Die Beschwerde der Klägerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 26.11.2019 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die Klägerinnen begehren Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren, das auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Zugrundelegung eines höheren Regelbedarfs für die Zeit vom 01.04.2019 bis zum 31.03.2020 gerichtet ist.
Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Klägerinnen machen monatlich einen jeweils um 155 EUR erhöhten Regelbedarf geltend, so dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Ein Rechtsschutzbegehren hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen Rechtsfrage abhängt. Die Prüfung der Erfolgsaussichten für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können. Prozesskostenhilfe ist auch zu bewilligen, wenn in der Hauptsache eine Beweisaufnahme erforderlich ist und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (BVerfG Beschlüsse vom 04.05.2015 – 1 BvR 2096/13, vom 09.10.2014 – 1 BvR 83/12 und vom 19.02.2008 – 1 BvR 1807/07; ständige Rechtsprechung des Senats, vergl. nur Beschlüsse vom 16.01.2019 – L 7 AS 1085/18 B und vom 20.04.2016 – L 7 AS 1645/15 B).
Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabes bietet die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg.
Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 26.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2019 sowie die für den Zeitraum vom 01.04.2019 bis zum 31.03.2020 ergangenen Änderungsbescheide, mit denen der Beklagte den Klägerinnen Leistungen unter Zugrundelegung von monatlichen Regelbedarfen für die Klägerin zu 1) iHv 424 (ab März 2019) bzw. 432 EUR (ab Januar 2020) und für die Klägerin zu 2) iHv 245 EUR (ab März 2019) bzw. 250 EUR (ab Januar 2020) einschließlich der auf dieser Grundlage berechneten Mehrbedarfe für Alleinerziehende bzw. bei dezentraler Warmwasserbereitung (§ 21 Abs. 3, Abs. 7 SGB II) bewilligt hat. Kosten der Unterkunft und Heizung sind nach Abtrennung dieser Streitgegenstände durch das Sozialgericht nicht mehr Verfahrensgegenstand.
Der Beklagte hat die Leistungen unter Zugrundelegung der gesetzlichen Vorschriften (§§ 20 Abs. 2, 21, 23 Nr. 1 SGB II iVm § 28a SGB XII) iVm der RBSFV 2019 vom 19.10.2018 (BGBl I 1766) und der RBSFV 2020 vom 15.10.2019 (BGBl I 1452) zutreffend bewilligt. Ein Anlass, das Verfahren gem. Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, besteht nicht, weil der Senat die genannten gesetzlichen Vorschriften nicht für verfassungswidrig hält. Der Senat verweist insoweit zunächst auf die Ausführungen des Sozialgerichts (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind die Vorschriften über die Festsetzung der Höhe des Regelbedarfs sowie deren Fortschreibung bis zum Jahr 2014 mit dem Grundgesetz vereinbar (BVerfG Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13). Es besteht kein Anlass, für die streitbefangenen Jahre 2019 und 2020 hiervon abzuweichen (so für das Jahr 2018 Beschluss des Senats vom 22.07.2019 – L 7 AS 354/19; ebenso LSG Bayern Urteil vom 20.03.2019 – L 11 AS 905/18; LSG Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 05.02.2018 – L 19 AS 2324/17 B; im Ergebnis auch BSG Beschluss vom 30.04.2019 – B 8 SO 23/19 B).
Die verfassungsrechtlich gebotene Neuermittlung der Regelbedarfsstufen hat im Jahr 2017 stattgefunden. Mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) vom 22.12.2016 (BGBl. I, 3159) hat der Gesetzgeber eine Sonderauswertung der EVS 2013 vorgenommen (§ 1 RBEG) und nach Fortschreibung der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsangaben aus dem Jahr 2013 (§ 7 RBEG; zu der Verfassungsmäßigkeit dieser speziellen Fortschreibungsregelung vgl. nur Saitzek in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl., § 20 Rn. 53) die Summe der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsangaben für Erwachsene ab 01.01.2017 auf 409 EUR (§ 7 Abs. 3 RBEG) festgesetzt. Die Regelbedarfsermittlung für 2017 folgt denselben Grundsätzen, die der vom BVerfG im Beschluss vom 23.07.2014 geprüften Rechtslage zugrunde gelegen haben. Die Prüfaufträge und Überwachungspflichten, die das BVerfG im Beschluss vom 23.07.2014 vorgegeben hat, sind beachtet worden (Beschluss des Senats vom 05.09.2018 – L 7 AS 193/18 NZB). Die Regelsätze werden jährlich überprüft und fortgeschrieben. Die Fortschreibung der Regelbedarfe wird anhand eines Mischindex errechnet. Dieser setzt sich zu 70 Prozent aus der Preisentwicklung und zu 30 Prozent aus der Nettolohnentwicklung zusammen (§ 28a Abs. 2 SGB XII). Das Statistische Bundesamt ermittelt die Preisentwicklung der Güter und Dienstleistungen, die relevant sind, um ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Auch die Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter wird vom Statistischen Bundesamt berechnet (§ 28a Abs. 3 SGB XII). Für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen werden nicht die Entwicklung der Verbraucherpreise insgesamt und damit auch nicht der allgemeine Verbraucherpreisindex zugrunde gelegt. Vielmehr wird vom Statistischen Bundesamt ein spezieller Preisindex gebildet. Dieser berücksichtigt ausschließlich die Preisentwicklung der regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen. Zur Zulässigkeit dieses Vorgehens hat das BVerfG ausgeführt (BVerfG Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 Rn. 137): "Eine Hochrechnung anhand der Preisentwicklung in den Ausgabepositionen, aus denen sich der regelbedarfsrelevante Verbrauch zusammensetzt, ist mit dem Grundgesetz ebenso vereinbar wie die Orientierung an einem gemischten Index, der neben der Preisentwicklung auch die Entwicklung der Löhne und Gehälter berücksichtigt. Der Gesetzgeber hat tragfähig begründet, warum sich die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nunmehr nach § 28a Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB XII an die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen sowie die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter anlehnt. Eine stärkere Gewichtung der Preisentwicklung nach § 28a Abs. 2 Satz 3 SGB XII ist allerdings erforderlich, weil gerade bei Leistungen zur Deckung des physischen Existenzminimums deren realer Wert zu sichern ist. Die geringere Berücksichtigung der Lohnentwicklung soll Entwicklungsstand und Lebensbedingungen berücksichtigen und in gewissem Maße die Wohlfahrtsentwicklung der Gesellschaft nachzeichnen. Die Lohnentwicklung ist zwar für sich genommen zur Fortschreibung der Höhe der Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz nicht tauglich. Entscheidend ist aber auch hier, im Ergebnis eine menschenwürdige Existenz tatsächlich zu sichern." Diese Ausführungen gelten auch für die hier maßgebliche Fortschreibung für das Jahr 2019 und 2020. Hinzuweisen ist insbesondere darauf, dass dem BVerfG bekannt war, dass gerade die Kosten für Haushaltsenergie evtl. einer besonderen Preissteigerung unterliegen (vgl. BVerfG Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/11, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 Rn 55) und es dennoch die pauschale Fortschreibung der Regelbedarfe für verfassungsrechtlich zulässig gehalten hat.
Soweit die Kläger sich zur Begründung ihrer Annahme, der Regelbedarf sei verfassungswidrig zu niedrig festgesetzt, auf ein Gutachten des paritätischen Wohlfahrtsverbandes vom 26.04.2018 berufen, in dem eine Regelsatzanhebung auf 571 gefordert wird, folgt hieraus keine abweichende Einschätzung. Es handelt es sich hierbei um eine im Wesentlichen sozialpolitisch begründete Forderung, die keine Aussage für die Einhaltung der vom BVerfG geforderten verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Regelbedarfsermittlung enthält.
Anhaltspunkte dafür, dass trotz der Neufestsetzung des Regelbedarfs 2017 einschließlich der Fortschreibung gem. § 7 RBEG und der weiteren Fortschreibung gem. § 28a Abs. 2 SGB XII eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende, extreme Preissteigerungen entstanden wäre, auf die der Gesetzgeber durch eine Neufestsetzung des Regelbedarfs hätte reagieren müssen (BVerfG Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 Rn. 144), sind nicht evident.
Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 09.06.2020
Zuletzt verändert am: 09.06.2020