Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 20.05.15 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.15 verurteilt, der Klägerin zu 1) im Zeitraum Mai bis Oktober 2015 höhere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 1,07 Euro zu gewähren. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren vom Beklagten die Übernahme höherer Leistungen für Kosten der Unterkunft im Zeitraum Mai bis Oktober 2015.
Die Klägerin zu 1) lebt gemeinsam mit ihren Söhnen, den Klägern zu 2) und 3) und bezieht vom Beklagten seit Oktober 2012 laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialge-setzbuch (SGB II). Sie wohnen seit 2010 in einer 126 m² großen Vierzimmerwohnung in I, und zahlen hierfür eine Nettokaltmiete von 624,68 EUR zzgl. eines Abschlags für Betriebskos-ten von 100,- EUR sowie für Heizkosten von 60,- EUR.
Mit Schreiben vom 07.10.2014 forderte der Beklagte die Kläger unter Fristsetzung bis zum 30.04.2015 auf, ihre Unterkunftskosten auf das nach seiner Auffassung für einen Dreiper-sonenhaushalt in I angemessene Maß von 476,80 EUR Bruttokaltmiete zu senken. Die Kläger kamen dieser Aufforderung nicht nach.
Der Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 20.05.2015 für den Zeitraum Mai bis Oktober 2015 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Bedarfs für Kos-ten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 376,80 EUR Nettokaltmiete zzgl. 99,99 EUR für Betriebs-kosten und 60,- EUR für Heizkosten.
Hiergegen erhob die Klägerin zu 1) am 09.06.2015 Widerspruch und trug vor, dass die Kos-ten der Unterkunft zu gering bewilligt worden seien. Das in Ansatz gebrachte Konzept be-ruhe auf einer veralteten Datengrundlage. Es seien die Tabellenwerte des § 12 Wohngeld-gesetz (WoGG) zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10 Prozent anzuwenden.
Der Beklagte wies den Widerspruch gegenüber der Klägerin zu 1) mit Widerspruchsbe-scheid vom 15.07.2015 als unbegründet zurück und führte zur Begründung im Wesentli-chen aus, dass die maximal angemessene Bruttokaltmiete für die Kläger nach den gültigen Richtlinien des Kreises V 476,80 EUR betrage. Die Frist zur Kostensenkung sei nicht genutzt worden. Es sei auch nicht nachgewiesen worden, dass eine Kostensenkung nicht möglich sei.
Am 06.08.2015 haben die Kläger Klage erhoben. Sie wiederholen im Wesentlichen ihr Vor-bringen aus dem Widerspruchsverfahren und tragen ergänzend vor, keine Bemühungen zur Senkung der Unterkunftskosten unternommen zu haben.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 20.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2015 zu verurteilen, ihnen Kosten der Unter-kunft und Heizung in Höhe von monatlich 526,90 Euro Bruttokaltmiete zzgl. der tatsäch-lich anfallenden Heizkosten in Höhe von 60,00 Euro für den Zeitraum Mai bis Oktober 2015 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Widerspruchsbescheid. Der Kreis V habe die B & L GmbH mit der Erstellung eines schlüssigen Konzeptes beauftragt. Im Mai 2013 sei das "Konzept zur Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Kreis V" (Konzept 2013) vorgelegt worden. Im Dezember 2015 sei das "Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft im Kreis V" (Konzept 2015) erstellt worden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen X, einem Angestellten der B & L GmbH. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25.08.2017 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten betreffend den Sach- und Streitstand wird auf die Ge-richtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug ge-nommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhobene kombinierte Anfech-tungs- und Leistungsklage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Für die Kläger zu 2) und 3) ist die Klage bereits unzulässig. Sie haben keinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.05.2015 eingelegt, so dass dieser für sie bestandskräftig wur-de. Der Widerspruchsbescheid vom 15.07.2015 erging ausschließlich an die Klägerin zu 1), die damit allein von der Entscheidung betroffen ist.
Für die Klägerin zu 1) ist die Klage zulässig, jedoch nur insoweit begründet, als der Beklag-te ihr Kosten der Unterkunft i.H.v. monatlich 1,07 EUR im Zeitraum Mai bis Oktober 2015 zu wenig gewährt hat. Der angefochtenen Bescheid vom 20.05.2015 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 15.07.2015 ist nur insoweit rechtswidrig (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
In welcher Höhe die Bedarfe für Unterkunftskosten zur berücksichtigen sind, bestimmt sich nach der Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB II. Danach werden die Bedarfe für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Woh-nungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für ihre Unterkunft übersteigen zur Überzeu-gung des Gerichts den angemessenen Umfang. Es ist daher grds. nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Kosten nur in geringerer Höhe berücksichtigt hat – wenn auch i.H.v. 1,07 EUR zu wenig.
Dabei gilt es zu beachten, dass der Begriff der Angemessenheit ein unbestimmter Rechts-begriff ist. Was angemessen ist, hat zunächst der kommunale Träger – hier der Kreis V – zu bestimmen. Dessen Auslegung unterliegt sodann der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (vgl. BSG, Urteile vom 16.06.2015, Az. B 4 AS 44/14 R, und vom 26.05.2011, Az. B 14 AS 132/10 R). Die Angemessenheit der Aufwendungen für eine Wohnung bzw. ein Eigenheim ist nach der Rechtsprechung des BSG im Rahmen einer mehrstufigen Einzel-fallprüfung zu beurteilen. Diese hat sich an der sogenannten Produkttheorie zu orientieren, nach der die abstrakt angemessene Wohnfläche mit der abstrakt angemessenen Brutto-kaltmiete pro qm im örtlichen Vergleichsraum zu multiplizieren ist. Es muss daher zur Kon-kretisierung der Angemessenheitsgrenze zunächst in einem ersten Schritt die abstrakt an-gemessene Wohnungsgröße bestimmt und sodann in einem zweiten Schritt festgelegt wer-den, auf welchen Vergleichsraum abzustellen ist. In einem dritten Schritt ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine Wohnung einfachen Standards aufzuwenden ist (Referenzmiete), indem eine Datenerhebung und Datenauswertung durch den kommu-nalen Träger bzw. das Jobcenter erfolgt (sog. "schlüssiges Konzept"). Diese ersten drei Schritte werden als abstrakte Angemessenheitsprüfung bezeichnet. In einem vierten und letzten Schritt ist zu prüfen, ob für den Leistungsberechtigten eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung verfügbar und zugänglich ist, sog. konkrete Angemessen-heitsprüfung (vgl. Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 22, Rn. 80 ff.).
Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße richtet sich in Nordrhein-Westfalen nach § 18 des Gesetzes zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG NRW) i.V.m. Ziffer 8.2 der Wohnraumnutzungsbestimmungen (Runder-lasses des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009, Az.: IV.5-619-1665/09 – WNB). Nach diesen Vorschriften ist für drei Personen eine Mietwohnungsgröße bis zu 80 qm vorgesehen. Hiervon geht auch das Konzept 2015 aus, das die B & L GmbH für den Kreis V erstellt hat (S. 7 des Konzepts). Zur Überzeugung der Kammer sind dessen abs-trakt angemessene Werte seit dem 01.05.2015 anzuwenden. Die abstrakt angemessene Bruttokaltmiete pro qm beträgt danach für einen Dreipersonenhaushalt in I im streitgegen-ständlichen Zeitraum 6,- EUR. Nach der Multiplikation mit der abstrakt angemessenen Woh-nungsgröße von 80 qm ergibt sich eine maximal angemessene Bruttokaltmiete von insge-samt 480,- EUR.
Für den streitigen Zeitraum ist nicht das Konzept 2013 anwendbar, da die ihm zugrunde liegenden Daten ab dem 01.05.2015 nicht mehr hinreichend aktuell waren. Das Konzept enthielt Daten aus dem Jahr 2011 und wurde im Jahr 2013 einmal fortgeschrieben. Zur Überzeugung der Kammer ist eine solche Indexfortschreibung auch einmalig nach Ablauf von zwei Jahren in entsprechender Anwendung der §§ 558d BGB, 22c SGB II zulässig (siehe insoweit die Ausführungen des SG Dortmund im Parallelverfahren, Urteil vom 25.08.2017, Az. S 58 AS 3151/15). Da das Konzept 2013 im Mai 2013 vorgelegt wurde, war es sodann bis einschließlich 30.04.2015 wirksam. Seit dem 01.05.2015 gilt es jedoch nicht mehr, da der Zweijahreszeitraum für seine Wirksamkeit abgelaufen war.
Dies hat jedoch nach Auffassung des Gerichts nicht zur Folge, dass die Werte aus § 12 WoGG zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10 Prozent anzuwenden sind, denn dies wäre nur im Falle eines Erkenntnisausfalles möglich (BSG, Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R). Vielmehr hat das Gericht die abstrakten Angemessenheitsgrenzen in den Grenzen der Amtsermittlung nach zu ermitteln (BSG, Urteil vom 20.08.2009, B 14 AS 41/08 R; Urteil vom 02.07.2009, B 14 AS 33/08 R) und insbesondere auch ein später vorgelegtes Konzept zu berücksichtigen, wenn der dortige Stichtag der Datenerhebung im streitgegenständlichen Zeitraum liegt und die materiellen Anforderungen an ein schlüssiges Konzept gewahrt sind (vgl. Thüringer LSG, Urteil 08.07.2015, L 4 AS 718/14; SG Dortmund, Urteil vom 17.03.2017, Az. S 19 AS 4276/16). Der Stichtag für die Datenerhebung des Konzeptes 2015 war der 01.08.2015, so dass ab diesem Tag das Konzept 2015 zugrunde zu legen ist (vgl. SG Dortmund, Urteil vom 17.03.2017, Az. S 19 AS 4276/16). Soweit der streitige Zeit-raum auch die drei Monate vor dem Stichtag erfasst (nach unmittelbarem Auslaufen des Konzeptes 2013), ist es zur Überzeugung der Kammer ebenfalls anwendbar. Dass von Mai bis Juli 2015 die Angemessenheitsrichtwerte des Konzeptes 2015 nicht ausreichend waren, um die Versorgung der Leistungsbezieher im Kreis V mit Wohnraum gewährleisten zu kön-nen, ist nicht ersichtlich (vgl. SG Duisburg, Urteil vom 19.04.2016, Az. S 48 SO 528/12). Auch, dass in diesen drei Monaten der Übergangszeit die Wohnpreise über das normale Maß hinaus angestiegen und zum 01.08.2015 wieder abgefallen sind, ist nicht ersichtlich.
Das Konzept 2015 ist schlüssig, da es die Anforderungen, die das BSG zur Aufstellung ei-nes solchen Konzeptes stellt, erfüllt. Danach darf die Datenerhebung ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen, es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung und des Beobach-tungszeitraums, einer Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung, der Repräsentati-vität der einbezogenen Daten, der Validität der Datenerhebung, der Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und Angaben über die gezo-genen Schlüsse (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R).
Als Vergleichsraum bestimmt das Konzept 2015 den gesamten Kreis V; die Datenerhebung erfolgte ausschließlich in diesem Kreis (S. 10 ff. des Konzepts). Beobachtungsgegenstand war der gesamte Wohnungsmarkt, ohne die sog. Substandardwohnungen (d.h. Wohnungen ohne Bad und Sammelheizung – S. 15 f. des Konzepts). Ausgenommen waren ferner Wohnungen mit weniger als 25 qm Wohnfläche (S. 7 des Konzepts). Die Datenerhebung erstreckte sich auf Bestands-, Neuvertrags- und Angebotsmieten, wobei als Neuvertrags-mieten solche Bestandsmieten gelten, bei denen der Mietvertragsschluss innerhalb von neun Monaten vor dem Erhebungsstichtag erfolgte. Erhoben wurden für jede Wohnung ins-besondere die Gemeinde, Wohnfläche, Grundmiete, Betriebskosten, Heizkosten und – au-ßer bei den Angebotsmieten – das Datum des Mietvertragsschlusses (S. 17 des Konzepts). Die Datenerhebung hinsichtlich der Bestands- und der Neuvertragsmieten erfolgte bei den größeren Vermietern im Kreis V, bei 4.500 kleineren bzw. privaten Vermietern sowie aus den Datensätzen des Beklagten. Für die Stadt M wurden zusätzlich 2.000 Mieterhaushalte angeschrieben. Die Datenerhebung erfolgte hinsichtlich der Bestands- und Neuvertragsmie-ten zum Stichtag 01.08.2015 (S. 16 f. des Konzepts). Die Angebotsmieten wurden über verschiedene Internetportale, Tagespresse und Homepages von großen Wohnungsanbie-tern im Kreis V in den Monaten April bis September 2015 erhoben (S. 20 f. des Konzepts).
Die Datenerhebung ist valide. Insbesondere wurden unvollständige und offensichtlich feh-lerhafte Angaben nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie Dubletten. Auch wurden Freund-schaftsmieten, Werkswohnungen, Wohnungen in Wohn- und Pflegeheimen, gewerbliche Wohnungen, möblierte Wohnungen und Ferienwohnungen durch Filterfragen unberücksich-tigt gelassen, da diese nicht für alle Bevölkerungsgruppen gleich zugänglich sind. Die Aus-reißer bei den Bestands- und Neuvertragsmieten außerhalb des Bereichs der 1,96-fachen Standardabweichung wurden im Wege der Extremwertkappung eliminiert (vgl. hierzu S. 15 bis 22 des Konzepts).
Die so gewonnenen Daten sind repräsentativ, weil sie auf mehr als 10 Prozent des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestands beruhen (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R). Hinsichtlich der Bestands- und Neuvertragsmieten konn-ten 47.512 Datensätze erhoben werden, hinsichtlich der Angebotsmieten 3.421 Datensätze. Dem stehen ungefähr 105.360 zu Wohnzwecken vermietete Wohnungen im Kreisgebiet und 85.430 bis 10.540 jährlich neu abgeschlossene Mietverhältnisse gegenüber (S. 15 bis 22 des Konzepts).
Die auf Grundlage der erhobenen Daten gezogenen Schlüsse werden in dem Konzept nachvollziehbar mitgeteilt. Für jede Gemeinde und jede Haushaltsgröße zwischen einer und fünf Personen innerhalb der jeweiligen Gemeinde werden im Sinne einer Kappungsgrenze die angemessene Kaltmiete pro qm und ein Mittelwert der Nebenkosten pro qm ermittelt. Die Summe beider Werte bildet für die jeweilige Gemeinde und die jeweilige Haushaltsgrö-ße die angemessene Bruttokaltmiete (S. 30 f. des Konzepts).
Bei der Datenauswertung wurden anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze einge-halten. Bei der Dublettenprüfung, der Extremwertkappung und der Berechnung von Perzentilen für die Steuerung einer statistischen Verteilung handelt es sich um anerkannte Verfahren zur Datenerhebung und der mathematischen Errechnung daraus resultierender statistischer Werte, um ein Verfälschen der Daten durch zufällig große Abweichungen nach oben oder unten bzw. durch eine doppelte Erfassung der Daten zu verhindern. Bedenken bestehen auch nicht hinsichtlich der Schätzung der konkurrierenden Nachfragergruppen nach Wohnungen im unteren Wohnungssegment (vgl. hierzu ausführlich SG Dortmund, Urteil vom 17.03.2017, Az. S 19 AS 4276/16; SG Duisburg, Urteil vom 19.04.2016, Az. S 48 SO 528/12 – S. 23 ff. des Konzepts). Dies bestätigt sich auch in der glaubhaften Aussa-ge des Zeugen X, der auch glaubwürdig ist.
Nach alledem ist das Konzept 2015 zur Überzeugung der Kammer schlüssig und der darin ermittelte Wert einer abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete von 6,- EUR pro qm hier zugrun-de zu legen. Damit ergibt sich für die Kläger eine abstrakt angemessene Bruttokaltmiete von maximal 480,- EUR, die im vorliegenden Fall auch konkret angemessen ist. Die im Rah-men des Konzeptes ermittelte abstrakt angemessene Bruttokaltmiete pro qm stellt grds. einen Anscheinsbeweis für die konkrete Angemessenheit, also die konkrete Möglichkeit, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können, dar, die die Leistungsberechtigten durch entsprechenden Vortrag entkräften kön-nen (vgl. BSG vom 22.08.2012, Az. B 14 AS 13/12 R). Hier haben die Kläger jedoch vorge-tragen, keinerlei Bemühungen zur Kostensenkung unternommen und insbesondere keine kostengünstigere Wohnung gesucht zu haben. Damit ist dieser Anscheinsbeweis nicht ent-kräftet worden und die Werte des Konzepts 2015 gelten im Fall der Kläger auch als konkret angemessen.
Die Kläger wurden mit Schreiben vom 07.10.2014 unter Fristsetzung zum 30.04.2015 vom Beklagten aufgefordert, ihre Kosten der Unterkunft zu senken. Die in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II vorgesehene maximale Frist von sechs Monaten war damit vor dem hier streitge-genständlichen Zeitraum verstrichen. Soweit der Beklagte die Kläger in der Kostensen-kungsaufforderung auf die Senkung der Unterkunftskosten auf einen Betrag von 476,80 EUR Bruttokaltmiete aufgefordert hat und dies nicht auf dem Konzept 2015, sondern dem aus 2013 beruht, war diese Aufforderung dennoch wirksam. Mit einer Kostensenkungsaufforde-rung sollen Leistungsberechtigte darauf hingewiesen werden, dass nach Auffassung des Leistungsträgers die Kosten der Unterkunft zu hoch sind und dass diese nach Ablauf der Frist unter den darin genannten Voraussetzungen nicht mehr in der tatsächlichen Höhe übernommen werden. Dieser Warnfunktion ist das Schreiben vom 07.10.2014 hinreichend nachgekommen. Der Beklagte hat die Kosten der Kläger sodann zu Recht gesenkt, jedoch –wie oben ausgeführt – zu Unrecht auf die Werte des Konzepts 2013.
Der Beklagte hat der Klägerin zu 1) in den Monaten Mai bis Oktober 2015 lediglich Leistun-gen nach dem SBG II unter Berücksichtigung eines kopfteiligen Anspruchs für die Kosten der Unterkunft von 158,93 EUR gewährt. Unter Anwendung des Konzeptes 2015 hätte er je-doch kopfteilig für sie 160,- EUR (480,- EUR / 3 Personen) berücksichtigen müssen. In Höhe von monatlich 1,07 EUR ergibt sich damit der weitergehende Anspruch der Klägerin zu 1.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 Abs. 1 SGG und trägt dem Unterliegen der Kläger Rechnung.
Die Kammer hat die Berufung gemäß §§ 143, 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. So sind die Fragen des Fortschreibungsintervalls eines Unterkunftskonzeptes sowie die mögliche Anwendbarkeit des Folgekonzeptes vor Stichtagserhebung – soweit ersichtlich – nicht höchstrichterlich geklärt.
Erstellt am: 21.12.2017
Zuletzt verändert am: 21.12.2017