelten Verordnungsvolumina auszugehen. Dies folgt aus der Konzeption der §§ 284 ff iVm §§ 296, 297 SGB V, wonach die elektronische Erfassung und Verarbeitung der verordnungsbezogenen Daten die Grundlage für die Verordnungsprüfung bilden sollen (BSG, Urteile vom 16. Juli 2008 – B 6 KA 57/07 R – und vom 2. November 2005 – B 6 KA 63/04 R -; jeweils a.a.O.).
Die auf den Verordnungsblättern enthaltenen Informationen werden im Wege elektronischer Datenverarbeitung eingelesen, den einzelnen Ärzten über die angegebene Arztnummer zugeordnet und dann weiterverarbeitet. Hierdurch wird nicht nur die rationelle Bewältigung der massenhaft bei Leistungserbringern im gesamten Bundesgebiet anfallenden Datenmengen ermöglicht, sondern zugleich auch gewährleistet, dass möglicherweise sensible Gesundheitsdaten ohne unmittelbaren Versichertenbezug übermittelt und für Zwecke der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgewertet werden. Die im Rahmen einer solchen elektronischen Datenverarbeitung möglichen Fehlerquellen sind dabei qualitativ nicht grundsätzlich anders als Fehlerfassungen, wie sie bei der Zusammenführung, Sortierung und Saldierung von in Papierform vorliegenden Verordnungsblättern auftreten können. Deshalb ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber als Basis für die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Verordnungsweise die aufgrund elektronischer Übermittlung und IT-gesteuerter Zusammenfassung gewonnenen Verordnungsdaten des jeweiligen Arztes und seiner Arztgruppe vorgegeben hat.
Ergibt sich allerdings für die Prüfgremien der Verdacht von Fehlern bei der Berechnung des dem geprüften Arzt angelasteten Verordnungsvolumens oder macht der geprüfte Arzt substantiierte Zweifel geltend – dh konkrete und plausible Angaben, die die Richtigkeit der elektronisch ermittelten Ergebnisse zweifelhaft erscheinen lassen -, so müssen die Prüfgremien dem nachgehen und erforderlichenfalls weitergehende Ermittlungen anstellen. Dabei sind drei Stufen zu unterscheiden:
1. Lassen sich zwar nicht sogleich Fehler bei der Zuordnung von Verordnungen feststellen, bestehen aber aufgrund des Vorbringens des Arztes substantiierte Zweifel gegenüber dem elektronisch ermittelten Verordnungsvolumen und hat der Arzt zur weiteren Ermittlung – zumindest sinngemäß – die Heranziehung der erweiterten Arznei- bzw Heilmitteldateien verlangt, so hat er Anspruch darauf, dass die Prüfgremien diese Dateien beiziehen. Dabei müssen die Zweifel nicht ein bestimmtes erhebliches Verordnungsvolumen von z.B. 5% der Verordnungskosten betreffen. Vielmehr reicht es aus, wenn sie sich nur auf einzelne Verordnungsbeträge beziehen.
2. Wenn Darlegungen des geprüften Arztes und/oder Ermittlungen der Prüfgremien ergeben, dass Verordnungskosten ihm fehlerhafterweise zugerechnet oder in überhöhtem Ausmaß angelastet wurden, so ist der Betrag der ihm angelasteten Verordnungsgesamtkosten in entsprechendem Umfang zu korrigieren, indem – so der Regelfall – die fehlerhaften Verordnungsbeträge in Abzug gebracht werden. Dies gilt ebenso dann, wenn sich substantiiert geltend gemachte Zweifel nicht aufklären lassen, weil die davon betroffenen Verordnungsblätter bzw. Printimages nicht mehr vorgelegt werden können.
3. Betrifft der Korrekturbedarf nicht nur Einzelfälle, sondern insgesamt ein erhebliches Verordnungsvolumen – d.h. mindestens 5% der gesamten Verordnungskosten -, so ist der Anscheinsbeweis der Vermutung der Richtigkeit der elektronisch erfassten und verarbeiteten Verordnungsdaten derart erschüttert, dass die Prüfgremien sämtliche einzelne Originalverordnungsblätter bzw Printimages des Arztes heranziehen müssen. Die vom Arzt tatsächlich veranlassten Verordnungskosten sind dann durch individuelle Auswertung sämtlicher noch vorhandener Verordnungsblätter bzw Printimages zu ermitteln. Soweit die vollständige Beiziehung der Originalverordnungsblätter bzw. Printimages nicht gelingt, haben die Prüfgremien einen entsprechenden Sicherheitsabschlag von dem ggf festzusetzenden Regress vorzunehmen (BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 – B 6 KA 17/08 R -, Urteil vom 16. Juli 2008 – B 6 KA 57/07 R -, Urteil vom 2. November 2005 – B 6 KA 63/04 R -; jeweils a.a.O.).
Dem genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Er hat nicht anhand eigener aussagekräftiger Unterlagen aufgezeigt, dass nachvollziehbare Bedenken gegen die Vermutung der Richtigkeit der ihm zugeordneten Verordnungskosten bestehen. Zu den der Wirtschaftlichkeitsprüfung zugrunde liegenden Statistiken hat er lediglich behauptet, diese wichen von seiner Praxis-EDV ab. Er hat keinen EDV-Ausdruck vorgelegt. Die von ihm beanstandeten unterschiedlichen Preise ergeben sich aus den auch von ihm benannten Kosten für Krankengymnastik. Die nach der Sitzung des Beklagten vom 16. Juni 2010 vorzulegende Aufstellung über sämtliche Verordnungen hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt vorgelegt. Dennoch wurden die AOK-Images und die Blattdaten beigezogen und dem Kläger überlassen. Auch danach hat er – bis zum Berufungsverfahren – nur Behauptungen aufgestellt, ohne irgendwelche Belege vorzulegen. Lediglich pauschale Behauptungen, das Verordnungsvolumen sei nicht ordnungsgemäß erfasst worden, lösen keine Verpflichtung zu weiterer Beweiserhebung und ggf. zur Vorlage versichertenbezogener Verordnungsblätter aus (BSG, Urteil vom 2. November 2005 – B 6 KA 63/04 R – a.a.O.). Einzig die Beanstandung der Abrechnung für N S könnte zutreffend sein. Nach dem Printimage hat die Versicherte nur am 30. April 2007 unterschrieben, dennoch wurden 109,50 EUR abgerechnet. Wie sich dieser Preis ergibt, ist nicht erkennbar.
Soweit der Kläger beanstandet, dass das Geburtsdatum in den Blattdaten z.T. mit 00.00. angegeben sei, ist das zutreffend, aber nicht fehlerhaft. Nach §§ 296 Abs. 2, 297 Abs. 3 Satz 1 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2007 gültigen Fassung bzw. nach §§ §§ 296 Abs. 2, 297 Abs. 4 Satz 1 SGB V in den seither gültigen Fassungen haben die Krankenkassen den Prüfgremien für die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Heilmittelverordnung folgende Daten zu übermitteln:
– Arztnummer des verordnenden Arztes
– Kassennummer
– Art, Menge und Kosten verordneter Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel,
getrennt nach Mitgliedern und Rentnern sowie deren Angehörigen.
Im hier betroffenen Jahr 2007 mussten die Krankenkassen weder die Geburtsdaten noch die Versichertennummern übermitteln.
Erstmals im September 2018 hat der Kläger zu den dennoch beigezogenen Blattdaten vorgetragen, drei Patienten mit dem Geburtsdatum wie S. 1 Zeile 49 der Blattdaten behandelt zu haben. Keinem habe er am 19. März 2007 eine Verordnung ausgestellt. Vorgelegt hat er Auszüge aus der Patientenkartei seines Praxisnachfolgers zu drei Patienten mit Geburtsdatum 21. Januar 1971. Alle drei Karteien zeigen den Aufdruck "*** Ausgewählte Einträge ***". Damit ist nicht sichergestellt, dass die vorgelegten Patientenkarteien vollständig sind. Darüber hinaus hat er 33 Angaben in den Blattdaten für I/2007 beanstandet, aber nur zu 20 Beanstandungen überhaupt Patientenkarteien vorgelegt.
Zu beachten ist weiter, dass die neu vorgetragenen Einwände mit Vorlage der Patientenkarteien nur das Quartal I/2007 betreffen. Selbst eine unrichtige Datenlage in diesem Quartal könnte jedoch – ebenso wenig wie Fehler, die in Prüfverfahren hinsichtlich anderer Ärzte festgestellt wurden – nicht auch für die Beurteilung der Quartale II und III/2007 herangezogen werden. Denn jedes Quartal ist für sich zu betrachten, so wie in der Wirtschaftlichkeitsprüfung auch sonst die gesonderte Beurteilung jeden Quartals erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli 2008 – B 6 KA 57/07 R – a.a.O.).
Jedenfalls hat der Beklagte den 20 Fällen, in denen sich aufgrund der vom Kläger vorgelegten Unterlagen Zweifel an der Richtigkeit der Datenlage geben könnte, durch die belassene Überschreitung von +100% ausreichend Rechnung getragen. Da von diesen Fällen 4,89% und damit weniger als 5% der Verordnungssumme für I/2007 betroffen sind, ist der Anscheinsbeweis der Vermutung der Richtigkeit der elektronisch erfassten und verarbeiteten Verordnungsdaten nicht erschüttert. Weitere Originalverordnungsblätter oder Printimages sind nicht beizuziehen.
II. Von der zutreffenden Vergleichsgruppe der Orthopäden ausgehend hat der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise bei den nach Versichertenstatusgruppen gewichteten Verordnungskosten des Klägers bei den Heilmitteln im Vergleich zu den Durchschnittswerten der Vergleichsgruppe Überschreitungen um über 121%, 115% bzw. 109% festgestellt.
Den danach bestehenden Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit hat der Kläger nicht entkräftet; denn er hat nicht hinreichend dargelegt, dass bei ihm weitere besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende Umstände vorliegen, die für die zum Vergleich herangezogenen Ärzte untypisch sind (u.v.a. BSG, Urteil vom 27. Juni 2001 – B 6 KA 43/00 – m.w.N. – SozR 3-2500 § 106 Nr. 54). Eine solche Entkräftung des Anscheinsbeweises kann sich zum einen aus Praxisbesonderheiten und zum anderen aus sog. kompensierenden Einsparungen ergeben (u.v.a. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2002 – B 6 KA 1/02 R – a.a.O.).
1. Praxisbesonderheiten sind aus der Zusammensetzung der Patienten herrührende Umstände, die sich auf das Behandlungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen sind (u.v.a. BSG, Urteil vom 21. Juni 1995 – 6 RKa 35/94 – SozR 3-2500 § 106 Nr. 27). Die betroffene Praxis muss sich nach der Zusammensetzung der Patienten und hinsichtlich der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Vergleichsgruppe unterscheiden (BSG, Urteil vom 06. September 2000 – B 6 KA 24/99 R – a.a.O.). Dabei ist es grundsätzlich Sache des geprüften Arztes, den durch die Feststellung eines offensichtlichen Missverhältnisses erbrachten Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit seines Verhaltens durch die Geltendmachung von Praxisbesonderheiten oder kompensatorischen Minderaufwendungen zu widerlegen. Ihn trifft hinsichtlich dieser Einwendungen die Darlegungslast (BSG Urteil vom 11. Dezember 2002 – B 6 KA 1/02 R – a.a.O.). Es ist Angelegenheit des Vertragsarztes – und nicht des Beklagten oder des Gerichts -, entscheidungserhebliche Umstände vorzutragen, die auf eine Abweichung von der Typik der Praxen der Fachgruppe schließen lassen. Der Vertragsarzt ist nicht nur gemäß § 21 Abs. 2 SGB X allgemein gehalten, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere die ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Im Rahmen der Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen hat er vielmehr eine entsprechende besondere Mitwirkungspflicht aus der Sache selbst, wie sie immer dann besteht, wenn ein Arzt sich auf ihm günstige Tatsachen berufen will und diese Tatsachen allein ihm bekannt oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (BSG, Urteil vom 15. November 1995 – 6 RKa 58/94 – m.w.N. – SozR 3-1300 § 16 Nr. 1).
Dieser Mitwirkungsobliegenheit, der der Vertragsarzt grundsätzlich im Verwaltungsverfahren zu genügen hat, ist der Kläger nicht nachgekommen. Der Kläger hätte nämlich konkret im Einzelnen darlegen müssen,
– bei welchem der von ihm behandelten Patienten
– aufgrund welcher Erkrankungen
– welcher erhöhte Verordnungsaufwand erforderlich war.
Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers im Verfahren vor dem Beklagten nicht. Er hat dergleichen nicht ansatzweise vorgetragen.
Wenn der Beklagte dennoch weitgehend letztlich aufgrund der bloßen Nennung einer Diagnose unter Bezugnahme auf die "Übergangsvereinbarung 2007" oder die Heilmittelvereinbarung 2008 Praxisbesonderheiten anerkannt hat, beschwert das den Kläger nicht. Der Senat hat mangels Beschwer des betroffenen Vertragsarztes gebilligt, dass die Prüfungsgremien bei einer Prüfung nach Durchschnittswerten Praxisbesonderheiten nach den Vorgaben einer Richtgrößenvereinbarung berücksichtigen (vgl. z.B. Urteil vom 24. November 2010 – L 11 KA 4/09 – juris).
2. Schließlich stand dem Regress aufgrund einer Durchschnittswertprüfung des Gesamtverordnungsvolumens auch nicht das Vorbringen des Klägers entgegen, er habe die Heilmittel-Richtlinien beachtet (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2012 – B 6 KA 18/11 R – SozR 4-1500 § 86a Nr. 2). Es kann unterstellt werden, dass der Kläger entsprechend diesen Richtlinien behandelt bzw. verordnet hat. Dies steht aber nicht im Zusammenhang mit der hier allein relevanten Frage, ob er wirtschaftlich gehandelt hat. Der von ihm gezogene Schluss, weil die Behandlungen / Verschreibungen sich im Rahmen der Richtlinien bewegt hätten, seien sie auch wirtschaftlich, ist unzutreffend. Nach § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V muss die Versorgung der Versicherten ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muss in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden. Was zur Erzielung des Heilerfolgs nicht notwendig oder zweckmäßig ist, ist begrifflich auch unwirtschaftlich. Die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise folgt daraus, dass Überflüssiges – mehr als notwendig oder ausreichend – getan wird oder dass an sich geeignete (also z.B. nach den o.a. Richtlinien in Betracht kommende) Methoden gewählt werden, die aufwendiger als andere zu gleichen Erfolg führende sind. Um dies (in etwa) mit einem akzeptablen Ergebnis – bei akzeptablen Aufwand – überprüfen zu können, wird das Abrechnungsverhalten des geprüften Arztes dem seiner Vergleichsgruppe gegenüber gehalten. Hintergrund dafür ist, dass davon ausgegangen wird, dass zumindest die Vergleichsgruppe in ihrem Durchschnitt wirtschaftlich handelt, also eine geeignete Vergleichsbasis besteht. Ergibt nun der Vergleich, dass der Behandlungsaufwand des Arztes in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, ihn also in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat dies die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit. Dieser Arzt hat dann eine "Überversorgung" vorgenommen; denn anders ist sein Behandlungs- bzw. Verordnungsverhalten nicht zu erklären.
3. Auch hinsichtlich kompensatorischer Einsparungen ist es Aufgabe des geprüften Arztes, die durch Überschreitungen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses bewiesene unwirtschaftliche Behandlungsweise zu widerlegen oder zu erschüttern. Die Anerkennung kompensierender Einsparungen setzt nach ständiger Rechtsprechung des BSG und des erkennenden Senats voraus, dass zwischen dem Mehraufwand auf der einen und den Kostenunterschreitungen auf der anderen Seite ein kausaler Zusammenhang besteht. Es muss festgestellt werden,
– durch welche vermehrten Leistungen der Arzt
– in welcher Art von Behandlungsfällen
– aus welchem Grund
– welche Einsparungen erzielt hat
(u.v.a. BSG vom 5. November 1997 – 6 Rka 1/97 – SozR 3-2500 § 106 Nr. 42; Senat, Urteile vom 29. Januar 1997 – L 11 Ka 52/96 – juris und vom 24. November 2010 – L 11 KA 4/09 -). Die Darlegungs- und Beweislast liegt – wie bei der Behauptung einer Praxisbesonderheit (s.o.) – beim Vertragsarzt. Er muss das Vorliegen der Einsparungen, den methodischen Zusammenhang mit dem Mehraufwand, die medizinische Gleichwertigkeit und die kostenmäßigen Einsparungen darlegen und ggf. nachweisen. Das bedeutet nicht, dass der Arzt alle Einzelfälle – nach Art einer Einzelfallprüfung – anführen und medizinisch erläutern müsste; entscheidend ist vielmehr die strukturelle Darlegung der methodischen Zusammenhänge und der medizinischen Gleichwertigkeit. Gelingt der erforderliche Nachweis nicht, geht dies zu Lasten des Arztes (BSG a.a.O.).
Davon ausgehend hat der Beklagte völlig zu Recht die Anerkennung kompensatorischer Einsparungen abgelehnt. Auch hier mangelt es an substantiiertem Vorbringen des Klägers. Er weist lediglich pauschal darauf hin, dass aufgrund der verordneten Heilmittel Arbeitsunfähigkeiten und Krankenhauseinweisungen zwangsläufig vermieden worden seien. Es fehlt an jeglichem Vortrag, aus welchem Grund (Kausalität) derartige Einsparungen (bei welchen Patienten) auf verstärkten Heilmitteleinsatz zurückzuführen sein sollen.
III. Der Beklagte hat auch eine intellektuelle Prüfung durchgeführt. Diese dient im Wesentlichen dazu, die rechtliche Prüfung des Behandlungs- bzw. Verordnungsverhaltens durch medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte zu ergänzen und abzurunden (vgl. BSG vom 9. Juni 1999 – B 6 KA 21/98 R a.a.O. – und vom 11. Dezember 2002 – B 6 KA 1/02 R – a.a.O.). Dem ist der Beklagte in hinreichendem Maß nachgekommen, wobei unschädlich ist, dass er die in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen nicht ausdrücklich unter die Überschrift "intellektuelle Prüfung" gestellt hat. Er hat die quantitative Dimension der Abrechungsabweichung umfangreich unter Berücksichtigung der Frage nach Praxisbesonderheiten gewürdigt und auch abschließend zutreffend festgestellt, dass das Vorbringen des Klägers keine Besonderheiten in der Morbitätsstruktur seiner Klientel erkennen lässt.
Die Regresshöhe ist vom Beklagten zutreffend festgestellt worden.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 19.10.2020
Zuletzt verändert am: 19.10.2020