Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12.07.2013 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen (S 40 AS 1883/13) gegen den Bescheid vom 07.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.07.2013 wird angeordnet. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin und die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft die im Bewilligungsbescheid vom 22.03.2013 bewilligten Leistungen ab 05.07.2013 vorläufig an die Antragstellerin und die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auszuzahlen. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin bezieht gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrem volljährigen Sohn Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 22.03.2013 bewilligte der Antragsgegner der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.03.bis 31.08.2013 ab 01.04.2013 i. H. v. monatlich 1.507,50 Euro.
Am 30.04.2013 erhielt der Antragsgegner Kenntnis davon, dass der Ehemann der Antragstellerin am 21.03.2013 ein Reisegewerbe (Feilbieten von Gebrauchsfahrzeugen, Altmetall (Schrott)) angemeldet hatte. Mit Schreiben vom gleichen Tage stellte der Antragsgegner die Leistungen vorläufig ein (§ 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 331 SGB III) und forderte die Antragstellerin auf, Unterlagen über die Tätigkeit (Anlage EKS hinsichtlich der Monate 03/2013 bis 05/2013 sowie einer Prognose ab 06/2013 sowie lückenlose Kontoauszüge ab 01.03.2013) einzureichen. Am 16.05.2013 überreichte die Antragstellerin eine Anlage abschließender Angaben zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit für den Zeitraum 01.03.2013 bis 31.05.2013 sowie eine Anlage EKS vom 01.06.2013 bis 31.08.2013 und Kontoauszüge für den angeforderten Zeitraum. Die Anlagen waren unterschrieben.
Mit Bescheid vom 07.06.2013 hob der Antragsgegner die Entscheidung vom 22.03.2013 ab 01.06.2013 für die Antragstellerin und die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auf. Die Hilfebedürftigkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 3, 9 SGB II sei nicht durch geeignete Unterlagen nachgewiesen worden. Zwar seien die ausgehändigten Unterlagen beim Jobcenter Herne eingereicht worden, jedoch enthielten die Vordrucke keinerlei Angaben zu den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit und auch keine Gewinnprognose für die Zukunft. Für den Zeitraum 01.06. bis 30.06.2013 stützte der Antragsgegner die Entscheidung auf § 48 Abs. 1 S.2 Nr. 2 SGB X und für den Zeitraum ab 01.07.2013 auf § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X. Aufgrund der Gewerbeanmeldung und der damit verbundenen veränderten Einkommensverhältnisse hätten sich die tatsächlichen Verhältnisse wesentlich geändert, so dass die Bewilligungsentscheidung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben sei.
Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 18.06.2013 Widerspruch ein. Zwar sei es richtig, dass ihr Ehemann bereits am 21.03.2013 eine selbstständige Tätigkeit angemeldet habe und dies mit Verspätung mitgeteilt worden sei. Aufgrund erheblicher Gesundheitsstörungen habe der Ehemann dieses Vorhaben bis heute jedoch nicht umsetzen können, zumal er im bezeichneten Zeitraum mehrere Krankenaufenthalte hinter sich gebracht habe. Auch bei der Vorsprache am 30.04.2013 habe ihr Ehemann mitgeteilt, dass er die angestrebte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht aufgenommen habe und dass er über keinerlei Einkommen verfüge und dass er die Tätigkeit kurzfristig auch nicht aufnehmen könne.
Am 05.07.2013 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Diesen Antrag hat das Sozialgericht Gelsenkirchen mit Beschluss vom 12.07.2013 abgelehnt. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, da die Zweifel an der Hilfebedürftigkeit überwiegen. Es erscheine grundsätzlich möglich, dass die Antragstellerin die im Schreiben vom 30.04.2013 angeforderten Nachweise der Bedürftigkeit mittels entsprechender Belege führe, um damit eine Entscheidung des Antragsgegners zu ermöglichen. Eine Vorlage der geforderten Unterlagen sei bisher nicht erfolgt. Es sei die Vorlage kompletter Kontoauszüge sämtlicher Konten innerhalb eines bestimmten Zeitraumes sowie Belege bzgl. Einkommen und Vermögen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft notwendig. Die Beweislast hierfür treffe die Antragstellerin. Auch der Vortrag der Antragstellerin, dass ihr Ehemann aus gesundheitlichen Gründen das Reisegewerbe nicht angetreten habe, ergebe keine andere Entscheidung. Selbst wenn sich dieser Vortrag als wahr herausstelle, entpflichte dies die Antragstellerin nicht von der Vorlage der Kontoauszüge, welche gleichwohl bei dem Antragsgegner trotz Aufforderung nicht vorgelegt wurden. Etwaige Hinderungsründe seien nicht glaubhaft gemacht worden.
Gegen den am 16.07.2013 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 14.08.2013 Beschwerde eingelegt. Die Entscheidung des Gerichts vermöge sie nicht anzuerkennen. Sie hätten momentan keine finanziellen Mittel zur Verfügung, aus denen sie ihren Lebensunterhalt bestreiten könnten. Ab 01.06.2013 hätten sie ihren Lebensunterhalt lediglich aus finanziellen Zuwendungen der Familie bestritten. Sie seien ihrer Nachweispflicht nachgekommen. Die in dem Beschluss angesprochenen lückenlose Kontoauszüge ab 01.03.2013 habe sie nach der Aufforderung vom 30.04.2013 im Monat Mai 2013 persönlich eingereicht genauso wie die Prognose über die zukünftig zu erwartenden Einnahmen des Ehegatten. Zudem sei aus den beigefügten Unterlagen ersichtlich, dass der Ehemann zurzeit arbeitsunfähig erkrankt sei und kein Einkommen erziele. Zum 03.09.2013 sei das Mietverhältnis fristlos gekündigt worden, da Mietrückstände i. H. v. 6.351,00 Euro bestünden. Zudem hätten die Stadtwerke angekündigt, wegen eines Zahlungsrückstandes i. H. v. 333,00 Euro eine Stromsperre zum 30.09.2013 zu verhängen.
Der Antragsgegner hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Antragsgegner hat am 17.07.2013 einen Widerspruchsbescheid hinsichtlich des Widerspruchs vom 13.06.2013 gegen den Bescheid vom 07.06.2013 erlassen. Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Antragstellerin Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen am 26.07.2013 erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 40 AS 1833/13 geführt wird.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt. Das Gericht hat verkannt, dass es sich vorliegend nicht um einen Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG handelt, sondern um einen Antrag nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG. Hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in den Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Vorliegend hat der Widerspruch der Antragstellerin sowie die am 26.07.2013 erhobene Klage gegen den Aufhebungsbescheid vom 07.06.2013 gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung, da hiermit die Bewilligung vom 22.03.2013 aufgehoben wird. Vor diesem Hintergrund ergibt sich folgender Prüfungsmaßstab:
Bei der Entscheidung über die Anordnung der hat das Gericht eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, die Wirkung des angefochtenen Bescheides (zunächst) zu unterbinden (Aussetzungsinteresse) mit dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin vorzunehmen. Die aufschiebende Wirkung ist anzuordnen, wenn das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse überwiegt. Dabei richtet sich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in erster Linie nach dem Grad der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Eingriffsbescheides und den daraus folgenden Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 86b Rn 12a ff). Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in der vorliegenden Fallgestaltung ein Regel-/Ausnahmeverhältnis angeordnet hat. In der Regel überwiegt das Vollzugsinteresse des Antragsgegners, da der Gesetzgeber die aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen ausgeschlossen hat (vgl. BSG Beschluss vom 29.08.2011 – B 6 KA 18/11 R = juris Rn 12).
Die im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzverfahrens durchzuführende Interessenabwägung fällt hier zu Gunsten der Antragstellerin und der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aus. Denn der Aufhebungsbescheid vom 07.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.07.2013 dürfte nach summarischer Prüfung rechtswidrig sein. Eine Änderung der wesentlichen Verhältnisse zu der Bewilligung vom 22.03.2013, insbesondere der Einkommensverhältnisse, dürfte nicht vorliegen. Zwar hat der Ehemann der Antragstellerin am 21.03.2013 ein Reisegewerbe angemeldet. Allein aus dem Umstand der Anmeldung ergibt sich jedoch nicht, dass aus diesem Gewerbe tatsächlich Gewinne oder Verluste erwirtschaftet werden. Entscheidend ist vielmehr, wann die Tätigkeit tatsächlich aufgenommen wird. Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts hat die Antragstellerin auch die im Schreiben vom 30.04.2013 geforderten Unterlagen ausgefüllt vorgelegt. Die Angaben zu den Einkommen sind unterschrieben worden, auch liegen Kontoauszüge ab 01.03.2013 vor. Aus diesen unterschriebenen Anlagen ist erkennbar, dass der Ehemann der Antragstellerin aus dem Gewerbe bisher weder Einnahmen noch Ausgaben zu verzeichnen hat. Insoweit spricht viel dafür, dass er die Tätigkeit gerade nicht aufgenommen hat. Dies hat der Ehemann der Antragstellerin eben damit begründet, dass er aus gesundheitlichen Gründen hierzu nicht in der Lage gewesen sei. Der Antragsgegner hat weder im Verwaltungsverfahren noch in den gerichtlichen Verfahren bisher vorgetragen, weshalb konkrete Zweifel daran bestehen, dass der Ehemann der Antragstellerin tatsächlich keine Einkünfte aus der Tätigkeit erzielt. Allein der Umstand, dass der Sohn der Antragstellerin und auch der Ehemann in der Vergangenheit ähnliche Gewerbe ausgeübt hätten und dies nicht angezeigt haben, kann nicht dazu führen, dass die Nachweispflichten an die Antragstellerin derart erhöht wird. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass, sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass der Ehemann der Antragstellerin doch Einkünfte aus dem Gewerbe erzielt hat, er sich strafbar gemacht hätte.
Leistungen für den Zeitraum ab 01.09.2013 waren vom Senat nicht zuzusprechen, da bisher ist nicht ersichtlich ist, ob die Antragstellerin nach Ablauf des Bewilligungszeitraums zum 31.08.2013 einen neuen Antrag beim Antragsgegner gestellt hat. Dieser wäre aber erforderlich, um die Leistungen über den 31.08.2013 überhaupt zu bewilligen. Insoweit steht der Antragstellerin ein einfacherer Weg zur Verfügung, Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, als diese über gerichtliche Hilfe zu erlangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 26.09.2013
Zuletzt verändert am: 26.09.2013