I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Löschung von Sozialdaten gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) streitig.
Der am 1955 geborene Kläger stellte bei der Beklagten am 31.03.2005 erstmals einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Hierbei gab er an, bei Frau A.B. im G. Weg in B. zur Untermiete zu wohnen. Zwischen ihm und Frau A.B. bestehe nur ein freundschaftliches Verhältnis. Aufgrund seiner schlechten finanziellen Lage habe er sich auf anderem Weg eine Wohnung nicht leisten können. Zu der Miethöhe gab er an, dass er an Frau B. monatlich eine Kaltmiete in Höhe von 280,00 EUR, eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 20,00 EUR, Heizkosten in Höhe von 30,00 EUR und einen Zuschlag für die Möbilierung in Höhe von 20,00 EUR zu entrichten habe.
Aus dem vom Kläger vorgelegten Hauptmietvertrag ergab sich sodann, dass dieser sowohl von dem Kläger als auch Frau B. unterschrieben worden war. Auch konnten keine Mietzahlungen des Klägers an Frau B. anhand der vorgelegten Kontoauszüge festgestellt werden. Zusätzliche Zweifel an den Angaben des Klägers ergaben sich für die Beklagte aus der Tatsache, dass das bisherige Einkommen des Klägers bereits von Anfang an nicht ausreichte, um den Bedarf (Regelleistung und Miete) selbständig bestreiten zu können. Die Beklagte ordnete daher am 15.04.2005 einen Außendienst an. Diesen führte die Beklagte am 02.06.2005 durch. Hierbei stellte der beauftragte Sachbearbeiter fest, dass an dem Einfamilienhaus im G. Weg in B. sowohl für den Kläger als auch für Frau B. eine extra Klingel angebracht worden war. Weiter wurde ein separater Wohnbereich des Klägers im Keller des Hauses festgestellt. Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen von Frau B …
Am 27.02.2006 ging bei der Beklagten ein Fortzahlungsantrag des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ein. Diesmal gab er an, eine Kaltmiete in Höhe von 280,00 EUR zuzüglich lediglich einer Vorauszahlung für Heizkosten in Höhe von 70,00 EUR an Frau B. monatlich zu bezahlen. Aus den vorgelegten Kontoauszügen waren wiederum keine Mietzahlungen an Frau B. erkennbar. Am 09.03.2006 wandte sich die Beklagte an die Vermieter des Einfamilienhauses Herrn und Frau D. und bat um Angaben zum Zustandekommen des Mietvertrags im Juli 2004 sowie zur Abwicklung des Mietverhältnisses insgesamt. Hierauf antwortete das Ehepaar mit Schreiben vom 09.03.2006. Dieses ist auf Blatt 122 der Verwaltungsakte abgeheftet. Herr und Frau D. stellten sich dabei ausdrücklich als Zeugen zur Verfügung. Gleichzeitig regten sie an, die Nachbarschaft zu einer eheähnlichen Gemeinschaft des Klägers und Frau B. zu befragen. Daraufhin befragte die Beklagte Frau M. telefonisch. Diese machte jedoch keine Angaben.
Am 19.09.2006 stellte der Kläger nach erneuter Arbeitslosigkeit bei der Beklagten einen Neuantrag auf Arbeitslosengeld II. Daraufhin forderte die Beklagte von dem Kläger u. a. Nachweise über Mietzahlungen an Frau B. sowie Einkommens- und Vermögensnachweise aller Haushaltsangehörigen an. Nachdem diese angeforderten Unterlagen bei der Beklagten nicht eingingen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.11.2006 den Antrag des Klägers für die Zeit ab 01.11.2006 ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch bei der Beklagten ein. Am 27.11.2006 führte die Beklagte sodann nochmals einen Außendienst bei dem Kläger durch. Hierbei wurde festgestellt, dass an der unteren "normalen" Klingel des Hauses neben dem Namen von Frau B. auch der Name des Klägers angebracht worden war. Auch die zusätzlich angebrachte Klingel war noch vorhanden, das dazugehörende Namensschild war jedoch leer. Im Untergeschoss befand sich jetzt das Zimmer des erwachsenen Sohnes von Frau B … Der Kläger gab an, dass er mittlerweile innerhalb des Hauses umgezogen sei. Sein Zimmer läge jetzt im Obergeschoss. Im Obergeschoss fand die Beklagte auch ein Ankleidezimmer vor, in dem Kleidungen von Frau B. und vom Kläger aufbewahrt wurden.
Am 09.01.2007 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Augsburg sowohl Klage erhoben als auch einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Neben einem Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat der Kläger hierbei beantragt, der Beklagten zu untersagen, alle Informationen, die sie durch unerlaubte Handlungen erhalten oder erstellt habe, gegen den Antragsteller zu verwenden sowie die Beklagte zu verurteilen, sämtliche Unterlagen, die sie durch unerlaubte Handlung erstellt oder erworben habe, endgültig zu vernichten, ebenso die Beklagte zu verurteilen, sämtliche Unterlagen, die sie durch unerlaubte Handlung erstellt und erworben habe und die als elektronische Daten oder elektronische Dokumente vorliegen oder abgespeichert seien, zu löschen und endgültig zu vernichten. Zur Klagebegründung hat er vorgetragen, dass ihm bestätigt worden sei, dass unerlaubte Anhörungen Dritter, Nachbarn und Vermieter erfolgt seien. Dies sei ohne seine Genehmigung erfolgt. Deshalb habe die Beklagte widerrechtlich Informationen von Dritten eingeholt, gleichgültig, ob die Informationen Wahrheitsgehalt enthielten oder nicht. Dadurch seien seine Persönlichkeitsrechte verletzt worden. Die Beklagte dürfe ohne sein Einverständnis und ohne sein Wissen nicht bei Nachbarn, Freunden, Vermietern usw. Ermittlungen anstellen, ob er in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebe. Insoweit werde auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.11.2005 – S 35 AS 343/05 ER – verwiesen. Weiter werde auf die Art. 1, 2 und 12 des Bayer. Datenschutzgesetzes hingewiesen.
In der mündlichen Verhandlung vom 13.02.2007 beantragt der Kläger,
das Schreiben des ehemaligen Vermieters D. auf Blatt 122 der Verwaltungsakte zu vernichten und alle weiteren daraus erstellten elektronischen Dokumente zu löschen ebenso wie die Anfrage bei Frau M …
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Da es sich um eine echte Leistungsklage handelt, war die Klage an keine Klagefrist gebunden und es musste auch kein Vorverfahren durchgeführt werden.
Die Klage ist jedoch unbegründet, da der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Löschung bzw. Vernichtung des Schreibens seines ehemaligen Vermieters an die Beklagte hat ebenso wenig auf Löschung der Anfrage bei Frau M …
Die Voraussetzungen der hier in Betracht kommenden Rechtsgrundlage aus § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB X sind nämlich nicht erfüllt. Entgegen der Ansicht des Klägers sind zur Beurteilung des Rechtsstreits nicht die Bestimmungen des Bayer. Datenschutzgesetzes heranzuziehen. Der Schutz der Sozialdaten, um den es hier geht, ist nunmehr seit dem 01.07.1994 umfassend im SGB X selbst geregelt. Die allgemeinen Datenschutzgesetze haben daher beim Schutz der Sozialdaten grundsätzlich keine Bedeutung mehr. Diese veränderte Konzeption hat sich im Interesse der Betroffenen und Anwender durchgesetzt, weil alles, was den Schutz der Sozialdaten anbelangt, im besonderen Verwaltungsverfahrensrecht des SGB X enthalten sein soll. Dies dient der Transparenz der Regelungen zum Datenschutz und ermöglicht zugleich eine bessere Berücksichtigung der Besonderheiten des Sozialleistungsbereiches. Die im SGB X enthaltenen Regelungen zum Sozialdatenschutz (§§ 67 ff. SGB X) werden sodann ergänzt durch bereichsspezifische Datenschutzregelungen in den einzelnen Büchern des Sozialgesetzbuches. Für die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erfolgte durch den Gesetzgeber eine bereichsspezifische Regelung des Datenschutzes durch die §§ 50 ff. SGB II. Diese haben als spezialgesetzliche Regelung Vorrang vor den allgemeinen Regelungen des Datenschutzes im SGB X, die übergreifend für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuches gelten. Da sich jedoch im SGB II für den vom Kläger geltend gemachten Rechtsanspruch keine Regelung befindet, insbesondere der § 51 b SGB II lediglich die Datenerhebung und -verarbeitung zum Aufbau eines trägerübergreifenden Informationssystems regelt, war auf die allgemeinen Regelungen des SGB X zurückzugreifen. Weil jedoch die Beklagte nicht in unzulässiger Weise Sozialdaten von dem Kläger erhoben und abgespeichert hat, besteht für diesen kein Rechtsanspruch auf Löschung aus § 85 Abs. 2 Satz 1 SGB X. Ein Verstoß gegen § 67 c Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 67 a SGB X ist durch die Befragung des Vermieters des Klägers und dessen Nachbarin nämlich nicht erfolgt. Nach § 67 c Abs. 1 SGB X ist das Speichern durch die Beklagte zulässig, wenn es zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist und es für die Zwecke erfolgt, für die die Daten erhoben worden sind. Der Aufgabenbereich der Beklagten wird sodann durch das SGB II bestimmt. Zu ihren Aufgaben gehört danach, bei Antragstellung die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers nach § 9 SGB II festzustellen. Hierbei hat sie nach § 9 Abs. 2 SGB II bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II gehört auch die Person zur Bedarfsgemeinschaft, die mit dem Antragsteller in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenlebt. Für die Erfüllung ihrer Aufgabe ist es daher für die Beklagte erforderlich, dass sie Sozialdaten darüber erhebt, die eine Beurteilung darüber zulassen, ob der Antragsteller in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt. Aus § 67 a Abs. 2 Satz 1 SGB X ergibt sich sodann, dass die Sozialdaten beim Betroffenen selbst zu erheben sind. Diesen Rechtsgrundsatz der "Ersterhebung" beim Antragsteller hat die Beklagte dadurch berücksichtigt, dass sie an den Antragsteller Antragsformulare ausgegeben hat, in denen er über das Zusammenleben mit einem Partner in eheähnlicher Gemeinschaft selbst befragt wurde. Hierbei haben sich jedoch Zweifel an den Angaben des Klägers ergeben. Diese Zweifel konnten auch nicht durch den ersten Hausbesuch am 01.06.2005 vollständig ausgeräumt werden. Im Hinblick auf diese begründeten Zweifel ist alsdann weiter mitzuberücksichtigen, dass zur Gewährleistung vorschriftsmäßiger Entscheidungen und als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips des Art. 29 Abs. 3 Grundgesetz (GG) in § 20 SGB X der Untersuchungsgrundsatz festgelegt worden ist. Der Untersuchungsgrundsatz beruht darauf, dass das öffentliche Interesse an der Feststellung des wahren Sachverhalts Vorrang vor dem Privatinteresse der Beteiligten hat. Zu beachten ist dabei, dass "eine richtige Entscheidung eine vollständige und zutreffende Aufklärung des Sachverhalts voraussetzt" (BT-Drucksache 7/910, Seite 48 f.). Es ist daher von der Beklagten umfassend zu prüfen, ob der Kläger die für die begehrte Leistung nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt. Denn im Rechtsstaat ist es nicht zulässig, Leistungen "auf zu Zuruf" zu erbringen. Vielmehr bedingt der Vorrang des Gesetzes die Notwendigkeit, entscheidungserhebliche Tatsachen zu ermitteln. Wenn also die Ersterhebung bei dem Antragsteller selbst noch keine abschließende Beurteilung des wahren Sachverhalts erlaubt, ist der Behörde durch den Amtsermittlungsgrundsatz auferlegt, gemäß § 20 SGB X weitere Ermittlungen anzustellen. Hierbei kann sie nach § 67 a Abs. 2 Satz 2 SGB X Sozialdaten auch bei anderen Personen erheben, wenn die Aufgabenerfüllung eine solche Erhebung bei anderen Personen erforderlich macht. Diese Erforderlichkeit war vorliegend gegeben. Wie bereits ausgeführt, bestand für die Beklagte zur Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages die Notwendigkeit zur Erforschung, ob zwischen dem Kläger und Frau B. eine eheähnliche Gemeinschaft vorlag. Die Feststellung einer eheähnlichen Gemeinschaft kann jedoch nur durch die Ermittlung von sog. "Hinweistatsachen" erfolgen, wobei seit dem 01.08.2006 bestimmte Hinweistatsachen eine gesetzliche Vermutung der eheähnlichen Gemeinschaft herbeiführen (siehe § 7 Abs. 3 a SGB II). Abgesehen von diesen in § 7 Abs. 3 a SGB II normierten gesetzlichen Vermutungstatbeständen reicht das Vorliegen einer Hinweistatsache in der Regel nicht aus, um hieraus auf eine eheähnliche Gemeinschaft schließen zu können. Das Bild einer eheähnlichen Gemeinschaft ergibt sich erst aus der Gesamtwürdigung aller ermittelbaren Hinweistatsachen. Hinweistatsachen können sich dabei aus dem Auftreten gegenüber Dritter ergeben (z. B. Vertragsverhandlungen mit Vermietern oder sonstige Außenkontakte mit Dritten). Bei der Ermittlung dieser Hinweistatsachen kann sich die Beklagte sodann der in § 21 SGB X genannten Beweismittel bedienen. Hierzu gehört nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 SGB X auch die Einvernahme von Zeugen. Da sowohl die ehemaligen Vermieter des Klägers als auch Nachbarn Angaben im Hinblick darauf machen können, ob ein Zusammenleben wie von § 7 Abs. 3 a Nr. 1 SGB II gefordert zumindest nach außen hin vorliegt – wie oben bereits angesprochen -, sind diese hier geeignete Beweismittel im Sinne von § 21 SGB X. Deren Befragung steht dann aber nicht der § 67 a Abs. 2 SGB X entgegen, da dieser eine Erhebung bei anderen Personen zulässt, wenn dies erforderlich ist (s. o.); was der Fall ist, wenn dies zur Aufgabenerfüllung notwendig ist und es sich bei den befragten Personen – wie hier – um zulässige und geeignete Beweismittel im Sinne des § 21 Abs. 1 SGB X handelt. Die Beklagte konnte somit zulässigerweise sowohl die ehemaligen Vermieter als auch die Nachbarin Frau M. befragen und die dabei gewonnenen Daten zur Feststellung einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen dem Kläger und Frau B. nach § 67 c Abs. 1 SGB X speichern, also auch in der Leistungsakte festhalten. Insgesamt hat die Beklagte somit ihre Erhebungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen des Datenschutzes durchgeführt, sodass kein Anspruch auf Löschung nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB X besteht.
Die Klage war damit als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 22.02.2007
Zuletzt verändert am: 22.02.2007