Die Erinnerung des Bevollmächtigten vom 03.11.2015 gegen die Festsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 14.10.2015 bezüglich der aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen in Höhe von 238,00 Euro wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe:
I. Streitbefangen ist im Erinnerungsverfahren die Frage, ob eine Erledigungsgebühr bzw. Einigungsgebühr (1005, 1006 VV RVG) angefallen ist.
Der Erinnerungsführer macht als beigeordneter Rechtsanwalt einen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Vergütung aus Prozesskostenhilfemitteln der Staatskasse für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Dortmund geltend. In diesem Verfahren ging es um die Auszahlung von monatlichen Leistungen in Höhe von 30,00 Euro.
II. Die Erinnerung hat keinen Erfolg.
Die Erinnerungsbefugnis der Bevollmächtigten ergibt sich aus § 55 Abs. 1, 56 Abs. 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Die erhobene Erinnerung ist unbegründet.
1) Die Urkundsbeamtin hat zu Recht eine Einigungsgebühr nicht festgesetzt. Die Einigungsgebühr nach Nrn. 1006, 1005, 1000 VV RVG a.F. fällt bei einer Einigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten an. Einigung ist der Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Die streitige Frage, ob ein Vertrag i. S. der Nr. 1000 VV RVG auch dann vorliegt, wenn auf ein teilweises Anerkenntnis eine Rücknahme des Rechtsbehelfs erfolgt (vgl. LSG Essen, Beschluss vom 25.02.2013; Az.: L 6 AS 448/12 B; LSG Essen, Beschluss vom 14.09.2011, Az.: L 19 AS 879/10 B), kann hier offen gelassen werden. Grundsätzlich setzt ein Vertrag zwei übereinstimmende und mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen voraus. Erforderlich ist insoweit, dass die Beteiligten dies verabredet haben und die Entscheidung nicht nur auf einem einseitigen Entschluss des Klägers oder des Beklagten beruht. Bloße einseitige Erklärungen, auch wenn sie von beiden Seiten abgegeben werden und zur Beendigung eines Rechtsstreits führen, genügen für die Annahme einer Vereinbarung nicht (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.03.2013; Az.: L 7 AS 1391/12 B -; Sächsisches LSG, Beschluss vom 06.12.2013, Az.: L 8 AS 527/13 B KO; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 20. Auflage 2012, Nr. 1000 VV RVG Rn. 35). Folglich kann nicht in jedem Fall von Teilanerkenntnis und Rücknahme von einer Einigung ausgegangen werden, sondern unterliegt der Beurteilung des Einzelfalles. Eine Einigung könnte ausscheiden, wenn die Beteiligten unter Hinweise des Gerichts zu nur teilweise gegebenen Erfolgsaussichten des Rechtsstreits durch Teilanerkenntnis und -rücknahme reagieren.
Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles handelte es sich bei der Abgabe des Teilanerkenntnisses durch den Beklagten und dessen Annahme durch die Kläger um einseitige Erklärungen und nicht um einen Vertrag. Zum einen hat der Beklagte sein Teilanerkenntnis gerade nicht davon abhängig gemacht, dass die Kläger auf eine weitere Geltendmachung ihrer Klageforderung verzichten. Zum anderen ist der vermeintliche Verzicht der Kläger auf die Fortführung des Verfahrens nicht das Ergebnis eines gegenseitigen Aushandelns, sondern eine einseitig vorgenommene Einschränkung. Es handelt sich insoweit mangels überstimmender Willenserklärungen gem. §§ 145 ff. BGB – gerichtet auf einen dementsprechenden Vertragsschluss – hier nicht um einen Vertrag zwischen den Parteien.
2) Ebenfalls ist eine Erledigungsgebühr zu Recht nicht festgesetzt worden. Eine Erledigungsgebühr nach Nrn. 1002, 1005, 1006 VV RVG a.F. entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Der Rechtsanwalt muss dazu in einer Weise tätig werden, die über die allgemeine Wahrnehmung verfahrensmäßiger bzw. rechtlicher Interessen für seinen Mandanten hinausgeht und damit erst eine Entstehung neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren rechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.2010, Az.: B 13 R 63/09 R; Bayrisches LSG, Beschluss vom 26.01.2011, Az.: L 15 SF 169/10BE; LSG NRW, Beschluss vom 28.05.2013, Az.: L 9 AS 142/13 B ). Eine Tätigkeit des Anwalts, die nur allgemein auf Verfahrensförderung gerichtet ist, reicht damit nicht aus; es muss ein besonderes Bemühen um eine außergerichtliche Erledigung des Rechtsstreits gegeben sein. Grund hierfür ist, dass die Erledigungsgebühr eine Erfolgsgebühr ist (so OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 05.05.2010, Az.: 1 O 27/10 m.w.N.). Sie honoriert die Entlastung des Gerichts und das erfolgreiche anwaltliche Bemühen um eine möglichst weitgehende Herstellung des Rechtsfriedens ohne gerichtliche Sachentscheidung. Dabei gehört es im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zu den vom allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im gerichtlichen Verfahren ohne Weiteres erfassten Aufgaben eines Rechtsanwalts, den Standpunkt seiner Partei bestmöglich vorzutragen und seinen Mandanten zu einem verfahrensmäßig angemessenen Vorgehen zu raten (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 09.09.2009, Az.: 18 E 111/09; vgl. SG Stade, Beschluss vom 07.02.2011, S 34 SF 43/10 E). Das bloße Einlenken der Behörde aufgrund schriftlicher oder mündlicher Ausführungen des Anwalts im Verfahren sowie die bloße Mitwirkung an der formellen Beendigung des Verfahrens genügt in kostenrechtlicher Hinsicht nicht, um eine Erledigungsgebühr zum Entstehen zu bringen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.06.2007, Az.: 2 OA 433/07; VGH München, Beschluss vom 04.12.2007, Az.: 3 C 07.2689 und Beschluss vom 27.07.2007, Az.: 24 C 07.1241; OVG Münster, Beschluss vom 18.12.2008, Az.: 12 E 1120/08; OVG Lüneburg, Beschluss vom 04.07.2008, Az.: 2 OA 338/08 und Beschluss vom 07.01.2008, Az.: 10 OA 250/07). Danach muss das Zutun des Anwalts auf die materiell-rechtliche Erledigung des Rechtsstreits gerichtet sein. Regelmäßig nicht ausreichend für die Annahme einer qualifizierten anwaltlichen Mitwirkung in dem oben beschriebenen Sinn ist daher die bloße Abgabe von Prozesserklärungen, wie die Annahme des (Teil-) Anerkenntnisses und eine nachfolgende Erledigungserklärung bzw. Rücknahme (str. vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 06.12.2013, Az.: L 8 AS 527/13 B KO unter Hinweis auf das Gesetzgebungsverfahren zum 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 29.07.2013; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 19.08.2011, Az.: L 6 SF 872/11 B; OVG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O.; SG Stade, a.a.O.). Auch eine schlichte Beratung über die weiteren Erfolgsaussichten des Verfahrens ist nicht ausreichend, weil diese vielmehr die ureigenste Aufgabe des Prozessbevollmächtigten ist, der eine juristisch nicht vorgebildete Partei vor Gericht vertritt (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.10.2013, Az.: L 12 AS 1102/13 B). Nach Auffassung des SG Lüneburg soll es für die Zuerkennung der Erledigungsgebühr jedoch ausreichend sein, wenn der Rechtsanwalt sich mit seinem Mandanten auseinandersetzt und überzeugend auf ihn einwirkt, sich mit einem Weniger zufrieden zu geben, als er ursprünglich begehrt hat, weil gerade in der Vermeidung eines weitergehenden Verfahrens trotz Nichterreichen des Gewollten der besondere Erfolg des Rechtsanwalts liege (Beschluss vom 28.08.2009, Az.: S 12 SF 149/09 E). Eine Zuerkennung der Erledigungsgebühr kommt aber auch dann in Betracht, wenn der Prozessbevollmächtigte den Rahmen der seiner Mandantschaft obliegenden Mitwirkungspflicht überschreitet und so zur Gesamterledigung beiträgt (vgl. hierzu insbesondere BSG, Urteil vom 17. 12.2013, Az.: B 11 AL 15/12 R –, BSG, Urteil vom 02.10.2008, Az.: B 9/9a SB 5/07 R). Dagegen ist unerheblich, dass das Teilanerkenntnis und die -Rücknahme letztendlich auch im Gewand eines Vergleichs hätten geschlossen werden können. Denn auch für den Anfall der Erledigungsgebühr bei Vergleichsabschlüssen ist allein entscheidend, ob eine anwaltlich Mitwirkung im Sinne der Nr. 1006 RVG gegeben ist.
In dem hier zur Beurteilung stehenden Fall war eine besondere qualifizierte anwaltliche Mitwirkung nicht zu verzeichnen. Vielmehr hat die Kammervorsitzende im Erörterungstermin den Sachverhalt aufbereitet und einige Rechtsausführungen gemacht, die zur Abgabe des Anerkenntnisses geführt haben. Zwar hat der Bevollmächtigte vorgetragen, dass die er auf die Kläger bezüglich der verfahrensbeendenden Erklärung eingewirkt habe. Die schlichte Beratung eines Mandanten über die weiteren Erfolgsaussichten des Verfahrens sowie die Auswirkungen eines Teilanerkenntnis auf die Prozesskostenhilfe genügt jedoch nicht für den Anfall einer Erledigungsgebühr (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 30.09.2015, Az.: L 19 AS 1453/15 B m.w.N.). Denn diese Tätigkeit wird bereits durch die Verfahrensgebühr vergütet. Der Erinnerungsführer hat keinerlei Angaben bezüglich des Zeitpunkts und des Gesprächsverlaufs gemacht, sondern sich pauschal auf den Sachvortrag beschränkt, es habe eine Einwirkung auf den Mandanten stattgefunden.
Nach dem Vorgenannten war die Erinnerung zurückzuweisen.
Die Beschwerde ist gebührenfrei (vgl. 56 Abs. 2 S. 2 RVG). Kosten werden nicht erstattet (vgl. § 56 Abs. 2 S. 3 GKG).
Erstellt am: 04.09.2017
Zuletzt verändert am: 04.09.2017