Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 11.06.2015 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellerinnen für die Zeit vom 13.05.2015 bis zum 30.11.2015, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen. Den Antragstellerinnen wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin U, L, bewilligt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat die Kosten der Antragstellerinnen in beiden Rechtszügen zu erstatten. Den Antragstellerinnen wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin U, L, bewilligt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerinnen begehren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes und Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren.
Die am 00.00.1994 geborene Antragstellerin zu 1) ist bulgarische Staatsangehörige und Mutter der am 00.00.2013 geborenen Antragstellerin zu 2) und der am 00.00.2014 geborenen Antragstellerin zu 3), die ebenfalls bulgarische Staatsangehörige sind. Die Antragstellerin zu 1) ist schwanger, errechneter Entbindungstermin ist der 30.09.2015. Vater der Kinder ist der bulgarische Staatsangehörige J. Die Antragstellerin zu 1) ist nach eigenen Angaben mit Herrn J "nach Roma-Sitte" verheiratet und hält sich bei den Eltern von Herrn J (den Großeltern der Antragstellerinnen zu 2) und 3)) auf, die in einer Flüchtlingsunterkunft leben. Die Großeltern erhalten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Nach Angaben des Antragsgegners lebt Herr J auch im Haushalt seiner Eltern, er bezog bis zum 28.02.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, sein derzeitiges Einkommen sei unbekannt, weshalb die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerinnen zweifelhaft sei.
Die Antragstellerin zu 1) reiste im Oktober 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 27.11.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Gegen die Ablehnungentscheidung ist beim Senat ein Berufungsverfahren anhängig (L 7 AS 443/15).
Infolge eines Eilbeschlusses des Sozialgerichts Köln vom 21.02.2013 (S 37 AS 351/13 ER) zahlte der Antragsgegner den Antragstellerinnen zunächst bis zum 31.12.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Einen Fortzahlungsantrag vom 17.11.2014 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 30.12.2014 ab. Es bestehe kein Anspruch auf Leistungen, da sich das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 1) allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Dagegen erhoben die Antragstellerinnen am 06.01.2015 Widerspruch. Bis einschließlich Februar 2015 zahlte der Antragsgegner Arbeitslosengeld II "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht". Danach stellte er die Zahlungen ein.
Am 13.05.2015 haben die Antragstellerinnen beim Sozialgericht Köln beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu zahlen. Sie haben eine eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin zu 1) vorgelegt, wonach sie obdachlos gemeldet sei und daher kein Kindergeld oder Elterngeld erhalte. Die Antragstellerinnen hielten sich bei den Großeltern in einer Flüchtlingsunterkunft auf. Die Großeltern bezögen "Geld vom Jobcenter", und hätten sie zuletzt unterstützt. Dies ginge jetzt aber nicht mehr. Ihr Mann erhalte kein Geld vom Jobcenter mehr und suche nach Kräften, aber bislang erfolglos, Arbeit.
Der Antragsgegner hält die Hilfebedürftigkeit für zweifelhaft und beruft sich auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerinnen mit Herrn J zusammenleben. Wovon dieser seit März 2015 lebe, sei unklar.
Mit Beschluss vom 11.06.2015 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Begründung der Entscheidung wird verwiesen.
Gegen den am 11.06.2015 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde vom 23.06.2015. Den Antragstellerinnen seien jedenfalls im Wege der Folgenabwägung Leistungen zuzusprechen. Hilfsweise sei die Stadt L als Sozialhilfeträger beizuladen und zur Leistungsgewährung zu verpflichten.
II.
Die zulässige Beschwerde ist im Hinblick auf Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht insoweit den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Soweit die Beschwerde Leistungen für Unterkunft und Heizung betrifft, ist sie unbegründet.
Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art. 19 Abs. 4 GG, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es – wie hier – im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht (vgl. Beschlüsse des Senats vom 22.01.2015 – L 7 AS 2162/14 und vom 10.09.2014 – L 7 AS 1385/14 B ER). Ist eine abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist im Wege der Folgenabwägung zu entscheiden, in die insbesondere die grundrechtlich relevanten Belange des Antragstellers einzustellen sind (BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 und 06.02.2013 – 1 BvR 2366/12; Beschlüsse des Senats vom 04.05.2015 – L 7 AS 139/15 B ER und vom 11.07.2014 – L 7 AS 1035/14 B ER).
Die Folgenabwägung führt zu einem Leistungsausspruch zugunsten der Antragstellerinnen im tenorierten Umfang:
Die Antragstellerinnen haben einen Anordnungsanspruch für den Anspruch auf den Regelbedarf glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin zu 1) erfüllt die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, ist erwerbsfähig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Die Antragstellerinnen zu 2) und 3) bilden mit der Antragstellerin zu 1) gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft und haben gem. § 7 ASatz 1 SGB II damit grundsätzlich einen Leistungsanspruch. Verbleibenden – durchaus nachvollziehbaren – Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit (§§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II) der Antragstellerinnen angesichts der unklaren Einkommensverhältnisse des Herrn J ist im Hauptsacheverfahren nachzugehen. Sie sind nicht so gravierend, dass sie einer Folgenabwägung zugunsten der Antragstellerinnen entgegenstehen.
Der Leistungsanspruch der Antragsteller entfällt nicht aufgrund der Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, wonach Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben.
Angesichts der Lebensumstände der Antragstellerin mit zwei Kleinkindern und einer bestehenden Schwangerschaft mit Entbindung voraussichtlich im September 2015, jeglicher fehlender Berufserfahrung, wohl nur geringen deutschen Sprachkenntnissen und (wenn überhaupt) jedenfalls erfolgloser Arbeitsuche in Deutschland seit Oktober 2012 dürfte die Antragstellerin zu 1) nicht als Arbeitsuchende i.S.d. § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II anzusehen sein.
Dem Antragsgegner und dem Sozialgericht ist zuzugestehen, dass der EuGH mit Urteil vom 11.11.2014 (C-333/13 – "Dano") entschieden hat, dass ein Leistungsausschluss für wirtschaftlich inaktive Unionsbürger, die eingereist sind, um Sozialleistungen zu beziehen, ohne Arbeit zu suchen, mit europäischem Gemeinschaftsrecht, insbesondere Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) vereinbar ist.
Hieraus ist jedoch nicht zu schließen, dass ein Leistungsanspruch der Antragstellerinnen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach Folgenabwägung ausscheidet:
Der 19. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen hat für eine vergleichbare Fallgestaltung – keine erfolgsversprechende Arbeitsuche – mit Urteil vom 10.10.2013 (L 19 AS 129/13) ausgeführt:
"Der Aufenthaltszweck der Arbeitsuche stellt keinen Auffangstatbestand dar, der zur Anwendung gelangt, wenn ein anderer Zweck nicht feststellbar ist (vgl. Dienelt, a.a.O., § 2 FreizügG/EU Rn 59, Hessisches LSG Beschluss vom 30.09.2010 – L 6 AS 433/13 B ER). Es handelt sich bei den Klägern um EU-Bürger ohne Aufenthaltsgrund bzw. ohne materielles Aufenthaltsrecht (zu dieser Personengruppe vgl. auch BVerwG Urteil vom 31.05.2012 – 10 C 8/12;VG Dresden Beschluss vom 01.08.2013 – 3 L 300/13). Auf EU-Bürger ohne materielles Aufenthaltsrecht findet der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II keine Anwendung. aa) Der Wortlaut der Vorschrift stellt nur auf das Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ab (Hessisches LSG Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 25.03.2013 – L 31 AS 362/13 B ER; Kingreen, SGb 2013, 132 ff.; zum im Wortlaut identischen Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 SGB XII Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 23, Rn. 54d). bb) Die Vorschrift kann nicht erweiternd dahingehend ausgelegt werden, dass der Leistungsausschluss bei EU-Bürgern, deren Aufenthaltsrecht allein auf Arbeitsuche beruht, "erst recht" für EU-Bürger ohne materielles Aufenthaltsrecht gilt (ebenso Hessisches LSG Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER, Rn. 24, LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 25.03.2013 – L 31 AS 362//13 B ER; Kingreen SGb 2013 S. 132, 134; für das SGB XII LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 23.07.2008 – L 7 AS 3031/08 ER-B, Rn. 17; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 27.11.2008 – L 8 SO 173/08 ER, Rn. 16; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 23, Rn. 54d; a.A. LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 19.07.2012 – L 12 AS 511/11; Hessisches LSG Beschluss vom 14.10.2009 – L 7 AS 166/09 B ER; SG Leipzig Vorlagebeschluss vom 03.06.2013 – S 17 AS 2198/12, Rn. 58). Gegen eine erweiternde Auslegung bzw. analoge Anwendung spricht schon der Ausnahmecharakter des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (zum Gebot, Ausnahmevorschriften jedenfalls nur in engen Grenzen analog anzuwenden vergl. BSG Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 32/12 R) unter besonderer Gewichtung der verfassungsrechtlichen Garantie der Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II stellt den leistungsrechtlichen Grundsatz auf, wonach Personen innerhalb der Altersgrenzen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben sowie erwerbsfähig und hilfebedürftig sind, grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben. Dieser Grundsatz entspricht der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums (hierzu BVerfG Urteile vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 und 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11). Der Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG umfasst bei Ausländern die Sicherstellung des Existenzminimums auch bei kurzer Aufenthaltsdauer oder kurzer Aufenthaltsperspektive in Deutschland in jedem Fall und zu jeder Zeit (vgl. hierzu BVerfG Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, Rn 90 f, 120). Die Leistungsausschlüsse des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 3 SGB II sind ausdrücklich als Ausnahmen von diesem Grundsatz konzipiert ("ausgenommen sind."). Ausnahmeregelungen sind insbesondere dann eng auszulegen, wenn sie bestimmte Personengruppen von verfassungsrechtlich geschuldeten Mindeststandards ausschließen (so ausdrücklich BSG Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R Rn. 26; zustimmend Janda ZFSH/SGB 2013, 453 f.). Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass der Betroffene sich dem Leistungsausschluss entziehen und in das Sicherungssystem seines Heimatlandes begeben kann, indem er ausreist. Dies darf nicht verlangt werden, denn Unionsbürger sind erst dann zur Ausreise verpflichtet, wenn der Verlust ihres Freizügigkeitsrechts durch die Ausländerbehörde festgestellt worden ist (BSG Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R, Rn. 20). Auch nach der Rechtsprechung des BSG ist § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II als Regelung, die von existenzsichernden Leistungen ausschließt, eng auszulegen in dem Sinne, dass ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik allein zur Arbeitsuche positiv festzustellen ist, bevor der Leistungsausschluss angewendet werden kann (BSG Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R, Rn. 26 m.w.N.). Unabhängig von diesem Gesichtspunkt liegen die Voraussetzungen für einen methodisch zulässigen "erst-recht" – Schluss nicht vor. Richterliche Rechtsfortbildung mittels eines "erst recht" – Schlusses (argumentum a majore ad minus), der mit der Analogie nahe verwandt ist (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991 S. 390), setzt – ebenso wie diese – voraus, dass die Norm, deren Anwendungsbereich ausgedehnt werden soll, analogiefähig ist. Dies erfordert, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt dem geregelten Sachverhalt vergleichbar ist. Eine planwidrige Regelungslücke liegt dabei nur vor, wenn das Gesetz nach der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht für eine bestimmte Fallgestaltung eine Regelung hätte erwarten lassen, diese jedoch unbeabsichtigt nicht erfolgt ist. Weiter muss der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem geregelten Tatbestand vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber hätte bei einer Interessenabwägung unter Beibehaltung der bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift beachteten Grundsätze eine identische Regelung gewählt. Denn Analogie und "erst recht" Schluss beruhen gleichermaßen auf der Forderung normativer Gerechtigkeit, Gleichartiges gleich zu behandeln (BSG Urteil vom 25.08.2011 – B 11 AL 30/10 R m.w.N.). Beide Voraussetzungen sind hier nicht gewahrt. Aus den Gesetzesmaterialien zur Einführung von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ergibt sich eine unbeabsichtigte Regelungslücke nicht. Die Vorschrift wurde eingefügt durch Art. 1 Nr. 2a des Gesetzes zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze (SGB II-ÄndG) vom 24.03.2006 (BGBl. I 558 ff.) in der Absicht, die Option des Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4 der Freizügigkeitsrichtlinie zu nutzen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum SGB II-ÄndG; BT-Drs. 16/688 S. 13). Art. 24 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie erlaubt die Einschränkung der Verpflichtung des Aufnahmemitgliedstaates zur Gewährung von Sozialhilfe während der ersten drei Monate eines Aufenthaltes sowie dann, wenn wegen nachgewiesener Arbeitsuche bei begründeter Einstellungsaussicht (Art. 14 Abs. 4 b der Freizügigkeitsrichtlinie) noch Ausweisungsschutz besteht. Dementsprechend sollten durch Einführung von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II diejenigen, die ihr Freizügigkeitsrecht über drei Monate hinaus in Anspruch nehmen, nicht nur von Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII, sondern auch von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen werden (zu diesem Gesetzeszweck auch BSG Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R Rn. 25; Hessisches LSG Beschluss vom 14.10.2009 – L 7 AS 166/09 B ER Rn. 21). Der Gesetzgeber hat damit nur eine Regelung für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger treffen wollen, ohne andere Personengruppen versehentlich nicht einbezogen zu haben. Auch unterscheiden sich Unionsbürger ohne Aufenthaltsgrund wesentlich von den vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II betroffenen Personen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, so dass der insoweit zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht gerade nicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat (Unionsbürger mit Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche), dass angenommen werden muss, er wäre bei einer Interessenabwägung zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Personen, die sich allein zum Zweck der Arbeitsuche in einem anderen Unionsstaat aufhalten, müssen nach dem europäischen Gemeinschaftsrecht – nach Ablauf einer dreimonatigen Frist eines voraussetzungslosen Aufenthaltes – grundsätzlich über ausreichende Existenzmittel und Krankenversicherungsschutz verfügen (vgl. EuGH Urteil vom 19.09.2013 C-140/12 – Rechtssache Brey, Rn. 53 ff.). Nach Art. 7 Abs. 1 der Freizügigkeitsrichtlinie hat jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist (a) oder für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen (b). Dieses Aufenthaltsrecht steht gem. Art. 14 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen (nur) zu, solange sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Arbeitsuchende sind keine Arbeitnehmer i.S.d. Art. 7 Abs. 1 a der Freizügigkeitsrichtlinie. Zwar umfasst die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 Abs. 3 AEUV auch das Recht, sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben und sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen. Dennoch ist der Stellensuchende (noch) kein Arbeitnehmer (EuGH Urteile vom 18.06.1987 – C-316/85 – Rechtssache Lebon und 21.12.2011 – C-424/10, C-425/10 zur Inanspruchnahme sozialer Vergünstigungen durch Arbeitsuchende; ebenso Khan in Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, 5. Aufl., Art. 45, Rn. 24). Dies verdeutlicht auch die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern oder Selbstständigen einerseits und Arbeitsuchenden andererseits im Erwägungsgrund 21 der Freizügigkeitsrichtlinie. Das Gemeinschaftsrecht geht damit grundsätzlich davon aus, dass Personen, die sich über einen längeren Zeitraum zur Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten wollen, über ausreichende Existenzmittel und Krankenversicherungsschutz verfügen und deshalb das soziale Sicherungssystem des Aufnahmestaates nicht in Anspruch nehmen müssen. Dieses Erfordernis soll verhindern, dass die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates unangemessen in Anspruch genommen werden (vgl. auch den Erwägungsgrund 10 der Freizügigkeitsrichtlinie). Mit diesen Regelungen setzt die Freizügigkeitsrichtlinie den Vorschlag der Kommission vom 23.05.2001 um, wonach es für Erwerbstätige zur Ausübung der Freizügigkeit nur eine Voraussetzung – die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit – geben und für Nichterwerbstätige die Voraussetzung der ausreichenden Existenzmittel und einer Krankenversicherung während der ersten vier Jahre des Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat beibehalten bleiben solle, damit die Betreffenden nicht zu einer unangemessen hohen finanziellen Belastung für den Aufnahmemitgliedstaat werden (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten vom 23.05.2001 – Kom (2001) 257 2001/0111 (COD)). Allerdings begründet das Gemeinschaftsrecht für Unionsbürger, die – wie der Kläger zu 1) – in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates eingereist sind, um Arbeit zu suchen, einen Ausweisungsschutz. Um diesen in Anspruch nehmen zu können, müssen die Unionsbürger – sofern nicht von der Arbeitsuche unabhängige Aufenthaltsgründe bestehen – nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden (Art. 14 Abs. 4b der Freizügigkeitsrichtlinie; vgl. hierzu VG München Urteil vom 02.08.2012 – M 12 K 12.1882, M 12 S). Diese Regelung setzt auch das FreizügG/EU um, wenn es in § 2 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 zwischen Unionsbürgern, die sich zur Arbeitsuche im Bundesgebiet aufhalten wollen einerseits und nicht erwerbstätigen Unionsbürgern andererseits unterscheidet und nur für die letztgenannte Personengruppe durch die Verweisung in § 2 Abs. 2 Nr. 5 auf § 4 ausreichende Existenzmittel und ausreichenden Krankenversicherungsschutz fordert. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II betrifft also Unionsbürger, die entweder selbst über ausreichende Existenzmittel und ausreichenden Krankenversicherungsschutz verfügen (und ist insoweit unproblematisch) oder die wenigstens die begründete Aussicht haben, in absehbarer Zeit eingestellt zu werden. Beide für die Bewertung des sozialen Sicherungsbedürfnisses relevanten Gesichtspunkte treffen auf die Kläger nicht zu, weshalb auf die gegen die Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses mit europäischem Gemeinschaftsrecht erhobenen Bedenken hier nicht einzugehen ist (zur Frage der europarechtlichen Zulässigkeit vgl. BSG Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R, Rn. 26, Hessisches LSG Urteil vom 20.09.2013 – L 7 AS 474/13; Bayerisches LSG Urteil vom 19.06.2013 – L 16 AS 847/12, SG Leipzig Vorlagebeschluss vom 03.06.2013 – S 17 AS 2198/12, siehe aber auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2012 – L 3 AS 1477/11). Offen bleiben kann vor diesem Hintergrund auch, ob die Kläger als im streitbefangenen Zeitraum wirtschaftliche inaktive Unionsbürger aufgrund tatsächlicher Bindungen nach Deutschland als Aufenthaltsstaat aus primärem Gemeinschaftsrecht (Art. 18, 20, 21 AEUV) einen Teilhabeanspruch auf existenzsichernde Leistungen der sozialen Sicherheit ableiten können (hierzu Janda ZFSH/SGB 2013, 453 ff., 455; Hofmann/Kummer ZESAR 2013, 199 ff.)."
Diese Entscheidung ist in der Rechtsprechung der Obergerichte ebenso auf Zustimmung wie auch auf Ablehnung gestoßen (vergl. u.a. zustimmend LSG Thüringen, Beschluss vom 25.04.2014 – L 4 AS 306/14 B ER; LSG Hessen, Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 378/12; ablehnend LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.01.2014 – L 13 AS 266/13 B ER). In einem weiteren Urteil vom 05.05.2014 (L 19 AS 430/13) hat der 19. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen diese Grundsätze bestätigt. Gegen beide Entscheidungen sind Revisionsverfahren vor dem BSG anhängig (B 14 AS 64/13 R und B 14 AS 33/14 R).
Unabhängig von der Frage, ob der Senat sich der Auslegung des 19. Senats in vollem Umfang anschließt, verdeutlichen diese Rechtsprechung und der Umstand der Anhängigkeit von zwei Revisionsverfahren, dass die Rechtslage keinesfalls geklärt ist und auch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Dano – insoweit entgegen der Auffassung des Sozialgerichts – noch nicht zu einer abschließenden Klärung der Rechtslage mit Verneinung eines Leistungsanspruchs geführt hat (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.04.2015 – L 19 AS 42/15 B ER, L 19 AS 43/15 B).
Für den Fall, dass eine Rechtsfrage offen ist, weil ein Revisionsverfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung beim BSG anhängig ist, können Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II zugesprochen werden. Dies folgt aus der Regelung des §§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, 328 Abs. 1 Nr 2 SGB III, wonach über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entschieden wird, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Gegenstand eines Verfahrens vor dem BSG ist (im Ergebnis ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.02.2015 – L 6 AS 127/15 B ER).
Vor diesem Hintergrund konnte der Senat offen lassen, ob die Antragstellerinnen zu 2) und 3) auch als Familienangehörige ihrer Großeltern (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU) freizügigkeitsberechtigt sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU) und wie sich dieser Umstand ggfs. auf einen Leistungsanspruch der Antragstellerin zu 1) auswirkt (vergl. in diesem Zusammenhang Beschluss des Senats vom 15.04.2015 – L 7 AS 428/15 B ER).
Bei der gebotenen Folgenabwägung sind zugunsten der Antragstellerinnen die besondere Bedeutung der beantragten Leistungen für die Antragstellerinnen gegen das fiskalische Interesse des Antragsgegners, die vorläufig erbrachten Leistungen im Falle des Obsiegens in der Hauptsache möglicherweise nicht zurück zu erhalten, abzuwägen. Vorliegend tritt das Interesse des Antragsgegners hinter das Interesse der Antragstellerinnen zurück. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dienen der Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Ohne die beantragten Leistungen drohen den Antragstellerinnen existentielle Nachteile, welche sie aus eigener Kraft nicht abwenden können. Der Lebensunterhalt und der Krankenversicherungsschutz der schwangeren Antragstellerin zu 1) und der beiden Kleinkinder sind nicht gesichert. Der Antragsgegner hingegen hat allein finanzielle Nachteile durch die vorläufige Auszahlung der Leistungen. Daher kann den Antragstellerinnen im Lichte des in Art. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Gebots des effektiven Rechtsschutzes und der Menschenwürde nicht zugemutet werden, ohne jede staatliche Existenzsicherung eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (vgl. auch Beschlüsse des Senats vom 22.01.2015 – L 7 AS 2162/14 und vom 08.09.2014 – L 7 AS 1231/14 B mit Verweis auf Beschluss vom 03.04.2013 – L 7 AS 2403/12 B und Beschluss vom 28.04.2014 – L 7 AS 550/14 B ER).
Leistungen für Unterkunft und Heizung stehen den Antragstellerinnen indes nicht zu. Zwar hat der Senat die vormals vertretene Auffassung aufgegeben, ein Anordnungsgrund liege erst vor, wenn Wohnungslosigkeit bzw. Obdachlosigkeit drohen (Beschluss des Senats vom 04.05.2015 – L 7 AS 139/15 B ER). Jedoch haben die Antragstellerinnen das Entstehen von Unterkunftskosten und damit einen abzudeckenden Bedarf nicht einmal dargelegt. Sie wohnen nach eigenen Angaben mietfrei bei den Großeltern in einer Flüchtlingsunterkunft. Das Entstehen von Aufwendungen und damit ein Anordnungsanspruch sind nicht glaubhaft gemacht.
Die Festsetzung des einstweiligen Leistungszeitraums orientiert sich an § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Eine evtl. geringfügige Zuvielforderung von Unterkunftskosten hat der Senat unberücksichtigt gelassen, da der Rechtsstreit insgesamt vom Antragsgegner veranlasst worden ist und die evtl. Zuvielforderung keine besonderen Kosten verursacht hat.
Die Antragstellerinnen sind nicht in der Lage, die Kosten der Rechtsverfolgung zu tragen. Prozesskostenhilfe steht daher für beide Instanzen zu (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 ff ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 05.08.2015
Zuletzt verändert am: 05.08.2015