Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Betrag in Höhe von 44,40 Euro zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus ab dem 14.04.2009 zu erstatten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Umfang einer Kostenerstattungspflicht nach § 36a Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) wegen des Aufenthaltes einer Hilfebedürftigen und ihres Sohnes in einem Frauenhaus.
Die Klägerin war bis zum 31.12.2010 eine nach § 44 b SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (a.F.) von der Bundesagentur für Arbeit und der Stadt xxx errichtete Arbeitsgemeinschaft, der gemäß § 44b Abs. 3 Satz 2 SGB II a.F. die Wahrnehmung der dem kommunalen Träger im Sinne des § 6 Abs. 1 Ziffer 2 SGB II obliegenden Aufgaben nach dem SGB II übertragen worden ist. Seit dem 01.01.2011 handelt es sich bei der Klägerin um eine "gemeinsame Einrichtung" nach § 44b SGB II. Bei der beklagten Stadt xxx handelt es sich um eine kreisangehörige Stadt, der die Aufgaben nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II vom Kreis Coesfeld übertragen worden sind (§ 1 der Satzung über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 29.12.2004).
Die hilfebedürftige Frau xxx wohnte mit Sohn bis zum 14.08.2006 in xxx und war dort auch gemeldet. Am 14.08.2006 zog sie in das Frauenhaus in xxx und beantragte dort die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, die ihr von der Klägerin auch bewilligt wurden. Ab dem 01.09.2006 wurden dem Sohn der Hilfebedürftigen Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) bewilligt. Am 11.10.2006 verließ die Hilfebedürftige mit ihrem Sohn das Frauenhaus und zog in eine unter dem 29.09.2006 zum 01.10.2006 angemietete Wohnung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Klägerin. Auf ihren entsprechenden Antrag hin bewilligte die Klägerin der Hilfebedürftigen Leistungen zur Erstausstattung in Höhe von insgesamt 1.745,48 Euro.
Am 22.08.2006 meldete die Klägerin bei der Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch nach § 36a SGB II für die Zeit des Aufenthaltes der Frau xxx und ihres Sohnes im Frauenhaus an. Mit Schreiben vom 23.01.2007 erfolgte ein Kostenanerkenntnis dem Grunde nach durch die Beklagte.
Mit Schreiben vom 18.08.2008 bezifferte die Klägerin ihren Erstattungsanspruch auf 5.319,49 Euro. Ein Betrag in Höhe von 2.286,25 Euro entfiel danach auf Leistungen nach § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB II (Betreuungskosten); der restliche Betrag in Höhe von 3.033,24 Euro auf Kosten der Unterkunft. Mit weiterem Schreiben vom 03.09.2008 korrigierte die Klägerin die geltend gemachte Forderung hinsichtlich der Kosten für die Unterkunft auf insgesamt 3.031,39 Euro. In diesem Betrag waren auch die Kosten für die Erstausstattung in Höhe von 1.745,48 Euro sowie die erste Mietzahlung für die neue Wohnung der Frau xxx in xxx in Höhe von 387,00 EUR enthalten. In der Folgezeit beglich die Beklagte den geltend gemachten Erstattungsanspruch hinsichtlich der Betreuungskosten in vollem Umfang. Sie verweigerte jedoch eine Erstattung hinsichtlich der Leistungen für die Erstausstattung sowie für die erstmalige Mietzahlung der Hilfebedürftigen nach Auszug aus dem Frauenhaus. Zudem erstattete die Beklagte die Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum des Aufenthaltes im Frauenhaus lediglich in Höhe eines um 44,40 Euro geminderten Betrages mit der Begründung, die Hilfebedürftige hätte bereits im August 2006 einen Anspruch auf Leistungen nach dem UVG geltend machen können. Wenn ihr ein Anspruch jedoch erst ab dem 01.09.2006 zuerkannt worden sei, so könne dies nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Vielmehr seien die Leistungen nach dem UVG bereits auf die gewährten Leistungen im August 2006 als Einkommen anzurechnen.
Am 14.04.2009 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie macht zum einen geltend, hinsichtlich der gewährten Kosten der Unterkunft und Heizung habe die Beklagte einen weiteren Betrag in Höhe von 44,40 Euro zu erstatten. Insbesondere müsse die Beklagte jedoch auch die Kosten für die Erstausstattung sowie die erste Mietzahlung übernehmen. Letztere sei schließlich bereits während des Aufenthaltes im Frauenhaus fällig geworden. § 36a SGB II enthalte keine Einschränkung des Erstattungsanspruchs auf die reinen Unterkunftskosten im Frauenhaus selbst.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 2.176,88 Euro zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus ab dem 14.04.2009 zu erstatten.
Der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, eine Erstattungspflicht hinsichtlich der gewährten einmaligen Beihilfen zur Erstausstattung sowie der ersten Mietzahlung ergebe sich keinesfalls aus § 36a SGB II. Es handele sich bei den genannten Kosten nicht um solche, die typischer- weise im Zusammenhang mit einem Frauenhausaufenthalt anfallen und dementsprechend in besonderer Weise kommunale Träger treffen würden, in deren Zuständigkeitsbereich ein Frauenhaus liegt. Es müsse insoweit bei den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen verbleiben, wonach sich keine Leistungsverpflichtung der Beklagten ergebe.
Das Gericht hat den Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 07.07.2009, Az.: II B 4 – 3761 "Umsetzung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) – Regelung zur Kostenerstattung nach § 36a SGB II" beigezogen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise in dem tenorierten Umfang begründet.
Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Bei einem Erstattungsstreit zwischen Sozialleistungsträgern (vgl. §§ 12 Satz 1, 19 a Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I)) handelt es sich um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (Keller in: Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 54 Rdnr. 41 m.w.N.).
Die Beklagte hat der Klägerin weder den geltend gemachten Betrag in Höhe von 1.745,48 Euro für die Leistungen zur Erstausstattung, noch 387,00 Euro für die erste Mietzahlung der neuen Wohnung der Frau xxx nach § 36a SGB II zu erstatten.
Sucht eine Person in einem Frauenhaus Zuflucht, ist der kommunale Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort verpflichtet, dem durch die Aufnahme im Frauenhaus zuständigen kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses die Kosten für die Zeit des Aufenthaltes im Frauenhaus nach § 36a SGB II zu erstatten. Die Beteiligten sind kommunale Träger im Sinne dieser Vorschrift. Die Beklagte ist der kommunale Träger am bisherigen Wohnort der Hilfebedürftigen; die Klägerin ist durch die Aufnahme der Frau xxx und ihres Sohnes in ihrem Frauenhaus zuständiger kommunaler Träger geworden (vgl. § 36 Satz 2 SGB II). Dementsprechend ist die Erstattungspflicht dem Grunde nach zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
Der Erstattungsanspruch der Klägerin scheitert nicht bereits an der Verjährungsvorschrift des § 111 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), wonach ein Anspruch auf Erstattung binnen zwölf Monaten geltend zu machen ist. Denn die Klägerin hat hier bereits direkt nach Aufnahme der Hilfebedürftigen in das Frauenhaus im August 2006 den Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten angemeldet und damit geltend gemacht. Lediglich die Bezifferung der Anspruchshöhe ist erst im Jahr 2008 erfolgt.
Durch die Kostenerstattungspflicht nach § 36a SGB II soll eine einseitige Belastung der Kommunen, die Frauenhäuser betreiben, vermieden und letztlich verhindert werden, das Frauen aus anderen Regionen wegen der ungeklärten Finanzierung abgewiesen werden (Bundestagsdrucksache 15/5607 S. 7). Der erstattungspflichtige Leistungsträger soll im Ergebnis nicht besser gestellt werden, als er stünde, wenn er die Hilfebedürftige in ein vom ihm selbst betriebenes Frauenhaus aufnähme (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.02.2010, Az.: L 1 AS 36/09, veröffentlicht in juris).
Nach dem so verstandenen Sinn und Zweck der Vorschrift können die Kosten für die Erst- ausstattung einer neuen Wohnung nach Verlassen des Frauenhauses nicht unter diesen Erstattungstatbestand subsumiert werden. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn für diese Kosten typischerweise der Leistungsträger, in dessen Bereich das Frauenhaus örtlich gelegen ist, aufzukommen hätte. Für die Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 3 Nr. 1 SGB II ist jedoch grundsätzlich der Leistungsträger zuständig, in dessen örtlichen Zuständigkeitsbereich die auszustattende Wohnung liegt, denn der Bedarf nach einer Erstausstattung für die Wohnung entsteht erst mit dem tatsächlichen Umzug (vgl. Sozialgericht Stade, Beschluss vom 24.08.2010, Az.: S 17 AS 613/10 ER, veröffentlicht in juris, m.w.N.; Münder in: LPK-SGB II, 3. Auflage, § 23 Rdnr. 47). Nach dieser allgemeinen Regelung ergibt sich die Leistungsverpflichtung der Klägerin im vorliegenden Fall daraus, dass die Hilfebedürftige nach dem Aufenthalt im Frauenhaus eine Wohnung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Klägerin bezogen hat. Wäre die Hilfebedürftige mit ihrem Sohn in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Leistungsträgers gezogen, wäre grundsätzlich dieser zur Gewährung der Leistungen zur Erstausstattung verpflichtet gewesen. Es handelt sich somit nicht um "frauenhaustypische" Aufwendungen. Dies könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn sich Frauen nach Verlassen des Frauenhauses typischerweise in der Nähe des Frauenhauses eine neue Bleibe suchen würden. Hierfür sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es von Zufälligkeiten und z.B. familiären Bindungen abhängig ist, wohin eine Frau nach Verlassen des Frauenhauses zieht. Soweit die Ansicht vertreten wird, aus § 36a SGB II leite sich auch eine Erstattungspflicht hinsichtlich der Erstausstattung für eine neue Wohnung der Hilfebedürftigen ab (Sozial- gericht Aachen, Urteil vom 20.07.2007, Az.: S 8 AS 17/07, veröffentlicht in juris; Nr. 4 des Erlasses des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 07.07.2009, Az.: II B 4 – 3761; Schoch in: LPK-SGB II, 3. Auflage, § 36 a Rdnr. 8), kann die Kammer dem aus den zuvor genannten Gründen nicht folgen. Geht man von einer grundsätzlichen Verpflichtung des kommunalen Trägers des Zuzugsortes zur Leistungserbringung nach § 23 Abs. 3 Nr. 1 SGB II aus, besteht keine besondere Belastung der Kommunen, die Frauenhäuser betreiben (so auch Krauß in: Hauck/Noftz, SGB II, § 36 a Rdnr. 11).
Nach diesen Grundsätzen scheidet auch eine Erstattungspflicht der Beklagten hinsichtlich der ersten Mietzahlung der Hilfebedürftigen für ihre neue Wohnung aus. Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist der bisherige örtlich zuständige Träger – vorliegend also die Beklagte – lediglich für die Gewährung von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten zuständig. Bei der ersten Mietzahlung der Frau xxx handelt es sich nicht um Kosten in diesem Sinne. Insbesondere unter Wohnungsbeschaffungskosten sind grundsätzlich vielmehr Kosten für Inserate, Maklergebühren etc. zu verstehen. Allenfalls wenn bei einem notwendigen Wohnungswechsel die Mietzeiträume nicht nahtlos aufeinander abgestimmt werden können und somit nicht abwendbare doppelte Mietaufwendungen ("Überschneidungskosten") entstehen, kann die erste Mietzahlung ausnahmsweise als Wohnungbeschaffungskosten angesehen werden (vgl. hierzu Berlit in: LPK-SGB II, 3. Auflage, § 22 Rdnr. 114). Nach § 7 des Mietvertrages war der Mietzins für die zum 01.10.2006 angemietete Wohnung zwar bis spätestens zum 3. Werktag des Monats zu zahlen. Allein dadurch, dass die Hilfebedürftige sich zu diesem Zeitpunkt noch in dem Frauenhaus aufhielt, führt jedoch nicht zu einer Leistungsverpflichtung der Beklagten. Warum Frau xxx letztlich erst Mitte Oktober 2006 und nicht bereits zum 01.10.2006 das Frauenhaus verlassen hat, ist nicht ersichtlich und konnte auch im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht mehr geklärt werden. Die Kammer berücksichtigt insoweit auch den engen Wortlaut des § 36 a SGB II. Zwar sollen der Klägerin die ihr entstandenen "frauenhaustypischen" Aufwendungen erstattet werden, eine Besserstellung gegenüber den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen kann jedoch nicht Sinn und Zweck des Gesetzes sein.
Die Klägerin hat jedoch nach § 36a SGB II einen über den von der Beklagten bereits anerkannten Anspruch hinaus einen Erstattungsanspruch in Höhe von 44,40 Euro bezüglich der im August 2006 gewährten Kosten der Unterkunft und Heizung. Die Klägerin hat die geltend gemachten Kosten der Unterkunft und Heizung unstreitig gewährt. Dass auf den Bedarf der Hilfebedürftigen bereits im August 2006 Leistungen nach dem UVG anzurechnen gewesen sind, ist nicht ersichtlich. Diese Leistungen wurden dem Sohn der Hilfebedürftigen ausweislich des Bescheides vom 23.05.2007 erst ab dem 01.09.2006 bewilligt. Es ist insoweit unerheblich, aus welchem Grund nicht bereits für August 2006 Leistungen bewilligt worden sind. Es kann vielmehr entscheidend nur darauf ankommen, welche Leistungen/Einkommen dem Bedarf der Hilfebedürftigen und ihres Sohnes tatsächlich im fraglichen Zeitraum gegenüber standen. Bei der Leistungsgewährung nach dem SGB II wird grundsätzlich nicht danach gefragt, warum bestimmte Leistungen oder Einkommen nicht erzielt werden.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Prozesszinsen ergibt sich aus §§ 291, 288 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 94 SGG, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei öffentlich-rechtlichen Zahlungsansprüchen analoge Anwendung finden können (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 23.03.2006, Az.: B 3 KR 6/05 R, veröffentlicht in juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197 a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin mit dem ganz überwiegenden Teil ihrer Klageforderung nicht durchgedrungen ist.
Erstellt am: 30.05.2011
Zuletzt verändert am: 30.05.2011