Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 10.01.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich im Berufungsverfahren noch gegen die Rücknahme und Erstattung von nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zunächst gewährten Grundsicherungsleistungen wegen nicht angegebenen Vermögens. Betroffen ist die Zeit vom 02.04. bis 30.09.2013. Erstattet verlangt wird ein Betrag von insgesamt 3.814,83 EUR.
Die am 00.00.1970 geborene Klägerin bewohnte zumindest seit 01.01.2013 zusammen mit ihrem Ehemann und den gemeinsamen Kindern T, geboren am 00.00.1997, und L, geboren am 00.00.2010, ein im Eigentum der Klägerin und ihres Ehemannes stehendes Hausgrundstück (Wohnfläche ca. 141 qm, Grundstücksfläche: ca. 211 qm). Für das Objekt fielen monatliche Schuldzinsen i.H.v. 251,47 EUR, ein Heizkostenabschlag von 53,00 EUR und sonstige monatliche Nebenkosten i.H.v. 145,65 EUR, zusammen 450,12 EUR an. Der Ehemann der Klägerin ist verstorben; ausweislich der Sterbeurkunde trat der Todeszeitpunkt in der Zeit zwischen 29.03.2013 und 01.04.2013 ein.
Der verstorbene Ehemann der Klägerin gab zum 31.12.2012 eine sich nicht rentierende selbständige Tätigkeit auf, die Klägerin befand sich in Elternzeit und hatte kein Einkommen, so dass der Familie ab dem 01.01.2013 zunächst nur Einkommen in Form von Kindergeld i.H.v. 2 x 184,00 EUR zur Verfügung stand. Zum 12.03.2013 nahm der Ehemann der Klägerin eine abhängige Beschäftigung auf, das Einkommen floss im April 2013 zu (949,02 EUR brutto bzw. 598,96 EUR netto). Die Klägerin übernahm auf Bitten ihres Arbeitsgebers während der Elternzeit eine befristete Tätigkeit (14.01.2013 bis 31.03.2013). Aus dieser Tätigkeit floss ihr das Einkommen aus März 2013 im April 2013 i.H.v. 968,23 EUR brutto, entspricht 772,90 EUR netto, zu.
Die Klägerin verfügte während der Streitzeit über Vermögen in Form eines Bausparvertrages bei der X (X) mit einem Wert zum 01.04.2013 von 464,62 EUR, zum 01.05.2013 und in den Folgemonaten i.H.v. 498,88 EUR; ferner unterhielt sie ein Aktiendepot bei der F Bank. Auf diesem befanden sich C Fondanteile mit einem Wert von 831,98 EUR, ferner 157 A Aktien, deren Wert in der Zeit zwischen dem 01.04. und 30.09.2013 zwischen 6.571,24 EUR und 8.368,83 EUR schwankte. Es gab in einzelnen Monaten noch geringes Guthaben auf den der Klägerin zuzurechnenden Girokonten.
Die Tochter T verfügte während der gesamten Streitzeit über einen Bausparvertrag bei der X mit einem Wert von 5.293,45 EUR. Das Guthaben ist von der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann über einen langen Zeitraum in monatlichen Raten angespart worden. Die letzte Ratenzahlung erfolgte im Januar 2013 i.H.v. 50,00 EUR. Die Bausparverträge waren binnen einer Frist von 6 Monaten kündbar, die angesparten Beträge wären dann ausgekehrt worden.
Am 03.01.2013 beantragte der verstorbene Ehemann der Klägerin in Absprache mit dieser für sich und seine Familie Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Er machte in der Anlage VM des Formantrags Angaben zum Vermögen der vorgenannten Bedarfsgemeinschaftsmitglieder. Er beantwortete unter anderem die Frage 2.4: "Besitzen Sie oder eine in der Bedarfsgemeinschaft lebende Person Sparbriefe/sonstige Wertpapiere (z.B. Aktien, Fond-Anteile u.a. usw.)?" mit "Nein". Ebenfalls mit "Nein" beantwortete er die Frage 2.6: "Besitzen Sie oder eine in der Bedarfsgemeinschaft lebende Person Bausparverträge?".
Auf Grundlage dieser Angaben und weiterer hereingereichter Belege bewilligte der Beklagte der Klägerin, ihrem verstorbenen Ehemann und den gemeinsamen Kindern mit Bescheid vom 01.02.2013 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 19.03.2013 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Die Leistungsbewilligung wurde anlässlich der Tätigkeitsaufnahme des verstorbenen Ehemannes mit Bescheid vom 21.03.2013 für die Zeit ab 01.04.2013 ganz aufgehoben. Mit Bescheid vom selben Tage kam es zunächst zu einer vorläufigen Bewilligung geringerer Leistungen für die Zeit ab 01.04.2013 bis 30.09.2013. Mit Bescheid vom 08.04.2013 setzte der Beklagte unter Berücksichtigung des Versterbens des Ehemannes die Leistungen für die Zeit vom 01.05. bis 30.09.2013 für die Klägerin und die mit ihr zusammenlebenden Kinder endgültig fest. Er korrigierte diese Leistungsbewilligung zugunsten der Klägerin und ihrer Kinder mit Änderungsbescheid vom 17.04.2013 auf einen monatlichen Leistungsbetrag von 991,75 EUR, wobei er das Beschäftigungsende der Klägerin berücksichtigte. Mit Bescheid vom 23.04.2013 erfolgte die endgültige Leistungsbewilligung für April 2013 (Gesamtbetrag: 478,43 EUR). Hinsichtlich der genauen Höhe der Leistungsbewilligungen und der der Berechnung zugrunde gelegten Parameter wird auf die Bescheide Bezug genommen.
Gegen die Bescheide vom 17. und 23.04.2013 legte die Klägerin am 23.05.2013 Widerspruch ein. Die Leistungsbewilligung reiche nach dem Versterben ihres Ehemannes nicht aus. Die Finanzierung des selbstbewohnten Hausgrundstücks und des angeschafften Autos könnten nicht sichergestellt werden.
Den Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2013 unter der Annahme, der Widerspruch sei erst am 28.05.2013 eingelegt worden, als unzulässig.
Hiergegen hat die Klägerin am 11.07.2013 Klage erhoben, mit der sie zunächst ihr Begehren auf die Gewährung höherer Leistungen weiterverfolgte.
Aufgrund eines Datenabgleichs erfuhr der Beklagte von den oben aufgeführten und weiteren im Erstantrag nicht angegebenen Konten und Bausparverträgen der Klägerin, des verstorbenen Ehemannes und der Tochter T.
Mit Schreiben vom 17.04.2014 hörte der Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Rücknahme der Leistungsbewilligung für die Klägerin und ihre Kinder für die Zeit vom 02.04.2013 bis 30.09.2013 an. Der Klägerin wurde wie folgt vorgehalten: "Sie verfügten bei der X unter der Nr. 001 über einen Bausparvertrag mit einem Guthaben von 464,92 EUR. Bei der F Bank verfügten Sie unter der Nr. 002 über ein Konto aus dem Nachlass Ihres am 01.04.2013 verstorbenen Mannes mit einem Guthaben zwischen 337,58 EUR und 128,39 EUR. Dessen Endguthaben von 884,54 EUR wurde am 03.06.2013 Ihrem Kto. 111 bei der T A gutgeschrieben. Bei der T A verfügten Sie unter der Nr. 111 sowie unter deren Nr. 005 über Konten mit einem differenzierenden Guthaben mit bis zu einem Guthaben von insgesamt 3.700,00 EUR. Dem letztgenannten Konto wurde am 27.03.2013 ein Barumsatz von 1.900,00 EUR, am 10.05.2013 ein Barumsatz von 500,00 EUR, am 23.05.2013 ein Barumsatz von 2.000,00 EUR und am 22.07.2013 ein Barumsatz von 2.300,00 EUR gutgeschrieben. Außerdem verfügen Sie über 157 A AG Namensaktien im Wert von mindestens 6.500,58 EUR (Stand 01.01.2013) sowie über ein C Bank Depot 000 mit einem Wert zum 01.01.2013 von 831,98 EUR. Mit den nachgewiesenen Vermögensverhältnissen einschließlich der gutgeschriebenen Barumsätze sind Sie und Ihre Kinder nicht hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II, so dass ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht mehr besteht. Die fehlerhafte Bewilligung ist erfolgt, weil Sie im Antrag vom 03.01.2013 zumindest grob fahrlässig falsche und unvollständige Angaben gemacht haben, in dem Sie Ihr Eigentum an Aktien und Fondanteilen verschwiegen haben".
Zur Anhörung nahm die Klägerin keine Stellung. Mit Bescheid vom 14.05.2014 hob der Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 02.04.2013 bis 30.09.2013 für die Klägerin und ihre Kinder auf und forderte die Erstattung der erhaltenen Leistungen sowie der ausgelegten Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung. Die Erstattungsforderung für die Klägerin betrug 3.814,83 EUR.
Hinsichtlich des Bescheides vom 14.05.2014, für den sie geltend macht, dass er nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des vor dem Sozialgericht Duisburg bezüglich der Bescheide vom 17. und 23.04.2013 anhängigen Klageverfahrens geworden sei, wendet die anwaltlich vertretene Klägerin erstmalig am 25.11.2015 ein, dass die Aktien nicht ihrem, sondern dem Vermögen ihres Vaters, dem Zeugen V, zuzurechnen wären. Die Aktien seien von dessen Geld erworben worden, sie habe die Aktien sodann für ihren Vater auf ihrem Depot lediglich verwaltet, sie hätten aber weiterhin ihrem Vater gehört.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 23.04.2013 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2013 und unter Einbeziehung und Aufhebung des Bescheids vom 14.05.2014 zu verurteilen, ihr weitere Leistungen zu zahlen, das heißt Kosten für Strom, Gas, Wasser, Grundsteuer, Abfallentsorgung, Versicherung für Gebäude, Hausrat, Kfz-Versicherung, Kfz-Steuer, Kosten für Musikschule, Nachhilfe, Schoko-Ticket, Rechtsschutz, Telefonkosten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, der angefochtene Bescheid vom 14.05.2014 sei rechtmäßig.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 10.01.2017 die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 14.05.2014 sei rechtmäßig. Es habe im streitigen Zeitraum keine Bedürftigkeit bestanden. Es gebe auch keine Möglichkeit, das Aktienguthaben nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen sei der Bescheid vom 14.05.2014 bestandskräftig. Dieser sei nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Die Streitgegenstände der Klage und des Bescheides lägen (inhaltlich) viel zu weit auseinander. Im Ausgangsverfahren ginge es um eine einfache Zulässigkeitsfrage. Der Aufhebungsbescheid habe einen ganz anderen Regelungsgehalt.
Gegen das ihr am 25.01.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.02.2017 Berufung eingelegt. Zu Unrecht ginge das Sozialgericht davon aus, dass der Bescheid vom 14.05.2014 nicht Gegenstand des Verfahrens geworden sei. Streitgegenständlich seien zunächst höhere Leistungen für die Zeit vom 01.04 bis 30.09.2013 gewesen. Durch den Bescheid vom 14.05.2014 habe der Beklagte sodann die Leistungsbewilligung ganz aufgehoben. Er sei daher Gegenstand des Verfahrens geworden. Eine Aufhebung der Leistungsbewilligung käme jedoch nicht in Betracht. Der Klägerin könne keine grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der Nichtangabe des Aktiendepots vorgeworfen werden, denn sie habe das Depot nicht als eigenes Vermögen, sondern als solches des Vaters angesehen.
Die Klägerin hat ihr Verpflichtungsbegehren auf Gewährung höherer Leistungen mit Schriftsatz vom 24.11.2017 zurückgenommen. Sie wolle sich nur noch gegen den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 14.05.2014 wenden. Die auf ihren Namen gehaltenen Aktien seien nicht ihrem Vermögen zuzurechnen. Sie hätte die Aktien für ihren Vater, den Zeugen V, gekauft. Sie stünden in dessen Eigentum. Richtig sei allerdings, dass objektive Unterlagen hierfür nicht eingereicht werden könnten. Es könne vorliegend auch nicht vermutet werden, dass die Klägerin aus dem Vermögen der Tochter Leistungen erhalten würde. Das Vermögen der Tochter übersteige zwar den ihr nach dem SGB II zustehenden Freibetrag. Es sei aber angemessen, auf die insofern günstigeren Regelungen des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII), insbesondere die Empfehlungen zu § 39 SGB XII, abzustellen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Duisburg vom 10.01.2017, den Bescheid des Beklagten vom 14.05.2014 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat im Erörterungstermin vom 07.02.2018 die Klägerin zum Sachverhalt befragt. Diese gibt an, das Depot bei der F Bank ca. 1990/1992 eröffnet zu haben. Sie habe das damals für ihren Vater getan. Das liefe auf Vertrauensbasis in der Familie. Sie habe damals die Aktien als Mitarbeiterin von A günstiger erhalten. Der Vater habe ihr das Geld für den Kauf gegeben. 2014 seien die Aktien dann verkauft worden. Das Geld habe ihr Vater aber nicht ausgezahlt bekommen. Der Vater habe die Aktien verkaufen wollen, um in das Haus der Klägerin zu investieren. Es habe noch offene Darlehen gegeben, die die Klägerin sehr belastet hätten. Ihre Eltern hätten die Darlehen mit dem Aktienverkauf ablösen wollen. Die Dividende, die aus den Aktien erwirtschaftet worden sei, habe der Vater bekommen. Sie habe ihm dieses Geld in bar gegeben oder es sei mit einer Auslage ihrerseits verrechnet worden. Ferner hat der Senat in diesem Termin Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen V. Dieser sagte aus, dass die Klägerin die Aktien für ihn gekauft habe. Er habe ihr die Aktien dann zurückgegeben, weil sie sich in der Familie gegenseitig unterstützten. Wovon er die Aktien bezahlt habe, wisse er nicht mehr. Das sei zu lange her. Dividenden habe er für die Aktien jedoch nicht erhalten. Die habe er der Tochter überlassen, damit diese ihre Schulden habe bezahlen können. Wegen der Einzelheiten der Befragung der Klägerin und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Ergänzend hat der Senat die Klägerin im Erörterungstermin am 20.06.2018 und in der mündlichen Verhandlung am 14.11.2018 auch zu den (fehlenden) Angaben zum Vermögen in Form der Bausparverträge von Klägerin und Tochter befragt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Der Zeuge V ist zu dem Termin am 14.11.2018 aus gesundheitlichen Gründen nicht erschienen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte und der Gerichtsakten verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 14.05.2014 ist rechtmäßig. Zu Recht hat der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid die Leistungsbewilligung für die Klägerin für die Zeit vom 02.04. bis 30.09.2013 aufgehoben und verlangt die gezahlten Leistungen einschließlich der verauslagten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erstattet.
Streitgegenständlich ist vorliegend allein der Bescheid vom 14.05.2014, soweit die Klägerin betroffen ist. Soweit sich der Bescheid auf deren Kinder T und L bezieht, ist er bestandskräftig.
Der Bescheid ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des zum Zeitpunkt des Erlasses bereits anhängigen Klageverfahrens geworden. Ursprünglich waren Gegenstand des Klageverfahrens die Bescheide des Beklagten vom 17. und 23.04.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2013, mit denen auch der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II endgültig für die Zeit vom 01.04 bis 30.09.2013 gewährt worden sind. Bezüglich dieser Bescheide machte die Klägerin das erstinstanzliche Klageverfahren als Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren unter dem 11.07.2013 anhängig. Während des Klageverfahrens erließ sodann der Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14.05.2014. Dieser ersetzt im Sinne von § 96 Abs. 1 SGG die ursprüngliche Bewilligung für die Zeit ab 02.04.2013. Aufhebungsbescheide sind typische nach § 96 SGG in das Klageverfahren einzubeziehende Bescheide (vergleiche B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 96 Rn. 5).
Der Bescheid ist allerdings nur insoweit Gegenstand des Klageverfahrens geworden, als er gegenüber der Klägerin die Aufhebung der Leistungsbewilligung und Erstattung der Überzahlung verfügt. Denn allein die Klägerin war Beteiligte des erstinstanzlichen Verfahrens. Die Klageerhebung erfolgte nur in ihrem Namen und nicht auch in Vertretung der minderjährigen Kinder. Insofern ist der Wortlaut der zu Protokoll gegebenen Klage vom 11.07.2013 eindeutig. Entsprechend hat die Klägerin im Termin am 20.06.2018 die erst mit Schriftsatz vom 24.11.2017 im Berufungsverfahren erklärte Klageerweiterung zu ihren Kindern zurückgenommen.
Das ursprünglich von der Klägerin verfolgte Verpflichtungsbegehren ist von ihr im Berufungsverfahren ebenfalls zurückgenommen worden (Schriftsatz vom 24.11.2017), so dass nur noch das Anfechtungsbegehren hinsichtlich des Bescheides vom 14.05.2014 zur Prüfung steht.
Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14.05.2014 ist formell und materiell rechtmäßig.
Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Die Klägerin ist vor Erlass des Bescheides im Sinne von § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) mit Schreiben vom 17.04.2014 zu der beabsichtigten Aufhebung der Leistungsgewährung und dem Erstattungsverlangen angehört worden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Umfang der Anhörung nicht ausreichend gewesen ist. Unerheblich ist insoweit auch, dass der Beklagte in der Anhörung nicht auf das Vermögen der Tochter der Klägerin in Form des Bausparvertrages abgestellt hat. Denn stellt sich später z.B. im gerichtlichen Verfahren heraus, dass die Behörde eine rechtserhebliche Tatsache übersehen hat, sie sich auch in der Begründung des Verwaltungsakts nicht darauf gestützt hat – wie hier auf den Umstand, dass die Tochter T über Vermögen in Form des Bausparvertrages verfügt, das der Hilfebedürftigkeit der Klägerin entgegensteht -, liegt kein Verstoß gegen § 24 SGB X vor (Franz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage 2017, § 24 Rn. 24; BSG Urteil vom 22.10.1998, B 7 AL 106/97 R). Eine hinsichtlich des Bausparvertrages unterlassene Anhörung ist daher unschädlich. Der angefochtene Bescheid ist ferner hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 SGB X).
Der Aufhebungsverwaltungsakt ist auch materiell rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung ist § 40 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 SGB II (in der hier aufgrund des Rücknahmezeitpunktes maßgeblichen Fassung vom 13.05.2011; vgl. Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 25.04.2018, B 4 AS 29/17 R, bei juris Rn. 10) i.V.m. § 45 SGB X und i.V.m. § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III). Nach § 45 Abs. 1 SGB X ist ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Abs. 2 – 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückzunehmen. Nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X kann sich der Begünstigte dabei nicht auf Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsaktes berufen, wenn dieser auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, wobei grobe Fahrlässigkeit vorliegt, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, § 45 Abs.2 S. 3 Nr. 3 HS 2 SGB X. Der begünstigende Verwaltungsakt ist dann nach § 45 Abs. 4 S.1 SGB X, § 330 Abs. 2 SGB III mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Eine Ermessensentscheidung ist nicht zutreffen.
Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung liegen vor. Die die Klägerin begünstigenden Bewilligungsentscheidungen vom 8., 17. und 23.04.2013 waren zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig. Der Klägerin standen keine Leistungen nach dem SGB II zu, sie war nicht hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 SGB II. Die Tochter T verfügte in Form des Bausparvertrages bei der X über ausreichendes, ihren Freibetrag übersteigendes Vermögen, das der Klägerin nach § 9 Abs. 5 SGB II zugerechnet werden kann.
Der Senat kann insofern dahinstehen lassen, ob auch die Klägerin selbst über Vermögen verfügt hat, das ihrer Hilfebedürftigkeit entgegenstand. Insbesondere kann offen bleiben, ob die A Aktien ihrem oder dem Vermögen ihres Vaters zuzurechnen waren. Auf eine weitere Vernehmung des Vaters als Zeugen kam es mithin nicht an.
§ 9 Abs. 5 SGB II stellt die Vermutung auf, dass in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten lebende Hilfebedürftige von diesen Leistungen erhalten, soweit dies nach ihrem Einkommen oder Vermögen erwartet werden kann. Zur Konkretisierung der § 9 Abs. 5 SGB II zu Grunde liegenden Vermutung bestimmt § 7 Abs. 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V; in der Fassung um 24.03.2011), dass lediglich das Vermögen nicht zu berücksichtigen ist, das nach § 12 Abs. 2 SGB II abzusetzen oder nach § 12 Abs. 3 SGB II nicht zu berücksichtigen ist.
Die Voraussetzungen für die Anrechnung des Vermögens der Tochter sind gegeben.
Die Klägerin lebte mit ihrer Tochter in der streitigen Zeit in Haushaltsgemeinschaft.
Die Tochter T verfügte in der Streitzeit auch über Vermögen in Form des Bausparvertrages bei der X, das den ihr nach § 12 Abs. 2 SGB II zustehenden Freibetrag übersteigt und dessen Berücksichtigung auch nicht nach § 12 Abs. 3 SGB II ausgeschlossen ist. Der Bausparvertrag ist Vermögen. Nach § 12 Abs. 1 und 4 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände mit ihrem Verkehrswert zu berücksichtigen, soweit das Vermögen die Vermögensfreibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II übersteigt. Vermögensgegenstände, die einen Ausnahmetatbestand nach § 12 Abs. 3 erfüllen, sind dabei als Schonvermögen nicht zu berücksichtigen. Die Wertigkeit entspricht dem angesparten Betrag von 5.293,50 EUR. Der Bausparvertrag war auch verwertbar im Sinne der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, da der Berechtigte in der Lage war, die Verwertung innerhalb einer bei Antragstellung feststehenden Zeitspanne durch eigenes Handeln autonom herbeizuführen (vgl. Radüge in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 12 Rn. 63).
Die Vermutung der Erbringung von Unterstützungsleistungen von in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Verwandten und Verschwägerten ist allerdings nur gerechtfertigt, wenn dies nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen erwartet werden kann. Ob und in welchem Umfang Vermögen zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Alg II-V. Nach der Vorschrift ist Vermögen nicht zu berücksichtigen, das nach § 12 Abs. 2 SGB II abzusetzen oder nach § 12 Abs. 3 SGB nicht zu berücksichtigen ist. Nach § 12 Abs. 2 Nrn. 1a und 4 SGB II steht der Tochter ein Freibetrag von jedoch lediglich 3.850,00 EUR zu. Auch ein Berücksichtigungsausschluss nach Abs. 3 der Vorschrift ist nicht zu erkennen, so dass der den Freibetrag übersteigende Betrag von 1.443,50 EUR im Rahmen des § 9 Abs. 5 SGB II Berücksichtigung findet. Aus dem den Freibetrag übersteigenden Betrag war die Tochter der Klägerin zunächst in der Lage ihren eigenen Restbedarf von 81,12 EUR für April 2013 und jeweils 259,09 EUR in den Monaten Mai bis September 2013 zu decken. Der übrige Betrag stand zur Deckung des Restbedarfes der Klägerin i.H.v. 170,41 EUR für April 2013 und von jeweils monatlich 540,83 EUR für die Zeit von Mai bis September 2013 zur Verfügung.
Dies gilt für den gesamten Zeitraum, da das Vermögen in Form des Bausparvertrages nicht verbraucht wurde und in den jeweiligen Monaten des relevanten Zeitraums jeweils in voller Höhe wieder zur Verfügung stand. Ein fiktiver Vermögensverbrauch ist nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG Urteil vom 25.04.2018, B 4 AS 29/17 R, Rn. 18ff bei juris; BSG Beschluss vom 30.07.2008, B 14 AS 14/08 B, Rn. 5 bei juris). Die Berücksichtigung eines fiktiven Vermögensverbrauchs scheidet sowohl in Sachverhalten einer Antragsbewilligung als auch in Sachverhalten einer Aufhebungs- und Erstattungssituation – wie hier – aus (vgl. Sächsisches LSG Urteil vom 18.05.2017, L 3 AS 758/16, Rn. 45 bei juris).
Soweit die Klägerin meint, es müssten bei der Unterstützungsvermutung nach § 9 Abs. 5 SGB II höhere Freibeträge in Analogie zu Regelungen im Sozialhilferecht angesetzt werden, so steht dem die eindeutige Regelung des § 7 Abs. 2 Alg II-V entgegen. Der Senat sieht insofern keine Regelungslücke, welche die Ausfüllung durch eine Analogie zu den sozialhilferechtlichen Regelungen oder zu den für diese ergangenen Empfehlungen zulassen würde. Der Gesetzgeber hat in § 13 SGB II eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen, nach der die Ausgestaltung dafür, welches Einkommen und Vermögen bei der jeweiligen Anrechnung im SGB II nicht zu berücksichtigen sein soll, in Form einer Rechtsverordnung geregelt werden kann. Von dieser Ermächtigungsgrundlage ist die Alg II-V getragen, auch soweit die Einkommens- und Vermögensanrechnung nach § 9 Abs. 5 SGB II betroffen ist (vgl. BSG Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 68/07 R). Der Verordnungsgeber hat sich in Ansehung der bereits zur damaligen Regelung in § 16 Bundessozialhilfegesetz bestehenden Empfehlungen für ein bezüglich der Einkommens- und Vermögensanrechnung bei der Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs. 5 SGB II eigenes sowie auch differenziertes System entschieden. Raum, eine Regelungslücke anzunehmen, bleibt insofern nicht. Auch hat der Senat keinen Anlass für die Annahme, dieses Regelungssystem verstoße gegen höherrangiges Recht. Das BSG hat im Übrigen bereits entschieden, dass die genannten Empfehlungen des Deutschen Vereins zu den Regelungen des SGB XII im SGB II keineswegs bindend sind (vgl. BSG a.a.O.).
Die Vermutung des § 9 Abs. 5 SGB II i.V.m. § 1 Abs. 2 SGB II, dass Hilfebedürftige von mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebenden Verwandten oder Verschwägerten Leistungen erhalten, kann im Einzelfall widerlegt werden, wenn vom Antragsteller Tatsachen benannt werden, die geeignet sind, Zweifel an der Richtigkeit der Vermutung zu begründen (Mecke in Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 9 Rn. 105; Karl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 9 Rn. 192). Derartige Tatsachen sind von der Klägerin jedoch während des gesamten Verfahrens nicht dargetan worden und auch sonst aus den vorliegenden Akten nicht ersichtlich.
Auf schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Leistungsbewilligungen durch die Bescheide vom 08., 17. und 23.04.2013 kann sich die Klägerin gemäß § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X nicht berufen. Denn die Leistungsbewilligungen beruhen auf Angaben, die vorsätzlich unrichtig gemacht wurden. So hat der verstorbene Ehemann der Klägerin bei der Beantragung im Januar 2013 das Bausparguthaben der gemeinsamen Tochter wissentlich verschwiegen, indem er die Frage nach Bausparguthaben mit "Nein" beantwortete. Dass der verstorbene Ehemann der Klägerin von dem Bausparguthaben wusste, ist aus den Einlassungen der Klägerin im Erörterungstermin vom 20.06.1018 zu schließen. Die Klägerin hat eingeräumt, dass das Bausparguthaben von ihr und ihrem Mann in monatlichen Raten von 50,00 EUR über Jahre hinweg angespart worden ist. Zudem hat sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sie ihrem verstorbenen Ehemann zumindest die Unterlagen zu ihrem eigenen Bausparvertrag für die Antragstellung mitgegeben habe. Damit ist die Beantwortung der Frage 2.6 des Formulars VM auch aus diesem Grund wissentlich falsch.
Die Falschangabe ist der Klägerin zuzurechnen. Der verstorbene Ehemann der Klägerin hat die Beantragung im Wissen und in Absprache mit der Klägerin vorgenommen. Der Senat geht insofern von einer Bevollmächtigung des verstorbenen Ehemannes aus (vgl. Schütze in von Wulffen/Schütze, 8. Auflage 2014, SGB X, § 45 Rn. 51a; LSG Hamburg Urteil vom 28.06.2018, L 4 AS 130/17, Rn. 40 bei juris).
Nach § 45 Abs. 4 S. 1 SGB X, § 330 Abs. 2 SGB III waren alle Bewilligungsentscheidungen mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben. Das Fristerfordernis nach § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X ist erfüllt.
Rechtsgrundlage der Erstattungsverwaltungsakte ist § 40 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nrn. 3 u. 5 SGB II in der Fassung vom 13.05.2011 i.V.m. § 50 SGB X und i.V.m § 335 Abs. 1 SGB III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind insbesondere auch angesichts des klägerischen Vortrags zu § 9 Abs. 5 SGB II nicht ersichtlich. Die Regelung des § 7 Abs. 2 Alg II-V ist eindeutig. Dass Regelungen zur Konkretisierung des § 9 Abs. 5 SGB II in der Verordnung von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt sind, hat das BSG bereits entschieden (BSG Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 68/07 R).
Erstellt am: 27.01.2020
Zuletzt verändert am: 27.01.2020