Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.09.1997 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im zweiten Rechtszug. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den (Rest-) Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld ab 01.08.1996.
Im Anschluß an ein Beschäftigungsverhältnis von August 1989 bis 14.07.1992 und nahtlosen Bezug von Krankengeld bis 03.01.1994 zahlte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab 04.01.1994 für eine Anspruchsdauer von 312 Tagen. Nachdem die Klägerin am 24.03.1994 zu einer stationären Behandlung aufgenommen und fort laufend arbeitsunfähig war, hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld zum 04.05.1994 auf, bewilligte der Klägerin hin gegen im Februar 1995 erneut Arbeitslosengeld für die Restanspruchsdauer vom 05.05.1994 bis zum 02.01.1995 nach Maßgabe des § 105 a Arbeitsförderungsgesetz (AFG).
Mit Bescheid vom 24.02.1995 bewilligte die LVA Westfalen der Klägerin in der Zeit vom 01.07.1994 bis zum 31.07.1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Den von der Beklagten wegen der Gewährung von Arbeitslosengeld in der Zeit vom 01.07.1994 bis zum 02.01.1995 geltend gemachten Erstattungsanspruch für eine Leistung von 159 Tagen erfüllte die LVA Westfalen in voller Höhe.
Den Antrag der Klägerin auf Arbeitslosengeld zum 01.08.1996 lehnte die Beklagte ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Bescheid vom 05.09.1996; Widerspruchsbescheid vom 09.01.1997).
Mit der rechtzeitig erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ab 01.08.1996 stehe ihr noch der Restleistungsanspruch aus dem im Jahre 1994 begründeten Anspruch auf Arbeitslosengeld zu. Dieser Anspruch sei auch noch nicht erfüllt, da die LVA Westfalen den Erstattungsanspruch der Beklagten für die Zeit vom 01.07.1994 bis zum 02.01.1995 erfüllt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 05.09.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.01.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld ab dem 01.08.1996 für eine Leistungsdauer von 159 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat darauf verwiesen, daß sie den ursprünglichen Anspruch der Klägerin erfüllt habe. Eine Rückgängigmachung der Erfüllungswirkung sei trotz der Befriedigung ihres Erstattungsanspruchs nicht möglich.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 22.09.1997 stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Zur Begründung der vom Sozialgericht zugelassenen und fristgerecht eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend: Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld sei in vollem Umfang erfüllt und unter Berücksichtigung der Regelung in § 105 a AFG und § 110 Satz 1 Nr. 1 AFG nicht mehr gegeben. Daran ändere auch die nachträgliche Bewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit nichts. Die Befriedigung des Erstattungsanspruchs nach § 103 Sozialgesetzbuch 10 (SGB X) habe nicht zur Folge, daß der bisherige Leistungsbezug unrechtmäßig geworden sei. Die Erfüllungswirkung sei für die Vergangenheit erhalten geblieben, so daß die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 110 Satz 1 Nr. 1 AFG nicht rückgängig zu machen sei. Soweit das Sozialgericht Parallelen zwischen der Nahtlosigkeitsregelung des § 105 a AFG und der Gleichwohlgewährung nach § 117 Abs. 4 AFG ziehe, könne dem nicht gefolgt werden. Es bestehe ein grundlegender Unterschied zwischen beiden Regelungen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.09.1997 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und verweist zur Begründung darauf, daß die Leistungen der Beklagten aus § 105 a AFG lediglich im Rahmen der Vorleistungspflicht der Beklagten erfolgt seien. Die Auffassung der Beklagten würde dazu führen, daß die Beklagte die ihrerseits erbrachten Leistungen in vollem Umfang im Rahmen der Erstattung zurückerhielte und an dererseits gleichzeitig der Anspruch der Klägerin als erfüllt gelte. Dies hieße, daß trotz Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen der Klägerin der bestehende Anspruch gegenüber der Beklagten genommen würde, während gleichzeitig gegenüber dem Rentenversicherungsträger ebenfalls gemäß § 107 SGB X Erfüllungswirkung eintrete.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der einseitigen mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte die Streitsache im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz der Abwesenheit der Klägerin und ihres Prozeßbevollmächtigten verhandeln und entscheiden, zumal sich der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin ausdrücklich damit einverstanden erklärt hat.
Die jedenfalls kraft Zulassung zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben.
Die Klägerin hat für die Zeit ab 01.08.1996 Anspruch auf Arbeitslosengeld – unter Berücksichtigung der ihr ab 01.08.1996 gewährten Arbeitslosenhilfe – für die Dauer von 159 Tagen. Zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung am 01.08.1996 erfüllte die Klägerin sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 100 Abs. 1 AFG. Sie war arbeitslos, hatte die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt. Auf der Grundlage des ihr ab 04.01.1994 für eine Anspruchsdauer von 312 Tagen gewährten Anspruchs auf Arbeitslosengeld stand ihr noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld von 159 Tagen zu, da das zu dem damaligen Zeitpunkt erworbene Stammrecht trotz der Zahlung der Beklagten von Arbeitslosengeld für die volle Anspruchsdauer noch nicht aufgezehrt war. Zwar sieht § 110 Satz 1 Nr. 1 AFG eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um die Tage vor, für die der Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt worden ist. Diese Erfüllungswirkung ist jedoch unter Berücksichtigung der Regelungen in den §§ 103, 107 SGB X nicht eingetreten. Insbesondere die Regelung in § 107 SGB X berücksichtigt die Beklagte bei ihrer Rechtsauffassung nicht hinreichend. Gemäß § 107 SGB X gilt der Anspruch des Berechtigten, soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gegen dem zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt. Überträgt man dies auf den vorliegenden Sachverhalt, so bedeutet das, daß die Klägerin einerseits einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte, dessen tatbestandliche Voraussetzungen nach Maßgabe der Regelung in § 105 a AFG fingiert wurden. Gleichzeitig bestand aber auch für die Zeit ab 01.07.1994 ein – erst nachträglich zuerkannter – Anspruch auf Rente. Der Rentenanspruch geht allerdings dem Anspruch auf Arbeitslosengeld vor, wie § 118 AFG verdeutlicht, nach dessen Abs. 1 Nr. 3 der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit der Leistungszuerkennung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ruht. Berücksichtigt man dies im Rahmen des § 107 SGB X, so ist zur Leistung verpflichteter Leistungsträger im Sinne des § 107 SGB X ab dem (nachträglich bestimmten) Zeitpunkt der Rentengewährung der Träger der Rentenversicherung, mithin hier die LVA Westfalen gewesen, und nicht die Beklagte. Der gegenüber der LVA Westfalen bestehende Anspruch gilt durch die Zahlung des Arbeitslosengeldes als erfüllt, was wiederum den Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X begründet. Nicht hingegen erfüllt ist der Anspruch der nachrangig verpflichteten Bundesanstalt für Arbeit. Dies übersieht auch der 13. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, auf dessen Entscheidung vom 03.04.1998 – Az.: L 13 AL 26/97 – sich die Beklagte u.a. stützt. Insbesondere trägt diese Entscheidung nicht der Regelung in § 105 a Abs. 3 AFG Rechnung, der ausdrücklich auf die entsprechende Anwendung des § 103 SGB X verweist.
In Übereinstimmung mit dem Landessozialgericht Niedersachsen (Urteil vom 30.10.1997, Az.: L 8 Ar 205/97) ist der Senat auch der Auffassung, daß auch der Rechtsgedanke aus § 117 Abs. 4 Satz 1 AFG unter Berücksichtigung der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (SozR 4100 § 117 Nrn. 16 und 23) das hier vertretene Ergebnis trägt. Das Bundessozialgericht hat zu § 117 Abs. 4 Satz 1 AFG dargelegt, daß es unbillig erscheine, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld um die Tage des Bezugs gemindert bleibt, auch wenn die Beklagte für ihre Aufwendungen Ersatz erlangt. Der Gesetzgeber habe keine Regelungen für diese Fallgestaltung vorgesehen, obwohl die Problematik in Bezug auf die Gleichwohlgewährung seit langem bekannt gewesen sei. Von dem Zeitpunkt an, zu dem der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt in Höhe des Arbeitslosengeldes an die Bundesanstalt zahle, der Arbeitnehmer das empfangene Arbeitslosengeld erstatte oder ein zum Schadensersatz Verpflichteter die Bundesanstalt entschädige, entfalle die eingetretene Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Die diese Entscheidung tragenden Gedanken sind auf die vorliegende Fallgestaltung zu übertragen, weil es sich um eine dem Grunde nach gleiche Problemstellung handelt. Hierfür spricht letztlich auch, daß andernfalls eine Minderung des Arbeitslosengeldanspruchs für die Zeiträume einträte, in denen ein Versicherter das bewilligte und gezahlte Arbeitslosengeld wegen der durchgeführten Erstattung im Ergebnis nicht behalten darf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Mit Rücksicht auf die divergierenden Entscheidungen des 13. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, des erkennenden Senats und des Landessozialgerichts Niedersachsen sowie eine Entscheidung des BSG am 23.07.1998 in der Revisionssache B 11 AL 97/97 R, deren Inhalt aufgrund der Entscheidung des BSG ohne mündliche Verhandlung noch nicht bekannt ist, hat der Senat die Revision zugelassen.
Erstellt am: 14.08.2003
Zuletzt verändert am: 14.08.2003