1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren vom Beklagten die Übernahme höherer Leistungen für Kosten der Unterkunft im Zeitraum Januar 2014 bis April 2015.
Die Klägerin zu 1) lebt gemeinsam mit ihren Söhnen, den Klägern zu 2) und 3) und bezieht vom Beklagten seit Oktober 2012 laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialge-setzbuch (SGB II). Sie wohnen seit 2010 in einer 126 qm großen Vierzimmerwohnung in I, und zahlen hierfür eine Nettokaltmiete von 624,68 EUR zzgl. eines Abschlags für Betriebskos-ten von 100,- EUR sowie für Heizkosten von 60,- EUR.
Mit Schreiben vom 14.11.2012 forderte der Beklagte die Kläger unter Fristsetzung bis zum 31.05.2013 auf, ihre Unterkunftskosten auf das nach seiner Auffassung für einen Dreiper-sonenhaushalt in I angemessene Maß von 388,- EUR Nettokaltmiete zu senken. Die Kläger kamen dieser Aufforderung nicht nach.
Mit Bescheid vom 16.09.2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.11.2013 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum Januar bis März 2014 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Bedarfs für Kosten der Unterkunft und Hei-zung i.H.v. 388,- EUR Nettokaltmiete zzgl. 100,- EUR für Betriebskosten und 60,- EUR für Heizkos-ten. Die Bedarfe wurden in dieser Höhe auch bei der Leistungsbewilligung für den Zeitraum April bis September 2014 mit Bescheid vom 14.03.2014 und für den Zeitraum Oktober 2014 bis März 2015 mit Bescheid vom 07.10.2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 22.11.2014 und 10.12.2014 berücksichtigt. Für den Monat April 2015 berücksichtigte der Beklagte mit Bescheid vom 25.03.2015 nur noch eine Nettokaltmiete von 387,99 EUR zzgl. 99,99 EUR für Betriebskosten und 60,- EUR für Heizkosten. Alle Bescheide wurden bestandskräf-tig.
Am 06.05.2015 beantragte die Klägerin zu 1) die Überprüfung der Bewilligungsbescheide vom 23.11.2013, vom 14.03.2014, vom 07.10.2014, vom 22.11.2014 sowie vom 25.03.2015 hinsichtlich der nach ihrer Ansicht zu gering bewilligten Kosten der Unterkunft im Zeitraum Januar 2014 bis April 2015.
Mit Bescheid vom 24.06.2015 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin zu 1) ab und begründete dies damit, dass die Nettokaltmiete seit Juni 2013 nur noch in angemessener Höhe entsprechend der Kostensenkungsaufforderung vom 14.11.2012 berücksichtigt wer-de. Die Heiz- und Betriebskosten seien in tatsächlicher Höhe berücksichtigt worden.
Hiergegen erhob die Klägerin zu 1) am 30.06.2015 Widerspruch.
Der Beklagte wies den Widerspruch gegenüber der Klägerin zu 1) mit Widerspruchsbe-scheid vom 15.07.2015 als unbegründet zurück und verwies zur Begründung im Wesentli-chen auf die Ausführungen im Bescheid vom 24.06.2015; die Klägerin habe nichts vorge-bracht, das für die Unrichtigkeit der Bewilligung spreche.
Am 06.08.2015 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie im Wesentli-chen vor, dass die vom Beklagten verwendete Datengrundlage veraltet sei und nicht die Lebenswirklichkeit abbilde. Man begehre die Übernahme der Kosten der Unterkunft in An-wendung der Tabellenwerte des § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zzgl. eines Sicherheitszu-schlags von 10 Prozent. Ein Versuch, die Kosten der Unterkunft zu senken, sei nicht unter-nommen worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.08.2017 hat sich der Beklagte verpflichtet, für den Monat April 2015 unter Aufhebung des Bescheides vom 24.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2015 den Bescheid vom 25.03.2015 insoweit abzuän-dern, als weitere 0,02 EUR für die Kosten der Unterkunft zu gewähren sind. Die Kläger haben daraufhin erklärt, auf eine förmliche Bescheiderteilung hierüber zu verzichten.
Die Kläger beantragen nunmehr noch,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 24.06.2015 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 15.07.2015 zu verurteilen, die streitigen Bewilligungsbescheide bezüglich des Zeitraumes Januar 2014 bis April 2015 teilweise aufzuheben und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 526,90 Euro Bruttokaltmiete zzgl. der tatsächlich anfallenden Heizkosten in Höhe von 60,00 Euro zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Widerspruchsbescheid. Die angemes-senen Unterkunftskosten im Kreis V würden sich aus dem im Mai 2013 vorgelegten "Kon-zept zur Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Kreis V" (Konzept 2013) ergeben, das von der B & L GmbH erstellt worden sei.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen X, einem Angestellten der B & L GmbH. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25.08.2017 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten betreffend den Sach- und Streitstand wird auf die Ge-richtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug ge-nommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhobene kombinierte Anfech-tungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage hat keinen Erfolg. Für die Kläger zu 2) und 3) ist die Klage aufgrund der fehlenden Beschwer durch den an-gegriffenen Überprüfungsbescheid bereits unzulässig. Schon der Überprüfungsantrag wur-de nur von der Klägerin zu 1) gestellt, weshalb der Bescheid vom 24.06.2015 auch nur an sie erging. Der sodann auf den erhobenen Widerspruch ergangene Widerspruchsbescheid vom 15.07.2015 erging ebenfalls nur an die Klägerin zu 1). Die Bescheide treffen für die Kläger zu 2) und 3) keine Regelung.
Für die Klägerin zu 1) ist die Klage nach der konkludenten Annahme des Teilanerkenntnis-ses im Verhandlungstermin unbegründet. Sie ist durch den angefochtenen Bescheid vom 24.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2015 nicht mehr beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Für die Klägerin zu 1) wurde in den zur Überprüfung gestellten Bescheiden vom 23.11.2013, vom 14.03.2014, vom 07.10.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.11.2014 sowie vom 25.03.2015 in der Fassung des Teilanerkenntnisses gemäß dem Kopfteilprinzip in den Monaten Januar 2014 bis April 2015 monatlich ein Bedarf für Kosten der Unterkunft i.H.v. 162,68 EUR für die Bruttokaltmiete berücksichtigt. Einen weiter-gehenden Anspruch hat sie nicht.
Die Überprüfung der Bescheide erfolgte gemäß der Regelungen in § 40 Abs. 1 SGB II in der bis zum 31.07.2016 gültigen Fassung (a.F.) i.V.m. § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialge-setzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar gewor-den ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungs-trägers aus, bestimmt jedoch zugleich auch den Umfang des Prüfauftrags der Verwaltung im Hinblick darauf, ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 12.10.2016, Az. B 4 AS 37/15 R).
Vorliegend ist der Beklagte zur Überzeugung des Gerichts weder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen noch hat er das Recht unrichtig angewandt. Die Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung wurden ordnungsgemäß gewährt, ohne dass die Kläge-rin zu 1) einen weitergehenden Anspruch hätte.
Gemäß der Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB II werden die Bedarfe für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswech-sel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin zu 1) für ihre Unterkunft übersteigen zur Überzeugung des Gerichts den angemessenen Umfang. Es ist daher nicht zu beanstan-den, dass der Beklagte die Kosten nur in der übernommenen Höhe berücksichtigt hat.
Dabei gilt es zu beachten, dass der Begriff der Angemessenheit ein unbestimmter Rechts-begriff ist. Was angemessen ist, hat zunächst der kommunale Träger – hier der Kreis V – zu bestimmen. Dessen Auslegung unterliegt sodann der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (vgl. BSG, Urteile vom 16.06.2015, Az. B 4 AS 44/14 R, und vom 26.05.2011, Az. B 14 AS 132/10 R). Die Angemessenheit der Aufwendungen für eine Wohnung bzw. ein Eigenheim ist nach der Rechtsprechung des BSG im Rahmen einer mehrstufigen Einzel-fallprüfung zu beurteilen. Diese hat sich an der sogenannten Produkttheorie zu orientieren, nach der die abstrakt angemessene Wohnfläche mit der abstrakt angemessenen Brutto-kaltmiete pro qm im örtlichen Vergleichsraum zu multiplizieren ist. Es muss daher zur Kon-kretisierung der Angemessenheitsgrenze zunächst in einem ersten Schritt die abstrakt an-gemessene Wohnungsgröße bestimmt und sodann im zweiten Schrift festgelegt werden, auf welchen Vergleichsraum abzustellen ist. In einem dritten Schritt ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine Wohnung einfachen Standards aufzuwenden ist (Refe-renzmiete), indem eine Datenerhebung und Datenauswertung durch den kommunalen Trä-ger bzw. das Jobcenter erfolgt (sog. "schlüssiges Konzept"). Diese ersten drei Schritte werden als abstrakte Angemessenheitsprüfung bezeichnet. In einem vierten und letzten Schritt ist zu prüfen, ob für den Leistungsberechtigten eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung verfügbar und zugänglich ist, die sog. konkrete Angemessen-heitsprüfung (vgl. Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 22, Rn. 80 ff.).
Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße richtet sich in Nordrhein-Westfalen nach § 18 des Gesetzes zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG NRW) i.V.m. Ziffer 8.2 der Wohnraumnutzungsbestimmungen (Runder-lasses des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009, Az.: IV.5-619-1665/09 – WNB). Nach diesen Vorschriften ist für drei Personen eine Mietwohnungsgröße bis zu 80 qm vorgesehen. Hiervon geht auch das Konzept 2013 des Beklagten aus (S. 16 des Kon-zepts). Die abstrakt angemessene Bruttokaltmiete pro qm richtet sich nach dem zur Über-zeugung der Kammer schlüssigen Konzept 2013, das die B & L GmbH für den Kreis V er-stellt hat. Sie beträgt für einen 3-Personenhaushalt in I im streitgegenständlichen Zeitraum 5,96 EUR pro qm. Nach der Multiplikation der beiden Werte ergibt sich damit eine maximal angemessene Bruttokaltmiete von 476,80 EUR, welche von den tatsächlich für die Kläger an-fallenden Bedarfen überschritten wird.
Das Konzept 2013 ist schlüssig, da es die Anforderungen, die das BSG zur Aufstellung ei-nes solchen Konzeptes stellt, erfüllt. Danach darf die Datenerhebung ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen, es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung und des Beobach-tungszeitraums, einer Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung, der Repräsentati-vität der einbezogenen Daten, der Validität der Datenerhebung, der Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und Angaben über die gezo-genen Schlüsse (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R).
Als Vergleichsraum bestimmt das Konzept 2013 den gesamten Kreis V; die Datenerhebung erfolgte ausschließlich in diesem Kreis (S. 11 des Konzepts). Beobachtungsgegenstand war der gesamte Wohnungsmarkt, ohne die sog. Substandardwohnungen (d.h. Wohnungen ohne Bad und Sammelheizung – S. 18 des Konzepts). Ausgenommen waren ferner Woh-nungen mit weniger als 35 qm Wohnfläche (S. 17 des Konzepts). Die Datenerhebung er-streckte sich auf Bestands-, Neuvertrags- und Angebotsmieten, wobei als Neuvertragsmie-ten solche Bestandsmieten gelten, bei denen der Mietvertragsschluss innerhalb von neun Monaten vor dem Erhebungsstichtag erfolgte. Erhoben wurden für jede Wohnung insbe-sondere die Gemeinde, Wohnfläche, Grundmiete, Betriebskosten, Heizkosten und – außer bei den Angebotsmieten – das Datum des Mietvertragsschlusses (S. 20 des Konzepts). Die Datenerhebung hinsichtlich der Bestands- und der Neuvertragsmieten erfolgte bei den grö-ßeren Vermietern im Kreis V, bei 5.500 Mietern (wobei die Rücklaufquote ausweislich der Stellungnahme der B & L GmbH vom 19.12.2016 nur bei 7 % lag) sowie aus den Datensät-zen des Beklagten. Die Datenerhebung erfolgte hinsichtlich der Bestands- und Neuver-tragsmieten zum Stichtag 01.08.2011 (S. 20 des Konzepts und S. 1 bis 3 der o.g. Stellung-nahme vom 19.12.2016). Die Angebotsmieten wurden über verschiedene Internetportale, Tagespresse und Homepages von großen Wohnungsanbietern im Kreis V in den Monaten Mai bis Mitte November 2011 erhoben (S. 24 des Konzepts).
Die Datenerhebung ist valide. Insbesondere wurden unvollständige und offensichtlich feh-lerhafte Angaben nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie Dubletten (S. 2 und 6 der o.g. Stel-lungnahme vom 19.12.2016). Auch wurden Freundschaftsmieten, Werkswohnungen, Woh-nungen in Wohn- und Pflegeheimen, gewerbliche Wohnungen, möblierte Wohnungen und Ferienwohnungen durch Filterfragen unberücksichtigt gelassen, da diese nicht für alle Be-völkerungsgruppen gleich zugänglich sind. Die Ausreißer bei den Bestands- und Neuver-tragsmieten außerhalb des Bereichs der 1,96-fachen Standardabweichung wurden im We-ge der Extremwertkappung eliminiert (vgl. hierzu S. 19 bis 26 des Konzepts).
Die so gewonnenen Daten sind repräsentativ, weil sie auf mehr als 10 Prozent des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestands beruhen (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R). Hinsichtlich der Bestands- und Neuvertragsmieten konn-ten 41.250 Datensätze erhoben werden, hinsichtlich der Angebotsmieten 3.215 Datensätze. Dem stehen ungefähr 109.000 zu Wohnzwecken vermietete Wohnungen im Kreisgebiet und 15.000 bis 19.000 jährlich neu abgeschlossene Mietverhältnisse gegenüber (S. 21 und 25 des Konzepts).
Die auf Grundlage der erhobenen Daten gezogenen Schlüsse werden in dem Konzept nachvollziehbar mitgeteilt. Für jede Gemeinde und jede Haushaltsgröße zwischen einer und fünf Personen innerhalb der jeweiligen Gemeinde werden im Sinne einer Kappungsgrenze die angemessene Kaltmiete pro qm und ein Mittelwert der Nebenkosten pro qm ermittelt. Die Summe beider Werte bildet für die jeweilige Gemeinde und die jeweilige Haushaltsgrö-ße die angemessene Bruttokaltmiete (S. 32 f.).
Bei der Datenauswertung wurden anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze einge-halten. Bei der Dublettenprüfung, der Extremwertkappung und der Berechnung von Perzentilen für die Steuerung einer statistischen Verteilung handelt es sich um anerkannte Verfahren zur Datenerhebung und der mathematischen Errechnung daraus resultierender statistischer Werte, um ein Verfälschen der Daten durch zufällig große Abweichungen nach oben oder unten bzw. durch eine doppelte Erfassung der Daten zu verhindern. Bedenken bestehen auch nicht hinsichtlich der Schätzung der konkurrierenden Nachfragergruppen nach Wohnungen im unteren Wohnungssegment (vgl. hierzu ausführlich SG Dortmund, Urteil vom 17.03.2017, Az. S 19 AS 4276/16; SG Duisburg, Urteil vom 19.04.2016, Az. S 48 SO 528/12 – S. 27 bis 31 des Konzepts; S. 8 ff. der Stellungnahme vom 19.12.2016). Dies bestätigt sich auch in der glaubhaften Aussage des Zeugen X, der auch glaubwürdig ist.
Nach alledem ist das Konzept 2013 zur Überzeugung der Kammer schlüssig und der darin ermittelte Wert einer abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete von 5,96 EUR pro qm hier zu-grunde zu legen. Hieran ändert entgegen der Auffassung der Klägerin auch das Alter der Daten, die im Jahr 2011 erhoben wurden, nichts, da insoweit im Januar 2013 die Daten mit-tels einer Indexfortschreibung unter Heranziehung eines Spezialindexes des Verbraucher-preisindexes NRW auf Aktualität überprüft wurden. Da dabei eine Senkung des Mietniveaus festgestellt wurde, verzichtete der Kreis V zugunsten der Leistungsberechtigten auf die Senkung der im Jahr 2011 ermittelten Werte durch die Fortschreibung. Zur Überzeugung der Kammer ist eine solche Indexfortschreibung unter Verwendung eines Teilindexes des Statistischen Landesamtes (IT.NRW) für die Entwicklung der Miet- und Betriebskosten ein-malig nach Ablauf von zwei Jahren in entsprechender Anwendung der §§ 558d BGB, 22c SGB II auch zulässig (so auch LSG NRW, Urteil vom 24.04.2017, Az. L 20 SO 418/14; da-gegen grds. verneinend SG Bayreuth, Urteil vom 27.10.2016, Az. S 4 AS 1092/14; differen-zierter SG Dresden, Urteil vom 08.05.2017, Az. S 20 AS 3514/14). Das im Mai 2013 vorge-legte Konzept 2013 war auch im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum bis einschließ-lich 30.04.2015 wirksam (siehe insoweit die Ausführungen des SG Dortmund im Parallelver-fahren, Urteil vom 25.08.2017, Az. S 58 AS 3150/15).
Damit ergibt sich für die Kläger eine abstrakt angemessene Bruttokaltmiete von maximal 476,80 EUR, die im vorliegenden Fall auch konkret angemessen ist. Die im Rahmen des Kon-zeptes ermittelte abstrakt angemessene Bruttokaltmiete pro qm stellt grds. einen An-scheinsbeweis für die konkrete Angemessenheit, also die konkrete Möglichkeit, eine abs-trakt als angemessen eingestufte Wohnung auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können, dar, die die Leistungsberechtigten durch entsprechenden Vortrag entkräften können (vgl. BSG vom 22.08.2012, Az. B 14 AS 13/12 R). Hier haben die Kläger jedoch vorgetragen, keinerlei Bemühungen zur Kostensenkung unternommen und insbesondere keine kosten-günstigere Wohnung gesucht zu haben. Damit ist dieser Anscheinsbeweis nicht entkräftet worden und die Werte des Konzepts 2013 gelten im Fall der Kläger auch als konkret an-gemessen.
Die Kläger wurden mit Schreiben vom 14.11.2012 unter Fristsetzung zum 31.05.2013 vom Beklagten aufgefordert, ihre Kosten der Unterkunft zu senken. Die in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II vorgesehene maximale Frist von sechs Monaten war damit vor dem hier streitge-genständlichen Zeitraum verstrichen. Soweit der Beklagte die Kläger in der Kostensen-kungsaufforderung auf die Senkung der Unterkunftskosten auf einen Betrag von 388,- EUR Nettokaltmiete zzgl. der tatsächlichen Betriebskosten von 100,- EUR aufgefordert hat und dies nicht auf dem Konzept 2013 beruht, war diese Aufforderung dennoch wirksam. Mit einer Kostensenkungsaufforderung sollen Leistungsberechtigte darauf hingewiesen werden, dass nach Auffassung des Leistungsträgers die Kosten der Unterkunft zu hoch sind und dass diese nach Ablauf der Frist unter den darin genannten Voraussetzungen nicht mehr in der tatsächlichen Höhe übernommen werden. Dieser Warnfunktion ist das Schreiben vom 14.11.2012 hinreichend nachgekommen.
Der Beklagte hat die Kosten der Kläger sodann ordnungsgemäß nicht auf den geringeren Betrag des Konzeptes 2013, sondern auf den sich aus der Kostensenkungsaufforderung ergebenden Betrag gesenkt. Der kopfteilige Bedarf der Klägerin lag damit bei monatlich 162,67 EUR Bruttokaltmiete (488,- EUR / 3 Personen). Diesen hat der Beklagte im streitigen Zeit-raum Januar 2014 bis April 2015 berücksichtigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 Abs. 1 SGG und trägt dem Unterliegen der Kläger Rechnung.
Die Kammer hat die Berufung gemäß §§ 143, 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. So ist die Frage der Zulässigkeit der Indexfort-schreibung – soweit ersichtlich – nicht höchstrichterlich geklärt.
Erstellt am: 21.12.2017
Zuletzt verändert am: 21.12.2017